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Ueber eine von Tischendorf aus dem Orient mitgebrachte, in Oxford, Cambridge, London und Petersburg liegende Handschrift der Septuaginta.

Von

Lic. Dr. Alfred Rahlfs.

Vorgelegt von J. Wellhausen in der Sitzung vom 19. Februar 1898.

Im ersten Teile seiner Septuaginta-Studien, S. 9-11 hat Lagarde darauf aufmerksam gemacht, daß die Petersburger Handschrift, welche E. de Muralt in dem „Catalogue des mss. grecs de la Bibliothèque Impériale Publique" (Petersb. 1864), S. 34 unter Nr. LXII beschreibt, und die Handschrift des British Museum Addit. MS. 20002 (Catalogue of Ancient MSS. in the Brit. Mus., part I, London 1881, S. 21) nach Tischendorfs eigener Aussage 1) ,reliquiae eiusdem codicis" sind, und zur Bestätigung dessen besonders auf die völlig gleiche Blattgröße beider 2) verwiesen. Ihre Zusammengehörigkeit ist über allen Zweifel erhaben, da auch der Text beider genau an einander schließt: der Petersburger Teil enthält Gen. 4314-Jos. 2426, der Londoner Jos. 24 27 - Ruth, der Petersburger wiederum Regn. ay 16 28. Beide Teile sind von Tischendorf aus dem Orient mitgebracht, aber nicht zu gleicher Zeit, wie Lagarde infolge eines Versehens annimmt 3), sondern der Londoner 1853 bei der zweiten Orientreise, der Petersburger 1859 bei der dritten); jener war schon längst (nach Lagarde am 9. Dec.

1) Lagarde citiert sie nach Muralt, dieser aber schreibt nur Tischendorfs ,,Notitia editionis codicis bibliorum Sinaitici" (Lips. 1860), S. 56 aus.

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2) Sie wird auch in beiden Katalogen übereinstimmend auf 13:10, russ. engl. Zoll (33:26 cm) angegeben.

3) Lagarde beruft sich für seine Angabe, daß Tischendorf die Petersburger Hs. 1857 nach Petersburg geliefert habe, auf Muralts Vorwort, aus dem jedoch ebenso, wie aus Tischendorfs eigener Angabe (Notitia S. 47), das Gegenteil folgt.

4) Demgemäß giebt Tischendorf die erste Beschreibung der Londoner Hs. 1854 in seinem Aufsatz „Neuentdeckte Bibelhandschriften vom höchsten Alter

1854) verkauft, als er diesen erhielt. Man kann also Tischendorf aus der Trennung der beiden Teile keinen Vorwurf machen, wie Lagarde zu thun geneigt ist; es verstand sich von selbst, daß die Schätze, welche Tischendorf auf seiner dritten, bekanntlich im Auftrage und auf Kosten der russischen Regierung unternommenen Reise erbeutete, nach Petersburg wandern mußten.

Mit diesen beiden Teilen, die in schöner alter Minuskel geschrieben sind, gehört aber noch eine dritte Handschrift zusammen, die Tischendorf ebenfalls 1853 aus dem Orient mitgebracht und im Frühjahr 18551), also wahrscheinlich bei der Ferienreise nach England, die er damals unternahm, und bei der er auch Oxford besuchte 2), für den sehr anständigen Preis von £ 1083) an die Bodleiana verkauft hat. Es ist das die Gen. 1-42 18 enthaltende Uncial handschrift Bodl. Auct. T. infra II. 1 oder Greek Misc. 312), die Tischendorf selbst 1857 im 2. Bd. der „Monumenta sacra inedita. Nova collectio" nach einer vor dem Verkauf genommenen Abschrift herausgegeben hat. Lagarde hatte schon längst ihre Zusammengehörigkeit mit den beiden andern Hss. vermutet und daher 1882 in seiner „Ankündigung einer neuen Ausgabe der griech. Uebers. des A. T." S. 27 die Londoner Hs. mit derselben Sigel E bezeichnet, welche die Oxforder Hs. seit seiner Genesis graece" trug. Aber in den Septuaginta - Studien hat er diese Vermutung wieder fallen lassen, freilich nicht ohne zugleich darauf aufmerksam zu machen, daß auch die Blattgröße der Oxforder Hs. sich genau mit der der beiden anderen deckt 5). Wie

thume" in der „Deutschen Ztschr. f. christl. Wissensch. u. christl. Leben“, Jahrg. 5, S. 165 (etwas erweitert 1855 in den „Anecdota sacra et profana“ S. 7), die erste Beschreibung der Petersburger Hs. dagegen 1860 in dem „Catalogus codicum nuper ex oriente Petropolin perlatorum", den er der „Notitia editionis codicis bibliorum Sinaitici" angehängt hat.

