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Aus dem Zusammenwirken der neuen Technik, des neuen Rechtes, der persönlichen Freiheit, der vordringenden Geldwirtschaft, der bestehenden Gesellschaftsverhältnisse, der Bevölkerungszunahme ergab sich das neuere Arbeitsverhältnis, der moderne Stand von Lohnarbeitern, seine Basierung auf den freien Arbeitsvertrag. Das Wesentliche ist dabei folgendes.

Nicht mehr bloß jüngere Leute stehen in abhängigen dauernden Arbeitsstellungen, sondern auch verheiratete Familienväter und Frauen; ein großer Teil der Arbeitenden hat keine Hoffnung, wie es früher vielfach der Fall war, mit den Jahren an die Spiße eines Kleinbetriebes zu kommen; die Mehrzahl der Arbeitenden verkauft nicht einzelne Arbeitsleistungen, wie die Dienste leistenden Handwerker, sondern sie verrichten in einem wenn auch löslichen, doch festen und ihre Lebensführung beherrschenden Arbeitsverhältnis für einen Arbeitgeber täglich bestimmte, gleichmäßig sich wiederholende Dienste und Arbeiten. Aber dafür ist auch für die Mehrzahl der Arbeiter durch eine gleichmäßig fortgehende Einnahme die Eristenz wenigstens einigermaßen gesichert; eine erbliche oder lebenslängliche Berufsbindung, wie früher, besteht nicht; jeder kann seiner Fähigkeit ent= sprechend sich seinen Verdienst suchen wo und wie er will. Darin lag eben der wesentliche Fortschritt. Der Arbeiter ist selbst für sein Schicksal mitverantwortlich gemacht; und wenn erst langsam das rechte Gefühl dieser Verantwortlichkeit sich bildete, wenn es zunächst nur eine Elite haben konnte, die übrigen ohne die alten Gängelbande teilweise zurückgingen, der Segen der Freiheit trat doch nach und nach ein, zeigte sich in dem Maße, wie der Arbeitsvertrag sich richtig ausgestaltete, der Arbeiterstand sich hob. Auch wo der größere Teil der Arbeitenden erhebliche andere wirtschaftliche Mittel der Existenz nicht hat als den täglich verdienten Lohn, der nur bei den höheren Stufen sich in Jahresgehalte mit dauernder Anstellung verwandelt, konnten Reformen aller Art das Arbeitsverhältnis verbessern, wie wir an anderer Stelle sehen werden. Hier seien nur noch die Ursachen kurz berührt, welche bei der Entstehung des modernen Arbeitsverhältnisses (1770-1870) die gesunde Ausgestaltung desselben zuerst erschwerten.

Zahlreiche der älteren Gruppen lebenslänglicher Arbeiter, wie 3. B. die Berg- und Salinenarbeiter, auch ein Teil der älteren städtischen und ländlichen Arbeiter hatten bisher eine ihre Lebensstellung einigermaßen sichernde korporative Verfassung; oft schütte sie eine obrigkeitliche Lohnregulierung; das hörte nun plötzlich

mit der neuen wirtschaftlichen Freiheit auf. Fast alle ländlichen, aber auch ein Teil der städtischen Arbeiter und kleinen Leute hatten noch im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Stückchen Garten, einen Anteil der Allmende; sie hatten noch eine kleine naturale Eigenwirtschaft, konnten eine Kuh halten, Schweine und Hühner füttern, hatten damit eine einigermaßen gesicherte Ernährung. Aber das hörte 1770-1870 für einen erheblichen Teil auf. Die Arbeiter sollten, plößlich in die Geld- und Marktwirtschaft gestellt, nun alles bezahlen, was sie brauchten; das konnten sie nur in Generationen erlernen. Erst die langsam sich bildenden gänzlich anderen geld- und marktwirtschaftlichen Gewohnheiten, dann die Gewerkschaften, Genossenschaften, Arbeitervereine gaben ihnen wieder eine bessere Stellung, gaben ihnen den Rückhalt, den sie einst in ihren Korporationen, ihren Gemeinden gehabt hatten; erst sehr langsam konnte an die Stelle des alten Haus- oder Gartenbesizes das Sparkassenbuch, der Anteil an einer Genossenschaft, der Rückhalt einer Versicherung treten. Wir kommen auf die einzelnen Seiten des heutigen Arbeitsvertrags in unserem zweiten Buche zurück.

