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allen bekannt, man ging daher gleich durch das Kindbetterstüblein, die Küche und Gänge bei den neuen Gefängnissen in die Wasserleitungsgänge bis zur eisernen Thür der Bastion beim Tiergärtnerthor. Von da verfügte man sich in die Hauptbastion vor der Veste und von dort in die dritte beim Vestnerthor. In den Nebenwerken oder Tenaillen wurde der Umgang durch eine kurze Rast unterbrochen. Überall hatte man das Gemäuer, die Schlösser und Anhaltstangen repariert und in gutem Zustande angetroffen. Durch die eiserne Thür des ersten Bollwerks wurde der Rückweg durch die Wasserleitungsgänge in die Ratsstube genommen. Zwei Stunden hatte die Besichtigung gedauert, die wie jene in den Jahren 1714, 1719, 1746, 1752 und 1755 ihren Verlauf genommen hatte. Dem Baumeister sprach das Kollegium für seine Mühewaltung und besonders für das Aufsperren der Thüren den gebührenden Dank aus.

Es kann kaum Wunder nehmen, dass bei der ängstlichen Geheimhaltung der unterirdischen Gänge selbst vor den Augen der weitaus meisten Mitglieder des kleineren Rats sich die Volksphantasie ihrer bemächtigte. Wie man sich hier in den sonderbarsten Vorstellungen und Erdichtungen erging, zeigt eine Schilderung aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die sich zwar selbst als eine wahrhaftige<< ankündigt, in der That aber mehr romantisch als wahr erscheint. 79)

Sie bemerkt zunächst, dass die Lochgefängnisse zugleich mit dem Rathaus erbaut worden seien und obschon es schon vordem solche Gefängnisse gegeben, so seien sie doch nicht von einer solchen Weitläufigkeit und mit verborgenen Gängen verbunden gewesen. Beim Eingang des Lochgefängnisses unten zur rechten Hand im neuen Gang, so fährt dann die Beschreibung fort, befindet sich ein mannshohes eisernes Thürlein, bei dessen Eingang eine starke Mauer, worin ein Stein, mit einem Kreuz bezeichnet, sich befindet. Mit geringer Mühe kann derselbe aus der Mauer gehoben werden, und es kann jetzt ein starker Mann durch das Loch ohne Anstoss gebückt durchgehen. Dann tritt in diesem Loch noch eine eiserne Thür mit vier grossen Schlössern zu Tage, deren Schlüssel in der Losungsstube in einer mit einem doppelten Q bezeichneten Truhe verwahrt liegen. Öffnet man aber diese Thüre, so kommt man zu einer Stiege mit 17 Staffeln, an deren Ende eine finstere, mit viel Eisenwerk versehene Kammer sich befindet, die den geheimen grossen Schatz der Stadt verbirgt. Von hier geht man geraden Weges durch eine weitere und dann noch durch 16 eiserne, mit grossen Schlössern allenthalben scharf vermachte Thüren, bis man ein Licht erblickt, das zwischen dem Tiergärtnerund Lauferthor durch ein eisernes Gitter bei einer Bastei vom Graben herunterscheint. Das Gitter aber gehört zum Lochgefängnis.

Wenn man zu Eingang des Lochgefängnisses zur linken Hand weitergeht, so kommt man durch 72 Thüren, bis man Licht erblickt. Bei der vierzigsten Thür, unweit des Zeughauses, wurde Seifried Koler, ein alter Herr des Rats, weil er die Stadt dem König von Frankreich hatte zuspielen wollen und schon einige französische Soldaten in Weiberkleidern hatte einschleichen lassen, wegen seines hohen Alters eingemauert.

