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vor. Juppiter Dolichenus ist unter den dahin gehörigen Variationen eine der bekanntesten und am meisten auch von deutschen Archäologen behandelten Gestaltungen 1). Der Igstädter Torso verräth indessen, wie gesagt, nichts von diesen Einwirkungen. Für das Attribut, welches unser Juppiter in der Rechten gehalten zu haben scheint, gewähren uns der Daumen und die drei Vorderfinger einen sehr bedeutsamen Fingerzeig, die auf dem Schenkel, die drei Finger mit der inneren Fläche nach oben gewendet, erhalten sind. Da kaum anzunehmen ist, dass der Künstler den Rücken der rechten Hand auf dem Schenkel ruhend und die ausgespreizten Finger nach oben geöffnet, ohne irgend welches in der Hand befindliche Attribut gebildet habe, so wird wahrscheinlich der Donnerkeil (fulmen) als der früher von dieser gehaltene Gegenstand anzusehen sein. Die Behauung der inneren Handfläche beweist jedoch, dass dieses Attribut nicht aus einem und demselben Stücke mit dem Arme gebildet gewesen sein kann. Es liegt daher die Vermuthung nahe, dass das Fulmen aus einer Bronzeröhre bestand, an deren Ende Zacken angebracht waren, wie wir dies bei der Trierer Statue beobachten können. An ein aus Stein bestehendes Mittelstück, in welches an beiden Enden die Bronzezacken eingefügt waren 2), wird wohl nicht zu denken sein, da sich in diesem Falle der Bildhauer wohl nicht erst der Ausarbeitung der inneren Handfläche unterzogen haben würde, sondern Hand und Mitte des Fulmen gewiss aus einem Stück hergestellt hätte. Ob auch der in der linken Hand gehaltene Scepter aus Bronze bestand, was F. Hettner mit grosser Wahrscheinlichkeit, wie weiter unten zu zeigen, bei der Trierer Statuette annimmt, lässt sich bei dem Igstädter Torso nur vermuthen, da dessen Basis und der untere Theil des Stuhls an der linken Seite sehr stark beschädigt sind. Doch ist die Ausführung des Scepters in Bronze auch bei unserer Figur schon desshalb höchst wahrscheinlich, weil dieses Attribut in der erforderlichen Länge und Gestalt wohl kaum in Sandstein herstellbar

war.

Das vordere Stück der Basis einschliesslich der Fussspitzen ist vollständig weggebrochen. Der auf Taf. I. Fig. 1 an der rechten Seite angedeutete Sprung zeigt an, wie weit Herr Oberst v. Cohausen die Fussplatte restauriren lassen musste, um eine bessere Aufstellung der Statue im hiesigen Museum zu ermöglichen.

1) Vgl. dar. insbesondere für die Rheinlande Römer-Büchner, Nass. Ann. IV, 2, 349 ff.; J. Becker im Frankf. Arch. VI, 8 ff.; Braun, Juppiter Dolichenus (Bonn. Winckelmannsprogramm v. 1852); F. Hettner, „De Jove Dolicheno“, Bonn 1877. — 2) Ein solches Fulmen zeigt nach gefälliger brieflicher Mittheilung des Herrn Conservator Dr. F. Hettner zu Trier eine Juppiterstatuette des Kölner Wallrafianums. H. Düntzers Verzeichniss Nr. 119. Die Bronzezacken sind dort übrigens nicht mehr erhalten,

