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der grössten Sorgfalt ausradirte Zeile sich befindet. Man erkennt ihre Stätte fast nur noch an der Dünne des Pergaments; von den Schriftzügen noch etwas zu unterscheiden, war, aller angewandten Sorgfalt ungeachtet, unmöglich.

Die meisten alten Urkunden enthalten auf der Rückseite Archivsbezeichnungen irgend einer Art, welche für die Kritik häufig nicht unwichtig sind; dass sie in solcher Weise ausgetilgt wären, ist mir sonst nicht vorgekommen, und in diesem Falle um so verdächtiger, weil es sich nur bei der einen Urkunde von 1074 findet. Da lässt sich denn kaum ein anderes Motiv denken, als dass es geschehen sei, um den Verdacht wegen des eingeschobenen Privilegs von 1058 abzuwenden. Es mochte gefährlicher erscheinen, die Zahl auf der folgenden Urkunde abzuändern, als die ganze Aufschrift zu vertilgen. Dieser Umstand gibt nun auch dem Mangel jeglicher alten Aufschrift auf der Rückseite des Majus von 1156 ein höchst bedenkliches Ansehen.

S. III.

Mangel alter Abschriften. Zuverlässige Beglaubigung des Minus.

Wo Zweifel gegen die Echtheit einer Originalurkunde sich erheben, sieht man sich nach alten Copien, namentlich Copiarien um. Wichtige Urkunden pflegen in der Regel auch in alten Abschriften vorhanden zu sein, und wenn ein Copialbuch in der Reihe gleichartiger Documente das angezweifelte Stück auslässt, so werden die Bedenken dagegen bedeutend gesteigert.

Als Hausarchiv der österreichischen Fürsten scheint nun in älterer Zeit das Stift Klosterneuburg benutzt zu sein, wo sich noch jetzt zwei Originalurkunden dieser Kategorie befinden. Ein Copialbuch des dreizehnten Jahrhunderts enthält die Abschrift von neun Kaiserurkunden 1), aber keines der fraglichen Privilegien befindet sich darunter 2).

Ueberhaupt existirt von keinem derselben eine Abschrift, welche über das Jahr 1360 hinauf geht. Desto besser sind dagegen das erste und zweite Minus durch alte Copien beglaubigt.

Ob das echte Privilegium minus von 1156 auch in jenem Copialbuche steht, weiss ich nicht; nothwendig war es nicht, bei den Schenkungsurkunden dieses Stück ganz verschiedenen Inhalts einzutragen, da man es schon anderweitig besass, nämlich in der Handschrift 929, wo im dreizehnten Jahrhundert neben dem Friedensvertrage von 1225 mit König Andreas von Ungern, eine Copie vom Original des Minus von 1156 eingetragen ist, welche Hr. Maximilian Fischer die Güte gehabt hat mir mitzutheilen.

1) M. Fischer Codex Traditionum Eccl. Coll. Claustroneoburgensis p. 186. 2) Ich habe keine Nachricht darüber, behaupte es aber a priori. Wenn das Gegentheil der Fall ist, wird man es schon erfahren, oder vielmehr, es wäre schon längst bekannt.

Die Bestätigung des Minus durch Friedrich II. findet sich in dem sogenannten Lonsdorfischen Copiarius des Bisthums Passau, welcher auf Veranlassung des Bischofs Otto von Lonsdorf (1254—1265) geschrieben worden ist. Dieses Exemplar 1) ist es, welches zu dem heftigen Streite zwischen Moritz und Hormayr Veranlassung gab. In späterer Zeit erklärte letzterer sich für die Ansicht Böhmers, und äusserte sich über seine Fehde mit Moritz in folgenden Worten 2): „Mit einem von Freund und Feind schwer zu verkennenden Aufwand von Erudition und Spitzfindigkeit führte gegen ihn der Freiherr von Hormayr die Vertheidigung der Echtheit.”.

Eine zweite Abschrift derselben Urkunde, und zwar die wichtigste von allen, findet sich in der Handschrift 543 der k. k. Hofbibliothek, vom Ende des dreizehnten Jahrhunderts 3), welche das unter dem Namen Rationarium Austriae et Styriae bekannte Verzeichniss der Einkünfte aus diesen Ländern enthält, und ohne Zweifel aus der herzoglichen Kanzlei stammt *).

