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fanges und der Grenzen derselben, Alles aber aus Principien“ (R. II, 8), und in dieser zweiten Vorrede erklärte: „die Kritik der reinen speculativen Vernunft ist ein Tractat von der Methode (R. II, 674). Nach seinem Vorhaben im Februar 1772 wollte er eine solche Kritik der reinen Vernunft binnen etwa drei Monaten, mithin etwa im Juni des Jahres 1772 herausgeben. Demnach übersah er damals noch keineswegs, in welche verwickelte und weitläufige Untersuchungen er sich würde einspinnen müssen, wenn er an die Lösung seiner Aufgabe nicht blos mit der Conception von Ideen im Denken, sondern mit der Verfolgung derselben in schriftstellerischer Darstellung heranträte. Daher kann er damals für die Kritik der reinen Vernunft kaum irgend etwas, oder höchstens nur äußerst wenig zu Papier gebracht haben.

Einschaltungsweise erwähne ich noch, daß Kant in seinem Briefe an Herz vom 21. Februar 1772 der im Jahre 1771 erschienenen Schrift desselben mit Anerkennung gedenkt, die Beurtheilungen der letzteren in der Breslauischen und Göttingischen Zeitung tadelt, und zwei von Schultz - einestheils früher schon von Lambert erhobene Einwände gegen seine in der Dissertation vom Jahre 1770 vorgetragene Lehre über Raum und Zeit durch Widerlegungen abweist, die nachmals in der Kritik der reinen Vernunft, höchstens mit Ausnahme einer einzigen Bestimmung, genauer und deutlicher gegeben wurden.

In Bezug auf diese Aeußerungen bemerke ich hier nur, daß Kant's Urtheil in seinem Briefe an Herz vom 21. Februar 1772 über dessen Schrift, wenigstens auf den ersten Blick, mit den Urtheilen nicht übereinstimmt, welche er über sie etwa anderthalb Jahre später in seinem Briefe an Nicolai vom 25. October 1773 und in seinem Briefe an Herz aus dem Winter 1773/74 fällte. Denn in jenem Briefe an Herz vom 21. Februar 1772 sagt er: Was Ihr mit Geschmack und tiefem Nachsinnen geschriebenes Werkchen betrifft, so hat es in vielen Stücken meine

„Erwartung übertroffen," und weiterhin: ,,der wackere Pastor „Schultz, der beste philosophische Kopf, den ich in unserer „Gegend kenne, hat die Absicht des" in Kant's Dissertation aufgestellten ,,Lehrbegriffs gut eingesehen; ich wünsche, daß „er sich auch mit Ihrem Werkchen beschäftigen möge" (R. XI, 1. A., 28, 29). Dagegen läßt er sich in seinem Briefe an Nicolai, nachdem er den Empfang eines Schreibens desselben so wie des ersten Stückes des zwanzigsten Bandes der Allgemeinen Deutschen Bibliothek bescheinigt und für die ihm durch Vorsetzung seines Bildnisses vor jenes Stück des Journals erzeugte Ehre einen etwas verclausulirten Dank abgestattet hat, folgendermaßen aus: Das Bildniß ist allem Vermuthen nach von einer Copei meines „Portraits, welche Herr Herz nach Berlin nahm, gemacht und ,,daher wenig getroffen, ob zwar sehr wohl gestochen worden. „Es ist mir hiermit, wie mit seiner Copei von meiner Disser„tation gegangen, in welcher er zwar, da ihm die Materie der,,selben selbst neu war, sehr viel Geschicklichkeit gewiesen, aber so wenig Glück gehabt hat, den Sinn derselben auszudrücken, „daß deren Beurtheilung in demselben Stück der Bibliothek, sie ,,nothwendig sehr unwichtig hat finden müssen" (R. XI, 1. A., 70). Und in dem Briefe an Herz aus dem Ende des Jahres 1773 oder Anfang des Jahres 1774 schreibt er: „Die in demselben „Stücke" [der Bibliothek, in welchem Kant's Bildniß stand] „vor„kommende Recension Ihrer Schrift beweist doch, was ich besorgte: daß, um neue Gedanken in ein solches Licht zu stellen, „daß der Leser den eigenthümlichen Sinn des Verfassers und das Gewicht der Gründe vernähme, eine etwas längere Zeit ,,nöthig ist, um sich in solche Materien bis zu einer völligen „und leichten Bekanntschaft hineinzudenken" (R. XI, 1. A., 67). Hiernach hatte Kant vorweg angenommen und dann seine Annahme bestätigt gefunden, daß Herz den Lehrbegriff der Dissertation völlig zu durchdringen nicht in der Lage gewesen sei.

