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Neben dieser literarischen Tätigkeit hat Diemar in seinen akademischen Vorlesungen allgemeine bezw. deutsche Geschichte recht verschiedener Perioden behandelt. Ein Lungenleiden hatte ihn zunächst gehindert, von seiner im April 1896 erfolgten Habilitation Gebrauch zu machen, aber ärztliche Behandlung und ein Aufenthalt an der Riviera schaffte ihm Heilung, im Wintersemester 1897/98 hielt er seine erste Vorlesung über deutsche Geschichte von 1640-1740, neben ihr begegnen dann immer wieder Vorlesungen über deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation, über das Zeitalter des dreißigjährigen Kriegs. Zur Geschichte des Mittelalters las er: Geschichte der Völkerwanderung und der germanischen Staatengründungen, allgemeine Geschichte im Zeitalter der Kreuzzüge, deutsche Geschichte vom Interregnum bis zur Reformation, daneben auch einige Male „Hessische Geschichte". Für seine historischen Übungen legte er gern einen mittelalterlichen Schriftsteller z. B. Widukind, Lampert u. s. w. zugrunde. Dem Erfolg seiner akademischen Vorlesungen bereitete vielleicht die Neigung zu gründlichster Erörterung des Einzelnen etwas Eintrag, doch fehlte ihm keineswegs die Fähigkeit in knappem Rahmen und großen Zügen das Wesentliche in lebendiger Darstellung zusammenzufassen. Er hat sie in Vorlesungsreihen bewährt, die er vor größeren Kreisen von Volksschullehrern in Homberg, Marburg, Schlüchtern 1904, in Hersfeld 1909 über hessische und älteste deutsche Geschichte gehalten hat. Dabei scheute er nicht die zeitraubenden Reisen mitten im Semester und erntete, das kann ich aus dem Munde eines Hörers, der mir kürzlich davon gesprochen hat, bezeugen, lebhaften Dank.

Am 31. März 1903 wurde ihm der Professortitel verliehen. In den letzten fünf Jahren konnte er sich an der Seite einer Gattin ausleben, und niemand ahnte in diesem Frühjahr, daß seinem Dasein eine so kurze Frist gesteckt sei. In wenig mehr als einer Woche war er gesund und tot. Infolge einer Erkältung wurde er von einer schweren Lungenentzündung befallen, das Herz versagte, und so schied er am 26. Mai 1910 abends 10 Uhr aus dem Leben. Er hat seiner Wissenschaft und seiner hessischen Heimat treue Arbeit getan. Ehre seinem Andenken!

(Allgem. dtsch. Biographie 52 (1906) S. 115-20) ausgeprägt finde, tritt auch hier deutlich hervor. Eine Zeit lang bestand der Plan, durch Diemar eine mit staatlichen Mitteln zu veröffentlichende Aktenpublikation auf dem mit seiner Dissertation so glücklich betretenen Arbeitsgebiete besorgen zu lassen. Diese Aussicht und der Wunsch, sich das Rüstzeug des Herausgebers noch besser dienstbar zu machen, bewog ihn als Hilfsarbeiter am Stadtarchiv zu Köln archivalische Ausbildung zu suchen. Jener Plan zerschlug sich, und nur noch in gehaltvollen Bücherbesprechungen (vergl. z. B. Histor. Zeitschr. 73, 91 und 176 und 75, 110), in Vorlesungen und in Übungen (,,zur Geschichte Wallensteins" im Sommersemester 1906) hat Diemar seine Kenntnis der Geschichte des großen Kriegs bekundet, abgesehen von zwei kleinen Aufsätzen des Jahres 1893 „Der Anteil der Hessen an der Schlacht bei Lützen“ in dieser Zeitschrift Bd. 28, 327-53 und „Köln und die Schlacht bei Lützen" im Korrespondenzblatt der Westdeutschen Zeitschrift 12, 39-43. Allerdings ist er noch gelegentlich der Habilitation im Frühjahr 1896 in seinem Vortrag vor der Fakultät mit einer größeren Arbeit über Peter Melander, Reichsgraf zu Holzappel, den Westerwälder Bauersohn, den hessischen dann kaiserlichen General, hervorgetreten, aber, soviel er für die ganze Auffassung des Mannes namentlich bezüglich seiner hessischen Zeit über das seine Forschungen kreuzende Buch von Rudolf Schmidt (1895) hinaus unsere Kenntnis hätte bereichern können, so ist davon doch nichts als die sehr beachtenswerte Würdigung des von Schmidt Geleisteten (Histor. Zeitschr. 80 (1898) S. 134-6) ans Licht getreten.

