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I.

Friedensverhandlungen zwischen den Abgeordneten des Kaisers Ferdinand II. und Gabriel Bethlen zu Nikolsburg 1621. 1622.

Wenn auch viele Gegenstände vermöge der öffentlichen Verhandlungen in Ungern eher bekannt wurden, als dies anderswo der Fall ist, so gilt das zumeist nur jenen abgeschlossenen Verhandlungen, welche durch die Landtage zur öffentlichen Kenntniss kamen, das ist den Endresultaten. Um so unbekannter, verhüllter sind die Factoren, die Bestrebungen, die Absichten und Wünsche der paciscirenden Theile, und diese sind es, welche uns gerechte und wahre Schlüsse auf die Stellung, den Werth und Charakter der Parteien ziehen lassen. Nicht die Facta allein entscheiden; für die Beurtheilung der späteren Zeit und die Ausbildung der Verhältnisse sind die klar vorliegenden Facta oft von weit geringerem Werthe, als die Kenntniss der Motive und Ursachen, wenn dies Zustandekommen der Thatsachen auch nicht immer dem Willen der Parteien entsprach. Ich will hier einen kleinen Beitrag zur Aufhellung der politischen Wirren Ungerns im 17. Jahrhunderte bringen, so wie der Zufall mir einige Documente dieser Zeit in die Hand spielte.

Um jede Verhandlung dieser Zeit nicht von vorneherein von einem ungünstigen Standpunkte zu betrachten, ist es für Ungern unumgänglich nothwendig, sich die territorialen Verhältnisse des Landes vor Auge zu halten. Man spricht vom Könige von Ungern, und hat hierbei natürlich das grosse Königreich vor Augen. Hier ist es nothwendig, beinahe stets die Karte der damaligen Zeit vor sich zu haben, die blosse Ansicht derselben erklärt manches der so oft wechselnden Verhältnisse. Ungern umfasst beiläufig einen Flächenraum von 5100 Quadratmeilen. Davon besass nach dem Wiener und Sitvatoroker Frieden 1606 der rechtmässige König den kleinsten Theil, beiläufig 1200 Quadratmeilen, Bocskay mit Siebenbürgen 2082, die Pforte 1859 Quadratmeilen. Erlau im Norden, Gran und Kanisa im Westen bilden für die letztere so ziemlich die Grenzpunkte ihrer Ausdehnung. Dem Könige blieb daher von dem weiten Ungerreiche

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nur ein Theil Oberungerns mit Kaschau, den Bergstädten und ein schmaler Strich an der österreichischen und steierischen Grenze, die letzteren Punkte, trotz der Friedensverhandlungen und oftmaligen Besitzanerkennung, immerfort Kriegsschauplatz, Comitate, deren Besitz nie unangefochten und gesichert war, nie mit Nachdruck vertheidigt werden konnte, da die bewegte Zeit der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Kräfte der Regenten Oesterreichs stets auf andern Punkten erforderte. Während des Krieges gegen Friedrich von der Pfalz in Böhmen hatte Bethlen Gabor auf Andringen der Stände des ihm eigenthümlichen Theiles von Ungern den Titel eines Königs von Ungern angenommen, der grösste Angriff gegen Oesterreich und den Kaiser, womit Ungern, gelang es Bethlen sich zu behaupten, vollkommen für ersteres verloren gehen musste. Da erfolgte die Schlacht am weissen Berge. Ihr glücklicher Ausgang für Ferdinand wirkte lähmend auf die Fortschritte der ungrischen Angriffe, so wie jedes grosse günstige Ereigniss moralisch auch auf andere Seiten wirkt. Mehrere Anhänger Bethlens, die vielleicht nur auf den Moment gewartet hatten, fielen ihrem rechtmässigen Könige wieder zu, der Sieg in Böhmen gab Ferdinanden Musse und Kraft, Bethlen entgegenzutreten. War auch der grösste Theil Ungerns in Bethlens Gewalt, seine Macht bedeutend, noch dazu verstärkt durch die Hilfe der Pforte, war ihm auch das Kriegsglück hold, als kluger Mann sah er doch ein, dass gegen die Macht Ferdinands, sobald sie nur gegen ihn gewendet wurde, und gegen dessen Recht für die Länge zu bestehen, mit einem so unsicheren Rückhalte wie die türkische Freundschaft, zweifelhaft war. Er war also nicht abgeneigt, mit grossem Nutzen Frieden zu schliessen. Nachdem längere Zeit, vorzüglich unter französischer Vermittlung, sich die Unterhandlungen fortgeschleppt hatten, wechselnd wie das Kriegsglück eben den einen oder den andern Theil begünstigte, oft längere Zeit ganz unterbrochen, gelang es endlich, neue ernstliche Verhandlungen zu Stande zu bringen. Man schreibt ihr Zustandekommen den Bemühungen der beiden Erzbischöfe Dietrichstein und Pazmany zu, die auch die vornehmsten Personen der von kaiserlicher Seite zusammengesetzten Commission bildeten; Dietrichstein, Cardinal und Erzbischof von Olmütz, war das Haupt derselben. Ob die Wahl Pazmany's, des Erzbischofs von Gran, der seinen Sitz verloren, der als Jesuit aus Ungern ausgeschlossen, als Prälat persönlich verbannt war, zu einem Friedensvermittler eine günstige war, wollen wir hier nicht näher untersuchen.

