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einen Steinbau errichtete, hat er gewiß nur eine ältere Kirche erneuert, und es ist durchaus wahrscheinlich, daß bei der ersten Anlage Michael, der Überwinder Luzifers, eine alte Kultstätte Wotans eingenommen hat1). Eine andere alte Bergkirche hat Jakobsberg, hoch über dem Bewertal und 6 Km. westlich von Herstelle gelegen; ohne weiteres drängt sich hier die Ansicht auf, daß das zu den ältesten Erwerbungen Corveys gehörende Dörflein um eine alte Kirche erbaut worden ist 2).

Kurz vor ihrer Mündung in die Weser verläßt die Diemel die Nordrichtung und durchbricht in einer engen nach Westen geöffneten Schlinge die Weserberge. Auf dem Bergrücken, der diese Schlinge ausfüllt, ragt unmittelbar über der Diemel und Helmarshausen, kaum 3 Km. von Herstelle entfernt, die Ruine der Burg Krukenberg empor, deren Kern, wie später zu erweisen sein wird, eine alte Bergkirche bildete, die Johannes dem Täufer geweiht war. Die Nähe der Residenz des Königs, die beherrschende Lage der Örtlichkeit und die Wahl des Patrons legen auch in diesem Fall die Annahme nahe, daß die Kirche ursprünglich in einer fränkischen Befestigung erbaut worden ist und daß ferner der Ruf ihrer alten Heiligkeit dazu mitgewirkt hat, daß in dem auf schmalem Raum zwischen der Diemel und dem Berg erbauten Ort später ein Kloster gestiftet wurde.

Die strengen Vorschriften des fränkischen Siegers über den Kirchenbesuch an den Sonn- und Festtagen, die Taufe der Kinder, die Beerdigung der Toten auf den Kirchhöfen und die Ausstattung der Pfarreien setzen ohne weiteres voraus, daß rasch und in umfassender Weise mit der Abgrenzung der Taufkirchen und der Erbauung von Gotteshäusern, natürlich aus Holz, vorgegangen wurde 3). Wenn auch nur wenige unmittelbare Zeugnisse für einzelne Orte vorliegen, so wird die Annahme doch durch Angaben der Quellen im allgemeinen gut gestützt). Daher ist die Behauptung gerechtfertigt, daß ein großer Teil der Mutterkirchen in der ersten Anlage auf die Zeit Karls des Großen und Ludwigs des Frommen zurückgeht. Wenn

1) W. U. A. Nr. 21; Zeitschr. f. westf. Gesch. 542 S. 116.
2) P. Wigand, Der Corveische Güterbesitz (1831) S. 42..
Capitulatio de partibus Saxoniae. Monum. Germ. Leg. Sect. II, 1

p. 68, 69.

*) Translatio S. Liborii. Monum. Germ. SS. IV, 149, 151; Einhard vit. Kar. SS. II, 447; vita S. Sturmi SS. II, 365; Hauck I, 356.

die vielfältigen, auf verschiedene Jahre bezogenen Nachrichten der Chronisten über die Fortführung zahlreicher Sachsen in fränkisches Gebiet und die Ansiedelung freier Franken auf sächsischem Boden nicht übertrieben oder zum Teil unrichtig sind, dann muß eine nicht unbedeutende Vermischung der herrschenden Klassen beider Stämme stattgefunden haben, zumal in den Grenzgebieten, die durch den langen Krieg am meisten gelitten hatten. So ist es, um ein Beispiel anzuführen, bezeugt, daß in Wolfsanger bei Kassel Sachsen und Franken neben einander wohnten. Vielleicht ist es auch auf diesen Umstand zurückzuführen, daß das ehemals nur von Sachsen bewohnte Diemelgebiet mit dem fränkischen Niederhessen zu einem großen Gau vereinigt wurde. Freilich ist es schon im 10. Jahrhundert von ihm losgelöst worden und der Zersplitterung anheimgefallen, aber die frühere Annahme eines Sondergaus, des sogenannten sächsischen Hessengaus, ist jetzt endgiltig beseitigt). Ein sehr großer Teil des Bodens im Diemelland war übrigens nach der Unterwerfung zu Reichs- oder Kirchengut erklärt worden, das erstere ist während eines langen Zeitraums durch Vergabungen allmählich aufgezehrt worden.

Fränkische Priester, späterhin auch sächsische, die in fränkischen Klöstern erzogen und vorgebildet waren, arbeiteten mit Hingebung daran, einem unleidlichen Zustand ein Ende zu machen und das den Geboten der Kirche nur äußerlich unterworfene Volk zur tatsächlichen Aufnahme der Grundlehren des christlichen Glaubens zu bewegen. Aber wenn sie auch bei den Edlen, die schon durch politische Zugeständnisse geneigter gemacht waren, Erfolge erzielten, so verharrte doch die Masse des Volks, auch in den Grenzgebieten, bis tief in das 9. Jahrhundert in hartnäckigem Widerstand, der von der ungebrochenen Lebendigkeit des alten Götterglaubens, der Zähigkeit des Stammescharakters und der Erinnerung an das Erlittene getragen wurde 2).

