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um einen Vor-, seltener einen Zunamen, einen Bischofssitz, ein Land, eine Zahlangabe, ein Datum zu ergänzen. Dahin gehören alle diejenigen Stellen, wo auch A(W) den gleichen Mangel offenbart oder auch vertuscht. Ich begnüge mich, auf das an solchen originalen Lücken besonders reiche Kapitel 39 zu verweisen; hier fehlen, in A meist durch N. markiert, die Namen des Herzogs von Sachsen (56, 20), eines brandenburgischen Ritters (57, 14), der Töchter des Königs von Aragon und des Grafen von Savoyen (58, 16. 17), des Grafen von Katzenellenbogen (58, 19) und schließlich dicht vor dem Schluß des Kapitels (59, 18) eine genauere zahlenmäßige Angabe der in der Schlacht am Morgarten gefallenen (2/3 Zeilen). Für keine einzige dieser Lücken bringt eine der späteren Handschriften zuverlässige Ergänzungen.

Matthias von Neuenburg hat aus seinem vielfach lückenhaften Entwurf heraus wiederholt neue, z. Thl. erweiternde Ausgaben seiner Chronik veranstaltet oder veranstalten lassen, ohne jemals an die Beseitigung der ursprünglichen Mängel und Flecken zu denken! Und wie die Säuberung und Ergänzung des Concepts, so unterblieb auch die beabsichtigte oder erwartete Revision unserer Handschrift. Von den 34 resp. 36 offenen Lücken sind nur zwei nachträglich ausgefüllt worden: einmal in dem nur in B überlieferten Kap. 63 der Name der Stadt Alizier (Algesiras) 97, 2 von einem andern, aber gewis gleichzeitigen Schreiber, dann von anscheinend jüngerer Hand in Kap. 24 (25, 1) der Name der Königin Anna (der Gemahlin Rudolfs). Daß dieser überhaupt offen blieb, läßt sich wohl so erklären, daß Matthias durch den Widerspruch jenes officiellen Namens der Königin mit der Angabe der ihm zur Verfügung stehnden hohenbergischen (?) Materialien, wo sie mit ihrem Taufnamen Gertrud hieß, in Verlegenheit gesetzt wurde.

Wir wollen nun noch die Randnotizen und die Rubra der Handschrift kurz betrachten. Von dem oben notierten Johi zu 60, 19 abgesehen kommen Nachträge nur ganz spärlich vor. In Kap. 45 (65, 5 f.) war der Schreiber von equis auf quis abgeirrt, bemerkte aber den Fehler sofort und trug die ausgelassenen Worte unten am Rande nach. Zu Kap. 64 (97, 17) hat er die Datierung dicht über der Spalte, mit deren erster Zeile das Kap. schloß, eingefügt. Nur einen einzigen wirklichen Nachtrag weist die Hs. auf: am obern Rande über der gleichen Spalte (CCLIIa) findet sich ein selbständiger Satz, auf den ein Verweisungszeichen im Text die Aufmerksamkeit lenkt:

Cui9 relcam ad VII anos fili9 Joh Bohemie

comes I Lûzelnb'g duxit uxorem.

Es besteht kein Zweifel, daß dieser Zusatz schriftstellerisches Eigenthum des Matthias ist, denn 1) findet er sich im Context der Hss. A, U, C; 2) weist er das charakteristische ad annos (für post annos) auf, das M. auch bei der ähnlichen Vorausweisung 65, 25 braucht. Gleichwohl ist es durchaus unwahrscheinlich, daß dieser Hinweis auf den März 1352 schon im Concept stand, als unsere Hs. abgeschrieben wurde: 1) läge hier die einzige Auslassung eines ganzen Satzes vor, für dessen Uebersehen kein graphischer Grund nachweisbar ist; 2) böte dieser Eintrag den einzigen Anhalt, wäre das einzige Ergebnis einer Collation des Textes, der doch sonst voller uncorrigierter Fehler steckt; und 3) die Hand, von der dieser Nachtrag herrührt, ist, wie es scheint, weder an dem Matthiastexte noch an einer der vorausgehenden Partieen beteiligt1). Ich halte es nicht für unmöglich, daß es die Schrift des Matthias selbst ist, der unmittelbar nach der Vermählung des böhmisch-luxemburgischen Prinzen das Ereignis in sein Originalexemplar und gleichzeitig in diese frühste Abschrift eintrug.