Hier hatten wir nur die Entstehung des freien Arbeiterstandes flarzulegen als ein Glied in der Kette der gesellschaftlichen Arbeitsund Berufsteilung. So Verschiedenes er umfaßt, wie einst die Skla= verei und die Hörigkeit, alle, welche wir zu ihm rechnen, stehen nicht bloß unter einer ähnlichen Rechts- und Wirtschaftsinstitution, sondern zeigen auch den übereinstimmenden Zug, daß sie die mehr ausführende, die mehr mechanische Arbeit arbeitsteilig zu leisten haben, daß sie durch diese Teilung an ihre Arbeitgeber gekettet sind, daß beide zusammen eine gesellschaftliche Organisation darstellen.

Wir gehen hier nur noch mit einigen Worten auf die Frage ein, wie groß dieser Lohnarbeiterstand sei und aus welchen einzelnen Ele= menten er sich zusammenseße. So wenig sicher die statistischen Grundlagen hiefür sind, so geben sie doch einigen Anhalt. Für den alten preußischen Staat möchte ich folgende, freilich weder erschöpfende noch ganz sichere Angaben wagen. Es gab etwa (für 1867 ist das alte Preußen gemeint):

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Also ohne Dienstboten von 1816-67 eine Zunahme von 1,3 auf 3,9, mit ihnen von etwa 2,3 auf 4,9 Mill.; in Prozenten der ganzen

Bevölkerung ein Wachstum von 13 auf 19, mit den Dienstboten von 22 auf 24 %; der ganze preußische Staat dürfte 1867 etwas über 5, mit Dienstboten etwas über 6 Mill. Arbeiter gehabt haben; im Jahre 1895 zählte Preußen in Landwirtschaft, Industrie und Handel 7,5 Mill. Arbeiter, 1907 10,8 (ohne Dienstboten). Das Deutsche Reich hatte nach den Berufszählungen von 1882 10,7, von 1895 12,8 Mill. Arbeiter in diesen Produktionszweigen (ohne 0,6 Mill. höhere Angestellte, 0,4 Mill. wechselnde Lohnarbeiter und 1,3 Mill. Dienstboten, auch ohne die Post und die Eisenbahn); das waren 1882 23 %, 1895 25 % der Gesamtbevölkerung. Im Jahre 1907 waren es 17,8 Mill. oder 29 % der Bevölkerung. Auf die entsprechenden Zahlen der anderen Staaten kommen wir unten.

Eine große Zunahme der Arbeiterbevölkerung ist also von 1800 bis heute sicher eingetreten; immer erreicht sie auch heute noch nicht die relative Zahl der Sklaven oder gar der Hörigen früherer Zeiten. Die verschiedene Zunahme der Zahl der Lohnarbeiter in den einzelnen Volkswirtschaften wird davon abhängig sein, wie früh und rasch der kleine Bauern- und Handwerkerstand abnahm, der Großbetrieb zu= nahm; im Süden und Osten Europas wird der Arbeiterstand also weniger umfangreich sein als in England, wo die frühe Vernichtung des Bauernstandes ihn schon vom 16.-18. Jahrhundert anschwellen ließ. Mag die Erhaltung des Bauernstandes für jedes Land, da und dort auch die Erhaltung des kleinen Handwerkers ein Glück sein, im übrigen darf die Zunahme des Lohnarbeiterstandes nicht unter allen Umständen als ein ungünstiges Symptom, als eine Vernichtung des Mittelstandes, auch nicht bedingungslos als eine Zunahme abhängiger Eristenzen gedeutet werden. Sie ist an sich ein Zeichen moderner Technik und Betriebsverhältnisse, kann proletarisches Elend, aber auch je nach Zusammenseßung, Lohn, Arbeitseinrichtungen eine neue Füllung des Mittelstandes, gesunde Verhältnisse der unteren Klassen bedeuten.

