Vorwort. Unter den städtischen Archiven Deutschlands ist schwerlich eins, das mit dem der freien Stadt Lübeck in Reichthum und Vollständigkeit seines Inhalts sich messen kann. Die frühe, durch mächtige Hände der Fürsten und kluge Betriebsamkeit der Bürger gepflegte Blüthe der günstig gelegenen Stadt, ihre schon im Laufe des 13ten Jahrhunderts erlangte hohe mercantilische und politische Bedeutung, die sie bald zum Haupte des mächtigen Städtebundes erhob, in dessen Händen der damalige Handel mit Skandinavien und Russland fast ausschliesslich sich bewegte, führte weitverzweigte Verbindungen mit fast allen norddeutschen Städten und nordeuropäischen Ländern und vielseitige Verhandlungen mit ihnen herbei, wandte die Aufmerksamkeit der höchsten geistlichen und weltlichen Machthaber ihr in vorzüglichem Grade zu. Die zahlreichen Urkunden aber, die dadurch hier zusammenflossen, fanden früh in den geweihten Mauern der alten Marien-Kirche ein sicheres Asyl, in dem sie, von Brand und Plünderung nie heimgesucht und von gewissenhaften Behörden mit ängstlicher Sorgfalt gehütet, der Gegenwart fast unverkürzt überliefert worden sind. Welche reiche Ausbeute aus diesem Schatze für die Geschichte des Hanse-Bundes zu gewinnen ist, hat Sartorius in seinem bekannten Werke über den Ursprung dieses Bundes gezeigt. Den ganzen Schatz zu heben und ihn den Forschern und Freunden der Geschichte Deutschlands und des Nordens zugänglich zu machen, hat seit einer Reihe von Jahren der für das Sammeln und Erhalten der Quellen und Denkmäler der Geschichte Lübecks bestehende Ausschuss einer hiesigen patriotischen Gesellschaft sich zur wichtigen Aufgabe gestellt." So lautete die Ankündigung des Werkes, dessen ersten Theil wir nunmehr den Freunden der Geschichte unserer Vaterstadt und den Forschern allgemeiner Geschichte des Mittelalters übergeben; er wird, dess sind wir sicher, jene Verkündigung nicht Lügen strafen. VI Indessen will es sich ziemen, bei der ersten Veröffentlichung dieses Werkes vor allen Dingen Einiges über die Entstehung und die Geschichte des ganzen Unternehmens voranzuschicken, und sodann auch den Plan desselben näher anzugeben. Am 4 December 1821 ernannte die hier zu Lübeck seit über funfzig Jahren, weit über die Grenzen hinaus, die ihr Name andeutet, in segensvoller Wirksamkeit bestehende,, Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Thätigkeit" aus ihrer Mitte obbesagten geschichtlichen Ausschuss, denselben mit angemessenen Geldmitteln ausrüstend. Dié Thätigkeit dieses Vereins beschränkte sich Anfangs, seinem nächsten Zwecke gemäss, auf das Sammeln von Handschriften und seltenen Drucksachen über die Geschichte Lübecks. Das erste grössere Unternehmen, dem er sich zuwandte, war die Herausgabe der Lübeckischen Chroniken in niederdeutscher Sprache, die, die, von ihm vorbereitet und unterstützt, durch den Professor Dr. Grautoff in den Jahren 1829 und 1830 ausgeführt ward.* Demnächst richtete der Verein seine Aufmerksamkeit auf eine Veröffentlichung der verschiedenen zwischen Rath und Bürgerschaft geschlossenen Recesse. Er wollte den Abdruck derselbeu mit einer geschichtlichen Erläuterung veranstalten. Allein gleich wie die Thätigkeit des Vereins überhaupt, so gerieth auch dieses bereits vorbereitete Unternehmen durch den im Jahre 1832 erfolgten Tod des Professor Grautoff, und den gleichzeitigen Austritt anderer thätiger Mitglieder in Stocken. Erst das Jahr 1856 sollte denselben zu neuem Leben erwecken. In diesem Jahre nämlich erfolgte von Seiten Eines Hohen Senats eine Mittheilung des von dem Herrn Bibliothekar Dr. Böhmer herausgegebenen,, Urkundenbuchs der Freien Stadt Frankfurt", und der Gedanke hier ein ähnliches Unternehmen zu wecken, auf dem diese Mittheilung ruhete, ward vom Verein sofort mit Lebendigkeit ergriffen. Zuerst trat der Plan hervor, mit der ,,Schleswig-Holstein-Lauenburgischen Gesellschaft für vaterländische Geschichte", welcher zum Zwecke eines von ihr beabsichtigten selbstständigen Diplomatars bereits unlängst auf ihr Ansuchen achtzig Lübeckische Urkunden in collationirten Abschriften von *) Chronik des Franciskaner Lesemeisters Detmar, nach der Urschrift und mit Ergänzungen aus anderen Chroniken herausgegeben von Dr. F. H. Grautoff, Professor und Bibliothekar in Lübeck. 2 Theile. Hamburg, bei Perthes & Besser. 1829 und 1830. |