Ich

Von den in Rotschrift nachträglich eingefügten Kapitelüberschriften) hat Soltau (Progr. S. 6) behauptet, sie seien dem Original wie V und der Vorlage von AWU fremd gewesen. werde den Beweis führen: 1) daß die Vorlage, das Autographon des Matthias, bereits Ueberschriften besaß, und 2) daß die ganze Rubricatortätigkeit des Schreibers a der Berner Hs. (b hat nicht rubriciert) sich unter den Augen des Matthias abspielte.

An die Verwendung der roten Farbe gieng der Schreiber a erst, als er mit seiner Textkopie zu Ende war. Aber er hatte von vorn herein den Raum für die Ueberschriften freigelassen, und daß er dabei auf seine Vorlage Rücksicht nahm, beweist das verschiedene Maß der Aussparung: so hat er beispielsweise für Kapp. 23) und 24 je zwei Zeilen, für Kapp. 25-29 je eine, für Kapp. 30 und 31 wieder je zwei Zeilen freigelassen und jedesmal paßt es zum größern oder geringern Umfang der Ueberschrift. Freilich geht das so nicht durch, vielfach ist zu wenig, in den spätern Teilen bisweilen zuviel Raum vorbehalten. Offenbar waren die Ueberschriften öfters nur skizziert oder gar nur markiert, und die Abbreviaturen mögen hier noch häufiger als sonst gewesen

1) Gegen Studers Annahme, daß es der Schreiber b sei, spricht namentlich die verschiedene Form der Abkürzung in big. Ich will aber hier nicht verschweigen, daß ich diesen Schreiber b lange für Matthias selbst gehalten habe: trotz den in Studers Apparat leicht ersichtlichen Textfehlern.

2) Die Kapitel zahlen bei Studer rühren vom Herausgeber her.
3) Bei Studer verdruckt: 24,

sein. Anderseits ist es für jeden, der die sinnentstellenden Varianten von B auch nur bei Studer durchmustert und die Abwesenheit irgend einer sinnreichen Conjectur oder Ergänzung gegenüber den Fehlern und Lücken des Originals constatiert hat, zweifellos, daß die Intelligenz dieses Schreibers auch nicht zur selbständigen Stilisierung der Ueberschriften ausreichte. Dazu kommt, daß zwei jener von unserem Schreiber bewahrten Lücken sich in Ueberschriften finden: in der zu Kap. 38 wollte Matthias offenbar hinter imperatore noch ein markantes Beiwort für Ludwig den Baier einschalten, ähnlich wie im vorausgehnden Kapitel bei Heinrich VII. strennui1) — oder er wollte die Zahl beifügen und schwankte noch zwischen III u. IV. Bei Kap. 120 lag die Absicht vor, den im Text ausgelassenen Namen der zweiten Gemahlin Karls IV., der Pfalzgräfin Agnes, wenigstens in der Ueberschrift nachzuholen.