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Die Ausgleichung der Differenz zwischen jenen früheren und diesen späteren Urtheilen bleibt hier unversucht, weil eine Erörterung über das Verhältniß der Herz'schen Schrift und deren

Beurtheilung in der Allgemeinen Deutschen Bibliothek zu Kant's Dissertation mich allzu weit von meinem Wege ablenken würde. Daher merke ich nur im Vorübergehen und ohne Begründung an, daß die Herz'schen Betrachtungen aus der speculativen Weltweisheit" allerdings Kant's Lehrbegriff von Zeit und Raum ungenügend darstellen, aber einige Expositionen enthalten, die wegen ihrer Beziehungen zu Kant's späterer Antinomien-Lehre interessant sind, und daß die kurze Besprechung der Herz'schen Schrift in der Allgemeinen Deutschen Bibliothek (20. Bd., 1. St., S. 227-229) freilich weder ein Referat über diese Schrift, noch über die Kant'sche Dissertation giebt, aber gegen die in der letzteren vorgetragene Lehre von Raum und Zeit Einwendungen macht, welche mit einigen von denen zusammentreffen, Lambert in seinem Briefe an Kant vom Ende des Jahres 1770 erhoben hatte.*)

die

Indeß hat Kant schwerlich durch die Herz'sche Schrift irgend eine Förderung in seinen Gedankenarbeiten erhalten. Dies ist hier nur obenhin zu berühren, dagegen hervorzuheben, daß er an der oben aus seinem Briefe an Nicolai citirten Stelle fortfährt: „Doch meine gegenwärtige Arbeit wird sie" [die Materie der Dissertation] „in einem erweiterten Umfange, und, wie ich ,,hoffe, mit besserm Erfolg in Kurzem mehr ins Licht stellen" (R. XI, 1. A., 71). Denn wenn Kant gegen das Ende des October 1773 seine Kritik der reinen Vernunft nur ,,in einem erweiterten Umfange" der Dissertation abzufassen und sie in Kurzem zu veröffentlichen, also mit ihr schnell fertig zu werden gedachte, so ist auch damals für das Werk wahrscheinlich nur sehr wenig niedergeschrieben gewesen.

*) Es sei mir gestattet, zu S. 57 der ersten meiner Abhandlungen: ,,Zur Beurtheilung etc." hier nachzutragen: In dem oben erwähnten Briefe bekennt sich gelegentlich anch Lambert zu dem Satze, den Kant später in den Prolegomenen (R. III, 156) dem Göttingischen Recensenten spöttisch vorhielt, ,,daß beständiger Schein für uns Wahrheit ist" (R. I, 367).

Brief an Herz aus einem der letzten Monate des Jahres 1773 oder einem der ersten Monate des Jahres 1774.*)

Nachdem hier Kant an den Ausdruck seiner Freude über Herz' Uebung im Praktischen der Arzneikunst unter der Anführung eines geschickten Lehrers die Aufforderungen:,,Machen Sie ja fein viele Beobachtungen," und: ,,Studiren Sie doch ja die große Mannigfaltigkeit der Naturen," geknüpft und dazwischen den weit greifenden Satz:,,Die Theorien sind so hier" - in der Arzneiwissenschaft ,,wie anderwärts öfters mehr zur Erleichterung des Begriffs als zum Aufschlusse der Naturerscheinungen angelegt," nicht ohne Bezug auf Macbride's systematische Arzneiwissenschaft, die ihm ,,in dieser Art" sehr wohlgefalle, eingestreut hat, replicirt er auf den höflichen Vorwurf, daß Herz wie dieser ihm letzthin geschrieben hatte - im Meßkatalog fleißig, aber vergeblich nach einem gewissen Namen unter dem Buchstaben K. suche, zunächst mit der nicht leicht deutbaren Erwiederung, es wäre ihm nach der vielen Bemühung, die er sich gegeben, nichts leichter gewesen, als seinen Namen dort,,mit nicht unbeträchtlichen Arbeiten, die" er ,,beinahe fertig liegen habe, paradiren zu lassen", und fährt dann fort:

