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eben so viel Thränen als von Glück- und Segenswünschen begleit worden. Jetzt geb' der Himmel nur, dass s'glücklich z' Paris ankommt, und dass unsre grossen und süssen Hoffnungen bald alle erfüllt werden.' 1

Bis Braunau reiste Marie Louise, gemäss den getroffenen Anordnungen, in österreichischer Begleitung. Erst in Braunau erfolgte die formelle Uebergabe an Frankreich. Indem sie hier Abschied vom österreichischen Gefolge nehmen musste, erlebte sie eine schmerzliche Enttäuschung. Sie sollte da auch, worauf sie nicht gefasst war, von ihrer treuesten Freundin, die sie grossgezogen, der sie Alles vertraute, von der Gräfin Lažansky getrennt werden. Napoleon hatte nämlich zuerst die Erlaubniss gegeben, dass Marie Louise von einer österreichischen Kammerdame begleitet werden dürfe; hernach hatte er jedoch seinen Willen dahin geändert, dass sie eine dame de compagnie mitnehmen könne, die aber nicht in Paris bleiben dürfe. Die Wahl Marie Louisens war auf die Gräfin Lažansky gefallen, die Graf Otto eine sehr bescheidene und sehr schätzenswerthe Dame nennt. Aber plötzlich widerrief Napoleon seine Einwilligung, wir wissen nicht aus welchem Grunde, und wollte nicht gestatten, dass die Gräfin Lažansky die Kaiserin begleite. Sowohl Graf Otto als auch Berthier schreckten zurück vor der sofortigen Ausführung des Befehles ihres Herrn. Graf Otto versetzte sich ganz in die Lage der Kaiserin. Man kann leicht begreifen' schreibt er an Champagny am 19. Februar , dass eine junge Fürstin, die plötzlich mitten in einen fremden Hof hineingeworfen wird, das Bedürfniss fühlt, im ersten Momente ihre Eindrücke einer Person mitzutheilen, deren Treue und Anhänglichkeit sie schon seit Langem kennt.4 Indem Berthier wahrgenommen hatte, dass gerade die Erlaubniss, die Gräfin mitnehmen zu dürfen, am Wiener Hofe, wo man sich glücklich fühlte, Napoleon in Allem zu Gefallen sein zu können, eine grosse Freude erzeugt hatte, glaubte er es im Interesse seines Herrn gelegen, fürs Erste die Ausführung des Gegenbefehles wenigstens zu verzögern. In der That unterrichtete

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Ministère d. aff. étr.
Arch. nat.

1 Briefe des jungen Eipeldauers, 1810, V. Heft, p. 47.
2 Champagny an Otto, 25. Februar 1810.
3 Graf Otto an Napoleon, 4. März 1810.
4 Graf Otto, 19. Februar 1810. Ministère
5 Berthier an Napoleon, 10. März 1810.

d. aff. étr. Arch. nat.

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er erst in Braunau die Gräfin Lažansky von der Nothwendigkeit, ihre Herrin zu verlassen. Berthier fühlte so sehr das Missliche seiner Mission, dass er die zum Empfange ihrer neuen Schwägerin herbeigeeilte Königin von Neapel bat, sie möge es übernehmen, der Kaiserin die unangenehme Nachricht zu überbringen. Die Königin verweigerte die Erfüllung dieser Bitte, und Berthier war genöthigt, selbst, mit der gehörigen Schonung, die Kaiserin vom Entschlusse ihres Gemahls in Kenntniss zu setzen. Im ersten Momente zeigte Marie Louise einige Empfindlichkeit; sofort unterdrückte sie jedoch dieselbe, und eine passive Natur, wie sie war, die keinen Ausbruch der Leidenschaft kannte, sagte sie sogar, sie sei schon über die Güte Napoleons erstaunt gewesen, der gestatten wollte, dass die Gräfin sie begleite; sie fühle es wohl, wie unangenehm es in Frankreich berühren müsste, sie in Gesellschaft einer österreichischen Dame erscheinen zu sehen. Weniger leicht nahm

man in Wien die Rückkehr der Gräfin auf. Alle möglichen Gerüchte cursirten in der Stadt über das, wie man sagte, bedauernswerthe Schicksal der neuen Kaiserin.2 Der Vater des Grafen Metternich, der in Abwesenheit seines in Paris befindlichen Sohnes die Führung der Geschäfte übernommen hatte, blieb bis drei Uhr Morgens in seinem Bureau, um die Berichte der Polizei über die Stimmung der Stadt entgegenzunehmen. Viele Personen wurden wegen ihrer erregten Reden verhaftet." Der Hof war genöthigt, sich ins Mittel zu legen; er liess zur Beruhigung der Gemüther verbreiten, dass die Rückkunft der Gräfin mit Zustimmung des Kaisers Franz erfolgt sei.1