Eine dritte, ebenfalls noch aus dem dreizehnten Jahrhundert, enthält der Codex 2733 (hist. prof. 915) der Hofbibliothek, welcher früher der Karthause Seitz gehörte 5).

Das ursprüngliche Minus von 1156 hat bei dieser Transsummirung und Bestätigung die letzten Zeugen eingebüsst; und das Datum ist in einige Verwirrung gerathen, was bei Fridericianischen Urkunden nicht selten ist, da die Zeilen durch das grosse Monogramm unterbrochen werden. Dieselben Kennzeichen verrathen, dass auch eine andere Abschrift des Minus von 1156 nicht aus dem Original, sondern aus der Bestätigung entnommen ist, nämlich die von Hermannus Altahensis in seine Chronik aufgenommene ), welche wohl aus dem Passauer Exemplar der Bestätigung von 1245 stammen wird.

Endlich findet sich noch eine unvollständige Abschrift des Minus von 1156, mit Weglassung der Zeugen und des Datum, in einem Formelbuche des k. k. Haus-, Hof- und Staats-Archives aus dem vierzehnten Jahrhundert, welches allem Anscheine nach zum Gebrauche in der herzoglichen Kanzlei gedient hat, und den Namen König Albrechts Formelbuch führt, weil sich viele Urkunden und Briefe dieses Königs darin befinden 7).

1) Abgedruckt Mon. Boica XXVIII, 2, 354. Nach der Berechnung von Moritz, Commentarius p. 74 nota, ist es zwischen dem 27. Juli 1263 und 7. Mai 1264 in den Codex eingetragen.

2) Lebensbilder aus dem Befreiungskriege III, 218.

3) J. Chmel, Die Handschriften der Hofbibliothek I, 571. Die ältere Bezeichnung ist hist. Lat. 197, dann hist. prof. 678.

4) Böhmer. Regesta Imperii von 1198 bis 1254, pag. 199.

5) Chmel, Die Hands, der Hofbibl. I, 546.

6) Böhmer, Fontes Rer. Germ. II, 488 aus der Originalhandschrift hist. prof. 29 der Hofbibliothek. Abdruck der Urkunde bei Freher SS. Rer. Germ. I, 510. 7) N. 83. Archiv für Kunde östr. Geschichtsquellen 1849, I, 220.

Spätere Abschriften haben für die vorliegende Frage keine Bedeutung, ausgenommen diejenige, welche Thomas Ebendorfer von Haselbach in seine Chronik aufgenommen hat 1). Hier heisst es nämlich am Schlusse et nostre maiestatis aurea bulla iussimus communiri. Es gab also mehrere Exemplare des Minus, wovon eins mit der goldenen Bulle, andere mit Wachssiegeln versehen waren. Ein solches nahm man mit auf die Reise nach Verona, um es von Kaiser Friedrich II. bestätitigen zu lassen, aber das kostbarste Exemplar übergab die Königin Margaretha dem König Ottakar, nach den Worten der Reimchronik:

Sy gab ym aigenleich

Vor den wegisten und den pesten

Mit guldein hantvesten

Di sy het von dem reich

Uber Steyr und Osterreich

Ob ir prueder verdurb

Und er eriben nicht entwurb

Sy solt der lande erib wesen.

Es entsprach dieses vollkommen dem Gebrauche der Zeit, wie schon Moritz nachgewiesen hat; zu den von ihm angeführten Beispielen des Wirzburger Privilegs von 1168 und des Tegernseer von 1230 füge ich noch die doppelte Ausfertigung des Lübecker Freiheitsbriefes von 1226 2). Das Zeugniss des Thomas von Haselbach ist aber um so unverdächtiger, weil er den Streit über die Privilegien gar nicht zu kennen, ihre Verschiedenheit nicht bemerkt zu haben scheint 3), denn er setzt hinzu: „Residuum huius privilegii vide libro tertio." Diese Worte können sich wohl auf nichts anderes beziehen, als auf den Schluss des dritten Buches pag. 866, wo er das Privileg Heinrichs (VII.) und Friedrichs II. Bestätigung des Majus eingefügt hat.

