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Die Verhandlungen in Corbach bewegten sich tatsächlich auf der so vorgezeichneten Linie; es zeigte sich, welches Schwergewicht einem alten gefestigten Besitz der bestrittenen Gegenstände innewohnt. Wenn Paderborn auch unter Verzicht auf die älteren Ansprüche die Abtei gern in seine Gewalt gebracht hätte, so konnte doch davon durchaus keine Rede sein. Die Vermittler einigten sich am 8. Sept. auf folgende Vorschläge: 1. Die Abtei Helmarshausen verbleibt Hessen bis zum Erlöschen des Mannesstammes, dann fällt sie an Paderborn, dem seine Güter und Rechte verbleiben. 2. Die alten Forderungen werden gegenseitig aufgehoben. 3. Wegen der zwei Dörfer Wettesingen und Herlinghausen bei Warburg und der Festsetzung der Grenze bei Helmarshausen soll weiter verhandelt werden. 4. Hessen zahlt 5000 Goldgulden.

Die hessischen Räte empfahlen die Annahme der Vorschläge, und der Landgraf, der sich auf eine weit höhere Entschädigungssumme gefaßt gemacht hatte, erklärte sich ebenso wie der Bischof grundsätzlich mit ihnen einverstanden. Die Verhandlungen wurden am 15. Nov. fortgesetzt und zwar in Warburg, um den Augenschein leichter einnehmen zu können. Hatten die Abgeordneten des Landgrafen Moritz zuerst erklärt, sie könnten auf keins der beiden Dörfer verzichten, obgleich sie, wie unter anderm auch der Lauf der alten Landwehr vermuten ließ, ursprünglich wohl zum Hochstift gehörten, so mahnte Landgraf Ludwig, der unverglichene Rest sei gegen das andere für eine Kleinigkeit zu erachten und man dürfe nicht, wie es im Sprichwort heiße, einen Löffel aufheben und eine Schüssel darüber zertreten. Die paderbornischen Räte bestanden auch darauf, daß eins der Dörfer dem Bischof zufalle; es müsse etwas sein, was ihren Stiftsherrn die Augen fülle. Da die Wahl des Dorfes dem Belieben der Vermittler überlassen blieb, so wurde dem Bischof das Malsburgische Dorf Herlinghausen, das an Wert und Umfang weit gegen das andere zurückstand, zugesprochen unter Vorbehalt aller Rechte, welche die von der Malsburg daran hatten. Das war die einzige Abtretung bisher hessischen Territoriums. Die Feststellung der Grenze bei Helmarshausen machte keine großen Schwierigkeiten; es wurde gründliche Arbeit gemacht, indem die ganze Grenze zwischen Hessen und Paderborn bearbeitet wurde. Von unbedeutenden Änderungen abgesehen, ist es dieselbe Linie, die heute noch die Provinzen Hessen-Nassau und Westfalen an der Diemel, scheidet, sie stellt mit ihren

bornische Adlige zum Teil vom Kloster zu Lehen trugen, wurden verwüstet und Malbäume, gezeichnete Bäume, welche die Grenze festlegen sollten, umgehauen. Manche Nutzungsrechte wurden bestritten, und wer sie jenseits der Grenze ausüben wollte, setzte sich der Gefahr aus, vergewaltigt zu werden. Es kam auch vor, daß Beamte die Grenze nicht achteten und Personen jenseits derselben festnahmen, ohne daß dann etwas anderes als eine geschraubte Erklärung zu erlangen gewesen wäre.

Waren mithin die Beziehungen an der Grenze ohnehin schon sehr gestört, so wurde die Lage weiter dadurch verschärft, daß die Keime der evangelischen Lehre ins Hochstift Paderborn drangen, sich dort ausbreiteten und den Fortbestand der katholischen Religion in dem von so vielen evangelischen Nachbarn umgebenen Bistum gefährdeten. Paderbornische Edelleute wie die von Falkenberg, von Amelunxen, die Spiegel besaßen auch Lehen. von Hessen oder vom Kloster Helmarshausen, sie waren den Einflüssen, die über die Grenze kamen, vor allem ausgesetzt. Von ihnen standen besonders die von Falkenberg von alters her in einem nahen Verhältnis zu der Abtei, sie waren etwa seit der Mitte des 14. Jahrhunderts auf Herstelle angesessen. Es wird in der Regel angenommen, daß diese Familie als ein Zweig der von Schartenberg vom Falkenberg bei Zierenberg stamme 1), aber diese Annahme ist ziemlich sicher irrig, denn die Gleichheit des Wappens und der Vornamen weist auf das nach der Burg Falkenberg im Kreis Homberg benannte Geschlecht 2).