An diesem Punkte der Entwickelung setzte allmählich die Wirksamkeit der Klöster ein. Erst nach Karls Tode

1) Durch K. Wenck, Zur Geschichte des Hessengaus, Zeitschr. 36 S. 227 ff.

2) Vgl. z. B. Translatio S. Liborii. Monum. Germ. SS. IV, 151 Quia vero rudis adhuc in fide populus, et maxime plebeium vulgus, difficile poterat ab errore gentili perfecte divelli... Translatio S. Alexandri SS. II, 676. Die beiden Translationen erfolgten 836 bezw. 851.

begann die Gründung dieser Mittelpunkte der inneren Mission, und auch an der Einführung des Klosterlebens haben sächsische Jünglinge edler Abkunft, die teilweise Geiseln gewesen waren, hervorragenden Anteil genommen 1). So entstand nicht lange nach dem Regierungsantritt Ludwigs des Frommen die Abtei Corvey an der Weser, die erste Leuchte der christlichen Kultur im Engernland; das Mutterkloster in Frankreich hatte bald Ursache, auf diese Tochter stolz zu sein. Wenn es einem Kloster gelang, dem Bedürfnis des Volkes nach sinnlich begreifbaren Gegenständen der Verehrung zu genügen, indem die im Rufe der Heiligkeit und Wundertätigkeit stehenden Reste eines Märtyrers oder Bischofs unter großem Pomp in seinen Bereich übergeführt wurden, dann pflegte es rasch an Ruf und Mitteln zu wachsen, daher fand dieser Vorgang noch bis ins 12. Jahrhundert hinein Nachahmung. Vornehmlich seinen Klöstern hat es denn auch der sächsische Stamm zu danken, daß er, nachdem eine längere Periode des Widerstrebens überwunden war, zugleich mit dem Kern der christlichen Lehre die aus dem Westen gebrachten Elemente einer höheren Kultur aufnahm. Mit Hilfe seiner tüchtigen Begabung verarbeitete er sie überraschend schnell und entwickelte sie zu höheren Formen. Die Bedeutung der Klöster kann man nicht klarer ins Licht stellen, als wenn man sich den Einfluß ausgeschaltet denkt, den sie auf Religion, Theologie und Liebestätigkeit, auf Erziehung, Unterricht und Literatur, auf Kunst, Gewerbe und Landbau geübt haben. Das erstaunliche Resultat war, daß schon im Zeitalter der Ottonen die Sachsen den Vorsprung, den andere Teile des Reiches gehabt hatten, annähernd einholten und auf verschiedenen Gebieten, besonders auch auf dem literarischen, Leistungen erzielten, denen die anderen deutschen Stämme damals nichts Gleichwertiges an die Seite setzen konnten 2). Auch die Frauenklöster hatten an der so rasch zu voller Blüte gelangten Entwickelung ihren Anteil.

Die Gunst und Freigebigkeit der führenden Stände ließ, besonders von der Mitte des 10. Jahrhunderts an, in rascher Folge Kloster um Kloster entstehen; vom Re

1) Translatio S. Viti. Monum. Germ. SS. II, 579. Augebatur tamen cotidie numerus monachorum ex nobilissimo Saxonum genere.

*) Ex hist. translat. S. Pusinnae. Monum. Germ. SS. II, 681. Itaque, ut solet fieri, quo magis efficacia naturali abducebatur prius a religione christiana, ita ferventissime demum eidem se mancipavit.

Zeitschr. Bd. 44.

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gierungsantritt Ottos I. bis zu dem Lothars kann man im Umkreis von zehn Meilen um Helmarshausen siebzehn neu gegründete Klöster und Stifter auf engrischem Boden nachweisen, darunter vier an der Weser von Münden bis zur Diemelmündung. Nicht immer und nicht ausschließlich war es wohl die Sorge um das Seelenheil und das Streben, die Kirche zu fördern, was den Gründungseifer belebte, sondern die hohen Erfolge der älteren Stiftungen auf vielen Gebieten luden auch zur Nachfolge ein. In einem Lande, das der städtischen Ansiedelungen entbehrte, blieben die Klöster länger als im Süden und Westen des Reichs die einzigen Mittelpunkte des Kulturlebens. Wenn auch nicht alle Gründungen gediehen und einige, die von Anfang an unzureichend ausgestattet waren, niemals aus den Schwierigkeiten herauskamen, so spielten doch die Klöster mit ihrem gewaltigen Grundbesitz und den zahlreichen nutzbaren Rechten auch auf dem wirtschaftlichen Gebiet eine sehr bedeutende Rolle, bis am Ende des 13. Jahrhunderts auch hierin der Verfall einsetzte, nachdem die Bedeutung der älteren Orden für die Kirche schon sehr gesunken war.

