Imágenes de páginas
PDF
EPUB
[blocks in formation]

Mit Vorbehalt des Übersetzungsrechts und aller anderen Rechte

aus dem Gesetze vom 11. Juni 1870.

[merged small][ocr errors]

Bei der regen Thätigkeit, die gegenwärtig fast auf allen Gebieten

unserer Wissenschaft herrscht und durch eine kaum zu übersehende Literatur bezeugt wird, ist unbestreitbar die Gefahr vorhanden, dafs der einzelne Forscher den Ergebnissen der mannigfaltigen Untersuchungen nur zu einem kleinen Theile folgen und der Hauptaufgabe des Historikers, sich ein wahrheitsgetreues und genaues Bild der Vergangenheit zu erwerben, nicht vollkommen gerecht werden kann. Es liegt daher nahe, diesem bedenklichen und wohl von den meisten Fachgenossen bereits empfundenen Übelstande durch Jahresberichte ähnlicher Art abzuhelfen, wie sie für andere Wissenschaften theilweise schon seit Jahren bestehen und sich bewährt haben. Zwar giebt es eine Anzahl von Zeitschriften, in denen neue Veröffentlichungen mehr oder minder ausführlich besprochen werden; insbesondere hat die Historische Zeitschrift" der Anzeige neuer Bücher einen immer wachsenden Raum gewährt und die Übersicht dadurch wesentlich erleichtert, dass sie Werke gleichen oder verwandten Inhalts einer gemeinsamen Besprechung unterzieht; auch bringt die „Revue historique" in jedem Hefte sehr dankenswerthe Mittheilungen über die historische Literatur einzelner Länder: gleichwohl gehen auf Vollständigkeit der Übersicht weder die beiden genannten noch andere Zeitschriften aus, und es bleiben nicht nur die oft sehr bedeutenden Arbeiten der periodischen Literatur meist ganz unberücksichtigt, sondern es herrscht überhaupt hinsichtlich dessen, was zur Besprechung gelangt, erklärlicherweise vielfach der Zufall. Offenbar würde eine Zeitschrift, die regelmäfsig die Literatur eines Jahres in systematischer Vollständigkeit recensirte, dem Bedürfnis der meisten Fachgenossen entsprechen, aber es ist leicht einzusehen, dafs bei der Ausdehnung des Forschungsgebietes und dem Reichthum der Literatur auf den einzelnen Gebieten die übliche Art der Recensionen ihr einen Umfang verleihen würde, der ihr Zustandekommen oder ihren Fortgang in Frage stellte. Denn indem die

Anzeigen unserer Zeitschriften die einzelne Schrift in der Regel nur als solche ins Auge fassen und nach einer allseitigen Prüfung und Würdigung derselben streben, werden sie viel zu ausführlich, als dafs die gesammte Literatur in gleicher Weise besprochen werden könnte.

Für einen Jahresbericht mufs daher ein anderer Weg eingeschlagen werden, der jedoch nicht schwer zu finden scheint. Denn haben wir es richtig als Hauptaufgabe des Historikers hingestellt, ein wahrheitsgetreues Bild der Vergangenheit zu gewinnen, so kann es nicht sowohl auf die genaue Würdigung einer Schrift als solcher ankommen als vielmehr auf die Ergebnisse, durch welche sie die Züge des bisher geltenden Bildes abändert oder ihm neue einfügt: Autor und Schrift sind dann nur die unumgänglichen Mittel, durch die wir zu einer besseren Kenntnis der Vergangenheit gelangen, und haben keinen anderen Werth als den jedweden Gewährsmannes und jedweder Quelle, die man in Anmerkungen citirt.

Von diesen Gesichtspunkten liefsen sich daher im Interesse der Kürze und Brauchbarkeit der Jahresberichte die Unterzeichneten leiten, als sie im Jahre 1877 von der Historischen Gesellschaft in Berlin den Auftrag erhielten, eine solche Publication ins Leben zu rufen, und durch einen im Januar 1878 versandten Prospect die Fachgenossen zur Mitarbeit einluden. Sie stellten es als Aufgabe des Jahresberichts hin, nicht die Schriften an sich zu besprechen, was Sache der einzelnen Literaturblätter sei, sondern aus ihnen alles, was sich im Vergleich zu der bisherigen Forschung in Hinsicht der Thatsachen, der Auffassung oder der Methode als neu ergab, herauszuheben und dieses Neue, nach kleineren Gebieten und Abschnitten zu einem Ganzen vereinigt, dem Leser in zusammenhängender Darstellung vorzuführen, derart, dafs Schrift und Autor nur in den Anmerkungen genannt würden und nur zum Belege des im Texte Mitgetheilten dienten. Objectivität in der Wiedergabe der zu Tage tretenden Ergebnisse und Bestrebungen mufste daher Haupterfordernis sein; alle Polemik sollte ausgeschlossen und die Kritik auf kurze, sachlich gehaltene Bemerkungen beschränkt sein.

