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Herzogs als der übrigen Prinzen des Hauses; gleichwohl gab es in jener Zeit kein anderes Mittel, die nachgeborenen Söhne der Fürsten anständig und sicher zu versorgen, als die Dotirung mit einzelnen Provinzen. Als der einzige Stammhalter und Ahnherr aller nachfolgenden Přemysliden gab nun Břetislaw das pragmatische Gesetz, dass Böhmen fortan ungetheilt bleibe und stets nur einem Herzoge gehorche, dass unter seinen Söhnen und deren Nachkommen jedesmal der älteste an Jahren auf dem Throne nachfolge, dass die übrigen Prinzen des Hauses von dem Grossherzoge mit Antheilen in Mähren bedacht werden, ihm dagegen als ihrem Herrn jedesmal gehorsam sein und nichts von ihren Besitzungen ohne seine Einwilligung veräussern sollen. Diesem zufolge berief er den ältesten Sohn Spitihniew als seinen unmittelbaren Nachfolger schon jetzt nach Böhmen zurück und überliess ihm indessen zu seinem Unterhalt die Einkünfte der Saazer Provinz. Den übrigen Söhnen Wratislaw, Conrad und Otto räumte er unter dem Titel,,Herzoge von Mähren", jenem Olmütz und diesen Znaim und Brünn ein. Jaromir wurde dem geistlichen Stande gewidmet und ihm die Nachfolge im Prager Bisthume zugesichert. Břetislaw liess diese Anordnungen vom Reichstage gutheissen und auch einzeln von jedem dabei Anwesenden beschwören.' Soweit Palacky, dessen Ausführungen hier wortgetreu angeführt werden mussten, weil sie von den späteren Historikern zum Theil ohne weitere Prüfung hin acceptirt wurden. Denselben entsprechend hat er dieses angebliche Gesetz eine Verfügung genannt, welche anderthalb Jahrhunderte lang das Grundgesetz der Monarchie bilden sollte'; wiederholt spricht er von einer Verletzung des Grundgesetzes etc. Dass sich mit diesem angeblichen Břetislaw'schen Gesetz das Wahlrecht der Grossen nicht gut verträgt, hat Palacky genau erkannt. Darum sagt er: Der jedesmalige Aelteste darin sollte zugleich des Hauses und des Reichs Regierer, ihm aber sollten die übrigen Fürsten alle, sowie das Volk unterthan und gehorsam sein. Daher waren die alten sogenannten Volkswahlen nach dem Sinne des Gesetzes nichts als die öffentliche feierliche Anerkennung des Nachfolgerechtes des jedesmaligen ältesten Přemysliden, seine Einsetzung auf den alten Fürstenstuhl in Prag und die ihm.

1 Geschichte von Böhmen 2. 1. 14.

dabei vom Volke geleistete Huldigung. Nachdem aber jenes Gesetz zunächst durch die Schuld der Fürsten selbst umgangen wurde, bekamen freilich auch die Herzogswahlen eine andere Bedeutung.'

Dudík in seiner allgemeinen Geschichte Mährens steht ganz auf den Schultern Palacky's. Ganz wie dieser und früher sogar Dobner spricht auch Dudik von diesem Gesetze als von einer pragmatischen Sanction. Er spricht von dem grossen Fürstentage zu Tribur im November 1053 und sagt:,Wir glauben, an diesen Reichstag auch noch ein anderes wichtiges Factum knüpfen zu können: die Vorberathung für die böhmischmährische Thronfolgeordnung. Nachdem sich Dudík bezüglich des angeblichen Inhaltes derselben genau an Palacky angeschlossen, fährt er dann fort:,Durch diese Einrichtung wollte Břetislaw den schädlichen Bevormundungen und Regentschaften begegnen und allen Přemysliden bei gleichen Rechten auch gleiche Pflichten, den Thron ungeschwächt zu erhalten, auferlegen, weshalb er weiter die Bestimmung zu treffen beabsichtigte, dass wenn auch den Gliedern des gesammten Hauses zur Apanagirung eigene Landestheile in Böhmen oder in Mähren angewiesen werden sollten, sie doch ohne Zustimmung ihres Hauptes, also des Regenten, von diesem Besitze weder etwas verkaufen noch verschenken dürfen. Dadurch glaubte er die Einheit des Reiches zu bewahren. Dudik sucht dann weiter durchzuführen, dass Břetislaw diese Angelegenheit am Kaiserhofe berathen liess, bevor er sie seinem Lande zur Schlussfassung vorlegte, ja dass er eben dieser Angelegenheit wegen sich mit Polen in Unterhandlungen setzte'.