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Von bekannteren antiken Marmorstatuen des Juppiter scheint namentlich der sogenannte Veros pi'sche Zeus, der sich jetzt im Vatikan befindet, ziemlich in derselben Weise aufgefasst 1). Doch lässt sich bei diesem über die Attribute der beiden Hände streiten, da beide nebst den Armen nicht erhalten, sondern erst in späterer Zeit ergänzt sind. Besondere Aehnlichkeit mit unserem Fund hat eine kleinere Bronze, in Lydien gefunden, welche jetzt das K. K. Münz- und Antikenkabinet zu Wien besitzt 2). J. Overbeck hat sie 1871 in seiner „Griechischen Kunstmythologie" II, 22, Fig. 11, zuerst edirt. Indessen ist der Faltenwurf des von Juppiter auf der Wiener Bronze getragenen Gewandes (Himation) etwas anders gruppirt als bei der Igstädter Figur, nähert sich ihr aber doch mehr als dem der Trierer Statuette. Beide Figuren, die Igstädter und die Trierer, haben gegenüber der Wiener Bronze gemeinsam, dass die Beine des Gottes in einer Linie stehen, während jene Bronze das rechte Bein zurückgezogen, das linke vorgestreckt zeigt. Ein Ende des um Unterkörper und Rücken geschlagenen Himation fällt bei beiden, wie bei den meisten sitzenden Zeusstatuen, über die linke Schulter. Das Haupthaar des erhaltenen Kopfes ist mit der üblichen Kopfbinde, der Tänie, geziert. Der Adler, von welchem sich bei Igstadt nur der noch 0,13 m hohe Rumpf vorfand, scheint zu den Füssen des Gottes an dessen linker Seite angebracht gewesen zu sein. Seine Federn tragen einen blattartig stilisirten Charakter an sich. Die Gestaltung des reich und geschmackvoll ornamentirten Sitzes (s. den vorstehenden Holzschnitt 1., der die Hälfte der links ganz ebenso

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1. Rechte Hälfte der Rücklehne

des Sessels.

1) Overbeck, Griech. Kunstmythol. II, 1, 115 u. 117 f. Eine Abbildung des restaurirten Zeus Verospi findet sich u. A. bei Overbeck, Gesch. d. griech. Plastik I, 201. Nach einer uns von befreundeter Seite gewordenen Mittheilung soll auch die Zeusstatue, welche L. Stephani im „Compte-Rendu de la Commission Impériale Archéologique de St. Pétersbourg pour l'année 1875" im Jahre 1878 publicirte, eine ähnliche Haltung besitzen, doch war uns das genannte Werk leider hier nicht zugänglich. 2) Auch die Darstellung bei Overbeck, Griech. Kunstmyth. II, Gemmentafel II, Nr. 3 zeigt den Gott, das Fulmen in der rechten auf den Schenkel gelegten Hand, nach einer antiken Glaspaste der Stosch'schen Sammlung zu Berlin. Cl. II. Nr. 41,

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beschädigten Rückseite zeigt), passte der Bildhauer wohl einerseits seiner Fähigkeit, andererseits den localen Verhältnissen an, um seiner Statue in einem vielleicht stets geöffneten sacellum eine Aufstellung zu gewähren, die das Umstürzen durch Wind und Wetter nicht so leicht ermöglichte. Den am oberen Abschluss des Stuhles über einer Muschel angebrachten beiden Delphinen wird man wohl schwerlich symbolische Bedeutung beizulegen haben, da beide Arten der Verzierung bei den Gefässen, dem Mobiliar u. s. w. der Alten sehr häufig angewandt wurden, wie uns namentlich die pompejanischen Funde lehren 1). Auch im Wiesbadener Museum finden sich u. A. mehrere Delphine als Vasenhenkel.

