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Provinzielle Kegelrufe.

Von

A. Treichel.

Ein gelehrter Mathematiker, Apollonius aus Perga in Pamphylien, soll das Kegelspiel erfunden haben, indem er versehentlich einen Erdenglobus auf leere Flaschen hinwarf und diese zu Fall brachte. Zahlreich ist die Schaar der Jünger dieses Spieles, namentlich unter den Deutschen, und gar verschieden erst in Deutschland die Zahl der Rufe für die gefallenen Kegel. Obgleich es in der Kegelliteratur gewiß viele Breviere und Vademecums, als Gesetzsammlungen, auch Hülfsbücher oder davon handelnde Liederbücher giebt, wie von mir als Nichtkegler vermuthet wird, obgleich ferner im Reiche der 9 Kegel (die Nordamerikaner schieben aber mit 10 pins!), welches wegen der gesunden Leibesbewegung wohl über das der drei Würfel mit den zahlreicheren, aber auch allgemeineren Knobeltouren zu stellen sein mag, neben dem geschriebenen Gesetze auch das Gewohnheitsrecht großen Einfluß hat, hat es mich interessirt, nur die Rufe zusammenzustellen, wie sie schon in unserer Provinz und ihrer pommerschen oder posenschen Umgegend verschieden genug auftreten, soweit ich sie in Erfahrung bringen konnte, und dadurch ein gewisses ethnologisches Gemälde zu geben, welches oft genug die vielleicht durch besonderen Zufall entstandene Eigenthümlichkeit auch der kleinsten Stadt zur Schau trägt. Vielleicht wird diese kleine Composition zur weiteren Nachforschung und betreffenden Fixirung auch auf diesem abgelegenen Gebiete in der Provinz beitragen.

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In Richtung Mittelreihe (1, 5, 9): Herz! (Belgard.) Hurrah! (W. Pr.)

Vivat! (auch Leipzig, Hannover.)

Zusätzlich: As de Buer up dem Wif satt,

Schrêg he immer vivat,

Mutter, giff mi Zwieback,
Mutter, giff mi Titt!

oder: Vivat, wer den Stiwen hat,

Wer'n Schlappen hat, dem schitt de Hund wat! (Danzig: Thimm.)

4 K.: Carrée! Kari mit!

Compagnie mit!

-

Vier Juden! (Neustadt.) — Wenn 1, 5, 9 und 7 oder 8 fallen: Vivat hat geheirathet! oder Vivat mit Agio! mit ironischem Zusatz: Hat immer Glück!: Westpr.: Prengel; zählt 4 weniger.

4 K., wenn Hintereck (9) stehen bleibt: Kackstuhl mit Lehne! (Belgard), besonders beim sog. Kämmen, wenn parteiweise geschoben wird.

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6 K.: Bataillon! (Ost- u. Westpr.) - (G?) Dranatje, Muskatje, Bataillon gut!

(Inowraclaw.)

7 K.: 7 gute!

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Grenadier!

Zusatz: Der Kegeljunge hat kein Bier! Allerhand Achtung! (Neustadt.) - Feuer auf'm Frack! (Luckau).

Nach Stellung: Acht um den König! Das Kränzchen der Liebe! (Hessen). Alle acht um den König! Zusatz: Ein Sechser ist zu

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wenig, ein Groschen ist genug! (Pommern.)

9 K.: Alle Neune! Gut sind sie, Wer hat sie, Hat's brav gemacht; Drum wird er auch nicht ausgelacht! - Alle Neune! (Coeslin: Der Kegel

junge bringt irgend einen Kegel und holt sich einen Sechser.) Wenn sie auf einen Ruck fallen: Alle 9! Ein Glas Bier! (Neustadt.) - Wie hingerotzt (Neustadt).

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Kackstuhl, wenn 1, 4, 5, 6, 7, 8 stehen bleiben (Figur ooo: Neustadt) oder

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? 5 K.: Polnisch Vivat (Wpr.), Tucheler Vivat: Wenn die beiden Bauern längst des Vierecks fallen, also 1, 5, 9, 2, 7 oder 1, 5, 9, 3, 8.