,Erst nachdem Břetislaw zu dem beabsichtigten wichtigen Staatsacte der Zustimmung des Kaisers und Casimirs sicher war, mochte er an die Festsetzung und Publicirung desselben im eigenen Lande denken. Aber ehe er noch die hiezu nöthigen Anstalten traf, erkrankte er etc. Sein Erbfolgegesetz, die erste uns bekannte pragmatische Sanction zwischen unseren Regenten und dem Volke, diese ,,iustitia Bohemorum", wie Cos

1 Mährens allgemeine Geschichte 2. 259.

2 Man sieht, dass Dudík an dieser Stelle nicht unbedeutend von der Dar stellung Palacky's abweicht, der die jüngeren Fürsten nur in Mähren versorgt werden lässt.

mas das erwähnte Fundamentalgesetz bezeichnet, können wir freilich nicht unbedingt loben. Dasselbe sei, fährt Dudík fort, die Ursache vieler Bruderkriege gewesen, andererseits habe Mähren diesem Pragmaticalgesetze seine Selbständigkeit zu danken gehabt.

In freierer Weise kann man wohl nicht mit dem Texte des Cosmas verfahren, als dies durch Dudík geschieht. Jireček hat sich in seinem Recht in Böhmen und Mähren über die Successionsverhältnisse in diesen Ländern mehrfach und nicht ganz gleichmässig geäussert. Auch er nimmt an, dass das Jahr 1055 in diesen Verhältnissen einen Wendepunkt bezeichnet, denn während früher ,nicht immer auf den Vater der Sohn, sondern in der Regel derjenige folgte, welchen der herrschende Fürst noch bei seinen Lebzeiten als den fähigsten zur Nachfolge bestimmt hatte, wurde seit der Verfügung 2 des Břetislaw immer der Aelteste des Geschlechtes auf den Fürstenstuhl berufen'. In analoger Weise drückt sich Jireček noch an einer anderen Stelle aus. 3 Einer richtigeren Auffassung aber freilich nur für die späteren Zeiten begegnen wir an einer dritten Stelle, wo 4 es heisst:,Drei Momente waren bei der Bestellung des Thronfolgers in Böhmen erforderlich: der Wille des regierenden Fürsten, die Zustimmung des Landes und die Bestätigung durch den römischen Kaiser."

Gegen diese seit Dobner herrschende Ansicht von der pragmatischen Sanction hat jüngstens Koutný 5 einige nicht unerhebliche Einwendungen gemacht. Er suchte nachzuweisen, dass die Thronfolgeordnung Břetislaw's nicht reichstägig festgesetzt und daher auch kein Staatsgesetz geworden ist. Die Böhmen hatten sich nach der damaligen Rechtsanschauung und ihren damaligen Begriffen von der höchsten Gewalt im Staate zur Einhaltung derselben nicht verpflichtet. Wenn Břetislaw so gesprochen habe, wie Cosmas berichtet, so habe er selbst die Ueberzeugung gehabt, dass er nicht schlechthin verordnen könne, dass vielmehr die Promotion (oder Election) durch die Primaten die Hauptsache bei der Succession gewesen und dem entsprechend schon Spitihniew gewählt worden sei, und zwar folgte dieser seinem Vater nicht kraft seines Erbrechtes, sondern

1 Ib. 2. 270. 2 1. 67. 3 2. 43. 4 Ib. 49. 5 Der Přemysliden Thronkämpfe und Genesis der Markgrafschaft Mähren, Wien 1877.

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weil man ihn wählte. Koutný legt demnach das Hauptgewicht auf das Wahlrecht der böhmischen Grossen, oder vielmehr das einzige Gewicht, indem er alle anderen in Betracht kommenden Momente kaum beachtet.