Der Cultus des Juppiter war, wie schon oben berührt, besonders in der Kaiserzeit wieder ungemein in Aufnahme gekommen. Entsprach doch die Herrscherstellung, die Juppiter unter den Göttern einnahm, die Majestät, welche sich in seiner Person concentrirte, am meisten der Würde und Machtvollkommenheit des höchstgestellten Sterblichen der damals bekannten Welt, des römischen Imperators. Parallelen, die hierdurch unwillkürlich in den Gemüthern der grossen Masse der Unterthanen zwischen dem Regenten der Himmlischen und dem Oberherrn des Erdkreises hervorgerufen wurden, mussten den irdischen Machthabern nur sehr erwünscht sein, da sie das monarchische Bewusstsein der Menge stärkten. Der Begriff des idealen Staatsoberhauptes, wie er sich in der republikanischen Zeit im Cultus des Juppiter Optimus Maximus auf dem Capitol repräsentirte, hatte allmählich der realistischeren Anschauung Platz gemacht, die im Kaiser den irdischen Stellvertreter Juppiters erblickte und mit der eifrigen Verehrung des höchsten Gottes zugleich der Majestät des Gebieters der römischen Welt in devotester Weise huldigte. Wie schon angedeutet, kam namentlich durch Domitian der Juppitercult wieder zu ganz besonderer Beliebtheit. Dieser Kaiser errichtete dem Juppiter,,Conservator" und dem Juppiter,,Custos" (Zevs Zorno und 'Aλežinaxos) zu Rom Tempel und erneuerte die capitolinischen Spiele des Gottes 2). Die unmittelbaren Nachfolger Domitians, sonst zum Heil der Welt in so Vielem von ihm durchaus verschieden, traten in dieser Beziehung vollständig in seine Fusstapfen. Trajan duldete nicht den Schwur bei seinem Genius, sondern nur den beim Numen des Juppiter Optimus Maximus und Hadrian, der den Tempel des Zevs 'Ohýμлios zu Athen vollendete und, wie Pausanias uns bezeugt, dem Gotte kostbare Statuen weihte, der auf den Trümmern Jerusalems dem Juppiter Capitolinus einen Tempel erbaute und sogar selbst den Beinamen 'Оλéμлоç sich gefallen

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1) Overbeck, Pompeji (3. Aufl.) 386 Fig. 231 und 408 Fig. 253. 2) B. v. Köhne, Der Tempel des capit. Juppiter. Berl. Blätt. f. Münzkunde. V, 263 ff,

liess, trug noch mehr zur allgemeinen Ausbreitung des Cultus in den Provinzen bei. Unter den mannichfachsten Beinamen, in den verschiedenartigsten Eigenschaften 1), ward Juppiter verehrt, wie uns besonders die Reverse der zahlreichen Münzen der Kaiserzeit darthun, welche sein Bildniss in vielerlei Darstellungen zeigen. Als aber im dritten Jahrhundert orientalischer Einfluss sich im Römerreiche mehr und mehr geltend macht, als der Thron sich sogar eine Zeit lang im Besitz einer syrischen Dynastie befindet, wird der capitolinische Jupiter der hadrianischen Zeit zeitweise von den orientalischen Auffassungen dieses Gottes zurückgedrängt, wenn auch nicht verdrängt. Er bleibt bis zur Vernichtung des Heidenthums der vornehmste Repräsentant des altrömischen Göttersystems. Seine Cultusstätten trugen an vielen Orten des römischen Reichs nach dem Vorbild des hochberühmten Heiligthums am Tiberstrande den Namen des Capitols. Wichtige Waffenplätze, in denen der Kaiser, des himmlischen Herrschers sogar mit dessen Beinamen Optimus Maximus geziertes Abbild, öfters verweilte, waren daher vorzugsweise Orte der Juppiterverehrung, mit der sich meistens der Cultus der Juno Regina, aber auch anderer Gottheiten, wie der Minerva, des Mercur und Hercules verknüpfte. Das römische Mainz (Mogontiacum), die Residenz des Statthalters von Germania Superior, noch mehr aber das ihm gegenüberliegende Castellum Mattiacorum, das heutige Castel, welches wahrscheinlich Trajan oder Hadrian zur Colonie erhoben), waren hervorragende Sitze des Juppitercults. Nicht weniger als 25 Votivaltäre, auf denen Juppiter entweder allein oder in Verbindung mit anderen Gottheiten genannt wird, führen J. Beckers Römische Inschriften des Mainzer Museums", Mainz 1875, pag. 1-9 auf, sämmtlich Funde aus Mainz und Castel oder deren allernächster Umgebung. Aus Wiesbaden ist uns ebenfalls der Anfang einer Votivinschrift bekannt, die sich auf Juppiter und Juno bezog und noch um 1600 sich in der römischen Heidenmauer" eingemauert befand, seit mehr als 100 Jahren aber verschwunden ist 3), und eine halbe Stunde westlich Igstadts, zu Bierstadt, fand sich