2. Die Gründung des Klosters als Reichsabtei und seine schwankende Stellung in den ersten zwei

Jahrhunderten (997-1220).

Die Stiftung. Die Person des Stifters. Neue Privilegien. Redrängnisse. Die Abtei wird Paderborn unterstellt. Beweggründe der Übertragung. Verhältnis zu den Bischöfen. Abt Wino und seine Nachfolger. Abt Thietmar I. (1080-1112). Mehrung der Besitzungen und Rechte. Künstlerische Tätigkeit im Kloster. Erwerbung von Reliquien und Überführung des h. Modoald aus Trier. Feierliche Beisetzung des Heiligen. Seine Wundertätigkeit. Abt Reimbold I. Erbauung der Kirche auf dem Krukenberg. Abt Thietmar II. Konrad I. Anerkennung der Freiheit durch Kaiser und Papst. Erwerbung von Zehntrechten und Gütern. Schwanken der Kurie. Thetmar III. (von Stockhausen). Paderborns Protest. Tätlichkeiten und Kompromisse. Freiheit des Klosters. Verdienste um die materielle Kultur des Landes. Literatur und Kunst.

Schule.

Helmarshausen wird im Jahre 944 zum ersten Mal urkundlich erwähnt; es war damals ein Königshof, den der König Otto I. zugleich mit Besitzungen in benachbarten Orten der edlen Frau Helmburg schenkte 1), gegen

1) Monum. Germ. Dipl. I Nr. 57: etiamque curtem I in villa Helmerateshusa vocata. Die Wörter curtis und villa sind gleich

das Ende des 10. Jahrhunderts war er im Besitz eines Grafen Eckhard. Der Tod des einzigen Leibeserben, eines Knaben in zartem Kindesalter, erschütterte ihn und seine Gemahlin Mathilde so tief, daß sie beschlossen, ihr Besitztum einem Gott wohlgefälligen Werk zu widmen 1); wenn ihre Gedanken sich dabei auf die Stiftung eines Mönchsklosters des Benediktinerordens richteten, so mochte ihnen das nahe, in hoher Blüte und hohem Ansehen stehende Corvey als Vorbild vorschweben. Dieser Plan, der vielleicht auf einer Pilgerfahrt der beiden Gatten nach Rom eine feste Gestalt angenommen hatte, fand die Billigung des Kaisers Otto III., den sich Eckhard durch treue Dienste verpflichtet hatte, und er bestätigte die Stiftung am 8. Oktober 997 zu Aachen. In der dort ausgestellten Urkunde verlieh er dem Haupthof Helmarshausen mit seinem Zubehör die Immunität und der Stiftung die Stellung einer Reichsabtei, wie sie Corvey hatte, ausdrücklich wurde bestimmt, daß keiner seiner Nachfolger daran etwas ändern sollte. Die Vogtei über den mit Münz-, Zoll- und Marktrecht ausgestatteten Ort wurde dem Grafen Eckhard und seinem Geschlecht übertragen, nach dessen Erlöschen sollte der Abt im Einvernehmen mit dem Konvent einen geeigneten Vogt wählen können 2).

Es läßt sich nicht mit Sicherheit erweisen, welchem Geschlecht der Stifter angehörte, doch besitzt die Annahme, daß er ein Graf von Reinhausen bei Göttingen gewesen sei, einen ziemlich hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, während der Markgraf Eckhard von Meißen, auf den man früher verfallen war, aus mehreren Gründen nicht in Betracht kommt. Schon Vollandt, der Erzieher der jüngeren Söhne des Landgrafen Karl von Hessen, hat in seinen im übrigen wertlosen Beiträgen zur Geschichte von Helmarshausen den Stifter einen Grafen von

bedeutend, sofern geschlossener Besitz vorliegt, auch in der Urkunde über die Stiftung des Klosters erscheint Helmarshausen als Fronhof. 1) Translatio S. Modoaldi. Monum. Germ. SS. XII, 290.

*) Monum. Germ. Dipl. II. Nr. 256. Nach Kehr. Die Urkunden Ottos III. S. 296 ist die Urkunde auf Grund einer echten Vorlage überarbeitet, vielleicht im Anfang des 12. Jahrhunderts. Es ist zu bemerken, daß auch nach der Translatio a. a. O. Silvester II., der erst im J. 999 Papst wurde, vor Otto III. seine Zustimmung erteilte. Für den Verfasser der Translatio ist Reinhard zu halten, bis zum J. 1112 Mitglied des Konvents in Helmarshausen, dann Abt von Reinhausen. Sein Bericht über die Gründung und den Fortgang von Reinhausen zeigt mehrfach Ähnlichkeit im Ausdruck mit ihr.

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