1) Macray, Annals of the Bodleian Library, S. 282 giebt das Jahr an. Daß der Verkauf im Frühjahr stattfand, folgt aus Tischendorfs Anecdota sacra et profana", deren Widmung an Alexander v. Humboldt „diebus festis Pentecostes anni salutis 1855" unterzeichnet ist, denn im Index dieses Buches heißt es von unserm Codex: „Nuperrime . . . Bodleianus factus“.

2) Vgl. Tischendorfs Aufsatz „Neue dokumentliche Schriftforschungen" in der „Deutschen Ztschr. f. christl. Wissensch. u. christl. Leben“, 7. Jahrg. (Berlin 1856), S. 9.

3) Macray a. a. O., S. 283.

4) Beschreibung in Palaeographical Society, Series II, plate 26.

5) In Palaeogr. Soc. wird 13: 10%, Zoll angegeben; die kleine Differenz in der Breite (um 6', mm) wird, da nach Lagarde die Blätter sich „auf das Haar" decken, aus Abrundung der Angaben zu erklären sein.

Lagarde auf seine Vermutung gekommen ist, erfahren wir nicht; wahrscheinlich durch die Beobachtung, daß auch der Text der Oxforder und der Petersburger Hs., wenn man nur den Ausfall eines Blattes annahm, gut an einander anschlossen. Ist dem so, so war er ganz auf der richtigen Fährte. Das fehlende Blatt hat sich 1891') unter dem nach Cambridge verkauften Nachlaß Tischendorfs gefunden. Der glückliche Entdecker desselben, Swete, der über seinen Fund in der Academy vom 6. Juni 1891, S. 538 berichtete, hat sofort constatiert, daß es nicht nur in der äußeren Form mit der Oxforder Hs. übereinstimmt, sondern auch im Texte mit seiner vorderen, noch in Uncialen geschriebenen Seite genau an diese anschließt. Entgangen ist ihm, daß die Rückseite, auf welcher der Text ohne Unterbrechung in Minuskeln fortgeführt wird, ebenso genau an die Petersburger Hs. anschließt, und daß diese samt der Londoner eben die Fortsetzung, nach der er sucht, in einem weit über das geahnte Maß) hinausgehenden Umfange bieten.

Uebrigens hat alles, was hiermit festgestellt ist, schon Tischendorf selbst in seiner Septuaginta-Ausgabe gesagt, freilich so, daß es sehr leicht übersehen werden konnte. In ihr heißt es nämlich seit 1869 (ed. IV) in dem Verzeichnis neu hinzugekommener LXX-Hss. in § XXIV der Prolegomena:

Sextus est codex Oxoniensis cum maxima parte libri Genesis, saec. noni medii“

und nachher:

"

Vicesimus primus est altera pars codicis sexti, quem quae proxime sequuntur, Gen. 42, 18-30, eisdem litteris uncialibus scripta sunt, reliquis eodem saec. nono eademque manu scriptura minuscula additis. Sunt autem praeter extrema Genesis capita reliquae Pentateuchi partes, libri Iosuae, Iudicum, Ruth et Regum libri tres"

und am Schluß des Paragraphen :

Primum folium, quod codicem VI. excipere diximus, propterea unicum est quod altera pagina uncialem, altera mi

1) Der Bogen der Septuaginta-Studien, welcher Lagardes Ausführungen enthält, ist 9. 7. 1890 abgezogen.

2) Swete glaubt, die Oxforder Hs. habe ursprünglich nur die Genesis enthalten, und sucht daher nur "the remaining five or six leaves". Er hat sich hier verleiten lassen von Tischendorf, der auch später noch, als er den wirklichen Thatbestand kannte, von der Hs. sonderbarer Weise als von einer Genesis hs. redet. Daß sie ursprünglich mehr enthielt, konnte man übrigens schon nach ihrem großen Format vermuten.

nusculam scripturam habet. Minusculae vero nescio an exemplum omnium sit antiquissimum; vix enim dubitari potest quin medio saeculo nono adscribendum sit. Meae est bibliothecae. Reliqua folia partim (libri Iudicum et Ruth) ad Museum Britannicum transiere, partim ad bibliothecam Caesar. Petropolitanam. Totus codex formas Alexandrinas, ut nuvη, ¿§oλɛđọεvỡɛís, . . . . . fideliter conservavit. Textum vero praebet inprimis notabilem ac paene singularem". (Folgen Beispiele aus den ersten 27 Versen des Buchs der Richter.)