Zu Ende der 72 Thüren findet sich noch eine weitere. Wird sie geöffnet und das Steinwerk, das davor liegt, weggeräumt, so kommt man in ein dichtes Gebüsch im Dutzendteicher Wald. Dieser Ausgang ist vom Dutzendteich auf der linken Seite 2117 Schritte entfernt, zum Kennzeichen stehen an der Stelle 3 im Dreieck gestellte Tannenbäume, und gleich daran ein Gebüsch von Kreuzbeeren, worin einstmals etliche Schwarzbeermenscher den Ausweg gefunden und dem damaligen Bürgermeister Georg Koler Mitteilung gemacht, dass sie einen Schatz gefunden, worüber eine eiserne Thür angebracht wäre. Nachdem dann Georg Koler dies bei Rat berichtet hatte, wurde jener Ausgang besser verwahrt, den Weibern aber bei Leib- und Lebensstrafe ewiges Stillschweigen auferlegt.

Durch alle diese Gänge nun gehen alle Jahre die zwei ältesten Herren des Rats mit einem Kanzlisten und dem Stadtschlosser, dem während des Gehens die Augen verbunden sind, die erst wieder geöffnet werden, wenn man zu einer Thür kommt. Bei dieser Gelegenheit werden die Schlösser visitiert und, soweit in der Eile geschehen kann, repariert.

So der Bericht, der den Stempel des Unwahrscheinlichen und Erdichteten an der Stirn trägt. Diese ausgedehnten Gänge mit ihren Heimlichkeiten, märchenhaften Verschlüssen und Ausgängen, haben wohl kaum jemals bestanden, wie sie hier geschildert werden. Dabei muss es als höchst verdächtig auffallen, dass dieser angebliche Bericht den Verhältnissen, soweit sie heute noch erkennbar hervortreten, in keiner Weise Rechnung trägt. Je mehr man ihn betrachtet, um so mehr erscheint er in seiner romantischen Ausstattung als eine wilde Ausgeburt einer müssigen Einbildungskraft, worin nur ein winziger geschichtlicher Kern zu entdecken ist.

Es wird übrigens heutzutage kaum noch möglich sein, das allem Anscheine nach weitverzweigte Netz der unterirdischen Gänge zu rekonstruieren. Die Eingänge sind jetzt verbaut, und die Gänge zum Teil wohl verfallen und verschüttet. In hohem Grade aber ist es zu bedauern, dass ein Plan über ihre Ausdehnung und Verzweigung sich nicht erhalten hat. Und es hat in der That solche Pläne gegeben. Am 10. September 176289) berichtet der damalige Baumeister Christoph Andreas Imhof, der vom Rat zur Ausbesserung des Risses vom Lochgefängniss beauftragt worden war, er sei wegen empfindlichen Abganges seines Augenlichtes nicht im Stande gewesen, diese Arbeit selbst vorzunehmen, doch sei durch die geschickte Hand des Anschickers Johann Leonhard Maximilian Keil dem Schaden in doppelter Weise abgeholfen worden, indem derselbe »nicht nur den alten Kartenriss gehöriger Orten wieder zusammengefüget, sondern auch anderweit decopiret und das Lochgefangnus etwas gröfser hergestellet; über dieses aber annoch die unterirdischen Gänge in und aufserhalb der Stadt in der beigelegten Grundrisskarte zu. mehrerer Beleuchtung dieser Geheimnisse mit einer rothfarbigen Linie vorstellig gemacht.<<< Der Stadtbaumeister, der die drei Risse dem Rat in Vorlage bringt, empfiehlt den Verfertiger oberherrlicher Gnade und Protektion. Für seine Sorge und Mühe spricht ihm der Rat den gebührenden Dank aus und

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beauftragt ihn zugleich, dem Anschicker »zu fernerweiten Aufmunterung seines
Fleisses ein beliebiges Douceur aus der Amtskasse zuzustellen«. Wenn es
einmal gelänge, diesen Riss aus der Verborgenheit, in der er vielleicht noch
ruht, an das Tageslicht zu ziehen
mit einem Schlage würde er über
Umfang und Richtung der unterirdischen Gänge die längst erwünschte Klar-
heit verbreiten!

