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Europa in allen neuern Zeiten, so wenig, als, im Allgemeinen, das Alterthum, dem jener in seiner ganzen Entwicklung nåher kommt, jene feinere Seite der geistigen Natur des Menschen gekannt, die Gemüthlichkeit der Germanen. Griechenland hat jedoch davon, wie es denn zu irgend einer Zeit auch jede verborgenste Saite des menschlichen Geistes einmal angeschlagen hat, in den Zeiten, die seine åltern Dichter, besonders sein Homer schildern, einen unermeßlichen Schaß, und dieser Homer ist darum für das ganze menschliche Geschlecht von so hoher Bedeutung, wie nur irgend ein Religionslehrer, geworden. Håtte Machiavell mit seinen frühesten Kenntnissen ihn und die auf ihn folgende Blüthe der griechischen Dichtkunst kennen gelernt, es håtte seinen regen Kopf und seine offene Seele unfehlbar bereichert mit Ideen und Gefühlen, er håtte dann gewiß, um nur Eins anzuführen, einen Sinn für die deutschen Reformatoren bekommen, die ihn nun kaum zu interessiren scheinen. Die Unbekanntschaft mit der griechischen Literatur und inneren Geschichte nimmt Machiavell einigen Werth als Menschen; als Bürger und Patrioten hat sie ihn großartiger gemacht 129). Hierauf werde ich unten zurückkommen müssen, wenn ich von seinen politischen Marimen rede, in denen wir die außerordentliche Consequenz und Größe bewundern müssen, mit der er, abgethan von aller Milde der Gesinnung und allem Gefühl für billige Nachsicht, kein würdiges Ziel der Menschen erkennt als die Tugend der Römer, ihre Strenge und Zucht, ihre Bürgerdisciplin, ihre Gerechtigkeit ohne Erbarmen.

Dem mittellosen und ahnenlosen Manne war leider in der Republik kein so hoher Posten gegönut, der ihm einen bedeutenden Einfluß in die Politik derselben vergönnt hätte. Er sah vor

129) Man muß ihn hören, wo er in den Discorsen in feurigem Entzücken den glücklichen Staat preist, der auf dem schmalen Gute, am Pflug, seinen Dictator sucht. Ihn freut diese Armuth und Genügsamkeit, die für sich nicht, aber für den Staat Reichthum, für sich und den Staat Ehre erobert; ihn jene Geistesgröße der Bürger, die als Feld= herrn fremden Reichen und Herren troßen und Könige verachten; und dann als Privaten vier ärmliche Jugera bauen, gemeine Kriegsdienste thun und ihren Führern und Magistraten gehorchen.

aus, wohin die unselige Schwäche der Regierung des Gonfalonier Pietro Soderini, der bekanntlich das ewige Stichblatt feiner Prophezeiungen, seines Wißes 130) und spåter seiner warnenden Beispiele war, führen müsse. Dieser Mann war 1502 vorzüglich unter dem Zuthun einer Klasse von Staatsleuten, die ein strengeres Regiment, einen venetianischen Senat und ein Staatshaupt das dem Dogen ähnlich wäre, einführen wollten, zum lebenslånglichen Gonfaloniere gewählt worden. Sehr bald aber bemerkten diese Anstifter der ganzen Reform, daß Soderini nicht geneigt war, die populåre Verfassung nach ihrem Sinne zu ändern und Bernardo Rucellat, so wie Lorenzo di Pierfrancesco de' Medici wandten sich plößlich und auf eine auffallende Weise von ihm ab. Das Glück aber trug nicht wenig zu Soderini's Erhaltung bei; Lorenzo starb, Rucellai verließ Florenz, der Herzog Borgia schaffte die Vitelli und Orsini aus dem Wege, die ihn stets zur Wiedereinseßung des Piero de' Medici gereizt hatten; dieser selbst ertrank bald darauf, und noch vorher war Alexander VI. gestorben. Drei Jahre lang besaß er auf diese Weise seine Würde ungestört, und man låßt dieser Zeit billig das Lob widerfahren, daß sie unter seinem Wirken ruhiger und geordneter war. Doch råchte sich die thōrichte Entfernung von denen, die ihn emporgehoben hatten, auch noch nach der Zeit des Friedens und der Ruhe. Als seine Unternehmung gegen Pisa 1505, die seine Gegner mißrathen hatten, fehlschlug, kam er bei dem Heere in Mißcredit, seine Feinde regten sich wieder, Bernardo kehrte zurück und sammelte einen Kreis von Leuten um sich, die unter dem Schein von ruhigen Beobachtern der innern Zerwürfnisse, den sie sich zu geben wußten, von Soderini geduldet wurden, der sich nur vor der offenen Opposition des Salviati und seiner Anhänger scheute. Von dieser Zeit an ward von seinen Widersachern jede Gelegenheit benußt, um sein Ansehn zu entkräften; leider aber waren sie nicht entschlossen genug, eine Reform durch