Diese Bemerkungen sollen keineswegs so aufgefasst werden, als ob wir in dem Jahresbericht den Theil unserer Wissenschaft vernachlässigt sehen wollten, der einzig und allein die Richtigkeit unserer Erkenntnis verbürgt, die Quellenkunde. In dem Prospect haben wir vielmehr an einer andern Stelle bemerkt, dafs in den einzelnen Referaten, in welche gemäss der Arbeitstheilung der Jahresbericht zerfallen mufs, an erster Stelle stets zu erörtern sein dürfte, was für Vermehrung, Sichtung und Sicherung des Quellenmaterials geschehen sei. Allerdings darf einer augenscheinlichen Neigung unserer Zeit gegenüber nicht aus den Augen verloren werden, dafs Quellenforschungen nur Mittel zum Zweck sind; aber um diesen Punkt handelte es sich hier nicht, es kam uns darauf an, aus der höchsten Aufgabe des

Geschichtsforschers Form und Charakter unseres Jahresberichts abzuleiten, und in dieser Beziehung sind wir der Meinung, dafs für die Darlegung der Ergebnisse der Quellenforschung die eben entwickelte Form der Berichte gleichfalls zur Anwendung gelangen kann: ein Hinweis auf die darstellenden Werke von Wattenbach und Lorenz über die mittelalterlichen Quellen wird die Richtigkeit unserer Ansicht darthun.

Indes wenn uns auch die hier entwickelten Principien als diejenigen erscheinen, die dem Jahresberichte seinen höchsten Werth verleihen würden, so verkennen wir doch nicht, dafs sie einer gewissen Einschränkung bedürfen der Jahresbericht wird neben der Aufgabe, die Resultate der Forschung kurz und präcis zu verzeichnen, auch einem rein praktischen Bedürfnis genügen müssen. Denn da wir bei unseren Arbeiten gänzlich von der Literatur abhängig sind und bei einer mangelhaften Kenntnis derselben leicht Arbeit und Mühe umsonst daran wenden, so wird der einzelne Forscher dadurch unterstützt werden müssen, dafs ihm Mittheilungen auch über die zahlreichen Schriften gemacht werden, die einen Fortschritt der Wissenschaft nicht bezeichnen, dabei aber einen gröfseren oder geringeren Grad der Brauchbarkeit besitzen. Um nur ein hervorstechendes Beispiel anzuführen: wer in Müldeners Bibliotheca historica in der Specialgeschichte Lothringens angeführt findet: Vallière, une page de l'histoire de Metz, wird doch erfahren müssen, dafs er es hier nicht mit einer historischen Arbeit, sondern mit einem werthlosen Tendenzromane zu thun hat. Doch ein solcher Fall mag vereinzelt dastehen; bei weitem häufiger werden Schriften in der Weise zu charakterisiren sein, daf's jeder ersieht, ob er sich von ihnen Förderung seiner Studien zu versprechen hat oder nicht. Es ergiebt sich hieraus, dafs die vorhin dargelegte Art der Berichte nicht streng durchzuführen sein wird und von der Besprechung der einzelnen Schriften nicht durchweg abgesehen werden kann; ja man wird geneigt sein, Schrift und Autor in den Vordergrund treten zu lassen und an sie die Darlegung der Resultate anzuknüpfen in allen denjenigen Fällen, wo es schwer ist, zwischen weit auseinander liegenden Gegenständen eine sachliche Verbindung kurz herzustellen, ein Übergang von Autor zu Autor oder von Schrift zu Schrift dagegen leicht gefunden ist. Es kommt dazu, dafs die Änderungen, die unsere Auffassung einer Zeit durch die Forschung erfährt, selten schon von Jahr zu Jahr, sondern erst nach einer Reihe von Jahren hervortreten können: würde das dafür sprechen, unseren Bericht immer nur in gröfseren Zwischenräumen erscheinen zu lassen, so ist doch das Bedürfnis des Einzelnen, möglichst schnell mit den Fortschritten der Wissenschaft bekannt zu werden, zu dringend, als dafs ein jeder sich nicht gern zahlreiche Abweichungen von den vorhin entwickelten Principien gefallen liefse.

Diese Bemerkungen werden genügen, theils um Zweck und Ziel unserer

« AnteriorContinuar »