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XVI.

Beiträge

zur

Kritik deutscher Geschichts

quellen

des 11. Jahrhunderts.

Von

Harry Bresslau.

I. Die verlorenen Annales Hildesheimenses majores.

Die Vita Meinwerci enthält Cap. 200 (SS. XI, 154) im Anschluss an ihren Bericht über das Frankfurter Concil von 1027) die Worte: 'In eadem sinodo domna Sophia (Aebtissin von Gandersheim) nonnas suas cogente sinodali decreto ab archiepiscopo (Aribo von Mainz) recepit, et Gebehardus juvenis, frater imperatoris, ibidem arma deponens clericalem tonsuram invitus accepit'. In der Ausgabe der Monumenta führt Pertz den ersten Theil dieses Satzes auf die Vita Godehardi zurück (N. 23), ohne indess, wie er sonst zu thun pflegt, das Kapitel zu citiren, aus dem er entnommen sein soll; den zweiten Theil lässt er (N. 22) ebenso wie den den citirten Worten voraufgehenden Bericht über den Hauptgegenstand der Verhandlungen des Concils den Annales Hildesheimenses entlehnt sein. Wäre es schon an sich auffallend, wenn der Biograph Meinwerks (B) mitten in einen in sich zusammenhängenden Abschnitt aus den Hildesheimer Annalen (h) einen einzelnen Satz aus dem Leben Godehards eingeschoben hätte, der sich eben so gut an das Ende dieses Abschnittes anhängen liess, so ist um so mehr an der Richtigkeit von Pertz' Annahme zu zweifeln, als die Vita Godehardi posterior weder in ihrem Bericht über das Frankfurter Concil (Cap. 23) noch sonst irgendwo etwas von der Auslieferung der Gandersheimischen Nonnen erzählt. Um so ausführlicher berichtet allerdings die Vita prior Cap. 34 davon; aber ein wörtlicher Anklang an ihre Darstellung des Hergangs findet sich in B nirgends; es wäre mindestens sonderbar, wenn B, dessen Erzählung sich sonst immer eng an die zweite Recension der Vita anschliesst, hier die erste, ausserhalb Hildesheims wahrscheinlich kaum bekannt gewordene benutzt hätte; sonderbar auch, wenn er, statt, wie gewöhnlich, seine Quelle abzuschreiben, hier dieselbe frei überarbeitet hätte.

Zu diesen Schwierigkeiten, mit denen die Annahme von Pertz verbunden ist, gesellt sich eine andere. In dem Berichte des Annalista Saxo (S) zum Jahre 1027 heisst es ganz wörtlich übereinstimmend mit B: 'In hac sinodo domna Sophia abbatissa Gandersheimensis nonnas suas cogente sinodali decreto ab archiepiscopo recepit. In eadem sinodo Gebehardus juvenis, frater inperatoris, arma conpulsus deposuit et cleri

1) Die Zahl 1025 am Rande ist Druckfehler.

calem tonsuram invitus accepit'. Den Gedanken, dass S1) und B bei einem freien Auszuge aus der Erzählung der Vita God. prior über die Gandersheimischen Nonnen genau auf denselben Wortlaut gekommen wären, den sie in ihrer Quelle nicht fanden und diesen genau in derselben Weise in einen aus den Hildesheimer Annalen entnommenen Bericht eingeschoben hätten, wird Niemand hegen. Dass weder S aus B, noch umgekehrt B aus S geschöpft habe, hat schon früher Scheffer Boichorst erwiesen 2); es bleibt also nichts übrig, als eine dritte, uns verlorene, von B und S gemeinsam benutzte Quelle anzunehmen.

Welches Ursprungs ist dieselbe? Waitz, in der Ausgabe des Annal. Saxo, deutet, freilich selbst zweifelnd an, dass vielleicht die Worte 'In hac-recepit' auf den uns verlorenen Theil der Ann. Quedlinburg. zurückzuführen sein möchten; wir werden jetzt nach dem Vergleich mit B sagen dürfen, dass diese Annahme unzulässig ist; eine Benutzung der Quedlinburgenses 3) in B hätte dort aller Wahrscheinlichkeit nach andere Spuren zurückgelassen, als diese eine, ganz allein dastehende kurze Notiz. Ihr lokaler Charakter, sowie die gleichmässige Art, in der sie in B und S mitten in zwei unstreitig auf Hildesheimer Ueberlieferung zurückgehende Stücke eingeschoben ist, berechtigt zu der Annahme, dass auch die Nachricht von den Gandersheimer Nonnen aus Hildesheim stammt, dass wir es hier mit einer anderen, reicheren Recension der Hildesheimer Annalen, mit Ann. Hildesheimenses uberiores oder majores zu thun haben. Aus diesen stammt denn auch in B und S die Nachricht von Gebhards erzwungenem Eintritt in den geistlichen Stand. Man vergleiche folgende Zusammenstellung:

S.