Die kritischen Bedenken, welche gegen das Privilegium minus erhoben worden sind, haben kein Gewicht und fallen gegen die ausgezeichnete handschriftliche Beglaubigung völlig weg. Zu erwähnen wäre nur etwa die starke Anfechtung, welche der Marchio Albertus de Staden zu erleiden gehabt hat. Hüllman macht sein Vorkommen gegen das Majus geltend, ohne zu bemerken, dass dadurch das Minus in gleichem Masse getroffen wird. Wollen wir also nicht beide Urkunden fahren lassen, so müssen wir annehmen, dass der Schreiber nach früherer Gewohnheit die Mark nach dem Stammsitze des ausgestorbenen Geschlechtes bezeichnet habe, wie ja z. B.

1) H. Pez SS. Rerum Austr. II, 710.

2) Codex Dipl. Lubecensis I, 45.

3) Doch ist die Abschrift, welche er mittheilt, an zwei Stellen aus dem Majus interpolirt, was Hormayr gegen ihre Glaubwürdigkeit einwendet; allein gerade jener Schlusssatz findet sich nicht im Majus, und kann also daraus nicht genommen sein. Will man aber sein Zeugniss nicht gelten lassen, so bleibt es nichts desto weniger wahrscheinlich, dass eine Ausfertigung in dieser Form existirt hat.

die Steiermark noch jetzt diesen Namen führt, obgleich Burg und Stadt Steier nicht mehr dazu gehören, und das Geschlecht der Markgrafen de Stire schon 1192 ausstarb.

Ist also das Minus echt, wie kommt es denn, dass kein Original mehr davon existirt, wenn es nicht absichtlich zerstört worden ist? Und umgekehrt, wenn das Majus echt ist, warum finden sich gerade davon keine alten Abschriften? Hormayr, welcher das Minus zu verdächtigen sucht, erkennt an, dass nicht gut beide neben einander bestehen können; allein, nehmen wir einmal die Echtheit beider an, wie ist es dann zu erklären, dass namentlich in Schriften, die für den Gebrauch der herzoglichen Kanzlei bestimmt waren, nur das Minus sich findet? Selbst durch die Geheimhaltung des Majus wäre dieser Umstand nicht erklärt. Aber warum sollte man es geheim gehalten haben? Es ist nicht etwa ein blosser Entwurf, wie die bekannte Erhebung Oesterreichs zum Königthume 1), die doch in vielen Abschriften erhalten ist, sondern eine ganz vollständig ausgefertigte Urkunde, und von Friedrich II. feierlich bestätigt. Dass davon kein Gebrauch gemacht wäre, dass man sich so ausserordentliche, tief in alle Rechtsverhältnisse eingreifende Vorrechte nur dazu hätte verleihen lassen, um sie mit der grössten Sorgfalt geheim zu halten, das ist vollkommen undenkbar.

S. IV.

Der Inhalt der Privilegien widerstreitet den geschichtlichen Thatsachen. Nachdem wir die äussere Gestalt der Privilegien betrachtet, und uns vergeblich nach einer Beglaubigung derselben durch alte Abschriften umgesehen haben, bleibt uns noch die Untersuchung übrig, ob sie in der Zeitgeschichte irgend eine Stütze finden, ob ihr Inhalt geschichtlich möglich ist.

a. Das Privilegium Heinrichs IV.

