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Bei all den Kämpfen der einzelnen Landesherrn mit dem Schützling des Kaisers stand das formale Recht zweifellos auf der Seite der Territorialgewalten. Selbst wenn Hessen-Kassel nicht das formale Recht, eigene Posten anzulegen, gehabt hätte, dann waren seine Maßregeln aus politischen und verkehrstechnischen Gründen notwendig; es gibt Rücksichten in solchen Maßnahmen, denen gegenüber das formale Recht zu schweigen hat, namentlich wenn auch die Gegenpartei ihr Recht brutal und materiell für sich ausnutzt. Nach unermüdlichen Kämpfen haben doch die hessischen Fürsten ihr gutes Recht behauptet und die taxisschen Posten aus ihrem Lande verdrängt. Ohne jede rechtliche Unterlage zogen die Taxis das Geld aus dem Lande, während ihre Posteinrichtungen nicht einmal den entsprechenden Nutzen brachten; die taxisschen Posten genügten den Anforderungen des Verkehrs nicht, weil ihr Netz zu weitmaschig war und sie nur die rentabelen Linien verfolgten. Wer sollte denn die Beförderung der Postsachen nach den kleineren Orten und auf den Nebenlinien besorgen, wenn es keine Neben- und Metzgerposten mehr gab!

Verhandlungen über das Patent Kaiser Rudolfs II.

Am 15. September 1596 erließ Kaiser Rudolf II. ein Patent,,die reformation der Post betreffend" 1). Seit einiger Zeit war die Post in große Zerrüttung geraten; auch hatte sich zum Nachteil der Post das Botenwesen wieder eingeschlichen; eine durchgreifende ,,reformation" schien dringend notwendig. Der Hauptzweck des Patentes war jedoch die Befestigung des Taxis in seinem Amte als Ober-GeneralPostmeister des Heiligen Römischen Reiches. Die Bestallungsbriefe des Königs von Spanien Philipps II. als Herzog von Burgund wurden bestätigt und dem Taxis von neuem die „direction“ und Bestellung des ganzen Postwesens übertragen und anvertraut. Dann wandte sich das Patent an die Fürsten und Landesherren,,,so haben wir Euch dessen erinnern wollen, dem allem nach freundlich und gnädiglich begehret, auch von Röm. Kaiserl. Macht ernstlich befehlend, und wollen, daß Ihr solch gemein nützlich heilsam Werk aller Orten erhalten und fortsetzen

1) Alle ,,Patente ins Reich" und Erlasse in Bezug auf das Postwesen faßte später die Reichspostordnung von 1698 zusammen. Siehe Archiv für Post und Telegraphie. Bd. 29. 1901.

helfen, den von Taxis anerkennen und ehren, ihn in berührter seiner anbefohlenen Amts-Verrichtung und Bestellung der Posten nit allein keinen Eintrag oder Verhinderung tun oder zu tun gestatten, sondern . . . alle gute Vorschub erweisen. In unsern und euren Landen, Städten, Märkten, Flecken usw. sollt Ihr bei Tag und Nacht freien Paß und öffnung geben, Sie auf Ansuchen und Begehren begleiten und begleitet zu werden verfügen, gegen Bezahlung Pferdt und andere Notdurft bewilligen ... überhaupt alle gute Hilf und assistenz, fürderung und anweisung erzeigen und darwider nit tun noch das jemand anders zu tun nachsehen"). Das eingeschlichene ,,Nebenbottenwerk zu Fuß und Roẞ" soll abgeschafft werden.

Der Pfalzgraf bei Rhein Friedrich teilte dem Landgrafen Moritz von Hessen den Empfang dieses Patentes mit und entwickelte in einem Briefe vom 31. Dezember 1596 seine Gedanken über die Sache und ihre möglichen Folgen: „Wohl sind es wenige Orte in unseren Gebieten, die Posten haben und wir brauchen deshalb nicht ängstlich zu sein, die Wünsche des Kaisers zu erfüllen. Wenn man aber das Ende der Sache betrachtet und den Inhalt des Patentes, was alles in Zukunft hinein gelegt werden kann, so kann man doch auf allerhand Bedenken kommen. Durch das Patent will der Kaiser eine spanische Bestallung auf das Reich und sogar auf unsere Lande ausdehnen, dem ernannten Postmeister die Jurisdiction geben über unsere Untertanen, wenn sie sich im Postwesen vergehen; wir sollen unsere bisherigen Posten abschaffen und werden jedenfalls gezwungen werden zum Schaden unseres Landes die kaiserlichen Posten zu benutzen; auf der spanischen Post werden unsere geheimen Briefe vor dem Erbrochenwerden nicht sicher sein; viele andere Nachteile sind bei dem Durchgang der spanischen Post, die wir schützen sollen, zu erwarten." Pfalzgraf Friedrich bat zum Schluß um gute Nachricht, wie Landgraf Moritz über die Sache denke.

