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Zur Geschichte des Investiturstreites

im Bisthum Lüttich.

Von Ernst Dümmler.

Die nachfolgenden Gedichte entdeckte im J. 1841 Bethmann in der Handschrift der Stadtbibliothek zu Cambrai Nr. 386 in 8° aus dem 12. Jahrh. (vgl. Archiv VIII, 431). In derselben steht vorn von einer Hand des 13.-14. Jahrh.: 'Iste liber est Iacobi de Vitriaco curati de Vasiers'. Dann folgt der 'Dialogus inter Christianum et Iudaeum de sacramentis fidei, qui vocatur anulus', ein öfter gedrucktes Werk des Abtes Rupert von Deutz, hierauf 'Franconis tractatus de gratia dei' und 'Epistolae Franconis monachi duae', von welchem Franco, vermag ich nicht zu sagen, endlich ohne Ueberschrift das Gedicht Nunc agit bellum'. Auf den am Schlusse leer gebliebenen Raum, 21, Blatt, hat eine weit spätere Hand lateinische und französiche Gedichte mit Noten geschrieben.

Die Dichtung, die wir hier nach Bethmanns Abschrift zum ersten Male dem Drucke übergeben, bildet trotz der Manigfaltigkeit ihrer Versmasse ein zusammenhängendes Ganze, dessen Schluss jedoch unvollendet abbricht. Der Verfasser, indem er uns seinen Namen verschweigt, giebt sich als einen Mönch des S. Lorenzklosters in Lüttich zu erkennen, der durch die Simonisten in die Verbannung getrieben worden ist. Was ihn im Innern bewegt, stellt er uns als ein Gesicht dar, in welchem die Kirche Sion wie ein von Stürmen erschüttertes von Leviathan bedrohtes Schiff erscheint, welches Maria, die Mutter des Herrn, aus der Bedrängnis errettet. Maria, nachdem sie den unwürdigen Söhnen der Kirche, den Mönchen, ihre Schuld vorgehalten, führt Sion als Braut dem Bräutigam Christus zu, dem sie nun im vertrauten Zwiegespräche ihr Leid klagt und den sie um Schutz gegen die Ehebrecher, d. h. die Simonisten bittet.

Wir befinden uns in der Zeit des Investiturstreites unter

1) Vgl. im allgemeinen P. Krollick, die Klosterchronik von St. Hubert und der Investiturkampf im Bisthum Lüttich, Berlin 1884.

2

Nero (Heinrich IV), der mit Simon dem Zauberer (Wibert) in Rom herrscht und den rechtmässigen Papst, einen Cluniacenser (Urban II), von seinem Sitze vertrieben hat. Auf den trefflichen, friedlich gesinnten Bischof Heinrich (1075-1091), unter dem Lüttich blühte, ist ein Gönner der Simonie gefolgt (Otbert), der sogleich nach seiner Weihe (1. Febr. 1092) die Klöster, wie er es dem Kaiser auf sein Geheiss eidlich versprochen, an unwürdige Simonisten vergiebt. In St. Lorenz zieht an Stelle des erprobten allverehrten Berengar der früher (1075) mit Recht abgesetzte Wolbodo wieder ein, in St. Trond Lupo, ein reissender Wolf. Aehnlich ergeht es St. Gérard (Bronium) und Florenne (wo Guarmund und der Probst Gotfrid von Hastière die Leitung erhalten)3. Aber auch weitere Kreise hat das gleiche Uebel ergriffen: wie Gregor VII. in der Verbannung sterben musste, so ist es ähnlich den ehrwürdigen Bischöfen (Hermann) von Metz und (Adalbero) von Würzburg ergangen und die Kirchen von Worms und Áglei1 haben bei Lebzeiten des rechtmässigen Gatten Ehebrecher im Besitze. Schon ist seit der Einsetzung Wolbodos das dritte Jahr verflossen und im vierten (d. h. 1095) haben sich in der Fremde die schon früher wie die kürzlich ausgetretenen Mönche zusammengefunden. Diese alle will der Dichter zum Ausharren ermuntern, indem er warnend auch auf die ungerechte Absetzung des Abtes Theoderich von St. Hubert im J. 1093 hinweist.

