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anderseits durch die geschiedene Kaiserin Josefine und deren Tochter Hortense. Nun ist es aber niemand Anderer als Metternich selbst, der die Erzählung Helfert's umstürzt und geradezu Napoleon in eigener Person als Brautwerber auftreten lässt. Im Gegensatze zu diesen beiden Darstellungen macht ein ungedrucktes Mémoire eines ungenannten französischen Diplomaten den Grafen Metternich zum ersten Urheber des Gedankens einer Vermählung Napoleons mit Marie Louise. Wenn Helfert seine oben kurz skizzirte Darstellung auf Grundlage der zwischen Metternich und dem damaligen Botschafter in Paris, Fürsten Schwarzenberg, gewechselten Actenstücke aufbaute, derselben Actenstücke, wie sie jetzt in den Nachgelassenen Papieren Metternich's' gedruckt vorliegen, so muss es geradezu ver blüffend wirken, dass Metternich von all' den erwähnten Umständen in seiner Autobiographie nichts zu erzählen weiss. Er scheint sie bei Abfassung der letztern nicht mehr zu kennen, denn er gibt einen ganz andern Hergang zum Besten, für dessen Authenticität er den vollsten Glauben beansprucht. Er schliesst seine Erzählung, in der Napoleon auf einem Balle beim Erzkanzler Cambacérès als Maske auftritt, die Gemahlin Metternich's in ein die Flucht der Gemächer abschliessendes Cabinet zicht und sie beauftragt, ihrem in Wien weilenden Manne wegen der Erzherzogin zu schreiben, mit den schwerwiegenden Worten: Das ist die Wahrheit in Betreff der Heirat Napoleons mit der Erzherzogin Marie Louise."2

Die Darstellung Metternich's ist unstreitig äusserst wirksam, leidet aber nur an dem wesentlichen Gebrechen, dass sie vom Anfang bis zu Ende unwahr ist, unwahr schon deshalb, weil nach Berichten von Zeitgenossen Napoleon auf dem Ball des Erzkanzlers gar nicht zugegen war, und weil sie mit Allem, was wir aus den gleichzeitigen Schriften Metternich's selbst wissen, im schreiendsten Widerspruche steht.3

Ganz anders, vollkommen abweichend von Helfert und Metternich, stellt nun unsere ungedruckte Quelle den Verlauf der Angelegenheit dar. Sie wirft ein interessantes Streiflicht auf

1 Metternich's Nachgelassene Papiere II, p. 317–330.

2 Metternich's Nachgelassene Papiere I, p. 100.

3 Siehe den vortrefflichen Aufsatz Paul Bailleu's: Die Memoiren Metternich's in Histor. Zeitschrift, Neue Folge VIII, p. 253 ff.

4 Archives du ministère d. aff. étr.

die, wir möchten sagen, Ouverture zu dieser vielbesprochenen Heiratsgeschichte, indem sie niemand Anderem als Metternich selbst die erste Anregung zur Vermählung Napoleons mit Marie Louise in den Mund legt. Es wäre freilich zur vollen Würdigung der betreffenden Quelle nothwendig, den Verfasser zu kennen. Das Schriftstück befindet sich nämlich unter den Depeschen aus Wien vom Jahre 1809, trägt die gleiche Jahreszahl, aber keine Unterzeichnung. Wer immer jedoch der Verfasser sei, der Inhalt des Documentes spricht dafür, dass sein Autor eine hervorragende Persönlichkeit war, deren Stimme eine gewisse Beachtung verdient. Man höre nur folgende Bemerkungen, die er seinem Mémoire als Einleitung voranschickt. Er meint vor Allem, dass Kaiser Franz im Jahre 1809 bei seiner Rückkehr nach Wien nicht so freudig empfangen wurde wie im Jahre 1805. Die Gesinnung des Ministeriums verheisst ihm einen langen Frieden. Man kann' sagt er ,die Mittel und die Pläne dieses Landes nach der Meinung von zwölf bis fünfzehn ersten Familien beurtheilen. Die Aristokratie ist es, die unter einem schwachen Fürsten regiert, besonders in Oesterreich, wo die Minister stets aus den vornehmsten Familien, nie