Als Christoph von Falkenberg durch Aufkündigung der Pfandschaft im J. 1582 des Hauses Herstelle entsetzt wurde, scheint die Hinneigung oder der Übertritt zum evangelischen Glauben maßgebend gewesen zu sein. Burkhard Weiters, der hessische Amtmann in Helmarshausen, ließ ihm damals bewaffnete Unterstützung zuteil werden, um seine auf hessischen Lehnstücken geernteten Früchte zu bergen. Er rückte in der Frühe des 19. Juli 1583 mit bewaffneter Mannschaft vor die Burg Herstelle, nahm sie ein und ließ bei diesem Akt der Selbsthilfe soviel Korn wegführen, wie dem Lehnsmann entzogen war. Im folgenden Jahre pachteten Bürger von Helmarshausen jene zwei Lehnhufen, die in der Gemarkung von Herstelle lagen, und besäten sie, doch wurden sie alsbald von Paderborner Untertanen umgeackert. Die Pächter säten nun

1) Landau, Beschreibung des Kurfürstenthums Hessen S. 212. 2) Vgl. Vierteljahrsschrift des Vereins Herold 1876 H. 2 S. 131.

sah er ein, daß er auf keinem Wege seine veralteten oder zweifelhaften Forderungen durchsetzen würde, auf der andern wünschte er dringend, die Hände frei zu haben, um die Gegenreformation im Hochstift durchzuführen, was er als seine Lebensaufgabe betrachtete. Mit Hilfe der Jesuiten hat er sein Ziel vollständig erreicht, das Dorf Herlinghausen, wo die von der Malsburg nicht nur das Gericht, sondern auch das Patronat hatten, war vielleicht das einzige, welches evangelisch bleiben durfte. Durch dies schroffe Vorgehen wurden die Beziehungen zwischen dem Bischof und dem Landgrafen alsbald wieder getrübt. Als die Protestanten in Paderborn den Schutz des Landgrafen anriefen, schrieb er im J. 1599 dem Bischof, es sei schon genug Unruhe im römischen Reich vorhanden, er möge die unter seinen Vorgängern und ihm hergebrachte Religionsübung gestatten 1). Theodor von Fürstenberg erwiderte, es sei seine Pflicht und sein Recht, was er ausübe, und dabei gedenke er zu verharren; er vertraue auch, daß der Landgraf ihm das nicht verdenken, vielmehr die Untertanen zu schuldigem Gehorsam ermahnen werde in Erwägung, wie ungern er in seinem Fürstentum eine Änderung der Augsburgischen Konfession gestatten, geschweige denn sich von andern und bevorab von den Seinigen Ziel und Maß des Handelns vorschreiben lassen würde.

Während man im J. 1629 versuchte, das Restitutionsedikt auf die ehemaligen Klöster in Lippoldsberg und Hofgeismar anzuwenden, geschah in Helmarshausen nichts derartiges, obwohl es an Handhaben nicht gefehlt hätte. Dagegen scheint man acht Jahre nachher, als das Niederfürstentum Hessen am Boden lag, daran gedacht zu haben, sich der verlorenen Plätze durch Waffengewalt zu bemächtigen und die im Vertrag aufgegebenen Ansprüche wieder aufleben zu lassen 2). Aber ein ernstlicher Versuch wurde nicht gemacht, Helmarshausen ist gleich den anderen Besitzstücken Hessen verblieben und hat in der Folge alle Schicksale der Stammlande geteilt. *

1) 1599 März 29. Polit. Akten Paderb. 801. St. M.

2) Entwurf zu einem Bericht an den Bischof Ferdinand von Fürstenberg. Archiv des Geschichtsvereins zu Paderb. Akten Nr. 77. * [T. II: „Der Güterbesitz, die Verfassung und die Wirtschaft der Abtei" folgt im nächsten Bande.]

sei mehr die Nachlässigkeit der landgräflichen Diener schuld, als Vorsatz auf der andern Seite.

An dem Zug nach Herstelle im J. 1583 hatte auch Heinrich Wiederhold, damals Richter in Helmarshausen, teilgenommen, weshalb er später, als er die Anwaltschaft betrieb, schwer zu leiden hatte. Nachdem er schon einmal, als er paderbornisches Gebiet betreten hatte, von dem Rentmeister in Herstelle bedroht und mißhandelt war, ließ er sich im J. 1594 verleiten, einen Warburger Anwalt, mit dem er in Streit geraten war, wegen einer beleidigenden Äußerung gegen den Bischof in dessen Residenz Neuhaus bei Paderborn zu verklagen. Da er die Wahrheit der Anschuldigung nicht auf der Stelle erweisen konnte, so wurde er in ein hartes Gefängnis geworfen, durch Aushungerung und Bedrohung mit der Folter und schwerer Strafe einen Monat lang gepeinigt und zur Verzweiflung getrieben, bis man ihn endlich entließ und ihm obendrein noch Kosten aufbürdete. Dafür wurde keinerlei Genugtuung oder Entschädigung geleistet 1).

