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I.

Von dem Ursprung des Reichs bis zum Ende der

Regierung Jacobs I.

Geschichte der Vereinigung der drei Reiche.

Ich denke in den nachfolgenden Auffäßen über die Geschichte

von Aragonien fast ausschließlich die inneren Verhältnisse dieses Staates zu berücksichtigen, theils weil die äußeren Schicksale desselben bereits von Anderen erzählt sind, zum größeren Theil aber auch darum, weil nur eine Behandlung dieser Art mit meinen Ansichten von Geschichtschreibung in einer Zeit, deren Bedürfniß ausschließlich auf diese Seite hinweist, übereinstimmt. Obgleich ich mich nun der Betrachtung jedes einzelnen Factums, das meinem Urtheil nach bedeutend genug vortritt, um in einer gedrängteren Darstellung nicht verschwinden zu dürfen, keineswegs entziehe, so dictirte mir doch nicht falsche Bescheidenheit die Aufschrift, die nur einen Versuch verspricht. Ich bin weit entfernt von der Meinung, daß man uns von einem Lande, über welches im Allgemeinen gute Materialsammlungen ganz fehlen, und uns im Besonderen die Forschungen mancher neues rer einheimischer Schriftsteller entgehen, eine Geschichte liefern könne, die den höheren Ansprüchen der Kritik und historischen Kunst irgend entspräche. Mit gleichmäßiger Genauigkeit und Zuverläßigkeit den Gang der Entwickelung des aragonischen Volkes darlegen zu wollen, wäre ein eitles Unternehmen; eitler ist das Bestreben, das Mangelhafte unserer Untersuchungen darüber verstecken zu wollen. Die Schwierigkeit wächst dadurch, daß es gewiß nur wenigen Menschen gegeben ist, das Wesen einer von uns so entfernten, von unseren Sitten so abweichens

den, von der ganzen neueren Zeit und ihrer Bildung wie durch eine Kluft abgeschnittenen Nation, wie der spanischen, zu fassen und mit Sicherheit zu beurtheilen.

Gleichwohl schien es mir, als ob das Interessante dieser Geschichte das Schwierige ihrer Behandlung überwöge. Wenn uns das wunderbar bewegte Leben in den italienischen Republiken des Mittelalters die ganze Fülle geistiger Betriebsamkeit in den alten demokratischen Staaten Griechenlands vor die Seele ruft, so zeigt die Reichsgeschichte von Aragonien Staatskraft, Simplicität und`Frugalitåt, zugleich Armuth und einseitige Richtung in Wissenschaften und Kunst in einem Vereine, wie er nur theils in Rom, theils in Sparta wiedergefunden wird. Vergebens fragt man nach höhern Bedürfnissen des Geistes oder nach Veredlung des alltäglichen physischen Bedürfnisses, Genuß der Gegenwart, Schöpfungen des Geschmacks und der Phantasie sind fast ganz fremd; aber auf die Vergangenheit und seine Ahnen stolz, bewahrte der Aragonier Bürgeradel und Bürgertugend, hing mit großer Liebe an dem ererbten Rechte und Ruhme der Våter; beide überlieferte er mit abergläubischer Ges wissenhaftigkeit seinen Enkeln, nicht in Lied und Gesang, sondern vermittelst Erforschung, Auslegung und Vertheidigung seiner uralten Gewohnheitsrechte und seiner Volksgeschichte. Von einer eigenthümlichen Poesie ist daher hier nicht die Rede, aber Jurisprudenz und Historie hat Aragonien gepflegt wie Rom; zu allen Zeiten hat es Staatsmånner und Rechtsgelehrte von großer Bedeutung gehabt, und neben seinen Zurita hat das Mittelalter so wenig etwas Aehnliches zu stellen, wie das Alterthum neben Livius. Nur freilich gehen hier und dort vers schiedene Principien durch Wissenschaft und Leben; wo den Italiener der Nußen leitet, bewegt den Iberier die Ehre; ganz ein anderes ist daher der Begriff von bürgerlicher Freiheit in Aragonien, ein anderes ich sage nicht in Rom, sondern überall, selbst in den nächsten Provinzen in Spanien. Die nåher liegenden kleineren Rücksichten auf Staatsglück und öffentliche Wohlfahrt hat eben darum Aragonien nie gekannt; Industrie, Ackerbau, alle Zweige der Staatshaushaltung vegetirten nur, so gut sie es ohne Pflege vermochten. Betrachten wir dagegen dieses Volk in seiner staatsbürgerlichen Stellung,