Koutný gegenüber hat Bachmann2 noch die ältere Auffassung vertheidigt, und in einem gewissen Sinne nimmt ja auch schon Jireček einen correcteren Standpunkt ein als Koutný. ,Doch auch zugegeben,' sagt Bachmann, ,es habe wirklich Herzog Břetislaw erst unmittelbar vor seinem Tode und in der von Cosmas erzählten Weise die Nachfolge geordnet, so wird man doch nicht behaupten dürfen, dass die getroffene Anordnung, als nicht,,reichstägig" festgestellt, auch nicht verbindend gewesen sei, und dass die Böhmen sich durch sie nicht weiter verpflichtet fühlten. Koutný verkenne eben die damalige Stellung der böhmischen Grossen zu ihrem Herzoge, andererseits auch das Mass ihres Einflusses auf die Thronfolge. Seitdem mit dem Hause der alten Slavnike zur Zeit des zweiten Boleslaw die letzte der alten Häuptlingsfamilien gefallen, deren gesammter Besitz confiscirt und mit dem Herzogsgute, zu welchem sicherlich in Böhmen auch alles wüste Land gehörte, zu einem reichen Kronvermögen vereinigt war, gewann das durch die äusseren politischen Verhältnisse zu hohem Ansehen gediehene Přemyslidenhaus auch eine neue materielle Grundlage. Dem Herzoge gegenüber, dem die Župane dienten mit dem zahlreichen auf dem Herzogsgute sitzenden Gefolge, wurde der verarmende alte Adel immer ohnmächtiger. Seitdem jene in den Landtag eintraten, wurde auch dieser den herzoglichen Wünschen gegenüber willenlos. 3 Man versammelte sich kaum zu anderem Zwecke, als um die herzoglichen Verordnungen hinterher gutzuheissen. So war die herzogliche Gewalt thatsächlich nach innen unbeschränkt: einen Einfluss auf die Nachfolge hatten die Grossen nachweisbar nicht. 4

1 Ib. 10 ff.

2 In einer Recension des Buches Koutný's in der Zeitschr. für die österr. Gymnasien, 29. Bd., 840-847.

3 Man wird dagegen an die unvergleichliche Stellung der Wrschowetze erinnern können, aber auch sonst sind immer noch einige Familien nachweisbar, die in hohem Ansehen und wohl auch in grosser Macht stehen. Vgl. unten II. Abschnitt, 3. Capitel: Ueber die Theilnahme der Grossen an der Wahl.

Cosmas sagt einfach successit. Wenn es aber bei Cosmas heisse, bei der Niedermetzelung der Slavnikinger sei der Herzog von den Grossen geleitet worden, so habe schon M. Büdinger nachgewiesen, dass das hier nichts besage. Der Fürst, den Cosmas dux excellentissimus etc. nenne, der pius Boleslaus konnte doch nicht selbst Urheber einer solchen Frevelthat sein.'

Bachmann erörtert darauf einige specielle Fälle, aus denen er die tiefere Stellung des Adels bis auf Břetislaw folgert, dann freilich hätten sich die Verhältnisse geändert.

Koutný verkenne aber ebensosehr den Antheil der Grossen bei dem Acte der Nachfolge und Thronbesteigung selbst. Von einer Wahl in seinem Sinne könne keine Rede sein. Schon die Ausdrücke und Redensarten, die der Chronist dafür braucht, zeigen das; da finden sich wohl electio oder eligere, aber es heisst daneben auch electio sive promotio; es findet sich ferner die Theilnahme der Grossen in Ausdrücken wie omnibus Boemis faventibus oder ducem inthronizarunt umschrieben, ja durch ein einfaches successit ganz ausser Acht gelassen.

Dass man aber an alles Andere eher als an eine wirkliche Wahl mit Stimmenabgabe etc. zu denken habe, zeige des Cosmas Erzählung von der Břetislaw'schen Thronbesteigung. Es bedeutet, führt Bachmann weiter aus, die electio oder promotio nichts weiter als die unter der Zustimmung des huldigenden Volkes unter bestimmten, uns nicht völlig bekannten Normen stattfindende Thronbesteigung. Das Recht der Thronfolge ist davon gar nicht berührt. Nur so sei es erklärlich, dass noch in der berühmten Fridericiana vom 26. September 1212, also zu einer Zeit, wo das Erbkönigthum in Böhmen gesichert war und der König Přemysl Ottokar eher alles Andere als das Wahlrecht seiner Grossen sich vom Kaiser bestätigen lassen konnte, sich freilich nur nebenher der Ausdruk eligere für die Nachfolge findet. Bei den Böhmen, wie bei allen Völkern slavischer Zunge war die Senioratserbfolge durchaus nicht unverbrüchliche Regel. Wenn nun Cosmas sage: Iustitia enim erat Boemorum, ut semper inter principes eorum maior natu solio potiretur in principatu, so setze dies doch eine besondere Anordnung in giltiger Form (iustitia) voraus, die doch nur

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1 Ueber die Bedeutung von iustitia vgl. unten II. Abschnitt, §. 3.

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