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diese starre Ausbreitung auf der Fläche, durch die auffallende Bevorzugung von Vorder- und Rückansichten und rein seitlich gesehenen Körpern 1) (ein gutes Beispiel bietet die Zeusgruppe) trennen sich die Figuren ebenso von dem Grund, wie die oben genannten flachen Kompositionen des Laginafrieses, deren nahe Verwandtschaft mit dem Gigantenfriese - trotz ihrer Unterschiede, die sowohl im Stil wie in der Qualität der Ausführung liegen gegenüber den Arbeiten der klassischen Zeit augenfällig ist. Auch der Engonasin ist dem Grunde so äußerlich aufgesetzt und gleichsam von außen angepreßt wie jene Gruppe des Herakles und des Giganten von Lagina, mit der ebenfalls die beiden Giganten neben der Moira am großen Altar zu vergleichen sind (Taf. 19). Auch hier finden wir ein Hintereinanderschieben der Leiber und des Löwenkopfes, das den Eindruck einer Tiefenrichtung vermittelt, die dem Grunde entgegengesetzt ist. Es ist natürlich richtig, daß die Figuren des pergamenischen Werkes so vor allem die ZeusAthena - Gruppe 2), aber ebenso die von uns oben genannten Gestalten gebändigter und beruhigter erscheinen, daß ihr Verhältnis zum Grunde oft einen stärker gebundenen Eindruck macht als die Kompositionen jener Kampfszenen des Frieses von Lagina. Doch es sind nur graduelle Unterschiede, die diese beiden Werke trennen, und die vielleicht dadurch erklärt werden können, daß der Gigantenfries noch der großen Zeit des hellenistischen Barocks angehört und an ihm sicherlich die besten Kräfte von Künstlern und Handwerkern beschäftigt wurden. Es mag natürlich auch sein, daß irgendwie eine Tradition aus klassischer Zeit nachwirkt, oder vielmehr denn Traditionen wirken nur nach, so lange man Sinn für sie haben kann daß die künstlerische Basis zur Aufnahme klassischer Elemente im Verhältnis von Figur zum Grund nur darum handelt es sich hier (noch oder wieder) geeignet war. Milderungen sind also dem Laginafriese gegenüber sicher festzustellen lassen wir es bei dieser Konstatierung und verschieben

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1) A. v. Salis a. a. O. 168 hebt mit Recht die raumerweiternde Eigenschaft der Vorder- und Rückenansichten hervor, die in sich die Richtungen aus dem Relief heraus und in die Tiefe verkörpern. Das Nebeneinander der Vorder-, Rückenund Seitenansichten wird oft an den hellenistischen Werken beobachtet. Erinnert sei an die hier behandelten: die Hermaphroditengruppe, die Pantoffelgruppe aus Delos, die Dornausziehergruppe im Vatikan, der Münchener Fries usw.

2) Vgl. Salis Altar von Pergamon 165; doch auch bei diesen Figuren ist die enge Einspannung in die Reliefschicht, die nur eine recht beschränkte Tiefenbewegung erlaubt, und die zwangsmäßige Anpassung an den Grund gegenüber den verglichenen Reliefs aus der klassischen Zeit sehr deutlich.