Wir ersehen hieraus sehr bestimmt den Zeitpunkt der Abfassung unseres Gedichtes: die Austreibung der dem Abte Wolbodo widerstrebenden Mönche durch Otbert erfolgte am 21. März 1095, die Wiedereinsetzung Berengars und Wiederaussöhnung desselben mit dem Bischofe am 9. August desselben Jahres. In die Zwischenzeit muss die Entstehung der Dichtung gehören. Dass dieselbe unvollendet blieb, möchte sich wohl aus der raschen Herstellung des verjagten Abtes erklären, der nachmals bis an sein Ende (1115) mit dem

1) Diese Eigenschaft Urbans wird oft erwähnt, auch u. a. im Chronicon S. Huberti c. 68. 2) 'Beringerum in religione probatissimum' nennt ihn Rupert (Chron. S. Laur c. 44) ähnlich wie unser Gedicht. 3) Chron. S. Huberti c. 70 (SS. VIII, 602), Rodulfi Gesta abbat. Trudonens. III c. 11 (SS. X, 251). 4) Neben Hermann von Metz († 1090) standen als Gegenbischöfe Walo und Bruno, neben Adalbero († 1091 zu Lambach) Meginhard und Emehard (seit 25. Juli 1089, Ann. Hildesh.), neben Adalbert von Worms (1070-1107) Tietmar († 1085 nach Ann. Hildesh., S. Albani), Winitherus Abt von Lorsch (1085–88, Chron. Lauresh. SS. XXI, 421 und Bernoldi ann. 1088, V, 447) und Ebbo (Chron. Lauresh.), in Aquileia, auf welches sich der Timavo bezieht, kenne ich nur den kaiserlich gesinnten Patriarchen Uodalrich (1086-1121). 5) Rupert schreibt c. 49: 'sic ecclesia ista per trium mensium spatium dispersis filiis desolata permansit'.

Bischofe im besten Einvernehmen stand. Denn wenn auch der Streit über die Simonie im Bisthum Lüttich damit keineswegs sein Ende erreicht hatte und die alten Gegensätze fortdauerten, so war doch für den Dichter der grösste Stein des Anstosses aus dem Wege geräumt, indem mit dem rechtmässigen Abte die frühere Ordnung in sein Kloster zurückkehrte.

Wer aber ist der Verfasser unserer Verse, die durch ihren Wechsel an Boethius erinnernd jedenfalls eine grosse Gewandtheit in der lateinischen Metrik verrathen? Wenn es auch in der trefflichen Lütticher Schule keineswegs an Dichtern feblen konnte, so läge es doch besonders nahe, an Rupert, den späteren Abt von Deutz († 1135) zu denken, der als Mönch im Lorenzkloster ein Schüler des Abtes Berengar war 2. Durch eine Reihe von Auslegungen zur heil. Schrift, darunter gerade des Hohenliedes und der Offenbarung Johannis, auf die in unseren Gedichten Bezug genommen wird, zeigt er eine innige Vertrautheit mit derselben, seine Beschäftigung mit der lateinischen Dichtkunst beweisen nicht nur häufige Citate aus Vergil, Horaz, Terenz, Lucan in seinen theologischen Werken, er bezeugt ausdrücklich, dass er sich im Dichten versucht habe. In seiner Klosterchronik giebt sich ganz dieselbe der Simonie überaus feindliche Gesinnung kund wie in dem Gedichte, sogar der aus der Offenbarung stammende Vergleich des Bösen mit einem Drachen kehrt an beiden Orten wieder 4. Von den ihm zu Theil gewordenen Traumgesichten spricht Rupert in einer an den Bischof Cuno von Regensburg gerichteten Ausführungs. In der Klosterchronik aber findet sich

1) Das in der Rede der Maria (IV) angewendete Versmass findet sich bei Boethius De consol. philos. IV, 5, der Adonische Vers in V ebd. I, 7. 2) Dies erwähnt er selbst in der Widmung an Cuno, angef. SS. VIII, 261 n. 4; Gesta abbat. Trudon. 1. XI c. 13, SS. X, 333. 3) Commentar. in Math. 1. XII (SS. XII, 624) 'dum metricis pedibus verba ligando, ut in scholaribus assuetus eram, longum in paucis sermonibus laborem insumerem'; Reineri De ineptiis cuiusd. idiotae (SS. XX, 595) 'cum adhuc esset iunior scripsit libellum metrice in laudem spiritus sancti' u. s. w. 'De hac eadem quoque materia (d. i. die Geschichte der Lütticher Kirche) aliud opusculum saphyco confecit metro'. In dem Kataloge der Bibliothek des Lorenzklosters (Jahrb. der Alterthumsf. im Rheinl. L, 230) 'libellus eiusdem Roberti de diversis scripturis metrice compositis' (tus?). 4) Chronic. 4 'quia draco ille magnus et rufus, qui in apocalypsi Iohannis, quia mulierem quae peperit et filium eius masculum devorare non potuit, adiecit bellum facere cum reliquis de semine eius. . adiecit semper bellum facere nobiscum'. Gerade im Jahre 1093 glaubte man am Himmel einen feurigen Drachen zu sehen, s. Ann. Hildesh. 1093, Laubiens. (SS. IV, 21) 1094 'et visus est igneus draco volare per aerem'. 5) Comment. in Matth. 1. XII spricht er von Erscheinungen, die ihm im Schlafe za Theil wurden, vgl. auch Reiner, De ineptiis (SS. XX, 596): 'Qua ex re superfluum non fuit, quod aspexerat aliquando in visu noctis sapientiam dei, verbum dei se deosculans' u. s. w. 12