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1) Braun, Die Kapitole (Bonner Winckelmannsprogr. v. 1849) zählt 24 seiner Beinamen auf, ohne sie jedoch zu erschöpfen! Vgl. auch Preller, Röm. Mythologie (2. Aufl. ed. R. Köhler), 182 ff. und die dort im Texte und den Anmerkungen angezogene Literatur. 2) Vgl. dazu J. Becker, Castellum Mattiacorum". Nass. Ann. VII, 23 f., 93 f. u. IX, 148 ff., und desselben hochverdienten Gelehrten Aufsatz: Zur Urgeschichte von Mainz und Castel" im „Mainzer Journal" 1877, Nr. 280 u. 281; E. Hübner, „Der Ursprung von Mainz", Bonner Jahrb. 64 (1878), 39 ff.) Die älteste Nachricht darüber findet sich bei Weber, Thermarum Wisbad. descriptio, erschienen 1617, pag. 5. S. auch Klein, Nass. Ann. IV, 345 f.; Klein u. J. Becker, Inser. Nassov. Nr. 47; Brambach, Corp. Inser. Rhen. 1530; F. Otto, Gesch. Wiesbadens, 49,

ausser einem Votivaltar des Mercurius Nundinator und der Rosmerta 1) gleichfalls eine Ara, welche Eugenius Martius für das Heil seiner Gattin Primitiva und der Seinen dem Juppiter Optimus Maximus und der Juno Regina weihte 2). Juppiterfiguren, wie sie zu Mainz, zu Mechernich in der Eifel), zu Bitburg bei Trier 4), zu Trier selbst, freilich in mehr oder weniger zertrümmertem Zustande, aufgefunden wurden, sind indessen seither in der Umgegend Wiesbadens, soviel uns bekannt, vor unserer Statuette nicht entdeckt worden. Die beiden mit dem Juppiter von Igstadt wieder an's Tageslicht gekommenen Säulenreste scheinen nebst den bei ihnen gefundenen, aber leider nicht mehr verfolgbaren Spuren von Mauerwerk mit ziemlicher Sicherheit darauf hinzuweisen, dass auf jener Höhe, die einen weiten Ausblick in das Thal zu ihren

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Füssen gewährt, ein kleiner Tempel, eine aedicula des Juppiter gestanden habe, in deren Mitte unsere Statue befindlich war. E. aus'm Weerth hat in den Bonner Jahrbüchern 57 (1876), 63 f. die Dimensionen eines solchen kleinen der Juno geweihten Tempels angegeben, der sich bei Nattenheim in der Nähe der römischen Jagdvilla von Fliessem befand. Diese aedicula hatte nahezu quadratische Form. Die 6,67 à 6,15 m im Geviert haltende Cella war mit einem 10,25 à 11,85 m breiten Säulengange rings umgeben, zeigte demnach die Form des Peripteros. In ähnlicher Gestalt werden wir uns auch den Juppitertempel auf der Igstädter Höhe vorzustellen haben. Das von ihm auf uns gekommene ziemlich gut gearbeitete Säulenkapitäl (s. d. obenstehenden Holzschnitt 2.) könnte darauf schliessen lassen, dass seine Cella von korinthischen Säulen umgeben war. Die Breite der oberen Fläche dieses Kapitäls beträgt 0,54 m. Seine untere

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1) Inscr. Nass. 46; Otto, Gesch. Wiesb., 52, Nr. 10. 2) Inscr. Nass. 45; Brambach, Corp. Inscr. Rhen. 1507. 3) A. Eick, Bonn. Jahrb. 39/40 (1866), 356 ff.) E. aus'm Weerth, Bonn. Jahrb. 57 (1876), 56.

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