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S. I.

Gegenstand der Untersuchung.

Die Privilegien, mit welchen wir uns hier zu beschäftigen haben, sind bis jetzt zum Theil nur in sehr incorrecten Abdrücken bekannt geworden, und es gereicht mir daher zu besonderer Freude, dass ich dieselben im Anhange nach den diplomatisch genauen Abschriften mittheilen kann, welche mir auf Veranlassung der historischen Commission der k. Akademie der Wissenschaften zu diesem Behufe zugesandt worden sind. Die Zusammenstellung derselben zeigt sogleich, wie genau sie mit einander zusammenhängen, und wie nothwendig es ist, die Untersuchung auf die ganze Reihe von Urkunden auszudehnen, anstatt, wie gewöhnlich geschehen ist, das Privilegium Maius allein zu betrachten.

Um die Uebersicht des Materials zu erleichtern, wird es nicht ohne Nutzen sein, wenn ich hier den Inhalt der Privilegien kurz zusammenfasse. Es sind folgende:

I. König Heinrich IV. bestätigt am vierten October 1058 dem Markgrafen Ernst von Oesterreich und seinem Lande die wörtlich eingerückten Privilegien der Kaiser Julius und Nero, nämlich die Freiheit von Reichsabgaben, und dass nichts im Reiche ohne ihren Rath vorgenommen werden soll; er fügt hinzu, dass die Bisthümer Lorch und Salzburg dem Markgrafen, seinen Nachfolgern, und dem Lande Oesterreich unterworfen sein sollen, und dass sie ihr Richtschwert und das Banner ihres Landes sich vor dem Kaiser und aller Welt öffentlich dürfen vortragen lassen.

Die Privilegien von Julius Cäsar und Nero hat niemand zu vertheidigen gewagt, allein darum brauchte man die Bestätigung Heinrich's IV. noch nicht aufzugeben. Aeneas Silvius sagt in seiner Geschichte Kaiser Friedrichs III. (ed. Boecler p. 12): „Quibus ex rebus vel confictas esse litteras Heinrici crediderim vel eum principem cancellarii sui levitate deceptum." Diese Ansicht verhinderte ihn jedoch nicht, unter den Zeugen der Bestätigung dieser Urkunde durch Kaiser Friedrich 1453 zu erscheinen. Schrötter hält die Echtheit des Privilegs von Heinrich IV. tapfer aufrecht, und sagt1): „Hiemit haben sie (die Briefe von Julius Cäsar und Nero) zwar nicht von ihrem Ursprunge, wohl aber aus dieser ersten Urkunde Heinrichs IV. ihre Kraft und Nutzen." Daran halten denn auch die österreichischen Publicisten fest, und nicht anders äusserte sich auch Böhmer in der ersten Ausgabe seiner Regesten. Pertz dagegen erklärte die ganze Urkunde für falsch 2).

II. Kaiser Friedrich I. erhebt am 17. September 1156 Oesterreich zu einem Herzogthume, und verleiht dazu sehr ausgezeichnete Vorrechte, nämlich dass der Herzog dem Reiche keinen andern Dienst zu leisten schuldig ist, als im Kriege gegen Ungern zwölf bewaffnete Männer einen Monat lang zu unterhalten, zum Zeichen, dass er Fürst des Reiches ist; dass er die Belehnung vom Reiche nur in seinem eigenen Lande zu empfangen

1) Erste Abhandlung aus dem österr. Staatsrecht p. 46.
2) Archiv für ältere deutsche Geschichtskunde III, 560.

schuldig ist, dass er keinen Reichstag zu besuchen verpflichtet ist u. s. w. Seine Lehen empfängt er vom Reiche in fürstlichem Gewande, bedeckt mit dem Herzogshute, den eine Zinkenkrone umgibt, zu Pferde, einen Stab in der Hand haltend. Alle diese, und überhaupt alle Vorrechte, die irgend ein Fürst des Reiches besitzt oder noch erhalten wird, sollen sowohl für Oesterreich wie für alle anderen Länder gelten, welche der Herzog von Oesterreich hat oder noch erwerben wird. Auf den Reichstagen ist der Herzog als „unus de palatinis archiducibus" zu betrachten, und hat den ersten Platz „ad latus dextrum Imperii post electores principes." Eine der wichtigsten und folgenreichsten Bestimmungen ist die Untheilbarkeit und die Bevorzugung des ältesten inter duces Austrie - ein sehr unklarer Ausdruck, den man auf eine Senioratserbfolge deuten würde, wenn nicht die folgenden Worte wieder dem ältesten Sohne des verstorbenen Herzogs den Vorrang sicherten. Die Festsetzung der Untheilbarkeit überrascht in einer Zeit, wo Theilungen von Fürstenthümern überhaupt noch nicht vorkamen, und erinnert an die ähnliche Bestimmung des 25. Capitels der Goldenen Bulle für die Kurfürstenthümer, während dem Herzog Albrecht II. bei seiner letztwilligen Verfügung vom 25. September 1355 jene Bestimmung offenbar nicht bekannt gewesen ist.

