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vorschwebt, so erklärt sich recht gut, warum es den Freien nur zu unum wadium" verurtheilt. Die dritte Stelle des chamavischen Weisthumes, welche wir zu betrachten haben, ist Cap. 48. Sie lautet: „Si fur de septem latrociniis comprobatus fuerit, exiet ad judicium. Si ibi incenderit, tradant eum ad mortem. Et posteaquam ad judicium ambulaverit, si ibi non incenderit, tunc liceat suo seniori wadio suo illum adhramire, et pro eo emendare ac de morte liberare." Hier begegnet uns wieder das „wadium adhramire", wie im Cap. 16 unseres Weisthumes. Der Sinn ist: "Wenn der als siebenfacher Dieb überwiesene Lidus (denn von einem solchen kann hier nur die Rede sein), das Ordale besteht, ohne sich die Hand zu verbrennen, so darf ihn sein Herr durch sein feierliches gerichtliches Angelöbniss, die Bussen u. s. w. bezahlen zu wollen, lösen und von der Todesstrafe erretten." Hier ist sicher nicht an Bürgschaft im heutigen juristischen Sinne dieses Wortes zu denken, sondern der Herr bietet sich hier aus Mitleid als Selbstschuldner an; denn dass ein solcher lidus, der als siebenfacher Dieb prozessirt wird, überhaupt nicht wohl ein zahlungsfähiger oder

sich daraus, dass die Lex Alamanorum Tit. 99. §. 6-18 eine lange Reihe von wilden d. h. jagdbaren Thieren aufzählt, für deren Entwendung, wenn sie gezähmt,,domiti" sind, d. h. überhaupt in einem Gehäge gehalten werden, also für den Fall des Wild diebstahles im engern Sinne, in wörtlicher Uebereinstimmung mit dem chamavischen Weisthume Cap. 24, ,,novem geldi" bezahlt werden müssen, mit Ausnahme des Bären (ursus), für welchen, er mag getödet oder gestohlen werden, (welches letztere nicht leicht zu bewerkstelligen gewesen sein möchte, und wohl auch wenig Reitz haben mochte), nur 6 Sol. zu bezahlen sind. Nur der Unterschied findet statt, dass die L. Alam. hierbei die Ausdrücke: „si involatus est“ und „si furatus est" abwechselnd in ganz gleichem Sinne gebraucht. Ganz dasselbe bestimmt das Edictum Rotharis c. 320, 321 (a Vesme c. 315, 316) von den gezähmten, d. h. auf dem Hofe oder in einem Gehäge gehaltenen Hirschen und Federvieh, aber nur den Ausdruck: „si furaverit“ gebrauchend, und mit der (scheinbaren) Abweichung, dass der achtfache Werth („reddat s. componat in octogilt s. actogild“) gezahlt werden muss. Berücksichtigt man aber, dass sich die Rückgabe des gestohlenen Stückes oder der Ersatz seines Werthes dabei von selbst verstand, so hat man auch hier wieder die „novem geldos", und diese scheinen daher die fast allgemein übliche Compositio für einen Wilddiebstahl aus einem Gehäge oder den Diebstahl mit Einsteigen und Einbruch gewesen zu sein.

Zu

einen Bürgen im römischen Sinne zu stellen fähiger Mann sein kann, darf wohl vorausgesetzt werden, und zwar um so mehr, als Diebstähle überhaupt nicht leicht von vermöglichen Leuten begangen werden. Von einem wadium als Pfand oder Aequivalente, woran Gaupp S. 72 denkt, ist hier offenbar nicht die Rede. dieser letzteren Vermuthung scheint aber Gaupp durch die von Einigen aufgestellte eigenthümliche Etymologie von adhramire gekommen zu sein. Ich habe über dieses vielbesprochene Wort hier nur so viel zu bemerken, dass, welches auch immer seine etymologische Ableitung sein mag, es in den fränkischen Rechtsquellen durchaus die Bedeutung von feierlichem Spondere oder Promittere hat, und vielfach ausdrücklich so erklärt wird.

