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Diese neue Bedeutung des Wappens finden wir ganz klar ausgesprochen, indem es bald einfach das „Erbezeichen" genannt wird. Erst durch diese Eigenschaft als Erbezeichen war dem von den Vätern stammenden Wappen seine strenge Beibehaltung gesichert, dadurch findet sie überhaupt erst ihre volle Erklärung. Denn es ist nicht anzunehmen, daß sonst alle Nachkommen eines Geschlechtes sich veranlaßt gesehen hätten, bei ihrem alten Wappen. zu verbleiben. Unter Umständen mißfiel wohl gar dem Geschmack des Einzelnen das Bild, welches er führte, zumal dessen Bedeutung in vielen Fällen sicher schon zwei Menschenalter nachy der Annahme nicht mehr verstanden wurde. Auch konnten bei sorgloser Nachzeichnung der Vorbilder leicht Abweichungen und Entstellungen eintreten, abgesehen von den Veränderungen, die durch neue Stilarten, Moden u. s. w. hervorgerufen werden. mußten.

Denn diese letzteren kamen natürlich überall vor, sklavische Nachbildung war dem Mittelalter etwas ganz Unbekanntes und Unerhörtes. Aber an dem Wesentlichen etwas zu ändern hütete man sich doch, seit ein Rechtstitel mit der Führung auch der einzelnen Wappenbilder verbunden wurde.

So erklärt es sich, daß die Wappenbilder, vor allem die Schildbilder, von denen überhaupt diese Ausführungen vorzugs. weise gelten, lange Zeit so verhältnißmäßig genau beibehalten. wurden.

War aber das Tragen des Wappens der Verwandten einmal Zeichen des Erbes geworden, so war es ganz natürlich, daß auch besondere Verhältnisse, namentlich größere oder geringere Erbberechtigung, ihren Ausdruck fanden.

Daher entstand die Sitte der Beizeichen oder Brüche (Brisuren), besonders für die Wappen jüngerer Söhne, bezw. Linien. Diese Beizeichen waren mannigfacher Art, es ist hier nicht der Ort, sie aufzuzählen, nur einige seien erwähnt:

In Frankreich war es eine Zeit lang Sitte, daß der Sohn das Wappen seines noch lebenden Vaters mit einem rothen aus, gezackten Rand forle endenté) versehen trug. Aehnliche Be deutung hatte anfangs, namentlich in England, der Turnier Fragen, später bei Weitem das häufigste Beizeichen und noch bis heute allgemein gebräuchlich.

Der Faden und, daraus abgekürzt, der Einbruch bedeuteten meist: schrägrechts gelegt eine Neben, schräglinks eine Bastardlinie.

Aelter als die Mehrzahl der übrigen Brüche ist der Bord, rings innerhalb des Schildrandes, zur Unterscheidung der ver schiedenen Familienglieder, oder, dann meist roth gefärbt, zur Bezeichnung der jüngeren Linie benutzt. In der Züricher Rolle finden wir ihn sehr häufig, z. B. im Schild der Burggrafen v. Nürnberg als der jüngeren Linie der Grafen v. Zollern. Im Turnei v. Nanteiz heißt es im Wappen des Grafen v. Artois (mit den Lilien der Könige von Frankreich): „Den schilt ein rant al umbevinc Von kelen rôt geverwet."

Uebrigens ist diese ganze Einrichtung mehr auf französischem und englischem Boden heimisch. In Deutschland ist sie nie allgemein durchgedrungen und meist ziemlich früh wieder verschwunden. In Italien war sie ebenfalls nicht überall in Kraft, das zeigt uns der tractatus de insigniis et armis des Bartolo de Sassoferato aus dem 14. Jahrhundert.

Er faßt nicht alle Wappen als erblich auf, kennt auch schon persönlich verliehene. Von den Geschlechtswappen aber sagt er, daß Hie auf alle Deszendenten übergingen, nicht aber auf die Kognaten oder die durch Heirath verwandten. Die Bastarde seien im Allgemeinen nicht unter die Agnaten zu rechnen, hätten sich also eigentlich nicht der Wappen des Geschlechts, aus dem sie stammten, zu bedienen. Doch herrschten hier überall keine festen Regeln, so sei z. B. in Tuscien das Gegentheil in Gebrauch. Bei größerer Verzweigung des Geschlechts sei es theilweise üblich, daß einzelne Linien, namentlich aber die Bastardlinien, gewisse Beizeichen in ihre Wappen aufnähmen.

