dehnte und auseinanderriss, dann löste sich wohl manchem dieser Unglücklichen die Zunge zu umfassenden Geständnissen, die Schmerz und Angst eingaben, und die mit der Wahrheit wenig oder gar nichts gemein hatten. Entsprach die Aussage den Erwartungen nicht, so wurde ein höherer Grad der Folter verfügt. Man sagt, dass vermittelst einer oben in der Folterkammer heute noch sichtbaren Öffnung der Verkehr mit dem im Rathaussaale an dessen Westende tagenden Stadtgericht, das durch Schranken und später durch Peter Vischers kunstreiches Gitter abgeschlossen war, unterhalten worden sei. In welchem Masse eine derartige Korrespondenz zwischen oben und unten, ob sie zwischen Gericht und dem unten jedes Winks gewärtigen Henker stattfand, ob sich die im Loch der Inquisition obliegenden Schöffen gleichfalls dieses Mittels zur Verständigung bedient haben, darüber lässt sich eine nähere Auskunft nicht erteilen. Im übrigen sicherte sich auch der Rat einen tiefgehenden, ja unbeschränkten Einfluss auf den Gang des peinlichen Verfahrens. Nicht wenige seiner Entschliessungen bestimmen den Grad der anzuwendenden Tortur und zeigen die Lochschöffen bei der Inquisition als vom Rat durchaus beeinflusst und abhängig. Bis zum Jahre 1502 scheinen Henker und Löwe der Inquisition beständig beigewohnt zu haben. Damals verordnete nämlich der Rat, im Loch und in der Kapelle, darin die Gefangenen tortiert würden, solle ein besonderer Verschlag oder Abschluss >>> unterschid« wie es im Verlass heifst hergestellt werden, damit Henker und Löwe nicht bei dem Bekenntnis der Gefangenen, sondern aufserhalb der Kapelle den Haspel ziehen könnten. 74) Aber nicht stets sind die Gefangenen im Lochgefängnis selbst verhört und >torquiert<< worden. 1474 erhielten, um das hier noch anzuführen, die Ratsherrn Ruprecht Haller und Niklas Gross zugleich mit dem Baumeister vom Rat den Auftrag, sich in der Schürstabin Haus, das, an der Rathausgasse gelegen, nunmehr zum Komplex des sogen. Fünferhauses gehört, nach einer Stätte umzusehen, WO die Gefangenen bequemer und unter weniger Beschwernis für die Schöffen verhört werden könnten. 72) Es will bei der sonst so kläglichen Beschaffenheit der Lochgefängnisse kaum glaublich erscheinen, dass sogar ein Bad in demselben eingerichtet war. Freilich muss gleich auch hinzugefügt werden, dass es vollständig in Vergessenheit geraten war und gewissermassen erst wieder entdeckt werden musste. Man stiefs darauf bei der Einnahme eines Augenscheins im Jahre 1592. Es war schon alt und verfault. Man beschloss daher, ein neues zu bauen, 7 Schuh ins Geviert, von Riegelwerk, gespundet und ausgemauert, mit einem Kostenaufwand für Material, Tagelohn und einem alten Ofen, den man von der Peunt nahm, von 12 fl. 7 und 78.73) Es befand sich gleich bei des Lochwirts Wohnung und war lange Zeit im Gebrauch. Durch eine kranke Person war es, wie ein Ratsverlass vom 30. Mai 1701 ersehen läfst, geraume Zeit zuvor infiziert worden. 74) Damit nun andere sich nicht auch die » Ungesundheit zuzögen, beschloss jetzt der Rat, diesem Unheil abzuhelfen und für den Fall, dass die Sache Grund habe, durch des Baumeisters Veranstaltung, soviel sich thun lasse, Wandel zu schaffen. Die Wohnung des Lochwirts oder Lochhüters befand sich nördlich von den ersten am östlichen Ende des Rathausgässchens eingerichteten Krämen und war teils über- teils unterirdisch. 1516 wurde das Gewölbe neben des Lochhüters oberem Stüblein zu einer Kammer umgebaut, worin er schlafen konnte, die Tür zugemauert und ein kleines, wohlvergittertes Fenster angebracht. 75) Später war hier auch, von des Lochwirts Stube zugänglich, eine Verhörstube, wie dies ein Grundriss vom Jahre 1718 zeigt. Als in diesem Jahre des Lochwirts Weib ihre Niederkunft erwartete, wurde ihr zur Abhaltung des Kindbetts ein Teil des angrenzenden Krams einer Haubenmacherin am Rathausgäfslein mit den geringsten Kosten< zur Stube eingerichtet. 