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Historia est testis temporum, lux veritatis, vita memoriæ, magistra vitæ, nuntia vetustatis. Cic. lib. 2. de orat.

Das Münsterthal.

Eine historische Skizze.

I.

Geographischer Theil.

Das bündnerische Münsterthal grenzt gegen Norden an das Unterengadin und Tyrol, getrennt von demselben durch die Julischen Alpen. Gegen Osten stößt es an das Etschthal und gegen Süden an Val d'Umbrail, gegen Westen mittelst des Passes über den Ofenberg an das Unterengadin.

Seinen Namen hat das Thal von einem Frauenkloster (Monasterium), welches nach dem allgemeinen Glauben um 801 n. C. vom Kaiser Carl dem Großen gestiftet und dem hl. Johannes dem Täufer geweiht wurde.

Vermöge seiner geographischen Lage gehört das Münsterthal zum Flußgebiete der Etsch und wird vom Rambach durchflossen, der am Buffalora entspringend sich von zahlreichen Quellen und mehrern Gletschern nährt, und unterhalb Taufers nach kurzem Laufe bei Glurns in die Etsch fällt.

Das Thal ist von beiden Seiten von hohen Bergmassen umgeben, in welche sich noch einige Seitenthäler tief hineinziehen. Von ihren übrigen Miteidgenossen durch hohe Gebirge rings abgeschlossen, vermitteln die Bewohner des Münsterthals ihren Verkehr mit dem Engadin durch den Paß über den Ofenberg (Pes Fallarius, Buffalora) nach Zernet im Unterengadin, oder von Münster aus durch das Scarlthal (S. Carlsthal) nach Tarasp und Schuls.

Die torzüglichern Bergspigen sind Piz Daint 2971 Meter, Piz Stanley 3081 Met., Piz Seesvenna 3221 M., Piz Christannas 3120 M., Cornet 3032 M., Piz Lischanna 3103 M., Piz Lat 2803 M. u. s. w. Zu der vom Berninastock ausgehenden Kette, welche die südliche Thalwand bildet und gegen den Ortles streicht, gehören der Biz Murteröl 3177 M., Ciumbraida 3023 M. u. s. m. Um den melancholisch stillen See von Rims zieht sich die Kette zum Umbrail 3034 M. und dann zu der Einsenkung des Stilffer Jochs 2797 M., über welches die Straße von Bormio nach dem Etschthal führt und jenseits die Eiswände dcs majestätischen Ortles emporstarren.

Vom Stilffer Joche senkt sich das Moranzathal zwischen dem Piz Lat und einer kurzen Gebirgskette, welche das Münsterthal vom Thal Trafoi trennt, gegen St. Maria herab. Der Piz Ciavalatsch (2764 M.), welcher die Grenzscheide bildet, gewährt eine überraschende, weit ausgedehnte Aussicht.

Die Thalsohle des Münsterthales fällt bei einer Länge von zirka 5 Stunden ziemlich stark ab. Das oberste Dorf, nahe unter dem Ofenpaß, liegt zirka 1650 Met., Fuldera 1641 Met. hoch, dann folgt die zweite Terrasse, wo Valcava und St. Maria auf 1414-1400 M. liegen. Münster ist nur noch 1248 M. hoch, die Mündung des Rambaches bei Glurns noch tiefer.

Die genannten Dörfer, nebst den auf österreichischem Gebiet liegenden: Taufers, Rifair 2c. (ehemals ebenfalls zum Münsterthal gehörend) sind in einem schönen, beinahe ebenen Thalgelände ausgebreitet oder an den Fuß der steilen Halden hingebaut; in dem mittlern Thal aber dehnt sich an den Höhen der linken Seite eine

höhere Terrasse aus, auf welchen das Oertchen Lu, die Weiler Lufai Valpaschun und Craistas und noch eine Anzahl vereinzelnter Häusergruppen und Höfe liegen.