Dieses also ist das eigentliche Privilegium majus, so benannt zur Unterscheidung von dem Privilegium minus, einer Urkunde von demselben Datum, welche dem neuen Herzoge viel geringere Vorrechte verleibt, die aber noch immer sehr bedeutend sind, nämlich Erbfolge auch in weiblicher Linie, freie Disposition über die Nachfolge bei unbeerbtem Absterben (jedoch nur als persönliches Vorrecht für Herzog Heinrich und seine Gemahlin), Ausschliessung fremder Gerichtsbarkeit, und Befreiung von der Heeresfolge, ausgenommen in Reichskriegen gegen solche Länder, welche Oesterreich benachbart sind, und von Hof- und Reichstagen, die nicht in Baiern gehalten werden.

Dieses Privilegium minus ist nur in Copien erhalten, nach welchen ich es im Anhange mitgetheilt habe, jedoch ohne Beachtung der ganz unwesentlichen Varianten.

III. König Heinrich bestätigt am 24. August 1228 mit Einwilligung der Fürsten „quorum juris quemque Romanorum regem est eligere" die Freiheiten der edlen Lande Oesterreich und Steier, und gibt ihnen dazu neue; jeder darf den Herzogen mit voller rechtlicher Gültigkeit Länder und anderes verkaufen, legiren, verpfänden, schenken, auch ohne Bestätigung vom Reiche. Dieses Vorrecht, welches bei der Erwerbung Tirols seine Anwendung fand, wird durch Cap. 10 der Goldenen Bulle in ähnlicher Weise der Krone Böhmen beigelegt; hier aber ist es so vorsichtig und mit so vielen Einzelheiten abgefasst, dass darin ganz augenscheinlich die Beziehung auf einen bestimmten Fall hervortritt. Ferner beurkundet König Heinrich eine Sentenz der Kurfürsten, des Inhalts, dass der Herzog berechtigt sei, seine Belehnung zu Pferde und nach Inhalt der älteren Briefe zu empfangen; er gestattet ihm ausserdem, auf dem Herzogshute das Diadem seiner königlichen Krone zu tragen.

IV. Kaiser Friedrich II. bestätigt im Juni 1245 das Privilegium majus, und fügt hinzu, dass niemand, der im Lande wohne, einem Auswärtigen in irgend einem Punkte Gehorsam zu leisten schuldig sein solle. Auf dem Herzogshute darf der Fürst ein Diadem mit einem Kreuze tragen. Die Belehnung soll er unentgeltlich empfangen, wie die Kurfürsten nach Cap. 29 der Goldenen Bulle. Aber die dort hinzugefügte Motivirung: Nam pecunia que tali pretextu persolvitur, officiatis debetur, nämlich eben den Kurfürsten und ihren Unterbeamten die findet auf Oesterreich keine Anwendung, und die Auszeichnung ist also um so höher anzuschlagen.

Neben diesem Privileg findet sich in alten Abschriften eine einfache Bestätigung des Minus mit Hinzufügung einer Pön von 1000 Pfund Goldes für den Uebertreter.

V. König Rudolf bestätigt am 11. Juni 1283 diese vier Urkunden mit Zustimmung der Kurfürsten; er nennt ausdrücklich die Privilegien von Julius Cäsar und Nero, und gibt übrigens nur die Daten der Urkunden an; fügt hinzu, dass nichts, was zu Ottakar's und Bela's Zeiten geschehen ist, diesen Rechten schädlich sein solle.