Es ist erstaunlich, mit welchem Scharfsinn der Pfalzgraf alle die möglichen Folgen eines solchen kaiserlichen Patentes erkannte. Mit einem gewissen Sehergeiste hob er klar und deutlich fast alle Punkte hervor, um die sich später ein heftiger Kampf entspinnen sollte.

Aus Melsungen sandte der Landgraf dem Pfalzgrafen seinen Dank für das erhaltene Schreiben und teilte ihm seine Meinung über das Patent mit 2): „Obwohl in unserem 1) Postakten. Staatsarchiv Marburg. 2) Brief vom 13. Januar 1597.

Lande wenig Postorte sind und wir und die unsrigen keinen guten Bescheid wissen und die Bedeutung des Patentes nicht recht würdigen können, auch die Ursache nicht erraten, die der Kaiser zu solchem Patent gehabt hat, so haben wir doch bei den jetzigen unruhigen, beschwerlichen Zeitläuften allerhand nachdenkens." Die Bedenken Friedrichs teilte der Landgraf und nach seiner Ansicht sollte der Inhaber eines solchen Patentes zuerst über den Inhalt seiner Bestallung berichten, daß man gesichert sein möchte, daß die Stände nicht auf solche Posten verpflichtet sein, sondern, daß ein jeder seine Briefe besorgen könnte, wie er wollte; auch sollten die Postmeister nicht ohne Vorwissen ihrer Landesherrn und ohne genaue Untersuchung eines Vergehens bestraft werden. Zum Schluß erwähnte der Landgraf, er wäre mit diesen Sachen nicht bekannt genug; auch hätte sein Vater sich solcher Posten wenig und außerhalb der Reichstage gar nicht bedient; er bat den Pfalzgrafen, die Sache zum Besten des Reiches und der Fürsten weiterzuführen.

Mit diesem Briefwechsel begannen die Verhandlungen von Hessen-Kassel über die kaiserlichen Posten und deren Anlegung in den fürstlichen Territorien. Klar und deutlich erkannte auch Landgraf Moritz die großen Gefahren, die eine strenge Durchführung des kaiserlichen Patentes für sein Land haben konnte, und stellte die später viel umstrittenen Punkte als sein gutes Recht hin; daß es zu einem so erbitterten Kampfe jemals kommen würde, hatte er gewiß nicht geahnt. Auch gab jetzt das Vorgehen des Kaisers oder besser des Taxis denn hinter jedem Schritt des Kaisers in Postsachen stand Taxis - noch keine Veranlassung zu großen Befürchtungen und scharfer Gegenwehr. Für das Verhalten von Taxis ist das erwähnte Patent charakteristisch. Mit freundlich und gnädigen" Bitten wurde begonnen, und wenn Bitten nicht den erwünschten Erfolg hatten, wandte man andere Mittel an, die besser zogen; von solchen Mitteln wird später noch zu berichten sein.

Auch an den Landgrafen Ludwig d. Ä. zu Marburg hatte der Pfalzgraf eine Abschrift des Patentes geschickt und ihn um seine Bedenken gebeten. Ludwig fragte in Kassel an, ob dieses Patent dem Territorialpostwesen nicht gefährlich wäre. Im Reich, Spanien und Burgund hätte man die Postbestellung freigegeben, den Ständen und anderen „des Reiches Getreuen und Vertrauten" aber Vor

schriften wegen ihrer Briefbestellung gemacht. Der Landgraf bat um Äußerung dazu.

Aus den vorhandenen Akten ist nicht ersichtlich, welche Schritte die Landgrafen zu Kassel und Marburg gegen diesen ersten Versuch der Taxis, in Hessen ihre Posten einzurichten, unternahmen; andererseits ist auch nicht festzustellen, ob taxissche Posten in diesen Jahren durch Hessen geführt wurden. Dagegen hatte bei dem Pfalzgrafen — was man gar nicht erwarten sollte — das Patent den erwünschten Erfolg; teilte er doch noch im Januar 1597 dem Landgrafen mit, daß er die kaiserlichen Posten aufnehmen wollte; die Räte in Kassel möchten es sich überlegen und sich dann dazu äußern. Von Verhandlungen in dieser Angelegenheit erfahren wir jedoch nichts.

