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Missgunst zu suchen sein, mit der die Pfarrer auf die Klosterbrüder sahen, die sich mit Eifer der Seelsorge, der Predigt und des Schulwesens annahmen und dadurch jene an Einfluss und Einkünften empfindlich schädigten. Wenn in den rigischen Kirchenstatuten von 1428 die canonischen Bestimmungen, welche den Wirkungskreis der Pfarrer vor den Uebergriffen anderer Geistlichen schützen, mit besonderem Nachdruck hervorgehoben werden (690 § 43) und namentlich den Bettelorden die Beobachtung der Einschränkungen, unter denen ihnen gestattet worden Beichte zu hören und Absolution zu ertheilen, auf das Strengste eingeschärft wird (§ 45), muss dies als eine Folge der in Reval hervorgetretenen Reibungen betrachtet werden. Die Beschwerden der Predigerbrüder lernen wir aus einer Eingabe kennen, die sie im J. 1425 in Rom überreichen liessen: sie erheben Klage darüber, dass während die Weltgeistlichkeit sie hindere sich ihrer Privilegien zu bedienen und die Seelsorge auszuüben, jene sich sträflicher Fahrlässigkeit und Habsucht in ihrer Amtsführung selbst schuldig mache. Zur Erhärtung dieser Missstände dient eine Menge aufgeführter Beispiele (355). Mit stets wachsender Gereiztheit ward der Kampf fortgeführt, grober Unfug von beiden Parteien begangen. Am Tage Mariae Lichtmess 1426 drangen die Mönche mit einem Volkshaufen in die Nicolaikirche ein und überfielen den die Messe celebrirenden Pfarrer. Wären demselben nicht andere gute Leute und Priester zu Hilfe erschienen, so hätte es um sein Leben misslich gestanden“ (433). Rath und Bürgerschaft sind in dieser Fehde mit allem Eifer für die Sache der Mönche eingetreten. Als diese trotz des von den Prälaten gegen sie geschleuderten Bannes mit dem Abhalten ihrer Gottesdienste fortfuhren, sind letztere von den Einwohnern nicht weniger eifrig besucht worden; zur Betreibung der Angelegenheiten in Rom hat der Rath dem Convent zwei zinsfreie Darlehen im Betrage von 500 Mark bewilligt (451).

Bald aber hat die Stadt sich veranlasst gesehen unmittelbar in den Kampf mit der Weltgeistlichkeit einzutreten. Eine der von den Predigerbrüdern angeregten Fragen betraf das Schulwesen. Als die Mönche mit dem Unterricht der Jugend begonnen, hatte das Capitel auf Grund eines der Schule auf dem Dom von König Erich Menved verliehenen Privilegs, dem zufolge ausser derselben keine weitere gestattet sein sollte, Einsprache erhoben. Da der in Rom anhängig gemachte Process, der auch schliesslich zur Verurtheilung des Convents führte (221), einen günstigen Ausgang nicht verhiess, nahm die Stadt die Sache selbst in die Hand, indem sie sich zu Anfang 1424 mit einem Bittgesuch an den Papst wandte. In Farben, welche die den Erforschern der Polarmeere drohenden Gefahren lebhaft vor Augen führen, werden die Beschwerden geschildert, welchen die zur Domschule eilenden Knaben beim Erklimmen des 77 Schritt hohen, von Schnee und Eis starrenden, mit Felsklüften bedeckten, winterlichen Berges ausgesetzt seien, der Vielen bereits Gesundheit und Leben gekostet habe. Da Bischof und Capitel gleichzeitig gegen die Schulhalter in der Stadt mit geistlichen Strafen vorgingen, sei Reval der Möglichkeit beraubt die Lernbegier seiner zahlreichen Jugend zu befriedigen. Diesen schreienden Missständen abzuhelfen wird die päpstliche Milde angerufen (67). Nicht weniger als der Inhalt scheint das Latein der offenbar in den Kreisen der Mönche verfassten Eingabe zu beweisen, wie sehr Unterricht Noth that. Am 17. Juli 1424 ertheilte Martin V einen gnädigen Bescheid, indem er dem Rath die Befugniss verlieh, bei einer der Stadtkirchen eine Schule zu errichten und den Lehrer für dieselbe von sich aus zu ernennen (159). Doch Bischof und Capitel bestritten die Rechtmässigkeit der Bulle und suchten ihre Ausführung zu hindern. Da der vom Orden vorgeschlagene und von Reval angenommene schiedsrichterliche Austrag von der anderen Seite verworfen ward (315), erklärte der oberste Gebietiger, dass er und der Hochmeister ganz auf Seiten der Stadt stünden, und stellte dieser frei, die Entscheidung des Papstes anzurufen (314). Der in den Händeln seines Convents im Sommer 1425 an den römischen Hof gesandte Lector der Predigerbrüder Johann Lange ward auch mit Führung dieser Sache beauftragt und im J. 1428 hat Reval ein seine Ansprüche vollkommen anerkennendes Urtheil erlangt (693).