Von 1892-95 gehörte D. dem Kölner Stadtarchiv an, und begreiflicher Weise hat der Reichtum dieses Archivs ihn bald in den Dienst der Geschichte Kölns gezogen. Er verfolgte sie vornehmlich in den Beziehungen der Stadt zum Reich und zu Hessen. Unter dem Titel „Köln und das Reich" verzeichnete er 1893-94 die sämtlichen Bestände des Archivs, welche die Beziehungen Kölns zum Reich beleuchten (die Urkunden nur ausnahmsweise) für die Jahre 1356-1451 und 1452-74 in zwei Heften der Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln Bd. 9, 90—204 und 213-357. Die mühselige Arbeit sollte ,,die Umrisse eines Bildes der Reichsbeziehungen Kölns andeuten“, sie konnte als vorbildlich für ähnliche Zusammenstellungen für andere einstige Reichsstädte gelten.

Zeitschr. Bd. 44.

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lichem Auftrage über einige historisch wertvolle Bauwerke abfaßte und die für das spätere Schicksal dieser Bauwerke von Bedeutung gewesen sind, ohne daß übrigens allenthalben nach Schäfers Vorschlägen verfahren worden wäre. Es ist bekannt, daß die durch seine Gutachten inaugurierten Restaurationen von dieser frühen Zeit seines Wirkens an bis zur Gegenwart, wo durch die Heidelberger Schloßfrage die Gemüter bewegt werden (vgl. dazu die Aufsätze S. 404, 410, 426, 428), lebhaften Widerspruch gefunden haben. Es ist hier nicht der Ort, auf diese Frage näher einzugehen, aber es muß betont werden, daß die Gutachten Schäfers überall von einer genauen Untersuchung des alten Zustandes ausgehen, und daß sie uns dadurch einen gewissen Ersatz für das bieten, was durch spätere Restaurationen verwischt und beseitigt worden ist. Sie haben also heute einen nicht zu unterschätzenden 'Quellenwert, und dem Herausgeber gebührt aus diesem Grunde besonderer Dank. Es wäre nur zu wünschen gewesen, daß nicht nur die in Schäfers Nachlaß doch wohl noch vorhandenen erläuternden Pläne und Zeichnungen hinzugefügt worden wären, sondern daß man auch gerade bei diesen Gutachten eine gewisse Vollständigkeit erstrebt hätte. Wenn ich nicht irre, hat z. B. Sch. im Jahre 1871 einen hier nicht aufgenommenen Bericht erstattet, der für die Baugeschichte des Marburger Schlosses wichtig gewesen wäre. Ein zuerst 1867 erschienener Aufsatz über die Glasmalerei (S. 16 ff.) ist wahrscheinlich durch die Fenster der Elisabethkirche in Marburg angeregt worden, 1868 erstattete Sch. ein Gutachten über die wiederaufgedeckten Wandmalereien in der Klosterkirche von Lippoldsberg (S. 47), 1869 ein solches über die Schloßkapelle und den Rittersaal zu Marburg (S. 54). Das letztgenannte ist für den ehemaligen Zustand dieser einzigartigen Bauwerke aus dem Ende des 13. Jahrhunderts von besonderem Werte, auch wenn die Vermutungen und Schlußfolgerungen nicht selten den Widerspruch herausfordern oder durch spätere Funde widerlegt werden. So hat Sch. für die flankierenden Ecktürmchen des Saalbaues, die im 17. Jahrhundert welsche Hauben erhalten hatten, hohe Helme angenommen und in diesem Sinne ist tatsächlich später die Restauration erfolgt, die nicht zu seinem Vorteil die Physiognomie des Gebäudes verändert hat. In Wirklichkeit waren die Türmchen mit Zinnen gekrönt, wie eine Abbildung des 17. Jahrhunderts bezeugt. Auf weitere Einzelheiten einzugehen fehlt hier der Raum. Ich erwähne noch das Gutachten über die Restauration der Pfarrkirche in Frankenberg (1870) (S. 71), den Aufsatz „Zur Geschichte des alten Universitätsgebäudes zu Marburg" (1872) (S. 81), das Inventar der Kunstwerke und Denkmäler in der Elisabethkirche daselbst (1873) (S. 87), ein interessantes Dokument für die Feststellung der seit dieser Zeit eingetretenen Verluste, und den 1876 und 1879 in der Deutschen Bauzeitung veröffentlichten Aufsatz über gothische Wandmalereien in Marburg, der Schäfers Theorie von der Quaderbemalung gothischer Gebäude an einer ganzen Reihe von Beispielen belegt. Durch den Neubau der Marburger Universitätsaula, der im wesentlichen auf den schon 1876 aufgestellten Plänen beruht, ist dann Sch. noch einmal im Jahre 1888 veranlaßt worden, über das alte Dominikanerkloster und die an seine Stelle getretene Neuschöpfung zu sprechen (S. 377), und als letzte Arbeit aus hessischem Gebiete ist ein 1903 erschienener Aufsatz über ein gothisches Fachwerkhaus in Marburg zu erwähnen, das er 30 Jahre vorher gelegentlich des Abbruches studieren konnte und das ihm auch bei seinen Vorlesungen immer als besonders bemerkenswertes Beispiel gedient hat.