Der üble Ausgang der Belagerung von Pressburg im August 1621 scheint Bethlen den Friedensunterhandlungen neuerdings zugänglicher gemacht zu haben; indessen ist nicht zu übersehen, dass man sich bedeutender Forderungen von ihm zu gewärtigen hatte, da er, mit Ausnahme Pressburgs und der Insel Schütt, Herr des ganzen königlichen Ungerns war. Es wurde eine Zusammenkunft beiderseitiger Bevollmächtigter bestimmt, und Rabensburg in Oesterreich an der Thaya, obwohl gegen den Wunsch Bethlens, der einen Ort in Ungern vorgezogen hätte, als Congress-Ort ausersehen. Die zu den Unterhandlungen bestimmten Commissäre waren österreichischer Seits, wie schon erwähnt, Dietrichstein, Pazmany, dann

die Herren Siegfried Freiherr von Breuner, Rombald Graf Collalto, schon früher Gesandter Ferdinands am Neusohler Landtage, und Niclas Esterhazy von Galanta; von Seite Bethlen's Emerich Thurzo, der aber im Beginne der Verhandlungen starb, und durch Stanislaus Thurzo ersetzt wurde, Johann Sandor de Szlawnitza, Stephan Kassai und Stephan Frater de Beelmező.

Ungeschickterweise hatte man nicht zugleich durch einen Waffenstillstand für die Sicherheit des Berathungsortes gesorgt (erst gegen Ende der Unterhandlungen, zu Ende des Monates December, wurden desshalb ungrischer Seits Anträge gemacht); Bethlen zog daher mit seinen Truppen nach Mähren, eroberte Skalitz, Strassnitz u. s. w. und verwüstete die ganze Gegend auf das Fürchterlichste.

Thurzo und die ungrischen Commissäre liessen sich indess durch die haiserlichen Abgeordneten bewegen, von Rabensburg nach Nikolsburg als einen zur Unterhandlung geeigneteren Ort zu kommen. Die Uebersiedlung geschah am 10. October, die Unterhandlungen selbst begannen am folgenden Tage, den 11. October (nicht, wie Fessler p. 568 sagt, drei Tage vor Kreuzerhöhung, welches Fest am 14. September fällt).

Die ungrischen Abgeordneten, durch Thurzo vertreten, gestatteten den kaiserlichen den Vorrang darin, dass sie die letzteren zuerst begrüssten, den Zweck ihrer Zusammenkunft anführten, und um die Abschliessung eines Vergleiches nachsuchten, worauf Cardinal Dietrichstein, als Haupt der österreichischen Abgeordneten, antwortete und im Namen des Kaisers dessen volle Bereitwilligkeit zum Friedensgeschäfte erklärte. Dagegen verlangten die ungrischen Bevollmächtigten, wie sie sagten, aus Artigkeit für Seine Majestät den Kaiser, dass die kaiserlichen Gesandten zuerst die Mittel und Wege vorschlagen sollten, wie man zum Zwecke der Vereinigung, zum Frieden, gelangen sollte.