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Bei steigender gegenseitiger Erbitterung hat der Rath, gestützt auf seine Autonomie, im Januar 1425 eine Willkür erlassen, welche sich offenkundig als Repressalie für mancherlei der Gemeinde von den Kirchherrn zugefügte Beschwerniss einführt. Durch die Bestimmung, dass Vigilien und Seelenmessen ausschliesslich in der Kirchspielskirche, zu welcher ein Verstorbener gehört hatte, gehalten und nur zu einer Messe geopfert werden dürfe, die Gedächtnissreden von der Kanzel aber völlig abgestellt sein sollten, ward eine Beschränkung der Darbringungen an die Pfarrer erreicht (237). Die Forderung

des Bischofs von Dorpat, das „gegen die Freiheit der heiligen Kirche und päpstliche und kaiserliche Gesetze“ erlassene Gebot zu beseitigen (239), ward zurückgewiesen (251) und selbst das Ansinnen des · Meisters, dasselbe bis zu seiner bevorstehenden Ankunft in Reval nicht zur Ausführung zu bringen (313), abgelehnt. Des Meisters Entscheidung sich zu unterwerfen erklärte sich der Rath bereit, wollte aber nicht weiter gebeten werden „eine Verordnung abzustellen, die er auf Grund seines Rechts und des der Stadt geleisteten Eides, das gemeine Beste zu wissen, erlassen habe“ (325). Eine revalsche Aufzeichnung berichtet triumphirend, dass als die Willkür am 14. August 1425 vor dem Meister, seinen Gebietigern, dem Landesrath und den gemeinen Rittern und Knechten von Harrien und Wirland verlesen sei, Bischof und Capitel eingestanden, der Stadt Unrecht gethan zu haben, und dieselbe um Vergebung gebeten hätten (332). Freilich finden wir, dass das Gesetz den Herren in einer seine Tendenz bemäntelnden, milderen Form, als in der es veröffentlicht worden, mitgetheilt ist: nicht allein dass der herausfordernde Eingang weggelassen, es ist auch der erste Punct nicht ganz vollständig und in abgeschwächtem Wortlaute wiedergegeben.