Nachdem diese Trennungsscene ohne heftigere Gemüthsbewegung von Seite der Kaiserin abgelaufen war, verliess sie Braunau und betrat nun in Gesellschaft der Königin von Neapel und Berthier's die Staaten der Alliirten ihres Gemahls. Napoleon, der merkwürdiger Weise trotz seiner übermässigen Geschäftslast noch immer Zeit fand, auch minder wichtigen Dingen seine Aufmerksamkeit zuzuwenden, schrieb seinem Minister ganz genau vor, welche Etiquette beim Empfange seiner neuen Gemahlin in den Staaten der Verbündeten beobachtet

1 Berthier an Napoleon, München, 18. März 1810. Arch. nat.

2 Oberst Romeuf, 27. März 1810. Arch. nat.

3 Graf Otto, 24. März 1810. Ministère d. aff. étr.

4 Oberst Romeuf, 27. März 1810. Arch nat.

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werden müsse. ,Sie werden' lauteten seine Worte an Champagny,ganz besonders meinen Gesandten in München, Stuttgart und Karlsruhe die Reiseroute der Kaiserin bekannt geben und ihnen ausführliche Instructionen über die Etiquette ertheilen, welche während ihrer Reise zu befolgen sein wird. Es ist unnütz, sich an das zu halten, was für mich geschah; indem ich daselbst nur Reisen meiner Angelegenheiten halber machte, so habe ich mich in nichts, was die Etiquette betraf, gemengt; viel zu sehr beschäftigt, habe ich mich durchaus nicht um dieselbe bekümmert. Mit Bezug auf die Kaiserin ist dies etwas Anderes; hier heisst es wohl entscheiden, wie sie empfangen werden soll, ob sie während ihres Aufenthaltes in München und Stuttgart den Königinnen einen Besuch zu machen hat. Meine Absicht ist, dass man mit Rücksicht auf die Kaiserin so vorgehe, wie seinerzeit gegenüber der Kaiserin von Deutschland. 1

Ueberall wurde Marie Louise mit den grössten Huldigungen empfangen. Ihr Benehmen in all' diesen Situationen erregte immer das Gefallen und den Beifall Berthier's. Ganz besonders aber entzückte es ihn, dass sie während der ganzen Reise nur von Napoleon und von der Sehnsucht sprach, sich ihm so bald als möglich zu nähern. Je mehr ich schreibt er von München aus an Napoleon ,die Kaiserin kennen lerne, desto mehr bin ich überzeugt, dass sie, obgleich man sie keine schöne Frau nennen kann, doeh Alles besitzt, was das Glück Ew. Majestät auszumachen vermag.'2

So näherte sich Marie Louise allmälig immer mehr der Grenze Frankreichs, bis sie endlich ihre neue Residenz, Paris, betrat, wo sie unter den grössten Festlichkeiten als Kaiserin von Frankreich eingeführt wurde.

Es ist nicht zu läugnen, dass aus den Freudenrufen der Franzosen ganz vernehmlich der Wunsch hervorklang, die neue

1 Napoleon an Champagny, Paris, 26. Februar 1810. Ministère d. aff. étr. Dieser Brief fehlt in der Correspondance. Er wurde von mir zuerst mitgetheilt in der ,Neuen Freien Presse vom 27. Juli 1881: Ungedruckte Briefe Napoleon I.'

2 Berthier an Napoleon, 17. März 1810. Arch. nat. Auch Metternich nennt die Kaiserin keine schöne Frau. Nachgelassene Papiere I, p. 237 schreibt er an seine Frau: Plutôt laide que jolie de visage, elle a une très-belle taille, et quand elle sera un peu arrangée, habillée etc., elle sera tout à fait bien.'