Durch die mehrfachen Restaurationen, die das alte Rathaus im Laufe von beinahe sechs Jahrhunderten erfahren, hat sich dessen ursprüngliche

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Physiognomie mehr oder weniger verändert. Am entschiedensten hat sie sich ohne Zweifel auf der Ostseite erhalten. Aeusserlich tritt hier der durch ein mächtiges Rundbogenfenster mit gotischem Masswerk durchbrochene Giebel hervor, dessen Fläche durch vom Gesimse aufsteigende starke Lisenen abgeteilt wird. Diese gehen fialenartig über die zwischenliegenden, durch gekuppelte Bögen belebten Füllungen hinaus und sind oben durch Kupferdächlein mit Kugeln abgeschlossen. Ein einfaches gotisches Chörlein inmitten zweier Fenster gleichen Stils ziert das darunter liegende Stockwerk. Bis auf einzelne Zuthaten späterer Zeit, wie z. B. die aufgesetzten Kugeln, darf diese Architektur als die ursprüngliche angesehen werden. *) Das den Giebel bekrönende Türmlein, in dem das Rats

*) Abbildung der Ostseite s. Kapitel VI.

glöcklein hängt, wurde erst 1620 errichtet. Vorher hing dieses in einem Dach türmlein hinter dem Westgiebel, musste aber infolge des Abbruchs i. J. 1619 seinen alten Platz räumen und wurde am 16. November des folgenden Jahres auf der Ostseite aufgehängt.9°)

Der Ostseite entsprach die im Jahre 1616 gefallene westliche Giebelseite. Wie ältere Rathausprojekte zeigen, war der Westgiebel durch ein wirkungsvolles Rundfenster durchbrochen; ausser dem Stadtwappen und dem Reichsadler, die am alten Rathause und dessen früheren Anbauten wiederholt zu sehen sind, war oben am Giebel noch das böhmische Wappen angebracht; die Zwischenräume der Fialen waren durch phantastische Figuren, blasende Tritonen belebt,*) 94) ohne Zweifel Zuthaten späterer Zeit, die indes eine malerische Wirkung nicht verfehlten.

Unten aber, im Erdgeschosse, befanden sich eine Reihe von Gelassen, die schon damals den Tuchscherern eingeräumt sein mochten, während sonst noch mancherlei Kräme und Brotbänke schon in frühester Zeit an das Rathaus angebaut waren und sich über die Strasse nach der St. Sebaldkirche hin ausdehnten. Um die nicht unbedeutende Summe von 4237 13 Schillinge und 3 Heller löste der Rat im Jahre 1424 alle diese Kräme und Bänke, deren Zahl sich auf 40 belief, mit den darauf ruhenden Lasten vollständig ab. Die sich anschliefsenden Restaurationsarbeiten fanden in der Bemalung des äusseren Rathauses, hinden, vornen, neben und under dem rothause«, sowie zweier Stuben und der Ausbesserung des Gemäldes im rothause innen«, d. i. auf dem Saal, durch den Maler Meister Berchtold ihren Abschluss.92)

Es mag noch Erwähnung finden, dass die am Rathause angebrachte goldene Rose, die als Zeiger diente, auch wohl dem Jahre 1423 angehört. Bezahlt wurde sie allerdings erst zwei Jahre später und der dafür berechnete Posten von 1 und 15 Schillinge Heller steht mit der Bemerkung: »das vordem vergessen und unbezalt was beliben« in der Stadtrechnung verzeichnet. 93)

Die Restauration von 1423 beseitigte indes nicht die Tuchschererläden, die unter dem Rathaus selbst sich befanden, aber über die Umfassungsmauer hinaus unter einem Dächlein etwas nach der Strafse hin vorstanden. 94) Bis zum Jahre 1483 waren sie dem Gewerbe der Tuchscherer ausschliesslich eingeräumt. Als aber damals jenen unter ihnen, die Bürger, Meister und verheiratet waren, das Recht zugestanden wurde, überall in der Stadt Läden zu errichten, darin zu scheren und feilzuhalten, 95) kamen hier aufser den Tuchscherern, die nunmehr nicht mehr allein auf den engen Raum, den das Rathausgässchen bot, angewiesen waren, auch andere Gewerbe vor. Immerhin aber behaupteten die Tuchscherer vorläufig noch das Vorrecht auf die Rathausläden, bis sich allmählich andere Gewerbe mehr und mehr eindrängten, und die Gasse sogar ihren alten Namen, den sie von den Tuchscherern erhalten, mit dem des Buchgäfschens vertauschen musste. Den letzteren Namen gab ihr das Gewerbe der

S. den Prospekt bei Seite 12.

Buchführer oder Buchhändler, wie wir sagen würden, die hier ihre Bücher und Bilder feilhatten.

