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und Notizen unterbringen, die auch der junge, noch nicht auf der Höhe der alles und jedes Lückenhafte und Controverse umfassenden Beobachtung des Veteranen stehende Historiker nach Durchsicht eines solchen Materials besitzen wird, und über welche also auch ich verfüge. Ich glaubte, in diesem ersten Versuche nur einige Punkte auswählen zu sollen, die aber geeignet wären, den Ausblick auf das Ganze zu gewähren. Eine systematische Geschichte des päpstlichen Finanzwesens mit umfassender Darlegung der auf der einen Seite hindernden, auf der andern fördernden Bedeutung desselben für die wirthschaftliche Entwickelung der Nationen, hat mir fern gelegen, und ich habe deshalb auch das ganze Gebiet der Reaction der Völker gegen den mit der Zeit überhandnehmenden Druck einer kirchlichen Universal-Fiscalität, wie sie zu Ende des Mittelalters sich entwickelt und schliesslich zur Revolution führen muss, unberücksichtigt gelassen, oder doch nur vorübergehend gestreift.

Es soll mir also genügen, wenn die kleine Schrift neben einiger Erweiterung unserer Kenntnis der päpstlichen Geldwirthschaft vor allem den Zweck erreicht, die gelehrte Forschung auf die historische Wichtigkeit jener Archivalien aufmerksam gemacht und zu erneuter umfassender Thätigkeit angespornt zu haben. Ueberflüssig erscheint das schon deshalb nicht, da mancher Historiker versucht sein könnte, jene Bedeutung der päpstlichen Cameralbücher ganz zu verkennen, weil der sicher umsichtig zu Werke gehende österreichische Forscher E. von Ottenthal in seinen <<Bemerkungen über päpstliche Cameralregister des 15. Jahrhunderts» 1) auch den Satz schreibt: <<Für die allgemeine politische Geschichte, für die kirchenpolitische Stellung der einzelnen Staaten zum apostolischen Stuhl ist hier wol noch weniger Ausbeute zu erwarten, als aus den Bullenregistern.»> Diese Bemerkung bezieht sich nur auf die Serie Registra diversarum litterarum, welche O. für seine rühmlichen Forschungen über die Bullenregister Martins V. und Eugens IV. durchgesehen hat, und überhaupt vielleicht auf «die Verzeichnisse und Copien der von der Kammer ausgehenden (d. h. ihre eigenen Angelegenheiten betreffenden 2)) Actenstücke und die Protocolle der von ihr vorgenommenen Amtshandlungen» 3).

Die

1) Mittheilungen des Instituts für österr. Gesch., VI. (1885), 615 ff. 2) Zusatz in O.'s Sinne von mir, mit Rücksicht auf die ebenfalls durch die Kammer übliche Expedition auch anderer, in der Kanzlei geschriebenen, curialen Actenstücke.

3) Vgl. ebenda S. 616.

eigentlichen Rechnungsbücher, welchen Terminus ich den Ottenthalschen Cameralregistern gegenüber oder an die Seite zu stellen vorschlage, und unter denen ich von den mehr oder minder vollständig erhaltenen Serien die Libri Introitus et Exitus, die Libri mandatorum oder L. bulletarum, die L. annatarum und die L. S. Cruciatae verstehe, sind mit jener Be.. merkung, glaube ich, nicht gemeint. Auch sei noch auf die Gesichtspunkte aufmerksam gemacht, mit Bezug auf welche O. den «Cameralregistern» die Bedeutung abspricht. Für Kunstgeschichte z. B. wird dieselbe nicht geleugnet, und in der That lässt sich dafür aus Cameralregistern und Rechnungsbüchern viel gewinnen. Ottenthal's «Kunsthistorische Notizen aus den päpstlichen Registern» 1) selbst beweisen das. Die Arbeiten von Eugène Müntz «Les arts à la cour des papes pendant le XV. et XVI. siècle.» 2) u. a. stützen sich zu einem bedeutenden Teil auf diese Archivalien, und dass auch die Einzelforschung aus dem Studium derselben gar grossen Vorteil ziehen kann, beweist F. X. Haberl's «Wilhelm du Fay» in der «Vierteljahrsschrift für Musikwissenschaft». 3) Denifle fand in den Rechnungsbüchern Urban's V. neben anderem für die Geschichte der älteren vaticanischen Regesta Pontificum wichtigen Material, den Beweis, dass die im vaticanischen Archiv vorhandene, bisher unerklärte Doppelreihe der Avignonesischen Regesta im wesentlichen erst 1366-1367 entstanden ist, indem Urban V. den Wunsch hatte, «eine nahezu vollständige Collection der päpstlichen Regesten bei sich in Italien zu besitzen» und aus mancherlei Rücksichten doch nicht wagen mochte, die Originalregister von Avignon zu entfernen. 4) Eine weitere Ausbeutung der Rechnungsbücher, die materiell vor allem auch für die Kriegs-, Handelsund Verkehrsgeschichte lohnend sein dürfte, die Verwerthung oft willkommener Nachrichten für die Lebensbeschreibungen hervorragender kirchlicher und politischer Personen, der Humanisten, Künstler und Gelehrten, Feldherren und Condottieren, lässt sich von der Zukunft erwarten. Am meisten zu wünschen wäre, dass der hier wenigstens nach Datum und Kosten sorgfältig gebuchte, durch Legaten, Nuntien, Cursoren vermittelte