Dieser tractatus de insigniis et armis ist die älteste bekannte Lehrschrift über Heraldik. Sein Verfasser, Bartolus de Saro ferrato, Legum Doktor, war ein berühmter italienischer Rechtsgelehrter und lebte lange als Kaiserlicher Rath am Hofe Karls IV, woraus wir vielleicht den Schluß ziehen dürfen, daß er neben dem italienischen auch das deutsche Wappenwesen im Auge hatte.

Seine Schrift behandelt in zwei Abschnitten das Wappen.

recht und die Wappenkunst, indem er die Fragen zu beant. worten sucht:

1. Wem es erlaubt sei, ein Wappen in Fahnen und Schilden zu führen,

2. Wie dieselben zu malen und zu tragen seien.

Alle seine Ausführungen, besonders auch die uns hier nicht berührenden des zweiten Theiles, sind von großer Wichtigkeit. Wir wollen ihn hier nur noch über einen Punkt hören, nämlich über seine Ansicht von den Wappen als „Zeichen einer Würde oder eines Amtes" (insignia dignitatis vel officii).

Ein solches Wappen, sagt er, darf natürlich nur derjenige tragen, der das betreffende Amt wirklich inne hat. Er führt als Beispiele die Wappen der Statthalter (insignia proconsularia vel legatorum) und die der Bischöfe an. Wenn ein anderer als der Würdenträger ein solches Wappen führt, so begeht er das Verbrechen des Betrugs.

Als Wappen einer außerordentlichen Würde (singularis dignitatis) bezeichnet Bartolus die der Könige, fürsten und der anderen edlen Herrscher (nobiles potentiores). Sie zu führen, sei keinem Anderen erlaubt. Jedoch sei es nicht verboten, zum Zeichen der Unterwürfigkeit das Wappen des Königs und Grafen neben das eigene zu setzen.

Wenn wir diese kurzen Angaben scharf auslegten, würden wir zu interessanten Ergebnissen kommen. Aber auch über diesen Punkt können wir uns hier nicht auf eingehendere Erörterungen einlassen.

Jedenfalls stammen die Umtswappen aus sehr früher Zeit und scheinen mir eine bedeutend weitere Verbreitung und größere Häufigkeit besessen zu haben, als gemeinhin bekannt ist. Namentlich war das Helmkleinod häufig Amtswappenzeichen.

So trägt im Wigalois des Wirnt v. Gravenberg der Truchseß v. Roymunt das Zimier einer goldenen Schüssel, wie ausdrücklich gesagt wird: als Zeichen der Truchsessenwürde.

Ebenso glaube ich beispielsweise behaupten zu dürfen, daß die Bischofsmütze als Helmzier das Zeichen der Schußvogtei über ein geistliches Stift gewesen ist, nachdem ich dies aus der Züricher Wappenrolle, wo die Mitra oft als Kleinod vorkommt, mit ziem licher Sicherheit nachgewiesen habe.

Die rechtlichen Bedeutungen des Helmkleinods erhellen aber besonders klar aus dem merkwürdigen Streit um den Bracken rumpf in der Geschichte der Hohenzollern und ihres Wappens.

Der Verlauf ist kurz der: 1317 (nicht 1370) verkauft nach Ausweis der noch vorhandenen Urkunde Leutold v. Regensberg die Erlaubniß, sein Helmkleinod, einen goldenen Brackenrumpf, führen zu dürfen an Friedrich v. Nürnberg und seine Erben; doch will er selbst und seine Erben ihn gleichfalls weiter tragen, auch seinem, vermuthlich kinderlosen, Oheim, Diethelm v. Kren Fingen, soll bis zu dessen Tod dasselbe Zeichen zu führen un verwehrt sein.

Im Besitz des Brackenrumpfs sehen wir aber bald auch die ältere Zollernsche Linie, und, was wichtiger ist, kurze Zeit darauf maßt auch das Haus Oettingen sich dieselbe Zierde an. Darüber entspinnt sich langjähriger Streit, der schließlich 1381 dahin entschieden wird, daß Oettingen den Bracken zwar behalten darf, aber zur Unter scheidung dessen Ohren mit dem Andreaskreuz, seinem Schildbild, belegen muß.