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Lanfrey, der das Mémoire sah, es aber nicht weiter als zur Abfassung einer Anmerkung benützte, meint in seiner Histoire de Napoléon I.', Bd. V, p. 196, dass der frühere Gouverneur von Triest, Graf Narbonne, der damals über Wien nach München als Gesandter ging, der Autor sei. Lefebvre, Histoire des cabinets, Bd. V, p. 13, nimmt auch, desgleichen ohne jede Beweisführung, Narbonne als Verfasser an. Es lässt sich jedoch darthun, dass Narbonne unmöglich dieses Mémoire verfasst haben kann. Wie aus dem Inhalte hervorgeht, gehört das Actenstück noch in die Zeit vor der Scheidung, also in das Jahr 1809. Narbonne kam aber erst Anfangs 1810 nach Wien. Ferner hatte Narbonne eine Audienz bei Kaiser Franz, während der anonyme Verfasser unseres Mémoire ausdrücklich sagt, dass er es ablehnte, bei der Audienz zu erscheinen, weil ihn keine accreditirte Person bei Hof vorstellen konnte. Der neue Gesandte, Graf Otto, war aber noch nicht in Wien. Die betreffende Stelle im Mémoire lautet: Mr. de Metternich m'avoit dit que l'empereur me verroit avec plaisir; mais je n'ai pas cru devoir m'y présenter, ne pouvant y être conduit par aucune personne accréditée. Der Verfasser kann nur, wie aus einer anderen Stelle des Mémoire hervorgeht, ein intimer Freund des Fürsten Schwarzenberg gewesen sein. Metternich sagt nämlich zu unserem Anonymus: qu'il m'établissait pour ainsi le mentor du prince de Swarzemberg, avec lequel il sait que j'ai d'anciennes relations'. Es würde zu weit gehen, eine Vermuthung aussprechen zu wollen, wer dieser Freund des Fürsten gewesen sein könne.

mals aber wie in Frankreich aus den hohen Gerichtskreisen (de la haute robe) und der Finanzwelt entnommen werden. ,Alles, was einigen Einfluss in den österreichischen Staaten hat,' so betheuert er, ,denkt an nichts Anderes, als die Verluste auszugleichen und neues Unglück zu vermeiden. Die regierende Familie befindet sich in einem Zustande vollkommenen Misscredits. Der Charakter des Kaisers hat sich in seiner ganzen Schwäche gezeigt, und an seiner Seite befindet sich keine einzige hervorragende oder geschickte Persönlichkeit, die seinem Throne in der öffentlichen Meinung Ansehen verschaffen könnte.

Diese Bemerkungen genügen, um zu zeigen, dass der ungenannte Verfasser ein Mann war, der zu beobachten verstand.

Er kam soeben von einer Reise aus Ungarn zurück, wo er mit den angesehensten Magnaten Verkehr hatte, und war im Begriffe, Wien zu verlassen, als ihm Metternich sagen liess, er wünschte sehr, ihn noch in Wien zu treffen. Dies veranlasste ihn denn, seine Abreise um einige Tage zu verzögern. Er hatte nach der Ankunft Metternich's eine lange Unterredung mit ihm, in welcher der österreichische Minister aufs Lebhafteste seine Friedensliebe betheuerte, in Folge dessen der französische Staatsmann entgegnete: Ich glaube es wohl, dass Sie die Lust dazu haben, aber sind Sie auch von der Möglichkeit überzeugt? Sind Sie genug fest im Ministerium? Werden Sie nicht in dem veränderlichen, misstrauischen Charakter des Kaisers und in den Intriguen einiger durch England besoldeter Subalternen Hindernisse finden? Metternich: Ich bin vom Gegentheil überzeugt, ich sehe keinen Ansatz zur Opposition, die ich zu fürchten hätte. Der Kaiser ist für lange Zeiten durch das Unglück seiner Völker niedergeschlagen. Er kennt mein beständiges Verlangen nach Frieden, das in mir sich nur änderte, als ich mit Gewalt in eine andere Richtung gedrängt wurde. Ich habe Grund zu glauben, dass das Friedenssystem mich im Ministerium erhalten werde, und dass mein Ministerium wieder den Frieden sichere. Es ist nur nothwendig, dass ich von Frankreich keine unüberwindlichen Hindernisse zu gewärtigen habe."

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Qui n'a varié en moi que lorsque j'ai été forcement entrainé dans une

autre route.