wir die Behandlung der Frage, wodurch sie hervorgerufen sind, auf ein ander Mal, aber trotz dieser Milderungen ist der große Fries im ganzen so unklassisch, wie nur irgend möglich. Nirgends zeigt sich ein Bestreben, die Gestalten durch ihre Bewegung selbst, durch die Linien, die sie auf den Grund zeichnen, in ein harmonisches Verhältnis zum fortlaufenden Friesstreifen zu bringen, ein Verhältnis, das am Phigaliafries, am Fries des Niketempels und auch noch am Mausoleum (wenn es hier natürlich auch Unterschiede gibt, auf die an dieser Stelle nicht eingegangen werden kann) durch die kräftigen Diagonalstellungen erreicht wird. Diese Linienführung, die in der Schrägheit vor allem am Nikefries oft die Diagonale noch übertrifft, verkörpert gleichsam die im Reliefbande enthaltene Längsbewegung, die um das Bauwerk herumführt. So geben in diesen Friesen die fortlaufende Fläche des Grundes und die Linien des figürlichen Elementes unabhängig von einander, aber doch in voller Übereinstimmung dasselbe Thema des sich in die Länge erstreckenden Friesbandes, dieselbe Grundidee wieder: sie sind auch in dieser Beziehung (s. o. S. 58) gleichsam zwei Teile desselben Organismus. Demgegenüber ist die Schrägstellung am Gigantenfriese matt und schwächlich, die Gestalten machen nicht die im Friesband enthaltene Bewegung mit, sondern nehmen eine mehr der Senkrechten zuneigende Haltung ein, ohne aber die senkrechte Richtung voll zu erreichen, wenn man von wenigen Ausnahmen absieht, die jedoch durch ihre Vereinzelung den Eindruck einer tektonischen Verbindung der Friesränder — wie es auf den Reliefs des fünften Jahrhunderts der Fall ist nicht zu bewirken vermögen. Damit stehen sie dem fortlaufenden Bande des Frieses gegensätzlich gegenüber, eine jede von ihnen wirkt gewissermaßen als Apostroph, indem sie die Entwicklung der Friesfläche, die sich vor allem im durchgehenden Grund verkörpert, durch trennende mehr oder weniger senkrechte Linien unterbricht, eine Erscheinung, die noch deutlicher am Friese von Magnesia zu Tage tritt, die dann in Lagina zu einer völlig neuen, dem späthellenistischen Wesen besser zustehenden Friesaufteilung führt, die der Art des pergamenischen Telephosfrieses nahe steht. Die Figuren geraten am Gigantenfriese dadurch, daß sie dem Lauf des Grundes nicht folgen, zu ihm in einen Gegensatz, sie trennen sich von ihm, ein Eindruck, der ebenso durch die dichte Drängung der Gestalten, die starken Überschneidungen und die damit verbundene Zudeckung des Grundes gefördert und weiterhin durch die vorher von uns festgestellten Eigenheiten der Relief bildung hervorgerufen wird. Alle diese genannten Eigenschaften des Giganten

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frieses sind - wenn auch das Relief des vierten Jahrhunderts sie gewissermaßen ankündigt völlig unklassisch, und unklassisch ist auch die daraus resultierende Wirkung, die Isolierung von Grund und Figur.

Wir sehen also: am Gigantenfries wirkt kein klassisches Grundgesetz, das für seine Reliefs von irgend welcher Ausschlag gebenden Bedeutung wäre, wie man kürzlich gemeint hat (Gnomon 1926, 335), denn die Momente, die man dafür geltend gemacht hat: „Ausbreitung aller Figur in die Reliefebene, keinerlei Tiefenführung, auch Körpertorsion nur innerhalb der idealen Reliefschicht", sind wirklich viel zu allgemeiner Natur, als daß sie irgend eine Bedeutung hätten. Wir sahen ja schon bei dem Vergleich mit den Skulpturen des Parthenon, wie verschiedener Art diese „Ausbreitung der Figuren in der Reliefebene" sein kann, daß sie hier wie dort etwas ganz anderes ist, daß die Erscheinungen hier und dort nur das gemeinsam haben, daß in beiden Fällen ein Reliefgrund und eine ideale Oberfläche vorhanden sind, daß sich aber die Figuren zu dieser Reliefschicht beidesmal ganz verschieden verhalten 1). Und was hat die Feststellung schließlich zu bedeuten, daß die Körpertorsion nur in der idealen Reliefschicht vor sich ginge? Das gilt, um ein Beispiel für viele zu nennen, auch für die schon genannte Moira, neben der sich das Sternbild des Löwen und die beiden Giganten befinden (Taf. 19). Aber wo gibt es auf den Reliefs des fünften Jahrhunderts auch nur eine Figur, die sich mit ihr vergleichen ließe, auch nur eine einzige Figur, die derartig losgelöst vom Grund mit jeder ihrer Bewegungen im Gegensatz zur Fläche steht? Wie eine Statue ist sie vor den Grund gestellt und veranlaßt dadurch einen der Reliefschicht und dem Grunde widersprechenden Tiefeneindruck 2), den