Von den Buchführern, die unterm Rathaus Kramläden hielten, nennen wir den bekannten Hans Guldenmund, der, wie Albrecht Dürer und andere Künstler, seine eigenen Erzeugnisse verlegte und vertrieb. Vor ihm hatte der Buchführer Bernhard Vogel den Laden innegehabt, nach ihm erhielt ihn der gleichfalls nicht unbekannte Hans Taubmann. Ausser einigen Tuchscherern, die hier immer noch ihren Platz behaupteten, stofsen uns fernerhin auf Friedrich Spengler oder Peyppus, eine berühmte Buchhändlerfirma, der Buchführer Bernhard Vischer, der Formschneider Hans Weigel und andere.96)

Aber auch unter dem südlichen Rathausdurchgang, der einfach unterm Rathaus<< hiess, schlugen Buchführer neben anderen Händlern ihre Buden auf. Schon 1512 liess der Rat einem Fremden, der unter dem Rathaus >Kunstbriefe« verkaufte und unter diesen einige mit Albrecht Dürers gefälschtem Handzeichen, gebieten, dieselben zeichen abzuthun und der kains hie fail zu haben, oder wo er sich des widere«, *) solle man im dieselben brief alle als ein falsch **) aufheben und zu ains rats handen nemen. « 97) Als im Jahre 1523 viele Briefe, Gemälde und Büchlein gegen den Papst, den Kaiser und den König von England unterm Rathaus feilgehalten wurden, verbot der Rat den Verkauf. 98) 1527 wird ein Buchführer Caspar unterm Rathaus genannt, auf dessen Hab und Gut Beschlag zu legen der Rat einem gewissen Modschiller gestattet. 99) 1532 lehnt es der Rat dem Veit Stoss ab, seine kunst« in der Frauenkapelle feil zu haben, dagegen will er ihm das Portal des Predigerklosters oder das Rathaus für ein malstatt<< einräumen. 100) Im Jahre 1533 ergieng ein Verbot gegen alles Feilhaben unterm Rathaus mit der weiteren Anordnung, dass dieses selbst mit allen dingen zum saubersten« gehalten werden solle.***) Aber der Erfolg dieses Mandats war nur von kurzer Dauer. So wurde, um ein Beispiel anzuführen, 1548 einem fremden Krämer erlaubt, seine niederländischen gemalten Tücher acht Tage lang unterm rathaus<< feilzuhalten, ihm aber das Aufstellen von Truhen untersagt.102)

Ausser den nach dem Rathausgäfschen hinausgehenden Tuchschererläden waren noch weitere Kräme im Erdgeschoss an Handelsleute aus den verschiedensten Erwerbsklassen in Miete gegeben und zwar im ältesten Rathause sowohl, als auch in den vom Rat erworbenen vormaligen Privathäusern. Unter dem später zu erwähnenden Zollnerschen Haus hatte, wie das Zinsmeisteramtsbuch von 1480 und den folgenden Jahren ausweist, kein Geringerer als Albrecht Dürers Vater, der Goldschmied gleichen Namens, des Holper Eidam, einen Laden, daneben der Schwertfeger Fritz Sturm, in dem anstofsenden, unmittelbar an das alte Rathaus grenzenden Grundherrischen Haus waren Läden oder Kräme an den Goldschmied Ulrich Feuchter, an Mathes Sidelmann und den Salwirt***) Hans Müllner vermietet. 96) Im alten Rathaus aber

weigere. **) Betrug.

***) ursprünglich: sarwerke, sarwürke, sarwürhte; schliesslich abgeschwächt in sar- und salwirt Panzermacher.

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