76) Das Lochgefängnis ist noch als Ausgangspunkt der geheimen Gänge merkwürdig, die von hier aus nach verschiedenen Seiten der Stadt ausliefen. 77) Der heute noch häufig begangene, der die Verbindung zwischen Rathaus und Burg vermittelt, ist hochgewölbt, zum Teil durch den Fels gearbeitet, oben aber überall mit Backsteinen ausgemauert. Abzweigungen davon, die in Brunnen ausgehen und von denen eine, in einer Tiefe von etwa 32 Fuss unter der Sohle des Stadtgrabens weglaufend, angeblich in einem Garten hinter dem ehemaligen Sebalder Forsthaus an der Bucherstrasse oder nach anderen weiter hinaus in einem Garten in der Burgschmietstrasse endigt, sind durchaus durch den Felsen gearbeitet und zuweilen so eng und niedrig, dass man sie nur mit Mühe begehen kann. 78) Von den sonstigen Gängen soll einer die östliche Richtung verfolgt und im Wald bei Dutzendteich ausgemündet haben. 79) Bei Gelegenheit von Kanalisierungsarbeiten stiess man vor einigen Jahren auch in der Schildgasse auf einen ziemlich hohen, wohlerhaltenen Gang. Über die ursprüngliche Anlage der unterirdischen Gänge und ihre Bestimmung verlautet in den ältesten Zeugnissen nichts. Wenn man in den Stadtrechnungen im Jahre 1383 auf die Einträge stöfst: >Item dedimus meister Raben 22 haller umb etlich heimlich werk, das er der stat gemacht hat, als Mertein Haller wol weiz« und: >Item dedimus meister Raben 10 30 haller von dem heimlichen ding, daz er den burgern macht, als Martein Haller wol weiz<< 80), so könnte man im ersten Augenblick versucht sein, an Arbeiten an den heimlichen Gängen zu denken. Doch scheinen die angesetzten Posten, namentlich der von 22 Hellern, für eine solche Anlage, selbst wenn die betreffenden Einträge nur Abschlagszahlungen im Auge gehabt haben sollten, zu niedrig, dabei ist die Fassung zu unbestimmt und dehnbar, als dass eine solche Annahme gerechtfertigt erscheinen könnte. In den sechziger Jahren des 15. Jahrhunderts beschreibt der Stadtbaumeister Endres Tucher 81) die Gänge, welche in den Berg gehauen, aber nicht gewölbt waren und drei Wasserzuflüsse vom Stadtgraben vor dem Tiergärtnerthor oberhalb der Brücke beim Vorwerk, vom Sinwelturm und aus dem Vestenberg beim Tiergärtnerthor zusammenführten und weiter zum Röhrenbrunnen auf dem Milchmarkt leiteten. Oben bei der Schmiedgasse verengerte sich zu der Gang und hörte schliesslich ganz auf, worauf das Wasser durch aufgeschüttetes Erdreich zum Trog vor des Tyrolts Haus am Weinmarkt hinablief. Von der oberen Schmiedgasse kam dann noch ein weiterer Gang herab, der mehrfache kleinere Verzweigungen gehabt zu haben scheint. 82) Von einer Verbindung der Burg mit dem Rathaus weiss Tucher indes nichts berichten. Und es ist kaum anzunehmen, dass er geflissentlich davon schweigt. 146279), als eine Anzahl von Bürgern und Handwerksleuten, irregeleitet durch die Wahrzeichen« einer Frau und eines Knaben, von einem Haus in der Kramergasse aus nach einem Schatz gruben, stiessen sie in einer Tiefe von 24 Schuh auf einen Gang, der ganz durch den Felsen gehauen war und zu dem Sammelkasten des Röhrenbrunnens am Milchmarkt hinabführte. Nach oben hin kam man an verschiedene Brunnen in Privathäusern an der oberen Schmiedgasse, ebenso weiter nach dem Tiergärtnerthor hin überall in Gängen, >>die in ganzen fels gehauen waren<«. An einigen Stellen lag noch der Steinschutt darinnen, den man bei Seite räumen musste, um durchzukommen. Fast zwei Monate gruben die Leute nach dem verheissenen Schatz, zuletzt sogar unter der ausdrücklichen Erlaubnis der Herren Aeltern und mit deren Unterstützung, aber ohne allen Erfolg. Endres Tucher selbst fuhr mit ihnen einmal in die Gänge hinab, die bei 12, 18, ja 24 Schuh tief unter der Erde sich hinzogen und kroch die mit ine aus, als weit die geen<<. Wäre damals der Gang vom Rathaus zur Burg bereits angelegt gewesen, so hätte Endres Tucher mit den Schatzgräbern darauf stofsen müssen, als