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Er wohnte dem Feste bei und hat in einem interessanten Briefe das Auftreten der Kaiserbraut auf dem Balle beschrieben. ,Die Frau Erzherzogin war diesen Abend reizend, schreibt er an den Herzog von Bassano. Sie trug eine weisse Robe von Tull, mit Silber gestickt, welche nicht, wie alle ihre Roben von Goldbrocat, die sie gewöhnlich trägt, die Taille verhüllten. Die blonden Haare, die sie in grosser Fülle besitzt, waren in die Höhe gekämmt und liessen frei ihren Hals und die Schultern sehen. Ihre ungemeine Frische, das Lächeln, der Ausdruck des Gesichtes und die besondere Grazie und Bescheidenheit im Auftreten liessen uns Alle sagen, dass sie gewiss eine der angenehmsten Damen des Hofes sein wird. Es ist auch unstreitig, dass, abgesehen von der Schönheit, es unmöglich sein würde, selbst in der untern Classe eine gesündere Person zu finden, die sich stets des besten Wohlseins erfreut. Niemals sah man an ihr auch nur die geringste Verunstaltung der Haut, und ich bin überzeugt, dass ihre Kinder stark und frisch sein werden wie sie.'

Wenn nun die Franzosen einstimmig das Lob der Erzherzogin singen Graf Otto sagt geradezu: Sanftmuth, Güte, ein tiefes und religiöses Gefühl ihrer Pflichten machen aus ihr ein Muster, das in der ganzen Stadt citirt wird 2 — so darf man wohl fragen, wie verhielt sich Marie Louise selbst, fügte sie sich gutwillig in die ihr beschiedene Rolle, oder fühlte sie sich wirklich als eine der atheniensischen Töchter, die dem Minotaurus geopfert wurden? Man weiss, dass die Ansichten über diesen Punkt sehr von einander abweichen. Es wäre leicht begreiflich, wenn eine junge Dame, die im Hass gegen Napoleon auferzogen worden sein und von dem französischen Kaiser nur die schlimmsten Schilderungen gehört haben mochte, sich nun nicht mit Freude entschliessen konnte, einem solchen Manne ihre Hand zu reichen. Aber bei den österreichischen Prinzessinen kam es niemals auf ihre persönlichen Neigungen an, nicht nach diesen durften sie ihren Gemahl wählen. Von frühester Jugend an lehrte man sie, sich als gefügige Werkzeuge zur Begründung und Aufrechterhaltung der Grösse ihres Hauses zu betrachten; sie wussten recht wohl, dass die Politik,

1 Laborde an Bassano, Wien, 9. März 1810. Arch. nat.

2 Otto an Napoleon, 3. März 1810. Arch. nat.

je nach Massgabe der Umstände, über ihre Hand verfügen werde.' Im Sinne dieser Erziehung wird sich auch Marie Louise schwerlich als ein Opfer angesehen, und in keinem Falle dürfte dies Gefühl, wenn es wirklich bestand, lange vorgehalten haben.2 Aber nicht darauf kommt es uns hier an, ob sich Marie Louise als Opfer betrachtete, oder ob sie gleichgiltig ihrer künftigen Bestimmung entgegensah. Wir wollen vielmehr wissen, in welchem Lichte sich Marie Louise vom ersten Momente an den Franzosen zeigte, ob sie im Verkehr mit ihnen etwas vom Kampfe innerer Empfindungen offenbarte oder sich ihnen nur von der heitern Seite darstellte? Die begeisterten Schilderungen, die die Franzosen von Marie Louise entwarfen, sind wohl der bündigste Beweis dafür, dass Marie Louise sie von Anfang ganz für sich zu gewinnen eifrig bestrebt war. Ueberhaupt trachtete man ihnen diese Heirat nicht als ein Opfer, sondern als die Folge eines freiwilligen Entschlusses der Erzherzogin darzustellen. Am 15. Februar sagte Metternich zu Graf Otto, die Gerüchte von ihrer bevorstehenden Verheiratung seien gewiss schon zu ihren Ohren gedrungen. In Folge dessen habe man sie vor drei Tagen auszuforschen gesucht, und das umsomehr, als der Kaiser sich niemals hätte entschliessen können, seine Tochter zu einer ihr unangenehmen Heirat zu zwingen. Metternich versicherte, dass man die Erzherzogin in den besten Dispositionen gefunden habe; 3 und so äusserte sich auch Hudelist einen Tag später zu dem französischen Gesandten. Durch diese Mittheilung Metternich's erhalten wir denn auch einen Anhaltspunkt für die Bestimmung der Zeit, wann Marie Louise in die Kenntniss der ihr bevorstehenden Erhebung zur Kaiserin von Frankreich gesetzt wurde. Nach Metternich's Worten hätte man sie zum ersten Male am 13. Februar davon unterrichtet.5

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Durch ihr ganzes Verhalten suchte Marie Louise die Aeusserungen Metternich's betreffs ihrer Geneigtheit zur Heirat

'Metternich, Nachgelassene Papiere II, p. 323. Mais nos princesses sont peu habituées à choisir leurs époux d'après les affections du cœur.