In Anlass seiner Verbindung mit den Predigerbrüdern ward Reval gleichzeitig in einen Zwist mit dem Bischof von Dorpat verwickelt, der ohne höheres sachliches Interesse zu bieten, doch um der Erregung willen, in der er die Gemüther lange erhielt, Erwähnung verdient. Als Conservator des Stifts Reval hatte der Bischof an die Stadt die Ermahnung gerichtet, den Gottesdienst der gebannten Mönche zu meiden. Dieselbe blieb fruchtlos; man berief sich auf die von den Brüdern gegen den Bann eingelegte Appellation (319). In zwei gleichlautenden, an Rath und Gemeinde gerichteten Schreiben erhob der Bischof jetzt den Vorwurf, dass sie die Brüder zu ihrem Ungehorsam gegen die Kirche anreizten und stärkten, und drohte, nöthigenfalls mit Daransetzung seines Lebens gegen solch' ketzerisches Verhalten einzuschreiten (323). In einer Erwiederung voll kränkenden Hohns behauptete die Gemeinde, auch fernerhin den Gottesdienst im Kloster besuchen zu dürfen, bestritt dem Bischof das Recht sich überhaupt in die Sache zu mischen und gab ihm den Rath, falls es ihn nach der Märtyrerkrone gelüste, sich lieber gegen das schismatische Pskow als gegen gute Christen zu wenden (326). Sachlich hiermit übereinstimmend, nur gemässigter in der Form, lautete die Antwort des Rathes (330). Das erstere, durch seine Kühnheit in der That merkwürdige Schreiben scheint einen revalschen Klosterbruder, dessen Heimath in Holland zu suchen sein möchte, zum Verfasser zu haben. Fast durch zwei volle Jahre lassen sich die hierüber entbrannte Fehde und die unermüdlichen Vermittelungsversuche des Ordensmeisters verfolgen. Selbst als der Bischof, der sich zuerst mit seiner Beschwerde nach Rom hatte wenden wollen, die Sache dem Schiedsspruch der Herren und Stände, dann dem des Ordensmeisters allein unterwarf, wies die Stadt die Vorschläge zurück und bestand darauf, dass falls ihr Widersacher gegen Jemand der Ihrigen Klage zu führen habe, letztere vor die revalschen Gerichte gehöre, falls er aber die Stadt belangen wolle, dies im regelmässigen Verfahren vor ihrer Obrigkeit, dem Meister, geschehen müsse (478). Einer Gesandtschaft der dörptschen Stiftsstände ward der höhnische Bescheid zu Theil, der Bischof habe der Gemeinde ungerechte Vorwürfe gemacht, der gemeine Mann, der gerade anwesend war, sich dagegen vertheidigt; jetzt sei derselbe nicht mehr zur Stelle und habe auch keine Vollmachten hinterlassen (461). Der Ordensmeister erklärte, seine Stadt in keinem Falle

verlassen zu wollen (520). Ob der Bischof seine schliessliche Absicht, einen Process in Rom anzustrengen (545), ausgeführt hat, entzieht sich unserer Kenntniss.

Ebenso energischer Schutz wie hier ward Reval in dem langwierigen Zwist, in den es zu Ende 1425 mit dem wiborger Hauptmann Cristiern Niklesson gerieth, von Seiten des Ordens gewährt. Cristiern hatte Reval ersucht, dem Claus Dock, der früher gewisse Schadenansprüche gegen die Stadt geltend gemacht und dann, ohne ihr entsagt zu haben, Freibeuterei gegen sie getrieben, Geleit zu ertheilen. Noch ehe letzteres bewilligt worden, hatte Dock sich nach Estland hineingewagt, ward im Klostergut zu Kolk ergriffen und zu Reval hingerichtet. Der Hauptmann erhob darüber öffentliche Anklage wegen der Treulosigkeit des Rathes, welcher, den gegebenen Zusicherungen der Freundschaft und freien Verkehrs zuwider, ihm seinen Diener gemordet habe (445, 446), und schien an revalschem Eigenthum Repressalien nehmen zu wollen. Der Ordensmeister, der Comtur und der Bischof von Reval traten gleich entschieden für die Stadt ein, erklärten, dass dieselbe mit ihrem Verfahren gegen Dock, ihren abgesagten Feind, im Recht gewesen, auch um nicht den Spott von Rittern, Knappen und anderen Städten auf sich zu laden, nicht weniger habe thun können, und baten den Hauptmann seinen Unmuth gegen sie aufzugeben (466, 470, 471). Trotzdem blieb die Lage noch geraume Zeit eine zweifelhafte. Erst auf die Fürsprache des Hochmeisters (585) liess Cristiern sich im Frühjahr 1427 bereit finden, Reval sicheren Verkehr zuzusagen und den Ordensmeister als Richter in dem Streite anzuerkennen (627). Es sollte dies nur ein Vorspiel zu lange andauernden, sich an Heftigkeit steigernden Zerwürfnissen bilden. Die kleineren, dem Orden untergebenen Städte haben in diesen Jahren eine Erweiterung ihrer Privilegien erlangt: Pernau ward zu der halben Gerichtsbarkeit innerhalb seiner Mauern die halbe in der Stadtmark und im Hafen (627), Narva die halbe Jurisdiction in seinem Strome sowie das Recht der Wage und ein Wachssiegel, dem freilich von der Hanse die Anerkennung zunächst verweigert ward (489 § 3), vom Meister Cisse verliehen (337, 406). Gegen die Anmassung der Hanse und die Eifersucht Revals, die der Grenzstadt die Beobachtung aller Handelsverbote zumutheten, sich ihrer Aufnahme in den Bund jedoch beharrlich widersetzten, hat Narva wiederholt die Intervention des Meisters aufrufen müssen und ihn zu Hilfeleistung stets bereit gefunden.