1 K.: Pipekopp.

Schlechte: wenn Vordereck nicht fällt.

Pipenstêl (Fr. II. 138. B. mit Zusatz: is

-

kost't nich

vêl!) Piper (Schöneck, Berent, auch mit lokaler Anlehnung: Piper

-

Kackstuhl im Walde!

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Ein

Puc, oder mit Verdrehung: Puper Pic) Kackstuhl! (Danzig.)
Papa will heirathen! (Belgard.)
Holz! Wenn einer der äussersten: Eine Ratz! (Neustadt).
1 Seitenkegel (4 oder 6): Kilian (Ostpr.: Prengel). Früher: He heft
em beluat! (beluert belauert.) Hat ihm schon! (Prengel.)

=

1 K. und König: Papa hat geheirathet!

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--

Paar

2 K.: Jule hat geheirathet! Zwei Holz! Oho! (Pommern.) töpfchen! (Berent.) Adam und Eva! (Berent.) Standesamt! Arm und Bein! (Hannover.)

(Schöneck.)

3 K.: 3 schlechte!

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Callies, seine Frau und Guste! (Schloppe.)

(Schöneck.) Schusterschemel! (Danzig.)

3 K. in Mittelreihe (4 und 5 und 6): Hamburger Wappen! 4 K.: 4 schlechte!

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4 ohne! Schlechte Compagnie! - Compagnie ohne!

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7 K.: 7 schlechte! 8 K.: 8 schlechte! Es ist der höchste Wurf und kostet 100 Points! Der Kegeljunge bringt Vordereck und erhält mindestens 50 Pf. Trinkgeld. Der glückliche Verunglückte hat außerdem die Verpflichtung (Berent), für die Gesellschaft mindestens ein Achtel Bier oder eine Bowle zu spendiren, wogegen diese ihm aus Anerkennung eine Denktafel stiftet, mit bezeichnenden Versen oder Photogrammen versehen, die an der Wand der Kegelbahn zum bleibenden Gedächtnisse aufgehängt wird.

Würfe mit verfehlter Kugel:

Geht die Kugel vor Erreichung der Kegel in den Sand: Sandhase! Abgang! Pudel! (weil man sich schämen soll!) Appelbaum (Neustadt Bahn Wodtke, wo zufällig ein solcher steht; das ist noch schlechter; denn wer den trifft, dem gnade ein — engel).

Geht die Kugel ganz um die Kegel herum, ohne Berührung von Bande oder Kegel: Hinter den weissen Gardinen! (Braunsberg.) — Loch! (Belgard.) Zuloch! Sandhase (II.)! Rehbock (II.)!

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Berührt eine Kugel die Bande vor den Kegeln (wo sie dann, weil ungültig, vom Kegeljungen zur Ersparung der Mühe des Aufsetzens der etwa gefallenen Kegel meist vorher aufgehalten wird): Bande! Rehbock (I.) oder platt: Reibock! (vom krummen Sprung der Rehböcke!) Hett sich gschüert! (Belgard, Hannover.) Portemonnaie! (Weil das Strafgeld kostet: Lübeck.)

Der Gang einer Kugel zwischen Mittel- und zweiter Reihe (a) der Kegel, ohne einen umzuwerfen: Gutloch! (kostet 12!) Durchmarsch! (Thorn: Prengel.)

Der Gang einer Kugel zwischen zweiter Reihe der Kegel, ohne einen umzuwerfen: Schlechtloch! (kostet 16!)

Kugelpost: wenn die Kugel wiederkommt mit einem Zettel, beschrieben: Ein Glas Bier!, wenn der Junge Durst hat.

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Allgemeiner Keglergruß: Gut Holz! (Dresden, nach Vorbild des turnerischen Gut Heil!)

Jeder Kegel an sich heißt Holz, entweder gut oder schlecht.

Bauer ist jeder Kegel im Gegensatze zu König, Vorder- oder Hintereck oder Alles, was um den König steht; außerdem hat Vorder- und Hintereck seinen Namen und seine Vorzugsrechte.