Was Klima und Bodenerzeugnisse anbelangt, so trägt Cierfs, der höchstgelegene Ort, einen durchaus alpinen Charakter, doch baut man an geschüzten Stellen schon etwas Gerste, Roggen, Kartoffeln u. s. w. Bei Valcava fangen die Kirschbäume an, und bei St. Maria kommen auch schon Aepfel und Birnen fort, die noch tiefer unten recht gut gedeihen, denn das Thal hat im Ganzen eine sehr geschüzte Lage und ein verhältnißmäßig mildes Klima. Die Terrasse von Lu trägt eine sehr ergiebige Wiesenfläche nebst würzigen Alpenweiden und die Seitenthäler sind nur im Sommer von Sennen bewohnt. Die Vegetation der Wiesen sowie die der Alpenweiden ist zum Theil ausgezeichnet üppig. Die Waldvegetation reicht über 2200 Met., ist aber, wie überhaupt in ganz Bünden, durch die frühere schlimme Forstwirthschaft sehr zusammengeschmolzen. Vorherrschende Baumarten sind Rothtannen und Lärche, höher hinauf, wiewohl ziemlich selten, die Arve (Pinus Cembra); Laubholz, nämlich Eschen, Ahorn, Mehlbaum, Weide 2c. kommt nur vereinzelnt vor. Ein großer Uebelstand im Münsterthal sind die vielen Rüfen bei Buldera, Valcava, St. Maria, Münster 2c., welche zur Zeit der Schneeschmelze, besonders aber bei starken Regengüssen, noch mehr aber wenn beide miteinander verbunden sind, verheerend über die Fluren hereinbrechen und selbst die Dörfer bedrohen.

Die Bevölkerung des Münsterthals zählt an 1500 Seelen, die sich in die Gemeinden Münster, St. Maria, Valcava, Fuldera, Cierfs und Lusai-Valpaschun vertheilen und zusammen den XIV. Bezirk und den 39. Kreis des Kantons Graubünden bilden.

Haupterwerb ist die Viehzucht, doch wandern auch viele junge Männer ins Ausland namentlich nach dem nahen Italien, um als Cafetiers, Zuckerbäcker 2c. ihr Glück zu versuchen.

Landessprache ist die rhäto-ladinische (romanisch), jedoch in einer besondern Mundart. Außer dieser wird auch das Deutsche und Italienische verstanden und gesprochen, was aus der Nachbar

schaft mit Tyrol und Veltlin, nach welch letterem eine Verbindungsstraße über den Stelvio führt, zu erklären ist.

Die herrschende Confession ist zur größern Hälfte die reformirte. Die Katholiken zählen ungefähr 641 Seelen (nach der Volkszählung von 1860).

Das Thal genießt, wie die übrigen Kantonstheile, eine vollkommen freie Verfassung und sendet Einen Repräsentanten in den Großen Rath des Kantons. Die Communalvorstände werden durch freie Gemeindewahlen bestellt.

Kehren wir, um mit der Beschreibung der einzelnen Ortschaften zu beginnen, auf den Buffalora zurück, und steigen gegen das Münsterthal herab, so treffen wir auf unserm Wege zuerst auf das Dörfchen

Cierfs (Cervium)

ziemlich hoch am füdlichen Abhange des Buffalora, nicht weit unter dem Ursprunge des Rambaches gelegen. Deffen Territorium gränzt an das von Fuldera, an die Alpweiden der Gemeinde Münster, an den Ofen (Zernezer-) berg und gegen die Schulser Alpen.

Die Bevölkerung zählt 150 Seelen in circa 40 Wohnhäusern, 73 männl., 77 weibl. und ist reformirter Confeffion. Die Ge= meinde befizt eine Kirche katholischen Ursprungs (S. Sebastianskirche) ehemals eine Filiale von S. Maria, und ein Pfrund- und Schulhaus.

Handel und Gewerbe sind nicht nennenswerth und die Bodenerzeugnisse beschränken sich, wegen der hohen Lage, auf etwas Roggen und Gerste. Die Bewohner sind deshalb fast ausschließlich auf Viehzucht angewiesen, wozu ihnen allerdings die saftig grünen Matten, auf denen das Dörfchen zerstreut umher liegt, die beste Gelegenheit bieten.

Nördlich von Cierfs liegt auf einer kleinen Anhöhe die Nachbarschaft Lu, mit einer Kirche, zählt zirka 60 Einwohner, ist refor mirt und gehört zur Pfarre Fuldera-Cierfs. Hat gute Viehzucht und schöne Waldungen, im Uebrigen sind die Vodenerzeugnisse spärlich. Viele suchen im Ausland ihren Erwerb. Privatschule.

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