Hessen-Kassel hatte in dem Pfalzgrafen Friedrich einen Bundesgenossen gegen Taxis verloren ').

Postwesen in Hessen bis 1648; geduldete taxissche Posten.

Im Verkehr der Gesamtpost 2), die von den hessischen Landgrafen geschaffen war, traten bald infolge von Erbstreitigkeiten Störungen ein3).

So fragte der Botenmeister in Marburg am 18. Januar 1608 in Kassel an, wie er die Briefe des Landgrafen befördern sollte, da die Post in Darmstadt keine Briefe annehmen und weiterbefördern wollte; die Post in Großenlinden war aufgehoben worden, somit ein Postverkehr nicht mehr möglich. Ein anderes Schreiben vom 12. März 1608 berichtete von ähnlichen Übelständen. Den Beamten in Großenlinden und Roßbach wurde nicht erlaubt, durch besondere Boten die Briefe zu bestellen; nur bei Gelegenheit sollten die Sachen befördert werden. Daher war es gekommen, daß einzelne Briefe 5-8 Tage unbefördert liegen geblieben waren. Der Kasseler Botenmeister wurde um Verordnungen gebeten, die der Unordnung steuern solten.

Vergl. R. Grosse. Das Postwesen in der Kurpfalz im 17. und 18. Jahrhundert. Heidelberger Dissertation. Tübingen 1902.

* S. 2 Anm. 3.

Philipp der Großmütige hatte bekanntlich Hessen unter seine vier Schne geteit, die als Landgrafen in Kassel. Marburg, Darmstadt und Rheinfels wohnten. 1583 war die Linie Rheinfels, 1604 die Linie Marburg ausgestorben. Lange stritten nun die Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel und Ludwig von Hessen-Darmstadt um die heimgefallenen Landestelle Hessen-Darmstadt behauptete schließlich den Besitz von Marburg-Rheinfels.

Schon am 28. März erfolgte auf die beiden Schreiben eine starke Ermahnung aus Kassel. Man glaubte überhaupt nicht, daß Landgraf Ludwig so etwas angeordnet hätte; die Beamten sollten sich ja hüten, daß solche Unordnungen wieder vorkämen; auch würde sich Landgraf Moritz bei seinem Vetter beschweren: endlich verlangte man die bestimmte Versicherung, in Postsachen die strengste Ordnung und schleunige Beförderung walten lassen zu wollen. Trotz der Erbstreitigkeiten waren doch die Landgrafen bemüht, jede Unordnung in dem Postwesen im Keime zu ersticken oder mit allen Mitteln zu bekämpfen. Über das Postwesen der nächsten Jahre finden sich keine Akten.

Erst aus dem Jahre 1616 ist ein Schreiben des Kaisers Matthias erhalten an den Landgrafen Moritz1). Der Kaiser hatte dem,,General-Postmeister im Reich und den Niederlanden" befohlen: „etliche neue Extraordinair Posten von den Niederlanden durch unterschiedliche weeg in das Reich nach Nürnberg und die nächste Post nach dem kaiserlichen Hoflager einzurichten". Die Landesherrn, durch deren Gebiet die Post gehen mußte, erhielten Ersuchungsschreiben, den Durchgang zu gestatten. Hierumben so begeren wir an D. L. hiermit gnediglich, Sy wolle an Iren untergebenen orten, Stetten, Markhten und Fleckhen, welche Ir von obbesagtem von Taxis, Unserm Obristen Postmeister oder dessen Nachgesetzten, zu einlegung mehrbestimmter Posten angezaigt und benannt werden, die Verfügung thun, damit Ihme von Taxis, zu schleuniger Anstall, befürder und beständiger erhaltung, obgehörtes gemain Nützlichen, von uns anbefohlenen Werkes, alle gute Hilf und fürschub erwiesen werde."

Der Landgraf erfüllte wohl diesen Wunsch des Kaisers; denn als 1642 sich Taxis wieder in Hessen einzudrängen suchte, berief er sich auf sein Durchgangsrecht von 16162). Auf keinen Fall aber erkannte der Landgraf die neueingerichtete Post als ein Recht des Taxis und des Kaisers an, sondern duldete sie nur.

Durch die Stürme des 30jährigen Krieges wurden die schönen Anfänge des hessischen Postwesens vernichtet. Die fast regelmäßigen Botengänge hörten ganz auf und nur mit großen Schwierigkeiten wurde eine, wenn auch noch so notdürftige Nachrichtenvermittelung aufrecht er

1) Postakten. Staatsarchiv Marburg. Brief vom 22. Januar 1616. 2) Vergl. S. 22.

Zeitschr. Bd. 44.

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