2 Dies deutet auch Ménéval an I, p. 223.

3 Graf Otto, 15. Februar 1810.

4 Id., 16. Februar 1810.

5 Somit bestätigt sich die Vermuthung Helfert's p. 109, dass Marie Louise in der ersten Hälfte Februar Kenntniss vom Heiratsprojecte erhielt.

zu rechtfertigen. Beim Dîner befand sich Graf Otto an ihrer Seite, und es entwickelte sich zwischen Beiden ein ganz merkwürdiges Gespräch. Nach Mädchenart suchte die Erzherzogin ihre Neugier über Natur und Wesen des zukünftigen Gemahls durch Fragen zu befriedigen, indem sie zugleich die Absicht aussprach, Alles thun zu wollen, um nur dessen Wohlgefallen und Beifall zn gewinnen. Sie frug zuerst den Gesandten, ob das Musée Napoléon sich nahe genug bei den Tuilerien befinde, da sie dasselbe öfter besuchen und die dort aufgehäuften Schätze studiren wolle. Lebhaft interessirte sie sich dafür, ob Napoleon die Musik liebe, und ob er ihr gestatten werde, einen Lehrer zu nehmen, der sie im Harfenspiel unterrichte, da sie dieses Instrument gnaz besonders liebe. Sie appellirte an die Nachsicht Napoleons, der es ihr wohl nicht übel nehmen werde, dass sie keine Quadrille tanzen könne. Aber ich bin bereit, sagte sie,,mich auch hierin, wenn der Kaiser es wünscht, durch einen Tanzlehrer unterrichten zu lassen.',Glauben Sie,' frug sie plötzlich, dass die „Reisen“ Humboldt's bald vollendet sein werden? Ich habe dies Werk mit vielem Interesse gelesen.' Zum Schlusse versicherte die Erzherzogin den Gesandten, dem es wohl that, dass diese während der ganzen Unterhaltung kein Wort über Pariser Moden und Theater hatte fallen lassen, dass ihre Neigungen sehr einfach seien, dass sie sich nach jeder Art zu leben einrichten könne und nur das Verlangen hege, Napoleons Wünschen zu entsprechen. 2 Indem man dem Gesandten allerlei ähnliche Aeusserungen der Erzherzogin hinterbrachte, die bewiesen, dass sie sich schon ganz als Französin fühle, und dass sie stets ihre Obersthofmeisterin frage, ob sie wohl dem Kaiser Napoleon gefallen werde, glaubte Otto über diese Stimmung der Erzherzogin direct an Napoleon berichten zu müssen. Ich denke nicht, Sire,' schreibt er an ihn ,dass es nothwendig sein dürfte, der Kaiserin Damen ihres

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1 Metternich, Nachgelassene Papiere I, p. 237 schreibt an seine Frau: „Je l'ai fort priée de prendre dès son arrivée un maître de danse, et de ne pas danser avant qu'elle ne le sache bien.'

2 Graf Otto, 7. März 1810. Ministère d. aff. étr.

3 Graf Otto an den Herzog von Bassano, 3. März 1810. In dieser Depesche erzählt Otto dasselbe Factum, wie es sich bei Colau, Marie Louise de Lorraine p. 38, findet, dass nämlich Marie Louise ausgerufen haben soll: ,Wir haben grosse Erfolge in Spanien gehabt.'

Alters zu geben. Sie liebt ihr Interieur, ihre Pflichten, ihre Beschäftigung, und obgleich noch jung, hat sie doch die Art zu denken wie eine sechsundzwanzigjährige Frau. Die Frau Herzogin von Montebello wird für sie die beste Gesellschafterin sein; sie wird in dieser Dame die Gesinnungen finden, die ihre Erziehung sie lieben lehrte. Sie hält viel auf religiöse Uebungen, und eine ihrer ersten Sorgen war, Mme. Lažansky zu fragen, ob der Kaiser Napoleon sie hierin nicht geniren werde. Musik und Zeichnen werden einen grossen Theil ihres Tages ausfüllen; sie wird alle Mittel suchen, um Eurer Majestät zu gefallen und Ihr Vertrauen zu gewinnen; so äusserte sie sich häufig zu den Personen ihrer Umgebung. Ihr Vater, den sie sehr liebt, gibt ihr denselben Rath; noch gestern sagte er ihr: Es ist nothwendig, dass Du Französin wirst, sobald Du den Inn überschritten hast.'1