Der Inhalt dieser Urkunden ist in das anerkannte Staatsrecht übergegangen, indem Kaiser Friedrich III. sie am sechsten Januar 1453 mit Zustimmung der Kurfürsten bestätigte; er fügte auch neue Vorrechte hinzu, namentlich die ausdrückliche Verleihung des Erzherzogtitels. Später hat Carl V. sie 1530, Rudolf II. 1699, Carl VI. 1729 bestätigt und erneuert, ja Carl V. verbot ausdrücklich den Gerichten, die Originale dieser Privilegien einzufordern, „noch disputiren oder darüber erkennen zu lassen." Er, der im Jahre 1530 zum ersten Male die Belehnung nach Inhalt der Privilegien ertheilte, würde auch die gegenwärtige Disputation sicherlich nicht gestattet haben. Freuen wir uns also der veränderten Zeiten, welche für wissenschaftliche Untersuchungen freie Bewegung verstatten, und gehen unverzagt an die genaueste Prüfung des vorliegenden Gegenstandes.

S. II.

Aeussere Kritik der Originale.

Von einer paläographischen Kritik der rkunden scheint kaum ein sicheres Resultat erwartet werden zu können; es steht fest, dass sie entweder echt oder mit grosser Geschicklichkeit nachgeahmt sind. Die bedeutendsten Autoritäten haben sich für die Echtheit, namentlich des Maius von 1156 entschieden; Böhmer, welcher in den neueren Ausgaben seiner Regesten alle jene Urkunden für untergeschoben erklärt, nennt speciell das Majus von 1245 in der äusseren Form täuschend.

Hier werden wir auf die paläographische Prüfung verzichten müssen, weil dazu mindestens eine genaue Nachbildung der Originale vorliegen müsste. Ein Umstand jedoch fällt auch in den Abschriften auf, und ist schon von Moritz hervorgehoben worden, nämlich die häufig vorkommenden Kommata, welche in den ersten vier Urkunden durchaus gegen den Gebrauch der Zeit verstossen.

Die diplomatische Form der Urkunden, Datirung, Zeugen u. s. w. sind meistens richtig; es haben offenbar echte Urkunden als Muster vorgelegen, und die gegen jene Umstände gerichteten Angriffe haben daher wenig Aussicht auf Erfolg. Doch fällt in der Eingangsformel der ersten beiden Urkunden das Amen auf, welches erst unter Friedrich II. aufkam. Ganz unerhört aber ist der Titel Heinrichs IV. 1) „rex Romanorum augustus quondam domini Heinrici felicis memoriae Romanorum imperatoris genitus;" die Form erinnert an die Titulatur Konrads IV. „divi augusti imperatoris filius Romanorum in regem electus semper augustus." Dieser Freibrief ist aber überhaupt in jeder Hinsicht am schlechtesten gelungen, und verräth seine Unechtheit auf das entschiedenste durch den Schlusssatz: Et ut hec nostra tradicio u. s. w. Denn von einer Tradition ist in der Urkunde durchaus nicht die Rede, und die Worte können nur gedankenlos aus einer anderen Urkunde herüber genommen sein.

Auch die Orthographie zwingt uns dieses Privileg zu verwerfen. In Heinrich's IV. Zeit kommt das einfache e anstatt des Diphthonges noch sehr selten vor; hier dagegen ist es durchaus vorherrschend, ae erscheint nur am Anfang und Ende, wo ein älteres Muster benutzt ist. Ebenso ist das häufig vorkommende ci anstatt ti dieser Zeit noch ganz fremd. Die Schreibart lingwa, bbanderia ist für das eilfte Jahrhundert unerhört.

Dasselbe findet auch auf das Majus von 1156 Anwendung; allen ge- . meinsam sind die auffallenden Schreibfehler. In I finden wir precello statt praecelso, assumpmimus statt assumpsimus, potestatis Romani; bald nachher fehlt quae. In II fehlt gleich dem ersten Worte das n, ferner principum nach catholicorum, ducem nach Heinricum; vorher steht super ducatum statt ducatu, dreimal (§. 1, 15, 18) quibus suis statt quibusvis, S. 7 impungnatus, §. 14 Wulgus, und unter den Zeugen Tridestinus statt Tridentinus, Harmannus Brixienfis statt Hartmannus Brixinensis. In III finden wir unter anderm die auffallende Form gvenditores, in IV ad futura memoriam, comuniri, tercio indictione. Nun kommen freilich auch in unzweifelhaften Originalen Fehler vor, jedoch nur selten; es wäre aber ein unerhörtes Spiel des Zufalls, wenn dergleichen Versehen einen Schreiber auf die Orthographie des vierzehnten Jahrhunderts geführt hätten: wie es hier, besonders bei I und II, angenommen werden müsste. Die alten Copien des ersten und zweiten Minus zeigen weder dergleichen orthographische Prodigia, noch auch die Fehler der Majora.

