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URKUNDLICHE BEITRÄGE

ZUR

GESCHICHTE DES HUSSITENKRIEGES

VOM JAHRE 1419 AN.

GESAMMELT UND HERAUSGEGEBEN

VON

FRANZ PALACKÝ.

I BAND.

VON DEN JAHREN 1419-1428.

& PRAG

BEI FRIEDRICH TEMPSKY

1873.

Slav 7298.25

Aus62070.1

1876, Jan. 8. Halter Frend.

(13.d I., II.)

VERLAG DES LANDESAUSSCHUSSES DES KÖNIGREICHES BÖHMEN.

DRUCK VON Dr. ED. GREGR IN PRAG.

Vorbericht.

Gegenwärtiges Werk schliesst sich in Form und In

halt an mein im Jahre 1860 von der kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien in den „Fontes rerum Austriacarum" (Band XX) herausgegebenes Buch: Urkundliche Beiträge zur Geschichte Böhmens und seiner Nachbarländer im Zeitalter Georgs von Podiebrad" (1450-1471) an, welche Publication die Bestimmung hatte, nicht nur meiner zu gleicher Zeit erschienenen historischen Darstellung dieser Zeitperiode (Geschichte Böhmens, Band IV) als Codex probationum zu dienen, sondern auch überhaupt mehr Licht auf die Ereignisse zu werfen. Diesem Vorgange entsprechend wurde auch in der gegenwärtigen, von dem hochlöbl. böhmischen Landesausschusse durch Decret dd. 20 Dec. 1871 autorisirten neuen Publication nicht nur dasselbe Format, sondern auch die innere Oekonomie des Werkes beibehalten.

Die vielfachen wesentlichen Gebrechen in den von Prof. Höfler (in seinen „Geschichtschreibern der husitischen Bewegung", 3 Bde, Wien 1856-66) herausgegebenen Quellen der Hussitengeschichte hatten mich veranlasst im J. 1869 unter dem Titel: „Documenta Mag. Johannis

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Hus vitam, doctrinam, causam in Constantiensi concilio actam et controversias de religione in Bohemia annis 1403-1418 motas illustrantia" (Prag bei Tempsky, S. XVI u. 768 in 8) die wichtigsten auf die Entstehung des Hussitismus Bezug habenden schriftlichen Denkmäler in möglichster Correctheit bekannt zu machen. Daselbst sind nicht allein sämmtliche bisher aufgefundenen Briefe von Hus, so wie seine Streitschriften und Processacten, ferner des M. Peter von Mladenowic Bericht über Hussens Betragen und Leiden in Constanz, sondern auch 120 Stück der wichtigsten gleichzeitigen Documente aus den Jahren 1403-1418 über die allmählige Entwickelung des Hussitismus in Böhmen enthalten. Diesem Buche schliesst sich nun das gegenwärtige sowohl dem Inhalte als der Zeitfolge nach unmittelbar an, um über den weiteren Verlauf der hussitischen Angelegenheiten seit K. Wenzels Tod im J. 1419 Aufschluss zu geben.

Der Hussitismus ist eine eben so hochbedeutsame als bisher noch wenig bekannte Erscheinung in der Weltgeschichte. Es fehlt allerdings nicht an verdienstlichen Werken über M. Johann Hus selbst, seine Bestrebungen und Leiden; seine Lehre ist in verschiedenem Sinne vielfach besprochen und commentirt worden; seine und seines Freundes Hieronymus von Prag Unternehmungen und Schicksale sind nicht unbeachtet geblieben. Aber um die weitere Entwickelung und Folgen der von ihnen angeregten geistigen Bewegung hat man sich bisher noch wenig gekümmert; dieser Theil der Geschichte liegt noch ziemlich im Argen; die Vorstellungen, die man an die Namen der „Hussiten, Taboriten, Žižka, Prokop" u. dgl. noch heut zu Tage gewöhnlich zu knüpfen pflegt, sind nicht nur unangemessen, sondern auch eines aufgeklärten Zeitalters unwürdig. Man verschreit sie ja zumeist als blosse Auf

wiegler, als rohe ungebildete Fanatiker, die in gottloser Wuth alle Ordnung zu untergraben, alle Denkmäler der Civilisation ihres Zeitalters zu zerstören gesucht hätten u. dgl. Und doch lag nichts ihren Absichten ferner, als Angriff und Krieg; nicht sie waren es sondern ihre Gegner, welche das Blutvergiessen und die Greuel der Zerstörung provocirt hatten; sie waren vielmehr die Ersten in Europa, welche nicht um irdischen Besitzes, nicht um weltlicher Macht und Herrschaft willen, sondern zum Schutze der bedrohten höchsten Güter des Menschen, des Rechtes der Selbstbestimmung und Gewissensfreiheit, nur nothgedrungen zu den Waffen griffen und einen furchtbaren langen Kampf gegen die ganze übrige Welt, die nichts Geringeres als ihre gänzliche Vertilgung beabsichtigte, nicht nur aufnahmen, sondern auch wunderbar siegreich durchführten. Hus wandelte eine Bahn, welche vor ihm schon manche Männer betreten hatten: seine Nachfolger aber hatten keine Vorgänger, kein Beispiel in der Geschichte, dem sie zu folgen vermochten; sie waren das erste Volk auf Erden, das in Masse sich erhob, um seine geistige Freiheit zu schützen, und um dieses Zweckes willen seine ganze Existenz einsetzte. Die Greuel des Krieges wälzten sie erst dann auf ihre Feinde zurück, als ihnen offenbar wurde, dass kein anderer Weg mehr übrig blieb, zum Frieden zu gelangen. Mögen Diejenigen, die noch heutzutage das Heil der Menschheit nur in der Herrschaft des Autoritätsprincips erblicken, jenes Vorgehen immerhin verdammen ihr Urtheil kann für den unbefangenen Geschichtforscher nicht massgebend sein. Denn wenn ohne Durchbrechung der allumschlingenden Netze jenes im Mittelalter alle Welt ausschliesslich beherrschenden Princips ein Fortschritt des menschlichen Geistes überhaupt undenkbar war, so kann man den Hussiten das Verdienst nicht absprechen,

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