Marburg.

F. Küch.

Walther Diemer, Die Besiedlung des Vogelsberges. Eine Studie zur Siedlungs- und Verkehrsgeographie. Mit 2 Karten [und 7 Lageplänen im Text] 117 S. = Geograph. Mitteilungen aus Hessen. Im Auftrage der Gesellschaft f. Erd- u. Völkerkunde zu Gießen hrsg. v. Prof. Dr. Wilh. Sievers. Heft V. 129 S. gr. 8°. Gießen, A. Töpelmann 1909. 4 M.

Durch die vorliegende Arbeit wird die hessische Landeskunde wieder um einen wertvollen Beitrag bereichert. Als ein selbständiges Individuum gewissermaßen hebt sich der Vogelsberg aus seiner Umgebung heraus. Seine Abgrenzung, die bei oberflächlichem Hinschauen ganz leicht erscheint, bietet jedoch, besonders im Norden und Nordwesten, Schwierigkeiten, die der Verf. glücklich gelöst hat. Bei der Einteilung des Gebiets waren weniger orographische als, dem Zweck der Arbeit entsprechend, siedlungsgeographische Gesichtspunkte maßgebend. Es ergibt sich daher eine Gliederung in besiedelte Räume, deren Grenzen die Höhenrücken bilden, nicht die besiedelten Tiefenlinien. In klarer, anschaulicher Weise sind die orographischen und klimatologischen Verhältnisse als Grundlage für die folgenden anthropogeographischen Betrachtungen dargestellt und durch zahlreiche Zahlenangaben erläutert. Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit der Geschichte der Besiedlung und gibt zunächst einen kurzen Überblick über die Geschichte des Gebiets, bis zur Einführung des Christentums. Dann wird an der Hand alter Grenzbeschreibungen und der Flurnamen die ehemalige Ausdehnung von Wald und Sumpf, also die topographischen Faktoren für die erste Besiedlung, festgestellt. Für die Untersuchung der historischen Entwicklung der Besiedlung werden nach dem Vorgange Schlüters (Die Siedlungen im nordöstl. Thüringen, Berlin 1903) unter Anlehnung an die Periodeneinteilung Arnold's (Ansiedlungen und Wanderungen deutscher Stämme) die Ortsnamen herangezogen. Lehrreich sind die Ergebnisse dieser eingehenden Betrachtung, die in einer tabellarischen Übersicht zusammengestellt sind. Wir entnehmen aus ihr. daß erst verhältnismäßig spät im Vogelsberg eine regere Siedelungstätigkeit eingesetzt hat, ferner daß auch hier ein großer Teil der gegründeten Ortschaften (45%), die meisten aus der jüngsten Periode (516) wieder ausgegangen sind. Es walten also die gleichen Verhältnisse, wie z. B. im oberen Lahngebiet und in Nordostthüringen.

In der zweiten Hälfte der Arbeit, die bereits 1908 als Dissertation erschienen ist, wird zunächst die Verteilung der Ortschaften über das Gebiet, dann die geographische und topographische Lage der Vogelsbergorte behandelt. Deutlich tritt der Einfluß der Höhenlage und der Bodenbeschaffenheit auf die Ortschaftsdichte hervor. So zeigt sich z. B. auch hier wieder die Kulturfeindlichkeit des Buntsandsteins. In der Betrachtung über die geographische Lage der Vogelsbergorte werden die Verkehrsverhältnisse eingehend analysiert. Scharf werden uns die Unterschiede zwischen der alten Zeit der Landstraßen und der neuen Zeit, die mit dem Bau der Eisenbahnen einsetzt, vor Augen geführt, und im einzelnen wird dann die Bedeutung aller größeren Orte des Vogelsbergs für den Verkehr erörtert. Als Hauptverkehrsmittelpunkt wird das schon etwas abseits liegende Fulda noch zum Vogelsberg gerechnet, dem Durchgangsverkehr dienen Gelnhausen, Steinau, Schlüchtern, Kirchhain. Es folgen die Randorte, die am Ausgange der Radialtäler liegen, und die Mittelpunkte des Kleinverkehrs im Innern des Gebirges. Für die Untersuchung der topographischen Lage der einzelnen Orte werden nach dem Beispiele Schlüters sechs Typen der Ortslage (Tal-,

Gehänge, Nest-, Berglage u. s. w.) aufgestellt und deren Verbreitung über das Gebirge in lehrreicher Weise behandelt.