Aber der Anteil des Matthias an diesem Teil der Schreiberarbeit geht weiter. Wenn der Kopist das ganze Kapitel 38, in dem sich der Autor selbst zu der schwierigen Darstellung der Geschichte Ludwigs des Baiern anfeuert, rot unterstreicht, so entspricht er damit gewis unmittelbar der Absicht des Chronisten, der auf dies rhetorische Bravourstück stolz sein mochte 2). Ja als der Schreiber eben mit dem Minium bei Kap. 104 (Litauerkämpfe von 1348) angelangt war und wahrscheinlich keine andere Tinte. zur Hand hatte, veranlaßte ihn Meister Matthias, der ihm bei dieser Gelegenheit öfter über die Schulter gesehen haben mag, am Außenrande von Bl. CCLXIII noch rasch eine Notiz über Person und Familie des im Text nicht namhaft gemachten Deutschordensmeisters anzubringen 3). Da dieser Zusatz den Heinrich Dusemer offenbar noch als im Besitze der Hochmeisterwürde betrachtet er legte sie im September 1351 nieder und starb bald darauf darf man auch ihn, in bescheidener Weise, zur Stütze der anderweit gewonnenen Datierung des Codex heranziehen. Auch die (rote) Durchstreichung von Friburg et vor Furstenberg in Kap. 10 (Stud. 8, 3 merkt nichts an) hat gewiß Matthias selbst veranlaßt. Die Nachtragspartie des Schreibers b (Studer 66, 21 Cui 77, 8 Ecce umfassend) entbehrt der roten Kapitelüberschriften, für

1) Bei Studer (nicht bei Huber S. 180) ist dies Wort ausgefallen.

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2) Die Wirkung dieses Abschnitts bei Studer und Huber wird in verdrießlicher Weise abgeschwächt durch Voranstellung eines in der Hs. über der Spalte stehenden Nota bene; derartige Randverweise ziehen sich durch unsere wie durch tausend mittelalterliche Handschriften und gehören selbstverständlich nicht in den Text.

3) Studer S. 151 N.*, Huber S. 256, wo ich aber statt magisterium lieber magistratum lesen möchte.

die aber stets ausreichend Raum gelassen ist. Bei der Anfertigung des Registers scheint dieser Teil schon vorhanden gewesen zu sein, denn es wurden dafür 12 Zeilen freigelassen, und das paßt genau auf die 6 neuen Kapitel; beweisend ist es nicht, denn man sparte in diesem Register vorsichtshalber auch für Spalten aus, die niemals beschrieben worden sind.

Daß diese Ergänzung aus einem Brouillon des gleichen Ursprungs wie der Hauptteil geflossen ist, glaub ich wahrscheinlich machen zu können. Die Orthographie der Eigennamen ist nämlich so genau die gleiche wie beim Schreiber a, daß sich dies kaum aus der Heimat und Schreibschule allein erklären läßt: ich erwähne1) die durchgehnde Schreibung Lupoldus und anderseits Lützelnb'g, Slûsselbig, daneben aber Nurenb'g, O'tingen; das feste uo und ie in Rudolfus, Lichtenbig, das y in Sygenouwe, Kyburg, das tz in Sletzstat, Geroltzecke, das schwanken zwischen Ludowicus und Ludewicus alles wie bei a und offenbar aus der gleichen, originalen Quelle übernommen 2).

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Ueber den Grund, warum diese klaffende Lücke zunächst von a gelassen werden mußte und später auch von b nicht genügend ausgefüllt werden konnte, läßt sich nur eine Vermuthung aussprechen als a das Kapitel 47 erreicht hatte, fand er das auch sonst vielfach unfertige Originalmanuscript in einem Zustand, der seiner Kopiertätigkeit ein Ziel setzte; er brach also auf Bl. CCXLVI1 unten mitten im Kapitel ab, ließ sich bescheiden, wie viel Raum er etwa lassen müsse, und fuhr dann auf Bl. CCXLIX oben mit unserm Kap. 54 bei einem ganz neuen Thema fort. Was dazwischen lag, die Kämpfe zwischen Ludwig und Friedrich und König Ludwigs Romfahrt, das waren begreiflicher Weise für den Autor schwierige Kapitel, und mit dem letztern Gegenstand ist Matthias ja offenbar niemals recht fertig geworden: was die Hss. AWU bieten, ist doch nur eine dürftige Flickarbeit. Was er aber im J. 1350 oder 1351 dem Schreiber b, vielleicht auf das Drängen des Bestellers der Handschrift, zur teilweisen Ergänzung der häßlichen Lücke auslieferte, war zwar gut ausgearbeitet, aber ein Fragment.