130) Bekannt ist das Epigramm Machiavell's:

La notte che mori Pier Soderini

l'alma n'andò dell' Inferno alla bocca:

E Pluto la gridò: Anima sciocca,

Che inferno? Va' nell limbo de' Bambini!

zusetzen, bevor die üble Wirkung seiner Anhänglichkeit und Abhängigkeit von Frankreich den Staat umstürzte. Er räumte nemlich 1509 dem König von Frankreich Pisa ein zur Abhaltung eines Concils, mit dem dieser den Pabst beschäftigen wollte, der sich gegen ihn mit Spanien und Venedig verbündet hatte. Dies ser Dienst half Frankreich wenig und reizte den Pabst. In Flo renz entstand daher natürlich Besorgniß, als die Verbündeten, nachdem bei Ravenna 1512 Gaston de Foir geblieben war, unter Raimund von Cardona überall Fortschritte machten, und man dachte ernstlich daran, die Regierung zu ändern und den Gonfaloniere zu entfernen. Selbst nachdem der Cardinal von Medici den Verbündeten die Sache der Mediceer annehmlich zu machen anfing, zeigte sich Soderini nicht willig, auf das Ansuchen des Bundestags in Mantua die französische Seite zu vers lassen. Der spanische Feldherr rückte gegen Florenz vor, kam aber in Verlegenheit, da sich dort Niemand für die Mediceer regte. Noch hätte sich Soderini mit einer klugen Nachgiebigkeit retten können, alle Verständigen, ja der König von Frankreich selbst riethen zu einem Accorde; allein der eigensinnige Mann erschien im großen Rathe, legte Rechenschaft von seinem Amte ab und erbot sich, wenn das Volk es so wollte, dasselbe niederzulegen. Die Gonfalone erklärten sich bereit, in einem lächerlichen Anfall von Muth, ihre Freiheit und die populare Regierung zu vertheidigen. Jede Unterhandlung ward hierauf erschwert, die Spanier stürmter Prato, und jeßt trieben die Jüngs linge der Gegenparthei den Gonfalonier aus dem Palaste, ohne daß sich eine Hand für ihn gerührt håtte.

Mit dem Fall des Soderini und der Wiedereinseßung der Mediceer fiel auch Machiavell. Er ward 1512 kassirt, jedes Amtes für unfähig erklärt und auf das Territorium von Florenz auf ein Jahr verwiesen. Von dieser Zeit an bis auf seine Wies derberufung durch die Mediceer wird er Einmal in der Geschichte genannt. Er soll und dieß hat auch bei Neueren Glauben gefunden an der Verschwörung der Capponi und Boscoli gegen Julian, Lorenzo und den Cardinal von Medicis Theil ges habt haben. Die Sache war verrathen worden unter dem Absterben Julius des Zweiten; der Cardinal wollte während der Pabstwahl keine weitere Untersuchung angestellt wissen, und die