Außeneck ist Kegel 4 oder 6.

Einladung zum Kegeln: Heute ist keglować! (Neustadt.)

Wenn auf einer Bahn mit einem Brett die Kugel anfängt, leise zu

gehen sie geht auf Socken!

In Parteien schieben:

1. Hamburg - Mecklenburg oder Kaiserpartie oder Hamburger und Lübecker oder Kriegsspiel: es gelten die Points bei wieder aufgesetzten Kegeln.

2. Kämmen: es gilt die Zahl der gefallenen Kegel, die auch so lange nicht wieder aufgesetzt werden, als bis der letzte gefallen ist; fallen beim ersten Anschub 8 Kegel, so werden sämmtliche Kegel doch wieder aufgesetzt; dasselbe auch (Belgard) bei Vivat! Apothekerkegel (Belgard), wenn beim Kämmen die Kegel 2 und 3 stehen bleiben.

-

Kegel-Redensarten in Neustadt.

Bei schlechtem Schub: Junge, stell' den linken Vorderkegel besser!
Wenn eine schöne Kugel schlecht kam: Das ist pupig!

Wenn 2 Würfe mit Honneurs kamen und der dritte für eine Ronde erwartet wird: Jetzt kommt das Sicherheits-Effet!

Bei Alle 9: Salem aleikum; rasseln sie, wie sie rasse!n! (Bahn Wodtke). Wenn der 9. Kegel fällt: Endlich vespertilio! wenn er aber nicht fallen will: Ochs', fall'!

Bei 8 Schlechten kommt der Junge mit dem stehenden Vordereck angereist und bekommt 5 Düttchen in die Oeffnung des umgekehrten Kegels. (Eine Unsitte!")

Wenn eine directionslose Kugel richtig gelang: Da liegt Etwas in der Bahn! oder: Da lag wohl ein Wollfaden?

Wenn eine Kugel so aussieht, als wenn sie in die Gasse kommen muß, aber kurz vorher eine Wendung durch die Mitte macht: Sie kommt wieder wider! A. (zur Entschuldigung): Die Kugel fiel mir aus der Hand!

B. 1. Na, wo soll sie denn sonst rausgefallen sein! 2. Sie ist Ihnen doch nicht aus der Tasche rausgefallen?!

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Immer auf diesem Ritz muß er (?) gehen! Diesen Strich muß er runterkommen!

Schliesslich mag eine Zeitungsnotiz über das Kegelschieben in Berlin anhangsweise Platz finden.

Das Kegelschieben ist dort von jeher hochgeschätzt worden. Eine besondere Art Kegelbahnen, so schreibt die „Voss. Ztg.", kann man nun in neuerer Zeit in den äußersten Ausläufern der Stadt, namentlich im Westen, kennen lernen. Da hat ein Unternehmer ein Grundstück erworben, das er aus irgend welchen Gründen noch nicht bebauen kann oder will, und nun handelt es sich vorläufig darum, den kahlen Fleck Erde nach Möglichkeit auszunutzen. Im Winter wird es eine Eisbahn mit ragenden Fahnenstangen und flatternden Wimpeln, in der besseren Jahreszeit ein Trockenplatz mit flatternder Wäsche, von dem aber ein Theil abgezweigt wird für die fliegende Kegelbahn. Ein paar Dutzend Bretter genügen für die Herstellung des Baues, und „Pfeifenstiel" oder „Hintenrum, schenk' mir Weißbier ein!" erschallt es neckisch, wo eben noch öde Stille geherrscht hatte. Kommen die Erdarbeiter und Maurer angezogen, so muß natürlich die Kegelbahn weichen, aber sie geht nur ein Haus oder vielmehr ein Stück Ackerland weiter, und so sehen wir sie den langen Häuserzeilen der Weltstadt als Pioniere in den Kreis Teltow vorausziehen. Selbstverständlich entbehren die fliegenden Kegelbahnen mancher Bequemlichkeit, deren sich ihre vor

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