Kaiserin möge in ihrem Gefolge Frieden und Ruhe mitbringen, denn auch in Frankreich war man des ewigen Kriegführens müde. In diesen Wünschen begegneten sich die Völker Oesterreichs und Frankreichs; ihre Hoffnungen waren die gleichen.' War aber auch Aussicht auf ihre Verwirklichung vorhanden? Von Metternich, dessen ganzer Einfluss ja auf der neuen Allianz mit Frankreich beruhte und den ein Bündniss mit dieser Macht zu immer höherem Ansehen erheben musste, 2 konnte man mit Recht annehmen, dass er Alles aufbieten werde, um die Freundschaft mit Napoleon so innig als nur möglich zu knüpfen, zumal, wie es scheint, die öffentliche Meinung in den österreichischen Erblanden und in Ungarn ein solches Streben sehr günstig ansah.3 Aber wir wissen heute aus Metternich's Papieren, dass sowohl Kaiser Franz, als er ihren Hoffnungen auf Ruhe nur eine kurze Lebensfrist prophezeiten. Beide rechneten blos auf Zeitgewinn zur Wiedererstarkung der Hilfsquellen der Monarchie für den Fall, dass sie genöthigt werden sollte, für die Vertheidigung ihrer Interessen neuerdings die Waffen zu ergreifen. Wie dachte aber Napoleon, als er Marie Louisen seine Hand reichte? Es ist unmöglich, seine geheimsten Gedanken zu erforschen und zu erfahren, ob er darauf ausging, durch die Vereinigung mit Oesterreich seine Dynastie auf den Principien der Ordnung und des Friedens fester zu begründen, oder ob er mit Hilfe Oesterreichs sein Eroberungssystem fortsetzen wollte? In diesem Momente überfloss Napoleon von Friedensversicherungen, und er beauftragte Champagny, in solchem Sinne ein Rundschreiben an alle seine Gesandten im Auslande zu richten. Sie werden darin sagen' so lautete sein Befehl,dass eines der Hauptmittel, deren sich die Engländer bedienten, den continentalen Krieg zu entflammen, darin bestand, dass sie annahmen, es läge in meiner Absicht, die Dynastien zu vernichten. Indem mich jedoch die Umstände in die Lage versetzten, eine Gemahlin zu wählen, wollte ich ihnen auf diese Weise den unseligen Vorwand benehmen, unter dem sie die

1 Metternich, Nachgelassene Papiere I, p. 105.

2 Graf Otto, 11. März 1810. Ministère d. aff. étr.

3 Ibid.

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car en Autriche et en Hongrie le système français est actuellement dominant.'

4 Metternich, Nachgelassene Papiere I, p. 103.

5 Ibid., p. 102.

Aber

Nationen aufwiegelten und Zwist erregten, der dann Europa mit Blut überschwemmte. Nichts schien mir geeigneter, die Unruhe zu beschwören, als indem ich eine Erzherzogin zur Ehe begehrte. Die glänzenden und hervorragenden Eigenschaften der Erzherzogin Marie Louise, worüber mir umständlich Bericht erstattet wurde, haben es mir ermöglicht, im vollsten Einklange mit meiner Politik zu handeln. -- Jch freue mich dieses Anlasses, zwei grosse Nationen zu vereinen und der österreichischen Nation und den Bewohnern der Stadt Wien einen Beweis meiner Hochachtung zu geben. Sie werden hinzufügen, dass ich wünsche, ihre Sprache möge dem Bande der Verwandtschaft angemessen sein, welches mich an das Haus Oesterreich knüpft, dass sie aber nichts sagen sollen, was meine intime Allianz mit dem Kaiser von Russland alteriren könnte.' schon im Augenblicke, als Napoleon diese Worte dictirte, war es eine Unwahrheit, von einer intimen Allianz' mit Russland zu reden. Sie hatte noch während der Friedensverhandlungen zwischen Oesterreich und Frankreich einen tiefen Riss erhalten,2 und Alexander war wie versteinert, als er von der Verlobung Napoleons mit Marie Louise hörte. Er fühlte es sehr wohl, dass Napoleons Politik eine seinen Interessen immer feindlichere Richtung nehmen müsse. Sollte vielleicht Alexander, zur Hintanhaltung der Gefahr, in Wien seine Zufriedenheit mit der Heirat haben ausdrücken und den Wunsch äussern lassen, dass sich jetzt die drei Kaiser vereinigen mögen, die Ruhe Europas zu erhalten? Wenigstens will der französische Gesandte am Wiener Hofe von einem solchen Schritte Alexanders wissen.4 Damit wäre ein Gedanke des Fürsten Kaunitz realisirt worden, der ja auch die Höfe von Petersburg, Wien und Paris zu gemeinsamer Action vereinigen wollte. Aber wie weit war man jetzt, gerade in Folge der Heirat Napoleons mit Marie Louise, davon entfernt! Schon während seines Aufenthaltes in Paris, kurz nach der Vermählung, konnte Metternich aus seinen

1 Napoleon an Champagny, 26. Februar 1810. Fehlt in der Correspondance. Siehe meinen Artikel in der Neuen Freien Presse' vom 27. Juli 1881: ,Ungedruckte Briefe Napoleon I.'

2 Ich denke über diesen Punkt an anderer Stelle einmal ausführlicher zu sprechen.

3 Lefebvre V, p. 18.

4 Graf Otto, 27. März 1810. Ministère d. aff. étr.

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