Wo immer unsere Prüfung einsetzte, die Entstehung der Handschrift, ihr ganzer Habitus und viele ihrer Aeußerlichkeiten ließen sich nur verstehn, wenn wir uns die Schreiber zu Straßburg in unmittelbarer Nähe des Matthias von Neuenburg arbei

1) Studer und Huber sind in der Schreibung vielfach ungenau.

2) Natürlich soll die Gesamtheit und nicht das Einzelne zum Beweis dienen,

tend vorstellten. Daß M. die gröbsten Mängel unbeseitigt und neue reichlich hinzukommen ließ, während er sich anderseits um Dinge wie die Kapitelüberschriften zu kümmern schien, das ist in dem Bilde dieses Mannes kein neuer und unverträglicher Widerspruch. Wurde der Kalender, der nach Fertigstellung der Handschrift unmittelbar vor dem Register in Angriff genommen ward, mit Wochentagen und Schalttag direct auf das Jahr 1352 eingerichtet, so ist die Entstehung des Codex im J. 1351 (oder allesfalls 1350/51) von hier aus gegeben, und nichts von dem, was wir von chronologischen Anhaltspunkten und Beziehungen ermittelt haben, widerspricht dieser Datierung.

Es ist hier nicht meine Absicht, in die Discussion über das Verhältnis der Handschriften und Ausgaben der Matthiaschronik einzutreten. Wenn ich nachgewiesen habe, daß die Berner Handschrift in Straßburg, bei Lebzeiten des Matthias und wahrscheinlich unter seinen Augen entstand, so ist damit allerdings für die weitere Erörterung dieser schwierigen Fragen ein fester Ausgangspunct gefunden, wie er bisher fehlte. Einfälle wie der von Studer S. VI und bes. S. XIV ausgesprochene, daß die in den übrigen Hss. fehlenden Kapp. 38 und 89 Zuthaten des Schreibers [!] von Cod. B' seien, können nun nicht mehr Geltung gewinnen 1). Gerade jene beiden Kapitel sind für die Geschichte des Werkes und die Persönlichkeit des Matthias charakteristisch: beide bezeichnen Stationen in der vielfach unterbrochenen Arbeit, und da sie mit ihrem rein rhetorischen Charakter keinen Fortschritt der Erzählung bringen, ist es durchaus verständlich, daß der Autor die betr. Blätter später aus seinem Brouillon herausnahm, als sich weitere Interessenten meldeten und ihn baten, eine Abschrift nehmen oder nehmen lassen zu dürfen. Ich habe den Eindruck, daß die beiden Stücke direct für das Vorlesen bestimmt waren. Speciell das Kapitel 89 mit seinem pathetischen Eingang 'O dure mensis Julii!' und seiner in Ausrufen und Fragen sich erschöpfenden Zeitschilderung ist gewis unter dem unmittelbaren Eindrucke dieses 'harten Julimonats' (1347), noch vor dem Eintreffen der Nachricht von der Einnahme Calais' (4. Aug.) geschrieben worden "). Dem widerspricht es nicht, daß schon das Kapitel 36 (St. 43, 3) einen Satz enthält, der auf das Jahr 1349 hinweist und der sehr wohl später eingefügt sein kann.

1) Es bleibt unbegreiflich, wie Studer dem verderbten Text von Kap. 89 gegenüber, um dessen Emendation er sich selbst bemüht, auf diesen Gedanken kommen konnte.

2) Vgl. übrigens hierzu schon Huber im Arch. f. öst. Gesch. LXIII 253 f.

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