er mit ihnen zum Röhrenkasten am Milchmarkt kam, auch hätte sich für ihn Gelegenheit ergeben, bei der Schilderung der Wasserzuleitung zum Milchmarktbrunnen jenen Gang zu erwähnen. Um so weniger lag ein Grund zum Schweigen vor, als das Baumeisterbuch, in dem er seine Wahrnehmungen niederlegte, zur Information für zukünftige Baumeister dienen sollte und seinem ganzen Charakter nach als eine Art Geheimbuch gehütet wurde. Auch der Rats- und Geschichtsschreiber Johannes Müllner, der in seinen Annalen zum Jahre 1506 die den Brunnen am Milchmarkt speisenden Wasserleitungen mit ihren Gängen ebenso wie Endres Tucher schildert, weiss nichts von einem Gang, der damals Burg und Rathaus verbunden hätte. Nach seiner Darstellung, die zu bezweifeln kein Grund vorliegt, liefs man in dem genannten Jahr den Röhrenkasten am Milchmarkt abgehen und grub an dessen Stelle einen Schöpfbrunnen. Das frei gewordene Wasser aber leitete man jetzt in das Rathaus, wo es den Brunnen zu speisen hatte. Damals wurde indes der Gang noch nicht in seiner jetzigen Breite und Höhe zum Rathaus hinabgeführt, ja, man braucht nicht einmal anzunehmen, dass 1506 und überhaupt bis zum Jahre 1543 die Weiterführung des Wassers vom Milchmarkt zum Rathaus durch einen Gang stattfand, da sie hier auch durch eine einfache Röhrenleitung bewerkstelligt werden konnte. Alle jene Gänge aber, die Endres Tucher und Johannes Müllner 83) schildern und die wir zum Teil noch heutzutage sehr wohl nachweisen können, haben ursprünglich ganz ausschliesslich Wasserleitungszwecken gedient. Weil sie nicht bis zum Rathaus reichten, konnten sie auch nicht einen Ausweg zur Flucht für den Rat darbieten. Um ein Ausfallsthor nach aufsen offen zu halten oder etwa die Aussetzung eines Beobachtungskorps oder Postens zu ermöglichen, waren sie weder hoch, noch breit, noch bequem genug angelegt. Man hätte hier wohl gleich, da es ohne zu grosse Mühe und Kosten hätte geschehen können, ganz andere Verhältnisse und wohl auch andere Auswege geschaffen, als ausserordentlich tiefe und enge Gänge mit schlotartig sich hinaufziehenden Ausmündungen sie gewähren können. Noch in ihrem gegenwärtigen Zustande bieten sie für einen kräftigeren Mann stellenweise Schwierigkeiten, obschon doch anzunehmen ist, dass der durch das an den Wänden heruntersickernde Wasser erweichte Sandstein im Laufe vieler Jahrhunderte sich abgebröckelt hat und durch häufigeres Begehen allmählich abgeschleift und etwas erweitert worden ist. Bemerkt sei auch, dass in amtlichen Aufzeichnungen des Bauamts diese Gänge als »Wassergänge« ausdrücklich bezeichnet werden. 84) Der Gang vom Rathaus zur Burg ist erst im Jahre 1543 angelegt worden. In einem Berichte des Baumeisters von diesem Jahre, 85) der die ausserordentlichen Kosten der vorgenommenen Bauten zusammenstellt, wird die »tholmb, so vom tiergärtnertor under das rathaus gefürt worden«, ein Werk, das der Baumeister für ein besonderes oder Hauptgebäu erachtet, mit einem Kostenaufwande von 2000 fl. aufgeführt. Müllner bemerkt ganz ausdrücklich, dass man 1543 >in einem Gang unter der Erden fünf Schuh weit und acht Schuh hoch aus dem Stadtgraben beim Tiergärtnertor das Wasser zum Brunnen in das Rathaus geführt habe.86) Diese Anlage hing ohne Zweifel mit dem Bau der Bastei der Veste zusammen, die in den Jahren 1538 bis 1545 unter dem berühmten Festungsbaumeister dem Malteser Andrea Fazuni weiter hinaus- Anthonio gerückt und mit den grossartigen Kasematten versehen wurde, die noch heute unsere Bewunderung erregen. 87) In diese Gewölbe, die sich unausgesetzt an der Grabenlinie der Bastei hinziehen, mündet der Rathausgang aus. Er ist gewissermassen ein Teil des Befestigungswerks, dem er einverleibt ist. X Bemerkt sei noch, dass im selben Jahre ein weiterer Dohlengang vom Rosenbad*) an der Schildgasse »verporgen unter dem pflaster<< in die Pegnitz beim Spital mit einem Kostenaufwand von nur 150 Gulden für Steine, Tröge, Seiher und andere Arbeit geführt wurde. 