Der Arbeit sind zwei Karten beigegeben, von denen die erste eine Übersicht über die Verteilung der Siedlungen bietet die zweite, die eigentliche Hauptkarte, ist technisch vorzüglich ausgeführt. Als Höhenschichtenkarte (Stufen zu 100 m) läßt sie klar den regelmäßigen Bau des Vogelsbergs und die radiale Anordnung seiner Täler erkennen. Deutlich tritt daher auch die Naturbedingtheit der Verkehrsstraßen und Wohnplätze ins Auge, vor allem aber dient sie zur Veranschaulichung des historischen Verlaufs der Besiedlung. Man könnte nur aussetzen, daß sie infolge des großen Maßstabs 1: 100 000 etwas unhandlich wird, und daß bei einem kleineren Maßstab, etwa 1: 200 000, die Klarheit gewiß nicht gelitten hätte.

Alles in allem zeigt diese gründliche Arbeit die enge Vertrautheit des Verfassers mit seinem Arbeitsgebiete und wird daher besonders allen Freunden des Vogelsbergs willkommen sein. Den Beschluß des Heftes bilden zwei kleine Beiträge: 1) F. Markert, Die neuere Literatur zur Landeskunde des Großherzogtums Hessen. S. 118-27 und 2) Mitteilungen aus der Gesellschaft. Die Vereinsjahre 1905–1908. S. 128-29.

Danzig.

Dr. Ernst Kätelhön.

von

Die Flurnamen der Grafschaft Schlitz gesammelt Wilhelm Hotz, als Werbeschrift für die geplante Sammlung der Flurnamen des Großherzogtums Hessen mit einer Einleitung versehen und herausgegeben von J. R. Dieterich. Darmstadt 1910. C. F. Wintersche Buchdruckerei. XXXVI u. 16 SS. 8o.

Von den durch Pfarrer Hotz höchst sorgfältig gesammelten und unter Heranziehung aller erreichbaren älteren Formen verzeichneten Flurnamen der Grafschaft Schlitz liegt hier zunächst nur ein Bogen vor: vielleicht ein Zehntel des Ganzen! Dieser Umfang zeigt, welchen Raum und welche Kosten das Unternehmen erfordern wird, und die tüchtige Ausführung dieser Probe weckt den Wunsch, daß überall wohlgerüstete Männer mit gleicher Hingabe sich in seinen Dienst stellen möchten. Dann wird ein gut Teil der Bedenken, die ich gegen die Flurnamenforschung hege, fortfallen. Aber freilich, nicht überall dürften die Verhältnisse so günstig liegen wie im Großherzogtum Hessen, wo die Hessische Vereinigung für Volkskunde den Boden bereitet hat und der Staatsarchivar Dr. Julius Reinhard Dieterich für den festen Anschluß an die urkundlichen Quellen sorgt, ohne den dieser Sammelzweig immer wieder zu einem dilettantischen Sport wird. Dieterich hat die umfangreiche Einleitung des vorliegenden Heftes geschrieben, ein Gespräch über hessische Ortsbezeichnungen und vom Werte ihrer Sammlung zwischen dem ortskundigen Lehrer, der dem Plane, die Flurnamen zum Nutzen der Ortsgeschichte zu verwerten, anfangs doch skeptisch gegenübersteht, und dem Sammler, der von allgemeinen Belehrungen über das Bild der Gemarkung zu Einzelerörterungen fortschreitet und, indem er diese wieder zu Ausblicken erweitert, den anfangs widerstrebenden Partner zu eigenen Erkenntnissen und Aufschlüssen ermutigt und ihn so für den Dienst der schönen Aufgabe gewinnt. Diese Werbeschrift verdient die weiteste Verbreitung: sie ist eindringlich und doch vorsichtig, nüchtern und doch phantasievoll, alles am rechten Platze. Wir dürfen unsere Stammesgenossen jenseits der

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