Man muss aber auch gestehen, dass Napoleon Alles that, um sich seiner Braut im vortheilhaftesten Lichte zu zeigen. Schon während der Unterhandlungen hatte er sich aufs Entgegenkommendste benommen. Die glänzenden Schilderungen, die ihm seine Vertrauten von der Erzherzogin entwarfen, bestimmten ihn umsomehr, in seinen Briefen an sie einen Ton anzuschlagen, der gewiss nicht verfehlen konnte, auf die Phantasie der jungen Fürstin einen günstigen Eindruck hervorzubringen. Indem er ihr ankündigt, dass ihre glänzenden Eigenschaften in ihm das Verlangen erweckt haben, ihr dienen und sie ehren zu können, fragt er sie zugleich, ob er sich schmeicheln. dürfe, dass nicht blos die Pflicht des Gehorsams gegen ihre Eltern sie zur Einwilligung bestimmt habe. Wenn sie nur einige Neigung für ihn hege, versichert er sie, so wolle er dieselbe mit der grössten Sorgfalt pflegen, um an das von ihm ersehnte Ziel, ihr einst gefallen zu können, zu gelangen.2 Ihre Zusage erfüllte ihn mit der wahrsten Freude, und sie solle, wie er sich ausdrückte, sein ganzes Leben verschönern. Er verspricht, sie glücklich zu machen, und bittet sie, aus den Händen Berthier's sein Bild entgegenzunehmen, welches ein Bürge seiner Gesinnungen sein soll, die tief und unveränderlich in sein Herz eingegraben seien. 3

1 Otto an Napoleon, 4. März 1810. Arch. nat.

2 Correspondance de Napoléon I., vol. 20, p. 240.

3 Ibid., p. 256.

Archiv. Bd. LXIV. II. Hälfte.

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Nachdem endlich Berthier um die Hand der Erzherzogin angehalten hatte und alle Förmlichkeiten erfüllt waren, fand am 11. März die Vermählung durch Stellvertretung statt. An diesem Tage wurde der grösste Luxus entfaltet, Alles wetteiferte im Glanze der Kleider und des Schmuckes, die Damen erlagen fast, wie ein Augenzeuge berichtet, unter der Last der Diamanten und Perlen, mit welchen sie sich förmlich bedeckt hatten. Des Abends war die ganze Stadt beleuchtet, in Transparenten erglänzten alle möglichen Inschriften. Ganz besonders bezeichnend lautete die folgende:

,Durch Röcke und Hosen

Vereinigen sich Oesterreicher und Franzosen.' ?

Nun aber nahte der schmerzvollste Moment für Marie Louise. Sie, die ihren Vater abgöttisch verehrte, keinen audern Willen als den seinigen kannte, nur in seiner Nähe sich wohl fühlte, musste ihn jetzt verlassen, in ferne Lande ziehen, um an der Seite eines Mannes zu leben, den sie noch nicht gesehen und über den sie früher nur Böses gehört hatte. Am 13. verliess sie Wien. Schon um acht Uhr Morgens hatte sich der gesammte Hof im Audienzsaal versammelt. Gegen neun Uhr erschien Marie Louise, von ihrer Stiefmutter geführt. Sie machte eine Anstrengung zu sprechen, aber Thränen erstickten ihre Stimme. Die Kaiserin von Oesterreich gab ihr, von den Erzherzogen gefolgt, das Geleite bis zum Wagen, wo sie sich nochmals umarmten. Der Schmerz der Trennung überwältigte die Kaiserin Ludovica; sie war nahe daran in Ohnmacht zu fallen. Zwei Kämmerer mussten sie in ihre Gemächer zurückgeleiten. Marie Louise vergoss Thränen. Unter dem Klange der Glocken und dem Donner der Kanonen fuhr sie durch die Hauptstrassen Wiens. Die Garnison bildete Spalier, und zum ersten Male liess die Militärmusik französische Märsche erklingen. Die Bevölkerung hatte zu Ehren der neuen Kaiserin, die man stets nur die fromme Louise nannte, die Häuser decorirt. Herr Vetter schreibt der junge Eipeldauer über diesen Tag ,das war für viele treue Wiener ein halbeter Trauertag; denn unsre liebenswürdige Kaiserstochter ist von

1 Graf Otto, 12. März 1810. Ministère d. aff. étr.

2 Kisfaludy, Hátrahagyott munkái (Nachgelassene Werke) 4. Bd.,

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3 Die ganze Darstellung beruht auf der Depesche Otto's vom 13. März 1810 Ministère d. aff. étr.

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