Auch die Urkunde Rudolf's zeigt dergleichen Fehler: „di Hochgeporn fusten," "Der erschinen" und die seltsame Form „dem durhaechtunden Kayser." Orthographie und Sprache derselben bieten überhaupt viel Auffallendes dar, aber bei der so sehr variirenden Schreibart der deut

1) Sein Titel ist sonst ganz constant „Heinricus diuina fauente clementia rex;" nur in der Schenkung an Erzbischof Liemar vom 22. Juni 1083, Cod. dipl. Hamb. p. 107, steht „Heinricus Heinrici filius imperatoris secundi diuina fauente clementia rex" was von jenem Titel doch noch sehr verschieden ist;

erst Konrad II. nannte sich auch als König augustus.

schen Urkunden ist es schwierig, hier einen bestimmten Nachweis zu geben.

Endlich enthält das Majus von 1156 noch einen Widerspruch in den Worten: „sigilli nostri impressione insigniri fecimus," da doch eine goldene Bulle daran hängt. Moritz bringt dafür als Beispiele die Bamberger Goldbullen von 1160 bei, in welchen freilich das Wort „sigilli” aber nicht impressione" vorkommt; genauer entspricht die ebenfalls von ihm nachgewiesene undatirte Urkunde für Heinrich den Löwen 1), deren Form aber auch in anderen Stücken auffallend ist.

Wenn wir nun hierauf eben kein allzugrosses Gewicht legen dürfen, so haben wir dagegen noch eines anderen Umstandes zu gedenken, welcher die beiden ersten Nummern im höchsten Grade verdächtig macht, also ausser dem ohnehin sehr hinfälligen Freiheitsbrief Heinrichs IV. wiederum das Majus von 1156, welches gerade vorzugsweise in Betracht kommt. Ich meine die Entdeckung des k. k. Archiv-Officials Dr. A. v. Meiller, welche dieser in den Regesten zur Geschichte der babenbergischen Markgrafen und Herzoge p. 192 mitgetheilt, und Chmel in den obenerwähnten Vortrage besonders hervorgehoben hat.

Es findet sich nämlich auf den alten kaiserlichen Privilegien des österreichischen Hauses eine Archivsbezeichnung, durch welche dieselben numerirt sind, und zugleich nach folgenden Angaben die Epoche der Registrirung sich bestimmen lässt:

Urkunde vom zehnten Juni 1035: Tercium. Idem Chunradus Alberto marchioni. anni cxlv.

Urkunde vom ersten December 1043: Quartum. Hainricus tercius Alberto marchioni. anni cxxxvj.

Urkunde vom siebenten März 1045: Sextum. Hainricus tercius Sifrido marchioni. anni cxxx111j.

Diese Numerirung stammt also aus den Jahren 1179 und 1180, einer Zeit wo die gewaltige Erschütterung des Reiches durch den Sturz Heinrichs des Löwen es für jeden Reichsfürsten rathsam machen mochte, seine Rechte und die Beweismittel dafür genau im Auge zu behalten, ganz besonders aber für den Herzog von Oesterreich, welchen der Fall des bairischen Herzogthums so nahe berührte. Herr v. Meiller hebt noch hervor, dass derselbe Herzog Liupold, welcher damals regierte, auch die Aufzeichnung einer kurzen Geschichte seines Hauses veranlasste, die nach H. Pez von dem Abte Konrad von Melk verfasst ist. Zu jener Zeit nun müssten die beiden ersten Freiheitsbriefe, falls sie echt sind, schon vorhanden gewesen sein, und es fällt auf, dass sie nicht numerirt sind; doch liesse sich das vielleicht dadurch erklären, dass sie nicht, wie die übrigen Urkunden Schenkungen enthalten. Allein im höchsten Grade auffallend und verdächtig ist der Umstand, dass auf der Schenkung Heinrichs IV. von 1074, welche also zwischen jene beide Privilegien fallen würden, an der Stelle, wo die übrigen Urkunden jene Archivsbezeichnungen enthalten, eine mit

1) Origines Guelf. IV. Praef. p. 6.

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