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zwei Anstifter wurden hingerichtet, Machiavelli blieb verhaftet, ward sogar gefoltert, aber nach der Wahl Leo's auf freien Fuß gesezt. Nerli, den ich in allen diesen innern Angelegenheiten als die beste Quelle ansehe, und der den Machiavell genau kannte, geht ohne alles Stellen und Verstellen über die Erzählung der angeführten Facten weg, und man sieht wohl, daß es ihm nicht einfällt, Machiavell wirklich als einen Echuldigen zu bezeichnen. Im Gegentheil, als spåter unter der Herrschaft des Cardinal Julius das Verlangen nach Reform wieder lauter ward, als man wieder ein einjähriges Gonfalonat forderte, als Zanobi Buondelmonti und Machiavell selbst Schriften über die Reform an den Cardinal eingaben, als in den Gårten des Rucellai, die Machiavell besuchte, jene Jünglinge, mit denen er in so engen Verhältnissen stand, sich verschworen, und derselbe Buondelmonti, der neben Machiavell sich schriftstellerisch thätig für die Sache der Verschwornen gezeigt hatte, an der Spiße derselben stand, so kam weder auf Machiavelli noch auf Nerli, der auch bis auf die letzten Augenblicke der Entdeckung mit Zanobi zusammen war, nach Nardi auch nicht ein Schein von Verdacht, und Nerli bemerkt bei dieser Gelegenheit ausdrücklich 131), daß wenn sich jene an Machiavell's Lehren über die Verschwörungen erinnert håtten, sie nicht so leichtfertig auf ihre Unternehmung verfallen seyn würden. Machiavelli selbst bezüchtigt sich in einem Schreiben an Franz Vettori einer Unvorsichtigkeit, die aber offenbar nur seinen Umgang oder seine Schriften meint; er spricht von seiner Unschuld in einem Tone, der für jeden Uneingenommenen schlechthin überzeugend seyn muß, und deutet an, daß ein Zusammentreffen von feindlichen Umstånden ihn in dieses Unheil gestürzt habe 132). Ein Mann dazu, dessen Anhänglichkeit an

131) Nerli Commentarj dei fatti di Firenze dall' 1255 1537. Fir 1728. p. 138. 132) Lettere familiari. IX. Come da Paolo Vettori avrete inteso, io sono uscito di prigione con letizia universale di questa città, nonostante che per l'opera di Paolo e vostra io sperassi il medesimo, di che vi ringrazio. Nè vi replicherò la lunga istoria di questa mia disgrazia; ma vi dirò solo che la sorte ha fatto ogni cosa per farmi questa ingiuria; pure per grazia di Dio ella

seine Bekannten, dessen Freundlichkeit und Leutseligkeit, dessen innige Freundschaft, (vielleicht der gemüthlichste Zug in ihm), selbst von seinen Gegnern zugestanden wird, von Varcht, der ihm mit Recht mehr Herz oder weniger Geist gewünscht hat, ein solcher Mann läßt sich schon seinem moralischen Charakter nach auf dergleichen nicht ein 133). Weit entscheidender sind aber seine Grundsåße als Bürger, die nicht streng genug beurtheilt werden können, weil er darin selbst die strengsten Forderungen macht. Und diese lernt man in Bezug auf unsern Fall in jenem berühmten sechsten Capitel des dritten Buchs der Discurse, das von den Verschwörungen handelt, aufs gründlichste kennen, eis nem nie genug zu empfehlenden, in allen Zeiten bewährten Aufsaße. Er schreibt dort mit besonderer Ausführlichkeit in dem ausdrücklichen Zweck, die Fürsten zu lehren, sich vor Verschwörungen zu schüßen, und die Privaten, sich vorsichtig in so gefahrvolle Unternehmungen einzulassen; er will sie im Gegentheil überreden,,,zufrieden mit der Regierung zu leben, die ihnen vom Schicksal angewiesen war." Er gewiß ist nicht der Mann, der vor einer Staatsveränderung, und sey sie auch und treffe sie auch ihn selbst noch so gewaltsam, beben würde, falls etwas dabei für das Gemeinwohl zu erringen wåre; allein er weiß zu gut, daß Veränderungen der Art niemals von dem Wahn und dem tollen Unternehmen der Einzelnen, sondern nur durch den Willen und Entschluß der Gesammtheit durchgeführt werden kön nen, die denn auch ohne vieles Zuthun der Individuen ihren Weg findet. Mit Recht mißtraut er auch den Fähigkeiten der

è passata. Spero non c' incorrere più, si perche sarò più cauto, si perchè i tempi saranno più liberali e non tanto sospettosi. An Giovanni Vernaccia schreibt er am 26 Juni 1513: io ho avuto dopo la tua partita tante brighe, che non è maraviglia che io non ti abbia scritto; anzi è piuttosto miracolo che io sia vivo, perchè mi è suto tolto l'ufizio, e sono stato per perdere la vita, la quale Iddio e l'innocenza mia mi ha salvata; tutti gli altri mali e di prigione e d'altro ho sopportato.

133) In einem andern Briefe sagt er einmal: E difficile mutarsi di natura. A me sarebbe impossibile far male a nessuno, e seguane che vuole.

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