Um den Prozeß, bei dem kein Ende abzusehen war, in andere Wege zu leiten, hatte sich der Herzog Heinrich von Sachsen-Lauenburg, Administrator von Paderborn, im J. 1581 an den Kaiser Rudolf II. gewandt und eine Entscheidung beantragt. Dieser erteilte auch am 8. Mai dem Erzbischof Gebhard von Köln und dem Herzog Julius von Braunschweig-Lüneburg mit, daß zwischen Paderborn und Hessen über Kloster und Stadt Helmarshausen, Haus Krukenberg, Liebenau, einen Teil des Reinhardswalds, einige Orte an der Diemel, die Dörfer Wettesingen, Herlinghausen und Breuna und auch sonst noch Irrungen beständen, die er gern beigelegt sähe; sie sollten den Parteien einen Tag setzen und persönlich oder durch Bevollmächtigte einen gütlichen Vergleich herbeiführen oder den Fall durch einen schiedsrichterlichen Spruch entscheiden 2).

Noch war nichts entschieden, als im J. 1585 eine Bischofswahl in Paderborn anstand; man war entschlossen keinen Bischof zu wählen, der nicht der katholischen Religion durchaus zugetan wäre. Wilhelm IV. hatte sowohl aus allgemeineren Gesichtspunkten als auch wegen der bestehenden Irrungen ein großes Interesse an ihr. In seinem Auftrag begab sich Eckebrecht der Ältere von der Malsburg nach Paderborn, um womöglich etwas Einfluß

1) Das Nähere im Aufsatz des Verfassers im Hessenland 1907 Nr. 1. 2) Overham V, 254.

Jahre Mitglied, zwei Semester Vorsitzender des studentischen Vereins „Roter Löwe“, der von der Heraldik ausgehend alle Zweige der geschichtlichen Hilfswissenschaften insbesondere auch Siegel- und Münzkunde, Kunstgeschichte und Genealogie pflegte. Über Genealogie und Heraldik hat er auch wenigstens einmal Vorlesungen gehalten, freier erging er sich in der Prüfung und Deutung der Denkmäler auf der Wanderung mit gleichgestimmten Freunden, und wem er da aus seinen gediegenen Kenntnissen heraus lebendige Anschauung schuf, wird die dankbare Erinnerung daran nicht verlieren. „Er verstand es", so rühmt mir ein ihm nahestehender Kollege, „die Geschichte von den Denkmälern abzulesen und mit einer erfrischenden nüchternen Klarheit, was er wußte und was er sah, dem, der ihn hören wollte, mitzuteilen." Ich darf hier gleich zusammenfassen, was von seinem Wesen nur in der Erinnerung fortlebt: seine liebenswürdige heitere schlichte Art, die im geselligen Kreise auch freudvoll überschäumen konnte, seine unbedingte Wahrhaftigkeit, die doch mit ruhiger Milde gepaart war.

Der Umkreis seiner literarischen Hinterlassenschaft erklärt sich aus dem Gang seines Lebens seit seiner Studienzeit. Ein Kasseler Kind, Sohn eines Fabrikanten aus alter hessischer Familie, besuchte der am 25. April 1865 geborene Hermann Martin Diemar das Kasseler Friedrichsgymnasium, dann studierte er im Sommer 1884 in Bonn, vom Herbst 1884-86 vier Semester in Leipzig, weiter sechs Semester in Marburg. Am 1. August 1889 erledigte er seine mündliche Doktorprüfung, am 24. Juni 1892 das Oberlehrerexamen. Dazwischen diente er vom Herbst 1889 ab ein Jahr bei der Feldartillerie in Kassel. Während seiner Studienjahre überraschte er im historischen Seminar im einzelnen Falle den Lehrer durch die ungewöhnliche Gründlichkeit der geleisteten Übungsarbeit. Seine aus der Anregung von Max Lenz hervorgegangene, 1890 erschienene Promotionsschrift Untersuchungen über die Schlacht bei Lützen (16. Nov. 1632)" wies mit erfreulicher Sicherheit in reifer Fassung die methodischen Irrgänge der gegen die Hauptquellen gerichteten Zweifelsucht Gustav Droysens nach. Was feststeht, glaubt er nicht zu wissen, und was er zu wissen glaubt, ist unrichtig oder zweifelhaft." Das Talent anziehender anschaulicher Darstellung, das ich in neuerer Zeit besonders in den Biographien Landgraf Ludwigs I. und II. von Hessen

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