Neues Archiv etc. XI.

sogar eine kurze Erzählung von einem Gesichte, dessen einer der Mönche gewürdigt worden, die allnächtlich vor dem Altare der Jungfrau und am Grabe des heil. Bischofs Wolbodo beteten: 'quod acceptum fuisse supernis revelationibus indicatum est. Nam vidit quisquam navim cum monachis in mari turbatam, a beata Maria ad littus perductam fuisse sanctumque episcopum Wolbodonem ad altare sancti Laurentii sacrificium laudis obtulisse et baculum pastoralem Wolbodonis in manu eius fractum per innumeras partes dissiluisse'. Fast scheint hierin eine unmittelbare Beziehung auf den Inhalt unseres Gedichtes und vielleicht eine Andeutung des fehlenden Schlusses zu liegen. Rupert spräche demnach an dieser Stelle von dem, was er selbst erlebt. Dass unser Gedicht bei Reiner und sonst unter den Werken Ruperts nicht erwähnt wird, wäre deshalb kein entscheidender Gegenbeweis, weil es als eine unvollendete Jugendarbeit sicherlich keine grössere Verbreitung finden konnte. Gerade die Unmittelbarkeit dieser Zeitstimme verleiht ihr aber besonderen Werth in unseren Augen.

I.

Nunc agit bellum draco bellicosus.
Ei mihi! quantis spoliis onustus 1
Tercias stellas trahit illigatas

Cauda draconis 2!

5 Spiritus caelos faciens et ornans,
Fecerat solem pariterque lunam,
Fecerat stellas etiam minores,
Ordine ponens.

Presules tales hodie videmus,
10 Sol quod elapsus superis videtur;
Talis abbatum status, ut ruisse
Luna putetur.

Syderum non est numerus minorum,
Quae trahit secum draco de supernis:
15 Clerici tot sunt monachique tanti
Prava sequentes.

Dixerat quondam tenebrosus ille,
Quod super montem Syon ascenderet.
Nunc sedens, tanquam fuerit locutus
20 Vera, superbit.

Hinc tumens calcat populum fidelem;
Ordines sacros emit atque vendit,
Et dei servos melius volentes

Longius arcet.

1) Aen. I, 289 'spoliis Orientis onustum'. 2) Vgl. Apoc. 12, 3-4 'Et cauda eius (sc. draconis) trahebat tertiam partem stellarum caeli'.

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Cum mecum tacitus ista revolverem
Nam tunc expulerat me Symon exulem
Post noctem mediam gratus, uti solet
Mestum me tenuit sopor.
5 Statim pervideo, quale periculum
Nunc est aecclesiae quamque periculis
Nobis in mediis proximus est. deus,
Et virgo genitrix dei.

Quandam naviculam per mare turbidum
10 Venti dispulerant, undaque turgida
Compages laterum pene resolverat:
Pars turbae trepidae fui.

Venti quattuor hinc undique corruunt;
Huc Arcton, Borean, Meridies, Nothum3
15 Torquent, et Zephiro perstrepit Occidens.
Eurus solus adest domo.

20

Concertant validis undique viribus,
Quis de navicula plus sibi vindicet.
Vinci non patiens alter ab altero,

Nunc vincit, modo vincitur.

Tum sic omne latus combibit equora,

Quod summas tabulas iam mare vicerat.

1) Apoc. 12, 15 'Et misit serpens ex ore suo post mulierem aquam tamquam flumen, ut eam faceret trahi a flumine'. 2) 'Qadam' cod. 3) Ita cod.

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