so ist es erstaunlich, welche Energie sich hier entfaltet, die wieder dem Alterthum darin nahe steht, daß sie nur von einem kleinen handelnden Theile der Nation ausgeht, der seine jugendliche, rasch vorübergehende und concentrirte Macht auf die Unterdrückung einer großen Volksklasse gründet. Die kraftvolle Würde, die der Unterthan gegen seinen Herrscher behauptete, der freie Verkehr zwischen Fürst und Volk hat früh und spåt die vaterländischen Geschichtschreiber mit Stolz erfüllt; voll von Selbstgefühl schrieb Raymund Muntaner 1) seine naive Erzählung der Geschichte seiner Zeit, wie Blancas seine kritischen Commentarien. Diese Begeisterung der Aragonier für ihre Geschichte ist natürlich und begreiflich. Man denke sich, mit welcher maßlosen Uebertreibung Provenzalen und Spanier seit der Hofpoesie der Troubadours die Tugenden ihrer Fürsten zu vergrößern, ihre Fehler zu verstecken, ihrer Leidenschaft zu schmeicheln wußten; man denke dann an die Reihe der bewunderten Regenten auf dem aragonischen Throne, die Alles, was das Leben da, mals bewegte, ergriffen und denen an Ritterlichkeit nur England seine Könige vergleichen darf, und dann erwåge man das Verhältniß des Adels zu solchen Fürsten, und man wird einsehen, wie sehr diese Vergleichung die Aragonier erheben mußte, falls sie sie selbst anstellten. Große Männer, von Umstånden und Naturgaben gleich begünstigt, standen feindlich, oft überwiegend gegenüber am Ende ragte doch die Aristokratie, von einem trefflichen Corpsgeiste beseelt, stets um eine Stufe höher. Die Städter, von den Fürsten gestützt und gereizt, suchten sich zu heben, allein bald gewahrten sie, deren Rechte und Rang meist denen des Adels gleich waren, daß ihr Vortheil vielmehr Verbindung mit den Großen verlangte. Vollends die Geistlichkeit, die in Spanien überall von je Einfluß auf den Staat zu üben gewohnt war, blieb hier aus Verwaltung und Gerichten wie verdrängt, so daß ein eigner Stillstand der Macht des Adels der Staatsgeschichte von Aragon zur Folie dient. Da sich auf diese Weise die Verfassung der Nation in einem kleinen Kreise entwickelte, in einem Kreise dazu, in den keinerlei Civilisation

1) Chronique de Ramon Muntaner, in der Sammlung von Luchon. Sehr interessante hierher gehörigen Stellen Tom. I. p. 60 61.

eingedrungen war, welche die Entfaltung jener Staatseinrichtungen irgend verwickelt oder schwer faßlich zu machen geeignet war, so können wir hier, da die Form der Verfassung durchaus die neu europäische, repräsentative ist, die eigenthümliche Beobachtung machen, wie sich ein höchst einfaches Volk, das seiner Abgeschlossenheit und so vielen Charakterzügen nach wes fentlich an die Staaten des Alterthums erinnert, sich in diesen neueren, in höchster Einfachheit hier erscheinenden Formen bes wegt; und diese Beobachtung ist gleich interessant für den, der aus einer Theilnahme an den Zeitbegebenheiten die verschiedene Gestaltung der modernen Staatsform in ihrer roheren und ausgebildeteren Erscheinung zu vergleichen wünscht, wie für den, der tiefer den staatsmoralischen Tendenzen der alten Nationen und den staatsrechtlichen der neueren nachdenkt.

Dieser erste Abschnitt soll die anfängliche Geschichte des aragonischen Reichs bis auf das Ende der Regierung Jakobs I. führen. So viel Raum wenigstens bedurfte es, um über die entstellte Geschichte der ersten Zeit und über die Elemente des nachmaligen vereinigten Reichs Aragon einigermaßen mit Ge nauigkeit zu urtheilen. Es würde indeß dem Zweck dieser Blåts ter zuwider seyn, wenn ich mich auf Erörterung des Einzelnen in der Urgeschichte der ostspanischen Reiche einlassen wollte. Verunstaltete Tradition, Mangel an alten Documenten, Eitel keit, Vorurtheil und Streitsucht der Gelehrten haben diesen Gegenstand in solches Dunkel gehüllt, daß es schwer ist, auch nur das Wahrscheinliche mit einiger Sicherheit auszuscheiden 2). Die verschiedensten Forscher haben daher zwischen leichtgläubiger Annahme oder gar hartnäckiger Vertheidigung der herkömm lichen Erzählung, und bequemem Verwerfen der ganzen Sage keine Mitte gefunden; höchstens theilten die Verständigeren der einheimischen Autoren ihre Zweifel mit, ohne jedoch zu wagen, die geheiligte Ueberlieferung zu verstoßen oder anzu

2) Los (sucesos) que se han publicado hasta hoy, han tenido la desgracia de ser tan mal descritos, tan mal observados, tan confusamente recopilados, que forman un horrendo cahos por el lector que busca mas la instruccion que las maravillas. Ein Ausspruch Capmany's über die span. Geschichtschreibung überhaupt.

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