1) Auch die Pantoffelgruppe aus Delos, die wir oben schon besprachen, ist in einer idealen Reliefschicht aufgebaut (s. u. S. 89), aber man kann doch nicht sagen, daß ihre Komposition von einem klassischen Grundgesetz beherrscht sei. Die Reliefschicht und die ideale Oberfläche genügen dazu als Kriterium nicht. Denn sie werden nicht nur in der klassischen Zeit sondern, wenn auch nicht immer, ebenfalls in der hellenistischen Periode beobachtet.

2) Hier muß das (so gut wie unveröffentlichte) Denkmal des Aemilius Paullus in Delphi erwähnt werden (Münch. Jahrb. 1925, 18 Abb. 8 nach Inst. Phot. Delphi 114; sonst nur unzulängliche Zeichnungen; Literatur bei Reinach Rép. Rel. I 118). Dieses Monument ist auf das Jahr 168 v. Chr. datiert und darum so wichtig. Es zeigt auch die statuettenförmige Auffassung des figürlichen Elementes mit ganz äußerlicher Angleichung an die Fläche; relativ gleichzeitig ist das Relief von Lecce (Ö. J. 1915, 94 Taf. 2). In diesen beiden Reliefs haben wir sicher helle

die beiden Giganten und der Löwenkopf durch die frontale Stellung der Leiber und das Hintereinander der Massen noch erhöhen. Auch dieser Figurenkomplex ist in die Reliefschicht hineingenötigt; er leidet augenscheinlich weniger unter äußerem Druck wie zum Beispiel der Engonasin und die ihn umgebenden Gestalten, die gleichsam durch eine aufgelegte Platte an den Grund gepreßt werden, und wird allem Anschein nach nur durch eine unsichtbare Ebene daran gehindert, sich aus der Reliefschicht herauszubewegen, wie die Gestalten der linken Treppenwange zu beabsichtigen scheinen, ein Eindruck der hier dadurch erzeugt wird, daß die Figuren etwas stärker als die Moira mit dem Löwen durch die Art ihrer Körperbewegung gegen den Grund agieren und die ideale Oberfläche scheinbar etwas weniger respektieren. So sehen wir wie auch am Gigantenfries neben Figuren der neuartigen Flächigkeit solche räumlicher Art stehen, zu denen nicht nur die Figuren um Nereus gehören, sondern ebenso Gestalten, wie sie uns die Moira mit dem Löwen kennen lehrte, wenn sie auch die ideale Oberfläche aufmerksamer inne halten und beobachten. Wenn wir diese Figuren nach Klassen einordnen sollen - ein Unternehmen schematischer Natur allerdings, das mit einer gewissen Einseitigkeit verbunden, aber doch zur Klärung des Tatbestandes dienlich ist so können wir sagen, daß diese Moira-Löwengruppe gewissermaßen zwischen den beiden kompositionellen Extremen der räumlichen Fläche“ und des vollräumlichen Aufbaus steht, eine Art von überleitender Mittelstellung also einnimmt und somit ein Gegeneinanderwirken von Tiefe und Fläche zu gleichen Kräften darstellt, das aber bei nur anderer Kräfteverteilung auch in den „flächig-räumlichen“ und in den „vollräumlichen" Relief kompositionen und ebenso in unseren Gruppen wirksam ist, deren Eigenart wir in der Kontrast erzeugenden Ausbreitung sehr tiefer Komplexe auf der Fläche des imaginären Grundes sahen, ein Gegeneinanderwirken das nicht anders auch in den übrigen Erscheinungen der Plastik, die eingangs besprochen wurden, in den Statuen und in der Pantoffelgruppe aus Delos die Gestaltung bedingt. So ergibt sich also auch jetzt wieder dasselbe Resultat: die Erkenntnis des Gegeneinanderwirkens von Fläche und Tiefe, die den Aufbau der späthellenistischen Werke durch ihre Kontrast hervorrufende Wechselwirkung schaffen, indem bald das eine bald das andere Element sich stärker durch