B.

h.

SS. III, 97.

'In eadem sinodo Ge- 'et Gebeh. juv. 'In hac sinodo Geb. behardus juvenis, frater imp. arma com- juv. frater imp. arma frater inperatoris, pulsus deponens cle- conpulsus deposuit arma conpulsus de- ricalem tonsuram in- et clericalem tonposuit et clericalem vitus accepit'. suram accepit. tonsuram invitus

accepit'.

1) Oder, was für uns auf eins hinauskommt, die MagdeburgNienburger Annalen, aus denen er hier unmittelbar geschöpft hat. 2) Annal. Patherburnens. S. 38. 3) Ich sehe davon ab, dass die oft angenommene Fortsetzung der Quedlinb. über 1025 hinaus für mich durchaus nicht unzweifelhaft feststeht; das meiste, was man ihr früher zugeschrieben hat, lässt sich jetzt anderweit zurückführen. 4) Die Hauptverhandlung des Frankfurter Concils und Gebhards Tonsur; vgl. über die letztere unten.

Es ist allerdings nur das eine Wort 'invitus', um welches an dieser Stelle die uns erhaltenen Ann. Hildesheimenses (h) ärmer sind, als die verlorenen majores (H), aber für den von uns zu erbringenden Nachweis reicht dies eine Wort aus.

Die Existenz des von uns angenommenen Werkes ist nun längst bekannt; zuletzt hat, neben Wattenbach) und Giesebrecht 2), besonders Steindorff3) ausführlich davon gehandelt; nur hat man übereinstimmend angenommen, dass diese reichere Recension sich erst von 1037 an verfolgen lasse; Steindorff vermuthete, dass sie zur Fortsetzung der bis 1034 reichenden Reihe der Ann. Hildesheim. bestimmt gewesen sei; es ist insofern kein ganz unwichtiges Ergebnis unserer bisherigen Untersuchung, wenn wir ihre Spuren schon 1027 nachweisen können. Unsere Aufgabe aber wird es danach sein müssen, rückwärts und vorwärts von dem gewonnenen Punkte aus diesen Spuren weiter nachzugehen.

Die erste sichere finde ich zu 1023.

B. Cap. 176.

'Anno dehinc succedente Gero

h. 1023.

'Gero

Parthenopolitanus archipraesul Parthenopolitanus archipraesul ab hac vita decessit, cui obiit,

cui

Hunfridus, Wireiburgensis Hunfrithus, vir per omnia ecclesiae praepositus, ad usum sancte ecclesiae successit. Thietmarus probatissimus, successit. piae memoriae Osnebrug

gensis episcopus ad Chri

stum migravit, et in sedem ejus Moncherus subintravit. Arnoldus quoque

Arnolfus

Bern

Halverstadensis episcopus mo- Halberstatensis episcopus obiit, ritur, et Brantoch quondam Ful- cui Branthog Fuldensium_olim densis abbas substituitur. Bern- abbas successit. hardus similiter Haldenburgensis hardus Haldenburgensis episcopus sustollitur, post quem antistes abstollitur, post quem Reinholdus subinfertur'. Reinoldus subinfertur'.

Musste es früher befremden, wie hier der Biograph, ganz gegen seine Gewohnheit, mitten in eine offenbar von Hildesheim empfangene Todtenliste den Namen des Osnabrückers einschiebt, über Hunfrieds Herkunft einen Zusatz macht, den er um die Mitte des 12. Jahrhunderts unmöglich eigener Kenntnis verdankt, so wird das nun, seit wir wissen, dass ihm die Hildesheimer Jahrbücher nicht in der uns erhaltenen, sondern in einer anderen, reicheren Fassung vorgelegen haben,

1) Geschichtsquellen II, 14. 3) Jahrbücher Heinrichs III. I, 421 ff.

2) Kaiserzeit II, 566 (4. Auflage).

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