Einen neuen Beweis hierfür liefert selbst das chamavische Weisthum Cap. 15, wo ausdrücklich „sacramentum promittere", als Gegensatz von „sacramentum jurare" ganz in derselben Weise steht, wie, nach den bereits gegeben Nachweisungen, das in den anderen fränkischen Rechtquellen häufig vorkommende,,sacramentum adhramire" sich zu dem „sacramentum jurare“ verhält. Ein weiterer Beleg dafür, dass bei dem,,adhramire" des Wadium und der Sacramenta gerade an ein gerichtliches Geloben (in judicio spondere) zu denken ist, wird sich ergeben, wenn es gelingt, den richtigen Sinn jener einander offenbar nachgebildeten Stellen zu ent-. decken, in welchen für ,,adhramita Sacramenta" auch gelesen wird: „Sacramenta judicata“, z. B. Cap. 1. a. 809. c. 29. Georgisch p. 741, 742,,Sacramenta quae ad palatium fuerint judicata ibi finiantur"; verglichen mit dem schon oben angeführten Cap. II. a. 809. c. 14. Georgisch p. 748:,,Ut sacramenta, quae in palatio fuerint adhramita, in palatio perficiantur"; ebenso Capp. Lib. III. Cap. 58; Georgisch pag. 1368. Es sind hier nur zwei Möglichkeiten: entweder die Ausdrücke,,sacramenta adhramita“ und „sacramenta judicata“ sind gleichbedeutend, oder sie haben an sich eine verschiedene Bedeutung, stehen aber doch in einer engen Beziehung zu einander. Für das Erstere scheinet die unmittelbare Stellung des judicata“ in dem einen Capitulare an demselben Platze, wo in dem anderen Capitulare „adhramita" steht, zu sprechen, wonach also judicare als die lateinische

Uebersetzung von adhramire zu betrachten wäre. Aber wenn auch dies als die richtige Erklärung des Verhältnisses der Wörter adhramire und judicare zu einander zu betrachten wäre, so würde doch hierdurch die vorhin behauptete Bedeutung des adhramire als gerichtliches Geloben, spondere in judicio, nicht im Mindesten erschüttert werden. Es brauchte sodann nur daran erinnert zu werden, dass,judicare" im mittelalterlichen Latein nicht allein heisst: „ein Urtheil fällen als Richter", sondern dass dieser Ausdruck auch von Erklärungen der Partheien vor Gericht, aber nur in solchen Rechtsgeschäften gebraucht wird, deren Wesen darin besteht: erstlich, dass eine Person eine Verfügung über ihre Sachen, ihr Vermögen, oder ihre Leistungen macht, sei es unter Lebenden oder von Todeswegen, welche nur von ihrem eigenen freien Entschlusse, ihrem willkührlichen Belieben (judicium) abhängt; zweitens, dass diese Person durch ihre aus freier Selbstbestimmung hervorgehende Erklärung (verbum) anderen Personen Rechte zutheilt, oder Verbindlichkeiten gegen sie eingeht, welche ausserdem nicht oder doch nicht in gleichem Maasse, begründet sein würden: drittens, dass die Erklärung, welche die beiden vorgedachten Erfordernisse hat, vor Gericht mit gewissen Feierlichkeiten und Symbolen (fistuca) geschehen muss, und daher auch eine mitwirkende, genehmigende, bestätigende Thätigkeit (autoritas) des Gerichtes dabei statt zu finden hat; so zwar, dass das Gericht seine Genehmigung des solchergestalt geschlossenen Rechtsgeschäftes in der Art ertheilt, dass es das numehrige Bestehen einer rechtlich klagbaren Verbindlichkeit des Promittenten in der Form eines Urtheils (iudicare) wirklich ausspricht und somit dem gelobten Versprechen gleichsam den Charakter einer res judicata beilegt. Hieraus erhellet von selbst, warum eine solche vor Gericht gelobte und von diesem bestätigte Verbindlichkeit oder Rechtseinräumung sofort für einseitig unwiderruflich gelten musste. Wo eine Person eine Erklärung der vorbeschriebenen Art vor Gericht abgibt, spricht sie gleichsam in der Form eines Gelöbnisses, einer Sponsio, zuerst in eigener Sache ein Urtheil (iudicat), eben so wohl wie das Gericht, welches hier dieses von dem Promittenten zuerst gesprochene