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nistisch-großgriechische Kunst vor uns, die also derselben allgemein hellenistischen Entwicklung angehört, während im einzelnen natürlich stilistische Besonderheiten vorhanden sind.

setzt und damit eine größere Räumlichkeit oder ein stärkeres Anpassen an die Fläche veranlaßt.

Es ist also nicht richtig, wenn man die linke Treppenwange für generell verschieden von den übrigen Kompositionen des Gigantenfrieses erklärt, und noch weniger ist zu billigen, wenn man hier das Herrschen eines klassischen Grundgesetzes, dort eine Hingabe an das hellenistische entfesselte Raumgefühl" konstatieren zu müssen glaubt. Wir sahen, daß in allen Teilen des Frieses dieselben Kräfte am Werke sind, die sich in nur äußerlich verschiedener Form manifestieren, und wollen schließlich noch darauf hinweisen, daß wie der Gigantenfries und der Fries von Lagina, so auch der Telephosfries jenen äußerlichen Gegensatz in seiner Komposition aufweist. Die meisten Platten dieses Werkes zeigen den vollräumlichen, der Grundfläche entgegengesetzten Aufbau (zum Beispiel Taf. 32, 5; 33, 3; 34, 1 usw.) und unterscheiden sich damit deutlich von der Hieragruppe (Taf. 35, 1). So schlecht ihr Erhaltungszustand auch ist, er genügt doch, um darzutun, daß die Gestalten der beiden Krieger, die rechts und links von der Reiterin angeordnet sind, weniger mit der vollräumlichen Kompositionsweise zu tun haben, als sich dem Grunde ungefähr in der Art anpassen, wie der vom Rücken gesehene Gigant rechts vom Keulenschwinger Orion am großen Friese (Taf. 16). So finden wir auch hier jene beiden kompositionellen Extreme wieder, eine Tatsache, die weiterhin darlegt, daß der Telephosfries durchaus nicht „von völlig anderem Geist und Charakter" ist als der Gigantenfries. Dieselbe kompositionelle Grundlage, dieses Gegeneinanderwirken von Fläche und Tiefe, ist auch an den übrigen Friesschöpfungen des späten Hellenismus, von denen einige Partieen oben erwähnt wurden, zu erkennen, wenn auch natürlich die Extreme nicht immer so klar zu Tage liegen wie bei den pergamenischen Friesen und den Reliefs von Lagina. Überall handelt es sich hier um Bildungen, die nur aus der Art des späten Hellenismus voll verständlich werden, so sehr auch im einzelnen Unterschiede im Stil zu beobachten sind, auf die aber an dieser Stelle nicht eingegangen werden kann. Bevor man sich der Einzelerscheinung zuwendet, muß man in großen Zügen wenigstens die Grundlage der ganzen Epoche erkannt haben, sonst läuft man Gefahr, die Eigenheiten des Einzelfalles falsch zu bewerten. Wir sahen also: die Isolierung der Figur vom Grund, ihre Aufreihung vor ihm ist im Relief hier wie dabei den „flächigen" 1) Bildungen wie bei denen 1) Dazu gehört z. B. auch das Herakles - Prometheus - Relief aus Pergamon (VII Taf. 37; J. d. I. 1925, 183 ff. Abb. 1, 2, 10).

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