In der inneren Politik vielfach geschieden, treten die drei grossen lirländischen Städte in hansischen Fragen stets als geschlossene Einheit auf. In Folge der in Aussicht gestellten Handelsvortheile, sodann einem gewissen äusseren Drucke weichend (1) haben sie ihre Bereitwilligkeit erklärt dem am 15. Juni 1423 zwischen einem Theil der Hansestädte und König Erich abgeschlossenen Bündniss beizutreten. Im Mai 1424 wurden die Vertragsurkunden durch den dörptschen Bürgermeister Tidemann Vos nach Lübeck befördert. Ueber fünf Jahre sind sie dort gehütet worden, ohne dass es je zu ihrer Vebergabe gekommen wäre. Zunächst hat die Abwesenheit des Königs aus seinen Reichen, dann die sich immer mehr verdüsternde politische Lage, welche die Wahrscheinlichkeit einer wirklichen Ausführung des Bündnisses stets weiter in den Hintergrund treten liess, den Austausch verhindert. Die Verhandlungen der livländischen Städte darüber, wie man mit den tozatesbreven verfahren solle, die anfangs beim Rathe von Lübeck niedergelegt, dann zwei dortigen Bürgern übergeben, bereits mehrmals zur Vernichtung bestimmt waren, lassen sich bis ins J. 1429 verfolgen (802).

Nach kurzem Schwanken sind die wendischen Städte zu ihrer naturgemässen Politik zurückgekehrt und haben sich ihren alten Bundesgenossen, den Grafen von Holstein, wieder zugewandt. Bereits im August 1424 hat der noch in Lübeck weilende Tidemann Vos den Gang der Ereignisse richtig vorausgesehen, indem er damals an Dorpat schrieb: sollte König Erich die Städte auffordern, mit ihm die Holsteiner zum Gehorsam gegen den Spruch des römischen Königs wegen Gottorp zu bringen, so würden sich jene schwerlich dazu verstehen, wante dat zere teghen de stede were (174).

