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Ger 3595.5

22 May, 1890. From the Library of PROF. E. W. GURNEY.

Zürich.

Druck von David Bürkli.

Vorwort.

Bald find zwanzig Jahre vergangen, seit Wilda mit dem erften Bande feiner Gefchichte des deutfchen Strafrechts einen noch nie als Ganzes wiffenfchaftlich erfafsten Gegenstand in Angriff nahm, und leider ift fein Werk ohne die Fortsetzung geblieben, welche er in Ausficht gestellt hatte. Wer nun, nach Wilda's Tode, es unternimmt, das unvollendet Gebliebene der Vollendung zuzuführen, mufs nicht allein von derfelben warmen Liebe zur Sache befeelt fein, fondern auch diefelbe Gründlichkeit fich zur Pflicht gemacht haben, die Wilda auszeichnete, und wenn wir erft nach zehn oder zwanzig Jahren eine gute deutfche Strafrechtsgefchichte erhalten, ift der Gewinn ein weit gröfserer, als wenn alsbald eine deutsche Strafrechtsgefchichte in scheinbarer äufserlicher Vollständigkeit geliefert würde. Von diefem Gedanken geleitet und durch langes Studium mit dem grofsen Material bekannt geworden, das hier zu bewältigen ift, gebe ich in dem vorliegenden Buche eine partielle Fortfetzung des Wilda'fchen Werkes, welche, an den Grundgedanken des Vorgängers fich anfchliefsend, auch äufserlich feine Anordnung und Eintheilung möglichft bewahrt hat.

So lockend es an vielen Punkten für mich war, bei der Darstellung des alamannischen Strafrechts auf die Vergleichung des Rechts der übrigen deutschen Volksstämme einzutreten, mufste ich es doch für zweckmässiger halten, mich hier auf mein nächstes Thema zu beschränken. Kaum fürchte ich dabei, dem Vorwurfe des Particularismus mich auszufetzen, denn, wie fehr wir auch für die Zukunft Deutschlands Einheit wünfchen und feine Einigkeit erstreben müffen, Deutfchlands Vergangenheit in dem Zeitraume, den ich zu behandeln hatte, bietet kein Bild deutscher Rechtseinheit. Die Rechtsgefchichte foll aufweifen, was wirklich Recht geworden und gewefen ift, nicht was hätte fein follen, und fie läfst fich nicht aus den Reichsgefetzen conftruiren. Wer fich auf den Fittigen des Reichsadlers in die Lüfte erhebt, wird in ⚫diefer Vogelperfpective das buntgeftaltige Leben auf dem Rechtsboden unter fich nicht in feiner Wahrheit erkennen.

Wenn ich mich bei meinem Gegenftande nicht an einem einigen Deutschland erfreuen konnte, fo gewährte es dagegen Befriedigung, ein gröfseres Deutschland in feinen natürlichen Grenzen vor mir zu haben: der Elfafs, der verlorne Sohn, und die Schweiz, die abgefchiedene Tochter, standen nicht nur auf dem Gebiete meiner Forfchung, fondern boten oft den reichlichften Stoff für die Erkenntnifs der alamannifchen Rechtsentwicklung. Das gilt nicht blofs von den directen Rechtsquellen des Elfafses, fondern ebenfo von den Chroniken. Hat man längere Zeit mit Königshoven, Clofener und Berler verkehrt, fo ift es, als ob man fich plötzlich in ein fremdes Land verirrt hat, wenn in Schöpflin's Alsatia diplomatica die Urkunden mit einem Schlage franzöfifch werden und man Louis XIV. fprechen hört: »Trés chers et bons amis. Par le traicté heureusement conclud de la paix de l'empire le landgraviat d'Alsace nous ayant été cédé avec la protection de dix villes imperiales etc.«, und der alte gemüthlich-naive Berler, der die Widmung feiner Chronik mit den Worten beginnt: >>Kyndliche treuw und pflichtige gehorfamkeit, hertzgelipter liepster Vatter<<, macht ein wunderliches Geficht, wenn er in dem Code historique et diplomatique de la ville de Strasbourg in elegantefter franzöfifcher Verkleidung dem Publicum vorgeführt wird. Die in dem erften Bande diefes prachtvoll ausgeftatteten Werkes enthaltenen Chroniken und ebenfalls die elfäffifchen ftädtischen Rechtsurkunden und die Weisthümer zeigen, wie deutsch der Elfafs war; ein Blick in die Gegenwart lehrt, wie er entdeutfcht ift. Er ist nicht blofs durch politische Maafsregel vom Mutterlande abgeriffen, fondern in den Herzen feiner Bewohner demselben entfremdet; die Schweiz dagegen in ihrer politischen Selbstständigkeit wird, wie auch die fonftigen Intereffen leiten, durch die Rechtsbildung in ihren deutschen Theilen stets zum Reiche des deutfchen Rechts gehören, und fchweizerische Rechtsgefchichte ift ein fchönes Stück deutfcher Rechtsgefchichte.

Den Männern, die fo bereitwillig mit Rath und That mich für meine Arbeit, deren Stoff vielfach nicht leicht zugänglich war, unterstützt haben, fage ich hiemit meinen beften Dank, und kann nur den Wunsch hinzufügen, dafs meine Leistung ihrer Erwartung annähernd entsprechen möge.

Zürich, im September 1860.

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