Der Grund nun, warum die Grafen v. Oettingen das gleiche Helmkleinod haben wollen, wie die Burggrafen v. Nürn berg, ist für unseren Gegenstand sehr lehrreich. Vorher hatten nämlich Oettingen und Nürnberg den gleichen Schmuck eines Pfauenspiegels als Zeichen einer Erbverbrüderung, dem. nach als Erbezeichen, genauer Anspruchszeichen, geführt. Nürnberg aber gereute des Vertrags und es suchte sich ihm zu ent ziehen. Darum legte es auch das Rechtszeichen, das gemeinsame Kleinod, ab und brachte sich in den durch Brief und Siegel gesicherten, rechtlichen Mitbesitz des Kleinods einer anderen familie: ein schlagender Beweis für die große Rechtsbedeutung des Wappens.

Es ist übrigens beachtenswerth, daß der Brackenrumpf als Helmzier gerade in Süddeutschland häufig vorkommt. In der Züricher Rolle wird er 7 Geschlechtern gegeben, darunter Krenkingen und Nürnberg, aber nicht Regensberg, Zollern und Oettingen. Auch die drei schwäbischen Dynastenhäuser Wirtem. berg, Teck und Landau führen ihn in der Rolle noch nicht, wohl aber später.

Es scheint also nach alledem sehr gut möglich, daß gerade der Brackenrumpf Zeichen einer bestimmten Würde, eines Amtes

oder einer besonderen Berechtigung war, für uns aber ist das Wesentliche bei dem erzählten Streit die Thatsache, daß eben überhaupt ein Wappenbild als bedeutsames Zeichen eines Rechts. anspruchs verwendet wurde.

Gerade das Anspruchswappen, meist eine besondere Art des Erbezeichens, manchmal auch des Würdezeichens, läßt uns recht deutlich erkennen, wie sehr das Wappen als Sinnbild und Ausdrucksmittel eines rechtlichen Verhältnisses beliebt war.

Die Anspruchswappen und Titel haben sich bis in die Neuzeit erhalten, aber sie wurden, wie so viele aus dem Mittelalter herrührende, veraltete Gebräuche zur völlig leeren form, bei der man sich nichts mehr dachte, besonders seitdem die Massentitel und die „Landkartenwappen" üppig aller Orten emporschossen.

Für Anspruchswappen bietet nun die Geschichte des hessischen Landgrafenwappens eine ganze Reihe lehrreicher Beispiele. Vor Allem haben wir hier die interessante Erscheinung, daß die Land. grafen ihr Stammwappen schon früh ganz aufgaben, und daß gerade das eigentlich hessische Wappen, das man öfter hefsisches Stammwappen genannt findet, ursprünglich ein Anspruchs. wappen war.

Nach dem Aussterben des Landgrafen von Thüringen, Herrn von Hessen, mit dem Tod des römischen Königs Heinrich Raspe, 1247, hatte der junge Heinrich v. Brabant, „ein Sohn der Tochter Sankt Elisabethen", wie er sich noch lange, z. B. auf Münzen, begründend nennt, ein Anrecht auf die Erbschaft der Thüringer. Er war jedoch nicht der einzige erbberechtigte, und seine Eltern, Herzog Heinrich II. v. Lothringen und Brabant und Sophia, Landgraf Ludwigs IV. und der heiligen Elisabeth Tochter, scheinen die für ihren Sohn geltend gemachten Ansprüche beide von Anfang an im Wesentlichen auf Hessen beschränkt zu haben.

Trotzdem nennt sich der junge Heinrich bis zum Jahre 1266 meist Landgraf v. Thüringen, behält anch später den Titel Landgraf und führt das Wappen der Thüringer Landgrafen mit dem gestreiften Löwen, alles um seiner Erbberechtigung Ausdruck zu verleihen.

Uebrigens scheint mir auch die gewöhnliche Bezeichnung Heinrichs als das Kind von Hessen" ein Anspruchstitel zu sein. Aber auch der ebenfalls durch Verwandtschaft, daneben auch

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