Heinrich IV. soll 1058 die Markgrafen von Oesterreich für advocatos et dominos der Bisthümer Salzburg und Lorch, d. h. Passau, erklärt haben. Aber in der ganzen folgenden Geschichte stehen sie demselben nur als Gleichberechtigte gegenüber, und es wird sich gewiss überhaupt kein Fall nachweisen lassen, dass jemals ein Reichsfürst zum dominus eines Hochstiftes ernannt wäre. Auch die späteren Bestätigungen der Hausprivilegien hatten doch in diesem Punkte wenigstens keine praktische Wirkung. Als Vogt von Passau kommt einmal Herzog Heinrich 1167 vor 2); die Salzburger Vogtei hatten aber die Grafen von Peilstein, nach deren Aussterben das Amt eines advocatus principalis nicht wieder besetzt wurde. Eine Vogtei der Herzöge von Oesterreich kommt nirgends vor 3). Und nun gar ein dominium! Dass dieses nie Statt gefunden hat, bedarf keines Beweises; dass man aber auch in Heinrichs IV. Kanzlei solchen

1) Petri de Vinea ep. IV, 26.

2) Stülz, Geschichte von Wilhering p. 483.

3) Abhandlung von dem Staate des hohen Erzstiftes Salzburg §. 130 ff. Nachrichten von Juvavia §. 247, not. g. p. 327 und §. 319, n. 9, p. 483,

Gedanken sehr fern war, zeigt die Urkunde vom 23. August 1062, durch welche der König die Besitzungen der Salzburger Kirche und speciell die in der Ostmark gelegenen, in sein mundiburdium nimmt, wie seine Vorfahren gethan haben 1).

Aber wer wird denn glauben, dass wirklich der Kanzler Heinrichs IV. in eine Urkunde gesetzt haben sollte, er hätte die Privilegien von Julius und Nero ex lingua paganorum ins Lateinische übersetzen lassen! Ausserdem findet sich am Eingange des Freiheitsbriefes die Angabe, dass der Markgraf in diesem Jahre dreimal sein Land contra paganos behauptet habe. Es können damit wohl nur die Ungern gemeint sein, obgleich sie längst Christen waren, allein gerade damals fand ein ganz friedliches Verhältniss Statt. Der Anlass, welcher Heinrich IV. nach Oesterreich führte, wo er diese Urkunde ausgestellt haben soll, war die Verlobung des Prinzen Salomo mit seiner Schwester, welche er nun, da König Andreas den Friedensvertrag erneuert hatte, mit seiner Mutter nach Ungern geleitete.

Bei diesem ersten Freiheitsbriefe brauchen wir uns also nicht länger aufzuhalten. Er ist nach dem Muster des nur um drei Tage älteren Schenkungsbriefes sehr ungeschickt gearbeitet, und auch das Wort traditio in der Schlussformel gedankenlos herübergenommen.

b. Das Privilegium Friedrichs I.

Ueber die Erhebung Oesterreichs zum Herzogthume besitzen wir den Bericht von Heinrichs Bruder Otto, Bischof von Freising, welcher persönlich bei diesen Verhandlungen thätig war, und zu den Zeugen des Privilegs gehört. In seiner Erzählung (Gesta Friderici II, 32) gibt er den Inhalt des Minus theilweise an, aber keines seiner Worte deutet auf den so ganz ausserordentlichen und wunderbaren Inhalt des Maius. Vielmehr enthalten die Worte „ille duobus vexillis marchiam orientalem cum comitatibus ad eam ex antiquo pertinentibus reddidit. Exinde de eadem marchia cum predictis comitatibus, quos tres dicunt, iudicio principum ducatum fecit, eumque non solum sibi sed et uxori cum duobus vexillis tradidit" diese Worte, sage ich, enthalten einen offenbaren Widerspruch mit der Darstellung des Majus, wonach der marchionatus Austriae ganz ausserhalb der Sache bleibt, und nur die marchia a superiori parte fluminis Anasi (eine sehr wunderliche Bezeichnung!) von Heinrich aufgelassen, von Heinrich dem Löwen herausgegeben, und nun mit dem marchionatus zusammen zum Herzogthum erhoben wird.

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Auch Innocenz IV. erwähnt in seinem Schreiben an König Wilhelm zu Gunsten der Gertrud vom 13. Februar 1249 des Erbrechtes der Babenberger in männlicher und weiblicher Linie, laut kaiserlicher Privilegien 2); mit der senior filia des Majus lassen sich seine Worte nicht in Einklang bringen.

1) Anhang zur Juvavia p. 255.

2) Siehe Böhmer's Regesta Imperii 1246—1313, p. 318.

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