Am 2. November 1426 meldeten die wendischen Städte den livländischen, dass sie von König Erich durch Verletzung alter hansischer Freiheiten so sehr bedrückt worden, dass sie aus brennender Noth" seine Feinde hütten werden müssen, und forderten jene auf sich mit in ihre Fehde zu setzen“ und allen Handel mit den scandinavischen Reichen abzubrechen (534). Unmittelbar darauf richtete wiederum der König an Reval die Bitte, den Versicherungen seiner Gegner, dass er die Schuld an dem ausbrechenden Kriege trage, keinen Glauben zu schenken, warnte vor jeder Gemeinschaft mit ihnen und sagte der Stadt gleichzeitig sicheren Verkehr in seinen Landen zu (548). Auf dem zur Berathung des Verhaltens der livländischen Communen gegenüber jenen wichtigen Fragen am 30. Januar 1427 in Wolmar zusammentretenden Tage erschienen ausser Abgeordneten der drei grossen Städte auch die von Pernau, Wenden, Wolmar, Fellin und Lemsal. Man kam überein, die begehrte Theilnahme am Kampfe mit der von Seiten der Landesherrn drohenden Einsprache und dem Mangel an Volk und Schiffen abzulehnen, dagegen eine Geldhilfe, zu der auch die kleineren Gemeinwesen beitragen wollten, den wendischen Städten zuzusagen. Ueber die Höhe derselben, sowie über den Verkehr mit den Reichen des Königs ward der Beschluss jedoch vertagt, bis man Nachrichten über die Absichten der preussischen Städte erhalten habe (571). Die im April nach Lübeck abgefertigten livländischen Rathssendeboten trafen bereits in Preussen mit Abgeordneten der wendischen Städte zusammen. Nachdem letztere die Annahme von Subsidien zunächst ganz abgelehnt, dann die ihnen gebotene Summe von 1000 Gulden für zu gering erklärt hatten, einigte man sich endlich dahin, dass falls der Friede vor Michaelis zu Stande käme, die Livländer gleich den anderen Städten beisteuern, wenn der Krieg darüber hinaus währe, sie 2000 Gulden und bei noch längerer Dauer desselben entsprechend mehr geben sollten (597). Obgleich die Verbindung mit den wendischen Städten durchaus aufrecht erhalten wurde, man ihnen geheimen Beistand zum Kriege und ihren Boten die Hinderung aller Zufuhr, welche ihren Gegnern zu Gute kommen konnte, verheissen (597 § 9), hat namentlich Reval doch kein Bedenken getragen, den Verkehr mit den nordischen Reichen, der jetzt doppelt gewinnreich zu werden versprach, fortzusetzen. Finnland und selbst Stockholm bezogen regelmässig einen Theil ihres Bedarfs an Salz, Hopfen und Tüchern über die benachbarte Hansestadt; von der Verbindung mit dem Westen fast ganz abgeschnitten, waren sie jetzt darin ausschliesslich auf den revalschen Markt angewiesen. Allen finnländischen Hauptmännern, die sich im Frühjahr 1427 mit der Anfrage, wessen man sich in Zukunft zu ihm zu versehen habe, an Reval wandten, ward die Zusicherung freundnachbarlicher Gesinnung und ungehinderten Verkehrs gegeben und dies Versprechen von jenen erwiedert (593, 604, 605, 620, 623, 638).

Durch eine derartige Haltung befriedigte man nach keiner Seite hin und bereitete sich das Schicksal unaufrichtiger Neutraler. Bald hatte man von beiden kriegführenden Theilen gleich viel zu fürchten und die livländischen Schiffe, sobald sie den Hafen verlassen, wüsten denne cleene, vore weme ze zik meist bevruchten unde høden zolden (622). Unter den nach der unglücklichen Schlacht im Sunde am 22. Juli 1427 von den Dänen genommenen Bayenschiffen befanden sich mehrere livländische (656); im selben Sommer wurden neun aus Reval ausgelaufene Fahrzeuge mit ihrer meist revalschen und dörptschen Bürgern gehörigen Salzladung durch die Auslieger des Königs bei Sandö genommen. Alle bei schwedischen und finnländischen Hauptmännern und Städten angestellten Versuche, das Verlorene wiederzuerlangen, blieben erfolglos (686, 692, 704). Bischof Magnus von Åbo ertheilte auf die Beschwerde Revals die vieldeutige Antwort, dass er dessen Verlust in demselben Masse bedauere, als er die Stadt für eine Fördererin der gerechten Sache des Königs hielte (707). In jedem Frühjahr erscholl die Nachricht, dass die Freibeuter die See beherrschten, de lose partiie stark in der zee sei (697). Hansische Auslieger erschienen vor Reval, um dessen Handel mit Finnland und Schweden zu stören (806). Am 11. August 1428 haben dieselben auch Hapsal sammt allen seinen Kirchen ge

plündert und verbrannt; ihr Angriff auf den Dom und das Schloss, die sie mit Brandpfeilen beschossen, ward jedoch abgeschlagen (781). Jeder regelmässige Verkehr stockte. Nur im Geleit von Kriegsschiffen, die mit Söldnern besetzt waren, wagte man die Fahrt von Reval nach Lübeck (750); um die Nordsee zu erreichen, verband sich die livländische Flotte vor der Weichsel mit den preussischen Schiffen. Gleichzeitig hatten die livländischen Städte alle Ausfuhr zu Lande, weil dieselbe nicht ausschliesslich in ihrer Hand lag, eifersüchtig verboten. Erst als man einsah, dass in Folge dessen der russische Handel mit vollständiger Umgehung Livlands auf ganz neue Strassen durch Litauen und Polen abgelenkt wurde, widerrief man den Beschluss (802). Um die Mitte des J. 1429 war noch kein Ende des Krieges und der ihn begleitenden Beschwerden abzusehen.