85) Es war dies ein Kanal, wie so viele andere nur dazu bestimmt, das Abfallwasser fortzuleiten. Es ist bezeichnend, dass die Gänge in amtlichen Schriftstücken als geheime gekennzeichnet werden. Und sie wurden in der That geheim gehalten. Der Stadtbaumeister hatte sie alljährlich einer Besichtigung zu unterziehen, woran auch zwei Deputierte des Rats im 18. Jahrhundert wenigstens teilnahmen. Zur Ausbesserung der schadhaften Stellen aber waren wie aus einem Bericht des Wolf Jakob Stromer vom 17. Mai 1611 hervorgeht zwei Steinmetzgesellen in Pflicht genommen, die was sie gesehen und wozu sie gebraucht, verschwiegen und in geheim ihr leben lang zu halten«, angeloben Das Häuserquadrat zwischen Schild- und Brunnengässchen (Brunnengässchen 15). mussten. Als dieser Bericht, in welchem notwendige Reparaturen vorgesehen waren, im Rat zur Verhandlung kam, wurde sogar das Austreten der Ratsschreiber aus der Sitzung für nötig angesehen. 85) Diese ängstliche Geheimhaltung hat ihren Grund ohne Zweifel in dem eigenartigen Charakter der unterirdischen Gänge. Sie bildeten, wie beispielsweise der grosse Rathausgang, ein Annex des Fortifikationswerks der Burg. Dieses war vielleicht schon in früherer Zeit zum Zwecke der Bestreichung des Grabens mit Gängen oder Kasematten versehen gewesen. Mit der Anlage der Bastei wurde dann der Gang zum Rathaus ausgebaut, erweitert und ausgemauert. Nun konnte die so wichtige Kommunikation zwischen dem Rat und der Besatzung der Burg nicht unterbrochen werden, zugleich aber war damit im Fall der Gefahr ein geheimer Weg zur Sicherung des Rats auf der Burg geöffnet. Die sogenannte > Ratssession ad annum 1734 und 173587) bestätigt unsere Aufstellung, indem sie mit Bezug auf den Ratsbehälter der nördlichen Wand der Ratsstube bemerkt: »Alhier soll eine Thür in das Lochgefängnis hinuntergehen, um im Fall der Not in Sicherheit zu seyn«. Der Verfasser dieser Ratssession hat bezüglich des ersten Punktes seiner Bemerkung, die doch auf eine Mitteilung von einer mit der Sachlage vertrauten Seite zurückzuführen sein dürfte, durch die vor wenigen Jahren gemachte Entdeckung einer geheimen, zu den Lochgefängnissen führenden Thür in der Rückwand jenes Schrankes Recht erhalten; sollte er nicht auch wegen des Zweckes dieser Thür gut beraten gewesen sein? Und liegt jene Annahme nicht nahe genug und drängt sie sich nicht auch ohne jene Bemerkung ganz von selbst auf? Aus dem Jahr 1761 ist ein Bericht des Losungsamts über eine Besichtigung des Hauptganges zwischen Rathaus und Burg erhalten, die durch die sämtlichen älteren Herren vorgenommen wurde. 88) Seit 1755 war jede Visitation aus unterschiedlichen Hinderungsgründen unterblieben. Bei den nunmehr im Septemviratskollegium eingetretenen Personalveränderungen hielt man eine neuerliche Besichtigung für geboten. Am Nachmittag des 18. Juni um halb 3 Uhr hatten sich in der Ratsstube die Älterenherren Karl Sigmund Ferdinand Grundherr, Johann Sigmund Pfinzing, Christoph Friedrich Stromer, Johann Adam Rudolf Karl Geuder, Christoph Jakob Waldstromer, Georg Burkhard Haller und Georg Friedrich Pömer, der Baumeister Christoph Andreas Imhof, sowie die beiden Losungsräte Friedrich Karl Scheurl und Sigmund Friedrich Löffelholz eingefunden. Bevor sie ihren Weg antraten, reichte ihnen der Anschicker Walther die gewöhnlichen Sürtouts und Mützen, der Baumeister und der Stadtschlosser Sauer verriegelten und versperrten die Ratsstube, dem Lädlein am Fenster entnahm man die Schlüssel zum sogenannten Einstieg und schloss damit den Wandbehälter auf, hinter welchem jener sich befand. Die Schneckenstiege hinunter beging man zunächst den Gang, der zum Waldamt Sebaldi führte, und die anstossenden Gewölbe bis zum Ausgang neben dem Fünferhaus und von da das Holzgewölbe des Lochgefängnisses. Der Gang zur neuen Tortur und zum scharfen Verhör war schon |