Dem widersetzte sich Dietrichstein, und nach einigen gegenseitigen, immer als Höflichkeitsstreitigkeiten geltenden Debatten, bequemten sich die Ungern auch dazu, wie es bei früheren Unterhandlungen der Fall war, ihrerseits die ersten Vorschläge zu machen. Sie erklärten also, die Meinung ihres Fürsten ziele dahin, dass der beste Weg, wirklich zum Frieden zu gelangen, der wäre, wenn man in den Kreis der gegenwärtigen Unterhandlungen nicht nur alle jene Reiche und Provinzen, welche die gemeinsamen Interessen vereinten, sondern auch die Türken einbezöge, also dass mit den letzteren der 20jährige Waffenstillstand verlängert, mit den christlichen Theilen aber ein fester unverbrüchlicher Friede errichtet würde. Die kaiserlichen Bevollmächtigten, denen diese Vermengung höchst unliebsam war, suchten sie von dieser Idee durchaus zu entfernen, sie erklärten diesen Vorschlag als gänzlich von dem Zwecke der Zusammenkunft abweichend. Es war offenbar, dass die Ungern hierbei Böhmen, das Erzherzogthum Oesterreich, Mähren und Schlesien im Sinne ihres Vorschlages begriffen, in das konnten und wollten die österreichischen Abgeordneten durchaus nicht eingehen, da sie diese Provinzen als aufständisch, die Verbindung derselben mit Bethlen als hochverrätherisch ansahen; mit Rebellen könn

ten keine Unterhandlungen geführt werden, diese müssten sich nur der Gnade ihres Herrn unterwerfen, um so mehr, da sie im Augenblicke bereits der Macht des Kaisers unterworfen waren.

Was die Türken betrifft, wussten sie, dass hier keine Gefahr drohe. Es war nicht zu vermuthen, dass diese jetzt, wo der Kaiser die Hände frei hatte, die Absicht haben würden, den Waffenstillstand zu brechen; im Gegentheile sollten bereits türkische Abgeordnete mit Geschenken unterwegs sein, um denselben neuerlich zu befestigen. Dietrichstein erklärte demnach, dass er vermöge seiner Instructionen nur mit Bethlen und seinen ungrischen Anhängern zu unterhandeln habe, und nur in ungrischen Angelegenheiten, um so mehr, erinnerte er, da man selbst bei den früheren Verhandlungen in Pressburg, als die Conföderirten noch in voller Macht standen, nicht darauf eingegangen sei, über andere Gegenstände zu unterhandeln.

Da Thurzo sah, dass die österreichischen Commissäre seine Absicht durchschauten, beeilte er sich hinzuzufügen, dass er keineswegs die bereits unterworfenen Provinzen Sr. Majestät in seinem Antrage verstünde, sondern nur jene, welche gegenwärtig zum Fürsten hielten und die sein Fürst weder im Stiche lassen könne, noch wolle.

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Dietrichstein nahm auch dies nicht an. Er erklärte, dass Bethlen durchaus für Niemanden interveniren könne, bevor er nicht seine eigene Sache in Ordnung gebracht hätte. Er sagte es rund heraus, dass die Verhandlungen in diesem Falle nicht weiter fortgeführt werden könnten, wenn sie z. B. den Markgrafen von Brandenburg-Jägerndorf und andere darin einschliessen wollten.

Am 12. October um

Mit dem trennte sich die erste Zusammenkunft. 7 Uhr Morgens versammelten sich die Commissäre zum zweitenmale. Thurzo, ohne das Frühere zu berühren, eröffnete nun die Anträge seines Herrn. Sie waren so hoch gespannt, dass man offen ersehen konnte, entweder man betreibe die Friedensverhandlungen nicht aufrichtig, oder man fordere nur viel, um desto sicherer einiges zu erlangen. Bethlen forderte die Belassung des ganzen Königreiches 1) Ungern in seinen Händen, dagegen verpflichtet er sich mit den Ständen des Reiches zum beständigen Gehorsam gegen den Kaiser, und bereit zur Hülfe für alle Fälle.

Diese Forderung, eben so anmassend als unbestimmt, scheint beinahe lächerlich. Die kaiserlichen Commissäre mussten darüber erbittert sein. Sie erklärten kurz und kräftig, dass bei dieser Forderung der Zweck der Zusammenkunft ja ganz überflüssig sei. Se. Majestät wollten sich auf keine Weise das Ihnen von Gott verliehene Königreich entreissen lassen, ja darüber sich nicht einmal in Unterhandlungen einlassen. Der Kaiser sei fest entschlossen, wenn auf gütlichem Wege keine Verständigung erfolge, sein Eigenthum mit den Waffen oder auf jede andere Weise zurückzuerobern

1) Aus dem Folgenden wird hervorgehen, wie schlau berechnet die ungrischen Anträge waren, da sie so grossen Werth auf eine Bedingung setzten, die sie gar nicht im Sinne hatten zu erreichen, und auch bald aufgaben.

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