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Urtheil durch sein nachfolgendes Urtheil eigentlich nur für vollzugsreif erklärt. Dass aber,,judicare" diese Bedeutung einer vor Gericht erklärten Sponsio, also die Bedeutung von adhramire oder promittere in den Quellen des deutschen Rechtes wirklich hat, lässt sich durch zahlreiche Stellen nachweisen: namentlich finden sich häufig die Ausdrücke: de rebus suis judicare, pro anima judicare, judicium ferre de rebus suis und dergl. in den lombardischen Landrechts- und Lehnrechtsquellen, so wie im westgothischen Rechte (vergl. meine deut. St. und R.Gesch. 2. Aufl. 1847. Bd. II. Abth. II. §. 115 Nr. 9. u. 13); sämmtlich gleichbedeutend mit dem lombardischen,,res suas thingare" (L. Rothar. c. 390; a Vesme c. 367), und dem,,verbum dicere de fortuna sua" in der L. Sal. emend. 48 de affatomie, in der Bedeutung: einem seine Erbschaft durch gerichtliche Erklärung versprechen, und vermittelst der damit verbundenen Investitur unwiderruflich zusichern. Woferne daher das Wort adhramire mit judicare für gleichbedeutend gebraucht würde, könnte darin kein Beweis gefunden werden, dass,,adhramire“ somit überhaupt, oder auch nur ausnahmsweise in gewissen Satzverbindungen eine andere Bedeutung habe oder haben könne, als die,,in judicio spondere"; sondern es würde hieraus zufolge der gegebenen Nachweisungen nur das folgen, dass das Wort,,iudicare" in der mittelalterlichen Latinität zwei Bedeutungen hat: erstlich die von Urtheilen als Richter", und zweitens die: ein gerichtliches Gelöbniss ablegen.

So verlockend es hiernach sein möchte, auch in den oben angeführten zwei Capitularien die Worte,,adhramire sacramenta" und „judicare sacramenta“ für gleichbedeutend zu nehmen, so glaube ich doch nicht, dass dies die richtige Erklärung dieser Stellen sein würde, indem die fränkische Rechtssprache gerade da, wo es auf „wadium adhramire de sacramento" ankommt, sehr scharf das adhramire und iudicare unterscheidet, wie sich deutlich zeigt in Marculf Form. Append. Nr. II. „Unde tale sacramento (sacramentum) per suam fistucam visus est adhramire, et taliter ei fuit iudicatum, ut etc." Hier ist die Handlung der Parthei, welche das Erscheinen zur Eidesleistung durch ihr Wadium gelobt, und die Handlung des Gerichtes, welches hierauf erkennt, dass es dabei sein

Verbleiben haben, und also die Parthei schuldig sein solle, an dem hiermit zugleich bestimmten Gerichtstage zu erscheinen und zu schwören, ganz richtig unterschieden und aus einander gehalten. Es wäre demnach also nur noch zu erklären, warum in den beiden angeführten Capitularien, und zwar in dem einen nur allein „adhramire sacramenta", in dem andern nur allein,judicare sacramenta" steht? Die Erklärung, wie dies geschehen konnte, da doch offenbar das „,adhramire" oder Geloben des Eides etwas anderes ist, als das „judicare", d. h. die vom Gericht ausgehende Erklärung der Statthaftigkeit des angebotenen und angelobten Eides, scheint mir aber sehr einfach darin zu liegen, dass dieses ,,adhramire" und "judicare" sich in der gerichtlichen Verhandlung regelmässig an demselben Orte, im Gerichte, unmittelbar zu folgen pflegten, wie dies Marculf. Form. App. Nr. 2 und 5 deutlich zeigt. Da es nun in den beiden gedachten Capitularien nur darauf ankam, eine gesetzliche Bestimmung darüber aufzustellen, wo die vor dem k. Pfalzgerichte (,,in palatio") adhramirten und adjudicirten Eide ausgeschworen werden sollten, so genügte es vollkommen, wenn das Gesetz auch nur allein die adhramirten oder nur allein die adjudicirten Eide nannte; denn im ersten Falle verstand sich von selbst, dass der adhramirte Eid auch adjudicirt, d. h. vom Gerichte für zulässig erklärt sein musste, weil ausserdem das Gericht es gar nicht bis zum Adhramiren würde haben kommen lassen; und im zweiten Falle verstand sich von selbst, dass der vom Gerichte förmlich adjudicirte Eid vorher adhramirt sein musste, weil das Gericht ihn sonst nicht hätte förmlich adjudiciren, d. h. nicht hätte erkennen können, dass es dabei sein Verbleiben haben solle. Somit darf als ausgemacht betrachtet werden, dass „wadium adhramire" keine andere juristische Bedeutung (oder Hauptbedeutung) hatte, noch haben konnte, als die von,,cautionem spondere" in dem bereits oben angegebenen Sinne.

Das,,wadia de sacramento s. sacramenta adhramire s. promittere" einschlüssig der gerichtlichen Zulässigkeitserklärung des Eides, judicare sacramentum", muss als ein Akt begriffen werden, welcher der Auschwörung des Reinigungseides, dem,jurare", sowohl in Civilals Criminalsachen nothwendig vorangeht. Hierdurch wurde von dem

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