,,Allein, da ich einmal in meiner Absicht, eine so lange ,von der Hälfte der philosophischen Welt umsonst bearbeitete ,,Wissenschaft umzuschaffen, so weit gekommen bin, daß ich ,,mich in dem Besitz eines Lehrbegriffs sehe, der das bisherige ,,Räthsel völlig aufschließt und das Verfahren der sich selbst ,,isolirenden Vernunft unter sichere und in der Anwendung leichte ,,Regeln bringt, so bleibe ich nunmehr halsstarrig bei meinem ,,Vorsatz mich" [durch],,keinen Autorkitzel verleiten zu lassen, ,,in einem leichteren und beliebteren Felde Ruhm zu suchen, ehe ,,ich meinen dornigen und harten Boden eben und zur allge,,meinen Bearbeitung frei gemacht habe. Ich glaube nicht, daß es Viele versucht haben, eine ganz neue Wissenschaft der Idee

*) Den Nachweis für die Richtigkeit dieser Datirung s. im Anhange unter No. 2:,,Kant's Vorlesungen über Anthropologie."

,,nach zu entwerfen und sie zugleich völlig auszuführen. Was ,,aber das in Ansehung der Methode der Eintheilungen der genau ,,angemessenen Benennungen*) für Mühe macht und wie viel ,,Zeit darauf verwendet werden muß, werden Sie sich kaum ein,,bilden können. Es leuchtet mir aber dafür eine Hoffnung ,,entgegen, die ich Niemand außer Ihnen ohne Besorgniß, der ,,größesten Eitelkeit verdächtig zu werden, eröffne, nämlich der ,,Philosophie dadurch auf eine dauerhafte Art eine andere und für ,,Religion und Sitten weit vortheilhaftere Wendung, zugleich aber ,,auch ihr dadurch die Gestalt zu geben, die den spröden Mathe,,matiker anlocken kann, sie seiner Bearbeitung fähig und würdig „zu halten. Ich habe noch bisweilen die Hoffnung, auf Ostern" [Ostern 1774],,das Werk fertig zu liefern, allein wenn ich auch „auf die häufigen Indispositionen rechne, welche immer Unter,,brechungen verursachen, so kann ich doch beinahe mit Gewiß,,heit eine kurze Zeit nach Ostern" also nach Ostern 1774 — ,,dasselbe versprechen."

Dann wendet er sich zu dem von Herz projectirten,,Versuch in der Moralphilosophie" und giebt seinem Wunsche, es möge darin der in der höchsten Abstraction der Vernunft so wichtige und in der Anwendung auf das Praktische so leere Begriff der Realität nicht Geltung erhalten, die bei Entwickelung seiner moralphilosophischen Principien nicht ganz außer Acht zu lassende Begründung:,,denn der Begriff" der Realität ,,ist trans,,scendental, die obersten praktischen Elemente aber sind Lust ,,und Unlust, welche empirisch sind, ihr Gegenstand mag nun ,,erkannt werden, woher er wolle. Es kann aber ein bloßer ,,reiner Verstandesbegriff die Gesetze oder Vorschriften desjenigen, ,,was lediglich sinnlich ist, nicht angeben, weil er in Ansehung ,,dieses völlig unbestimmt ist. Der oberste Grund der Moralität

*) Bei Rosenkranz-Schubert ist hier keine Interpunction. Hartenstein (VIII, 695) interpunctirt:,,in Ansehung der Methode der Eintheilungen, der genau angemessenen Benennungen" u. s. w. Besser aber wäre wohl zu interpunctiren: in Ansehung der Methode, der Eintheilungen, der genau angemessenen Benennungen" u. s. w.

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