Mitten im Gespräche kam dann Metternich auf die Mittel, welche geeignet wären, die Harmonie und Freundschaft zwischen Oesterreich und Frankreich zu fördern; wie von ungefähr liess er in die Conversation das Wort ,Familienallianz' gleiten, bis er nach vielen Umschreibungen und diplomatischen Umgehungen, seinen Gedanken folgend, sich etwas klarer ausdrückte:,Glauben Sie, dass der Kaiser jemals die wirkliche Absicht hatte, sich von der Kaiserin trennen zu lassen? Der französische Diplomat, dem diese Frage ganz unerwartet kam, und der dachte, dass Metternich unter Familienallianz nur eine Verbindung Napoleons mit einer Prinzessin aus seiner eigenen Verwandtschaft gemeint habe, antwortete in allgemeinen Phrasen, um nach diplomatischer Art den österreichischen Minister zu weiteren Eröffnungen zu veranlassen. Metternich kam in der That auf seine erste Frage zurück und sprach diesmal ganz offen von der Möglichkeit einer Heirat Napoleons mit einer Prinzessin aus dem Hause Oesterreich. Diese Idee' sagte Metternich ,ist mein Eigen; ich habe in dieser Beziehung die Intentionen des Kaisers nicht sondirt, aber abgesehen davon, dass ich dessen wie gewiss bin, dass dieselben günstig sein werden, würde ein solches Ereigniss sich der vollen Zustimmung aller Jener erfreuen, die irgend ein Besitzthum, einen Namen, eine Existenz in diesem Lande haben, so dass ich darüber keinen Zweifel hegen kann. Ich würde dieses Ereigniss als ein wahres Glück für uns und als einen Ruhm für die Zeit meines Ministeriums betrachten.'1

Hiernach wäre also Metternich derjenige gewesen, welcher in so positiver Form zuerst den Gedanken der Heirat angeregt hätte. Es liegen auch innere Gründe vor, welche annehmen lassen, dass Metternich, der seit den Friedensverhandlungen von Altenburg keinen sehnlicheren Wunsch nährte, als der Nachfolger Stadion's zu werden, 2 in der Verbindung mit Napoleon das sicherste Mittel sah, sein Emporkommen und seinen Einfluss zu sichern. In einem unbewachten Momente, wo er sich vielleicht mehr gehen liess, als einem Staatsmanne

1 Lefebvre V, p. 13 führt nur die Stelle: Diese Idee ist mein Eigen' etc. an. Ich glaubte jedoch das ganze Gespräch mit allen seinen Details mittheilen zu sollen, weil es so allein geeignet ist, den unmittelbaren Eindruck des Wahren zu machen.

2 Ich werde dies an anderer Stelle des Näheren ausführen.

zukommt, mochte er sich zu diesem vertraulichen Ergusse gegenüber dem französischen Diplomaten hinreissen lassen und so seine innersten Gedanken verrathen. Auch steht diese dritte Variante der Heiratsgeschichte vielleicht nicht so ganz im Widerspruche mit der Darstellung Helfert's, dass sie sich nicht, abgesehen von einigen Differenzen, mit ihr in Einklang bringen liesse. Es ist wohl zu beachten, dass Metternich noch vor stattgefundener Scheidung in dem oben erwähnten Sinne zum französischen Staatsmanne sprach. Napoleon, welcher den Bericht des Diplomaten gesehen und die Gesinnungen Metternich's auf diese Weise kennen gelernt hatte, dürfte vielleicht Laborde nach der Scheidung Auftrag gegeben haben, Metternich weiter auszuholen.

Sollte es denn durchaus in das Bereich der Unmöglichkeit gehören, dass der früher mittheilsamere Metternich jetzt Laborde gegenüber sich mehr Zurückhaltung auferlegte, vielleicht aus Furcht, dass er schon zu weit vorgegangen sei?

Wenn wir nun auch der Ansicht sind, dass Metternich den ersten Schritt in dieser Heiratsgeschichte gethan, so können wir doch nicht läugnen, dass es zu weit gehen hiesse, dies mit apodiktischer Gewissheit behaupten zu wollen. Vielmehr müssen wir gestehen, dass es stets schwer halten wird, jemals volles Licht in diese Angelegenheit zu bringen. Die ganze Lage wird nur noch verwickelter, wenn man neben dem schon bekannten Material die bisher noch unbekannten Berichte Laborde's über seine Gespräche mit Schwarzenberg in den Kreis der Betrachtung zieht. ' Denn wenn Metternich in die Instruction für Schwarzenberg, als derselbe nach Paris ging, die Worte aufnehmen liess: ‚Der kaiserliche Botschafter habe sich, falls jener Antrag nämlich der der Heirat jemals ernstlich zur Sprache käme, darauf zu beschränken, die Befehle seines Monarchen darüber einzuholen, 2 so hat Schwarzenberg, nach den Berichten des Grafen de Laborde zu urtheilen, die Grenzen seiner Vollmacht weit überschritten. Unverhohlen äusserte er sein Bedauern darüber, dass Napoleon eine russische und nicht eine österreichische Prinzessin

1 Arch. nat., A. F. IV, 1675. Es ist nicht angegeben, an wen diese Berichte gerichtet sind; wahrscheinlich an den duc de Bassano.

2 Helfert, Marie Louise, p. 72.

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