Fassen wir nunmehr die wieder geeinte Hs., die sich also aus folgenden Stücken zusammensetzt:

1) Gen. 1-42 18 εinεv de av in Oxford (darin fehlen Gen. 1471824. 2014-2454),

2) Gen. 42 18 τοις τη ημέρα

bridge,

43 14 του ενα xαι in Cam

3) Gen. 43 14 τον βενιαμείν - Jos. 24 26 in Petersburg (darin fehlen Gen. 4612-47 23. Exod. 127-138),

4) Jos. 24 27 Ruth in London,

5) Regn. a7 16 28 (nach Swetes Zählung 16 28 a) τov ovμ

πλοκων in Petersburg,

etwas näher ins Auge, so zeigt sich zunächst, daß sie ursprünglich einen beträchtlichen Umfang hatte, ja vielleicht das ganze A. T. oder gar die ganze Bibel enthielt. Der uns erhaltene Teil besteht jetzt aus 192 Blättern, nämlich 29 in Oxford, 1 in Cambridge, 16 in London und 146 in Petersburg, aber es fehlen gegen Anfang der Hs. einige Blätter, deren Zahl sich aus dem Umfange des fehlenden Textes leicht berechnen läßt. Der erste Defect des Oxforder Teils (Gen. 1471824) entspricht, wenn wir der Berechnung den Text Swetes zu Grunde legen, ein Verfahren, das trotz der Verschiedenheiten beider Texte für unsern Zweck genau genug ist, 205, der zweite (Gen. 2014-2454) 270 Swete'schen Zeilen, dazwischen sind zwei Blätter mit 134 Zeilen erhalten; also fehlen 3 und 4 Blätter. In dem Petersburger Teile fehlt Gen. 4612 47 23 97-100 Zeilen und Exod. 127-138 = 106 461247 -109 Zeilen, d. h. je ein Blatt; der Inhalt eines Blattes ist hier in der Minuskel naturgemäß größer, als dort in der Unciale; schon die in Minuskeln geschriebene Rückseite des Cambridger Blattes entspricht 481⁄2 Zeilen Swetes, was, auf das Blatt berechnet, 97 Zeilen ergiebt, und später nimmt der Umfang noch zu, sodaß sich für die Londoner Blätter der Durchschnittsumfang auf 108-109 Zeilen stellt. Mithin fehlen im ganzen 9 Blätter,

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und der uns erhaltene Teil zählte ursprünglich 192+9 = 201 Blätter.

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Fragen wir sodann nach der Lagen bildung, so lautet die Antwort zunächst bezüglich des Oxforder Teils: Quire-formation lost; all the leaves being separate" (Palaeogr. Soc. II 26). Aber trotzdem können wir sie mit Sicherheit ermitteln. In Oxford sind nämlich, wie aus Tischendorfs Ausgabe hervorgeht, zunächst 8 Blätter vorhanden, dann fehlen nach unserer Berechnung 3, dann sind wieder 2 vorhanden, und es fehlen wiederum 4. Das heißt die Lagen waren Quaternionen, die 1. Lage ist vollständig erhalten, von der 2. dagegen nur das innerste Doppelblatt, während die drei äußeren Doppelblätter samt dem ersten Blatt der 3. Lage verloren gegangen sind. Dies, übrigens an sich schon sehr wahrscheinliche Resultat wird bestätigt durch die Liniierung des Oxforder Teils, die ebenfalls aus Tischendorfs Ausgabe zu ersehen ist. Inwiefern die Liniierung von Belang ist, lehrt Gardthausen, Griech. Palaeogr. S. 68: „Um den Linien eine gleichmäßige Entfernung von einander zu geben, war es natürlich nothwendig, dieselbe mit dem Zirkel, diaßárns, abzumessen, dessen Spitze die betreffende Stelle, nicht nur [für] Ein Blatt, sondern für den ganzen Quaternio bezeichnete"; man muß also für die einzelnen Quaternionen wenigstens eine ungefähre Gleichmäßigkeit erwarten. Nun ist in unserm Falle bei der Annahme von Quaternionen die Zahl der beschriebenen Zeilen in

Lage 1, Doppelbl.1) 1 (f. 1. 8): 40, aber f. 8 nur 39

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Es ergeben sich also folgende Normalzahlen: Lage 1: 40, (2: 37,)

1) Nach Doppelblättern muß man rechnen, weil die Linien über die ganze Breite des Doppelblattes auf einmal gezogen wurden.

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