1) Mittheilungen des Instituts für österr. Gesch., (1884), 440 ff. 2) 3 Bde. Paris 1878, 1879. (Bibl. des écoles franç. d'Athènes et de Rome.)

3) Jahrgang I., und separat, 1885.

4) Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte des M.-A., Band II. Berlin 1886, S. 40 ff.

ungemein rege Verkehr der Curie mit den königlichen und fürstlichen Höfen Europas und besonders Italiens, mit den Erzbischöfen und Bischöfen, Universitäten, Städten und Communen aller Länder, mit den Nuntien und Legaten selbst, durch ein so weit als möglich vollständiges Itinerar des päpstlichen Nuntienverkehrs offen gelegt würde. Es dürfte dazu für das 14. und 15. Jahrhundert, sowie für die Pontificate Julius' II. und Leo's X., das Material in den Kammerarchivalien allein schon genügend vorhanden sein, wenn man den Begriff «Itinerar» nicht auch auf die Verfolgung der einzelnen Reisen von Station zu Station ausdehnt. Man könnte sich von einem solchen Werke unter anderm die Möglichkeit versprechen, vielfach undatierte politische Documente, Instructionen, Urkunden u. s. w. wenigstens annähernd sicher zu datieren. Also auch die politische Geschichte, abgesehen von manchen werthvollen Nachrichten für Einzelfragen, dürfte beim Studium der Rechnungsbücher nicht leer ausgehen.

Für eine Geschichte des päpstlichen Finanzwesens vollends lässt sich eine in jeder Beziehung sichere Basis ohne diese Cameralacten gar nicht gewinnen. Auf sie in ausreichendem Masse gestützt, wird sie die inhaltreichste und in culturgeschichtlicher Richtung die werthvollste von ganz Europa werden. Und das in doppelter Weise, durch die Sicherheit der Forschung und durch ihr materielles, den ganzen Erdteil umfassendes Interesse. Jene ist für die älteren Zeiten, da das päpstliche Finanzwesen, wie bei den Staaten, noch auf dem einfacheren Tribut- und Domanialwesen vorwiegend beruhte, schon durch die so zu nennende carolingische Güterrolle 1) und durch den Liber censuum (1192) 2) des Cencius verbürgt. Für das ausgehende Mittelalter dagegen, als die sociale Gliederung und Abhängigkeit tausenderlei Formen erhalten, muss da nicht eine durch Jahrhunderte laufende Kette von Einnahmen und Ausgaben, unter täglicher amtlicher Kontrole aneinandergefügt, die finden wir nämlich in den Recheneibüchern - der historischen Forschung auf diesem Gebiete einen unübertroffen festen Halt gewähren? Das materielle Interesse aber, welches der Entwickelung einer grossen päpstlichen Finanzwirthschaft, wie sie uns aus der römischen Cameralbücherei sofort entgegentritt, ja unzweifelhaft zukommt, es gründet sich auf die Bedeutung, welche jener von vornherein

1) Muratori, Antiquit. Ital., Bd. V. 827 ff.
2) ebenda, 851-910.

rücksichtlich der beiden umfassendsten Culturinstitutionen der Gesellschaft, des Staates nicht minder als der Kirche zugesprochen werden muss. Die Wechselbeziehungen, welche zwischen dem päpstlichen Finanzwesen und den allgemeinen Culturverhältnissen in Kirche und Welt bestanden haben, berücksichtigend, wird man nicht nur eine Erklärung für die ungeheure, fast erschreckende Grösse des kirchlichen Geldinstituts finden, sondern auch umgekehrt zur richtigeren Erkenntnis des ausgehenden Mittelalters und zur objectiven Beurteilung der unleugbar eingetretenen moralischen Decadenz in Kirche und Gesellschaft kommen.

