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VIII.

Italienische Prophetieen

des 13. Jahrhunderts.

II.

Von

0. Holder-Egger.

IV. Die spätere Bearbeitung der Sibylla Erithea.

Als ich im Neuen Archiv XV, 151-173 den Text der sogenannten Sibylla Erithea herausgab, bemerkte ich S. 147 schon, dass eine spätere kürzere Bearbeitung dieses Stückes vorhanden sei. An sich bietet dieser Text ein sehr geringes Interesse, und es ist mir recht wenig erfreulich, mich mit ihm zu beschäftigen, war ich doch nur durch die Ausgabe von Salimbene's Chronik, der die ursprüngliche Sibylla Erithea oft citiert, gezwungen, diese herauszugeben, nicht durch eigene Neigung diesen abstrusen Dingen zugeführt. Aber aus einem Grunde ist es doch nothwendig, auch diesen Text zu veröffentlichen, denn es giebt zwei angeblich von Abt Joachim von Fiore verfasste Werke1, in denen dieser, angeblich auf Bitten Kaiser Heinrichs VI., an den sie gerichtet sind, die Verba Merlini, die Sibylla Erithea und die Sibylla Samia auslegte, zwar nicht die ganze Sibylla Erithea, sondern nur die Partie, in welcher von König Wilhelm II. von Sicilien, von den Kaisern Friedrich I., Heinrich VI., Friedrich II. die Rede ist, und in diesen Werken wird stets der jüngere umgearbeitete Text, nicht die ursprüngliche Sibylle, citiert. Sie wiederum haben das Interesse, dass sie die Geistesrichtung erkennen lassen, in welcher die Joachiten niederes Ranges des Minoritenordens, zu denen auch Salimbene gehört, sich bewegten. Glauben wir Salimbene, so beschäftigte sich sogar ein Hugo von Die, ein Mann, der nach allem, was wir von ihm wissen, doch höheres Geistes gewesen sein muss, mit diesen kindischen Prophetieen. Deshalb denke ich diese beiden Werke, deren handschriftliche Ueberlieferung ich besitze, später noch herauszugeben, und dafür ist das Vorhandensein des überarbeiteten Textes der Sibylla Erithea Vorbedingung. Und schliesslich darf

1) Ich erwähnte sie schon N. A. XV, 151 f. 174 f. 2) Salimbene nennt sich selbst und andere 'Ioachita', also hat man 'Joachiten' zu schreiben, nicht, wie es meist geschieht, 'Joachimiten', was meines Erachtens überhaupt eine falsch gebildete Form ist.

man die Träumereien der Joachiten und die ihnen entstammenden Werke doch nicht zu gering einschätzen, sie müssen einen ganz gewaltigen Einfluss auf die Zeitgenossen ausgeübt haben. So muss doch die erste Veranlassung zu der grossen Geisselfahrt von 1260 die aus der Apocalypse gewonnene Ueberzeugung der Joachiten gewesen sein, dass in diesem Jahre der Antichrist werde geboren werden, das Weltende herankomme.

Da ich die Sibylla Samia vorher erwähnte, möchte ich hier nachtragen, was ich früher N. A. XV, 177 übersehen habe, dass die Sibylla Samia oder Cretensis, wie sie auch von Pseudo-Joachim gelegentlich genannt wird, in drei Englischen historischen Werken erhalten ist, nämlich in den Annales Melrosenses1, bei Roger von Wendower 2 und in den Cronica maiora des Matheus Parisiensis dreimal, unter den Jahren 1109. 1227 und 12393. Auf die Varianten dieser Texte von dem durch mich veröffentlichten gehe ich hier nicht ein. Nur bemerke ich, dass die drei Engländer den Titel der Sibylla Samia für das Schriftstück noch nicht kennen.

Der kürzere, überarbeitete Text der Sibylla Erithea steht in folgenden Hss., die ich schon N. A. XV, 174 f. und 177 theils erwähnte, theils beschrieb, da sie auch die Verba Merlini und die Sibylla Samia enthalten.

V) Hs. der Biblioteca Vittorio Emanuele zu Rom, S. Pantaleone 31, enthält dieses Stück auf f. 49-51 von einer Hand aus dem Ende des 13. Jh. geschrieben.

P) Hs. der Pariser Nationalbibliothek n. 3319, f. 1-5, wo es von einer Hand aus dem Ende des 14. oder Anfang des 15. Jh. geschrieben ist. Herr Aug. Molinier, der leider so früh verstorben ist, hat es seiner Zeit für mich abgeschrieben.

Im weitaus grössten Theile des Schriftstückes ist der Text beider Hss., abgesehen natürlich von Varianten, gleichlautend, doch hat P in dem ersten Theile eine Anzahl von Stellen mehr als V, welche wörtlich mit dem ursprünglichen Sibyllen -Text übereinstimmen. Schon diese vollständige Uebereinstimmung macht die Stellen verdächtig, denn sonst ist der ursprüngliche Text, mit Ausnahme der Einleitung, stets stark abgeändert. An der

1) Chronica de Mailros ed. J. Stevenson (unter den Publications of the Banatyne Club n. 50, Edinburg 1835) p. 106 sq. (SS. XXVII, 436 f. unvollständig). 2) SS. XXVIII, 55, wo die Varianten der beiden andern Ueberlieferungen angegeben sind. 3) Ed. Luard in SS. Rerum Britann. II, 135. III, 125 (hier aus Roger von Wendower) und 550.

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