Den livländischen Städten als nächstgelegenen und meistbetheiligten Gliedern der Hanse war allmälig die Leitung des Verkehrs mit Russland und namentlich die Fürsorge für den Hof zu Nowgorod zugefallen. Die Verhandlungen mit der Republik wurden von ihnen geführt, die Anweisungen an den deutschen Kaufmann gingen von ihnen aus. Wisby, das hier lange Zeit seine alte massgebende Stellung hartnäckig aufrechtzuerhalten suchte, hat sich schliesslich darauf beschränkt die früheren Kreuzküssungen zu bewahren und jährlich den Hofespriester zu ernennen. Der Hof von St. Peter ist von der Hanse stets wie ihr Augapfel gehütet worden. Keins ihrer auswärtigen Kontore gewährte so reichen Gewinn wie dieses, die Blüthe der andern beruhte auf dem Gedeihen der Factorei am Wolchow. Nirgends anders im Auslande war aber auch der Kaufmann derartigen Gefahren wie hier ausgesetzt, an keinem andern Orte ist sein Leben und Eigenthum so häufig einer entfesselten Volkswuth zum Opfer gefallen. Die Achtung vor den beschworenen Verträgen hat ihm nur selten Schutz gewährt, das Grundprincip derselben, dass bei vorgekommenen Ausschreitungen der Unschuldige für den Schuldigen nicht entgelten sollte, ist ewig verletzt worden. In den wenigen hier zu behandelnden Jahren sollten die alten, so oft gemachten Erfahrungen aufs Neue Bestätigung finden.

Jener Bestimmung der Verträge, dass jedem Theile in dem Gebiete des andern ein reiner Weg" offen stehen sollte, ward von Seiten der Nowgoroder eine überaus weit gehende und willkürliche Deutung gegeben, indem sie für alle ihnen auf dem Meere zustossenden Unfälle die Städte in Anspruch nehmen zu können meinten. Die Hanse hat es stets abgelehnt, in wilden openbaren wateren unde meren ihnen Schutz zu gewähren (186). „Die See hat viele Winkel und Augen (Inseln) und ist nicht immer gleich rein. Und die Städte wollen mit nichten für die See einstehen, denn sie können sich selbst die See nicht reinigen und frei machen“ liess Dorpat einst Nowgorod entbieten (419).

Im Mai 1424 waren Russen an der estländischen Küste ermordet und beraubt worden; in alter Weise verlangte Nowgorod von den Städten Genugthuung und Schadenersatz. Jene betheuerten ihre Unschuld, versprachen Nachforschungen nach den Uebelthätern anzustellen, doch blieben diese unentdeckt. Im Februar 1425 ward über den deutschen Kaufmann auf dem Hofe von St. Peter die Besetzung verhängt; die Hanse antwortete mit dem Verbot alles directen und indirecten Handels nach Russland. Abgesandten der livländischen Städte gelang es nicht die Befreiung der Deutschen zu erwirken (278); die Nowgoroder drohten vielmehr an diesen ihren Schaden zu erholen, „überliefen den Hof wie kläffende Hunde, als ob uns der Eine sieden, der Andere braten wollte“, und nur die Fürsprache des Erzbischofs Emelian verhinderte, dass man die Bedrängten in die Eisen setzte. Auch eine zweite, von livländischen Rathsgliedern ausgerichtete Gesandtschaft im August blieb erfolglos, da die Boten, um keinen Prücedenzfall zu schaffen, jeden Ersatz für das geraubte Gut verweigerten, dazu die Handelssperre in Folge des Egoismus vieler Hansestädte ihre abkühlende Wirkung auf Nowgorod verfehlt hatte. Trotz des ergangenen Verbots war nämlich von Danzig aus durch Vermittlung der schwedischen und finnländischen Städte ein lebhafter Handel nach Russland betrieben worden;

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