Sonst aber wird die Benutzung der in Rede stehenden Cameral - Archivalien auch manche Fabeln beseitigen, die schlechtem Wissen entsprossen, zum Teil heute noch im Umlauf sind. Wenn es z. B. in Egelhaafs «Deutscher Geschichte im Zeitalter der Reformation» (Berlin 1885, S. 71) heisst: «Es giebt Berechnungen, nach welchen die Curie aus Deutschland jährlich 300,000 Gulden zog», so scheint mir das, auch die Geschenke und nichtamtlichen Zahlungen in Anschlag gebracht, und die Gegenleistungen der Kirche oder der Camera apostolica im Interesse des Reichs und der Christenheit unberücksichtigt gelassen, eine Uebertreibung. Die officiellen Einnahmen der päpstlichen Hauptkasse aus ganz Europa betrugen, wie wir noch sehen werden, knapp 300,000 Ducaten. (Gulden und Ducaten waren damals identisch.) Die nicht amtlichen und die nicht der Kammer zuständigen Zahlungen mögen wir nun selbst auf das Doppelte veranschlagen, so entfallen, da England, Frankreich, Spanien, Italien jedes im Gesammtüberschlag wol dasselbe geleistet haben, auf Deutschland immer noch viel weniger, als Egelhaaf und sein ungenannter Gewährsmann angeben. An derselben Stelle des für den allgemeinen Leserkreis geschriebenen Buches heisst es: << Die Prostitutionssteuer in Rom ertrug der apostolischen Kammer jährlich 200,000 Ducaten!»> Es ist für diese frappante Behauptung wiederum keine Quelle angegeben. Ich habe mich abgemüht, sie zu finden, und treffe denn die Spur in Henrici Cornelii Agrippae ab Nettesheim, De incertitudine et vanitate omnium scientiarum et artium liber, Lugduni Batavorum 1643, im Kapitel LXIV., S. 170. Dort schreibt der nicht gerade ernst zu nehmende Autor in seinen wenig delicaten Ausführungen«de arte (!) meretricia» und «de lenonia» Folgendes: « magistratus,

«

qui in civitatibus suis lupanaria construunt foventque, nonnihil ex meretricio quaestu etiam aerario suo accumulantes emolumenti:

quod quidem in Italia non rarum est, ubi etiam Romana scorta in singulas hebdomadas Julium pendent Pontifici, qui census annuus nonnunquam viginti millia ducatos excedit, adeoque Ecclesiae procerum id munus est, ut una cum ecclesiarum proventibus etiam lenociniorum numerent mercedem.» Es bezieht sich erstens diese « «Quelle» nun offenbar nur auf die Zeit, in welcher der Mann von Nettesheim schreibt, Egelhaaf hatte also nicht das Recht, seinem oben wiedergegebenen Satze die zeitlich ganz allgemeine Geltung zu geben. Ferner ist bei Cornelius Agrippa nur von ungefähr 20,000 Ducaten jährlicher Prostitutionssteuer die Rede. Wie die zehnfache Vergrösserung auf dem Wege von jenem bis zu unserem Zeitgenossen entstanden ist, weiss ich nicht. Endlich scheint mir das Buch des Nettesheimers mit seinem für Egelhaafs Behauptung ominösen Titel doch nicht würdig, als ernste Quelle für so schwerwiegende Dinge betrachtet zu werden. Wer Cornelius Agrippa war, das möge man in dem zweibändigen Werke von A. Prost über ihn (Paris 1881-82) nachlesen. Sollte dem in Rede stehenden Satze jedoch eine andere Quelle zu Grunde liegen, so kann ich nur auf die officiellen Einnahmeregister der päpstlichen Verwaltung in Rom verweisen. Wie man im Folgenden sehen wird, habe ich weit über 200 dieser Register, die sich auf mehr als ein ganzes Jahrhundert und gerade auf das rücksichtlich der kirchlichen Finanzen nicht ohne Grund am meisten verschrieene 15. Jahrhundert erstrecken, in Händen gehabt, und ich habe zu zu meiner eigenen Belehrung gerade auch auf compromittirende Dinge, die dort nicht verschwiegen sind, geachtet: Von einer Prostitutionssteuer war nichts zu finden. Woker (a. a. O. S. 154) hat ein eigenes Kapitel über << Einnahmen für Reliquien und für Heiligsprechungen» geschrieben und behauptet: «Man reservirte sich zu Rom das Recht, über die Echtheit von Reliquien zu entscheiden, und dann gab man die approbierten Reliquien gegen Bezahlung ab», und weiter: «Wie viel Geldgewinn aber mit diesem Reliquienvertrieb erzielt wird, lässt sich auch nicht einmal annähernd angeben; wir sind über keinen Zweig des römischen Finanzwesens so schlecht unterrichtet, wie über diesen.» Leider muss ich gestehen, dass ich auch durch die Einsicht so vieler römischen Einnahmeregister in dieser Beziehung nicht klüger geworden bin, indem ich weder aus dem «Reliquienvertrieb»> noch aus Heiligsprechungen Einnahmen gefunden habe. Ich kann deshalb darüber auch kein Kapitel schreiben. Was nun unsere bisherige wirkliche Kenntnis von den

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