Das Verhältnis der Lohnarbeiterzahl zur Gesamtbevölkerung gibt überdies auch statistisch noch keinen erschöpfenden Aufschluß über die Bedeutung derselben gegenüber den Unternehmern und über die unter ihnen und in den Hauptberufszweigen stehenden Arbeiterfamilien. Darüber noch einige Worte und Zahlen.

Im Jahre 1907 kamen in Deutschland in den drei großen Gebieten der Landwirtschaft, der Industrie und des Handels sowie in Lohn= arbeit sonstiger Art, in den freien Berufen und im öffentlichen Dienst mit Ausnahme des Heeres nach der Berufszählung:

auf die

Erwerbstätige allein

Erwerbstätige mit
ihren Angehörigen

Selbständigen (Unternehmer) 6,0 Mill. od. 22,1% 17,4 Mill. od. 31,1%

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Zusammen 27,4 Mill. od. 100,0% 56,0 Mill. od. 100,0%

Lohnarbeiter und Dienstboten machen also unter den Erwerbs= tätigen 56,5 % aus. Ein Teil der mithelfenden Angehörigen gehört zur Arbeiterklasse, ein großer Teil zur Selbständigenschicht. Von den 4,3 Mill. mithelfenden Familienangehörigen sind 54 % ledig, 50 % jüngere Leute unter 30 Jahren. Verheiratete männliche Lohnarbeiter sind vorhanden: 5,2 Mill. oder 49 %, ledige ebenfalls 5,2 Mill. oder 49 %, verheiratete weibliche nur 0,7 Mill. oder 13,7 % gegenüber 3,8 Mill. oder 78 % ledigen, zusammen verheiratet 5,9 Mill. (von den 15,5 Mill. Arbeitern); es werden also, da wohl viele der verheirateten Männer und Frauen derselben Familie angehörten, nicht viel über 5 Mill. Arbeiterfamilien in Deutschland 1907 auf die 13 Mill. Familien des Reiches eristiert haben. Von den männlichen Lohnarbeitern waren 5,6 Mill. oder 53 %, von den weiblichen 3,5 Mill. oder 71 % unter 30 Jahren. Wenn man männliche und weibliche Arbeiter trennt, dann überwiegen bei den männlichen Lohnarbeitern die ledigen die verheirateten nicht; beide machen je 49 % (1907) aus, der Rest (2%) sind Verwitwete und Geschiedene; 1895 waren von allen männlichen Lohnarbeitern 52 % ledig. Wir sehen zugleich daraus, daß unter den Gesamtzahlen unserer Arbeiter auch heute noch die jungen, ledigen Leute, die unverheirateten, überwiegen, daß unter ihnen viele Tausende sind, die später in Unternehmer- oder andere Stellungen einrücken, dem Mittelstand, teilweise den höheren Klassen angehören, sich in andere Kreise verheiraten. Unsere heutige Statistik muß den Millionärssohn, der als Kommis in einem Ge= schäfte arbeitet, die Tochter des Bauern, die irgendwo dient, ebenso zum Arbeiterstande rechnen, wie den letzten proletarischen Arbeiter.

Auf die Scheidung des Lohnarbeiterstandes in gelernte und ungelernte Arbeiter, in eine Hierarchie von Kreisen, deren obere Be= amtenqualität haben oder sich ihr nähern, den liberalen Kreisen, dem Mittelstand angehören, ebenso sehr geistige wie mechanische Arbeit verrichten, haben wir nicht hier, sondern im zweiten Buche einzugehen. Diese Differenzierung des Arbeiterstandes selbst ist aber eine der wichtigsten und auch der erfreulichsten Erscheinungen der neuesten volkswirtschaftlichen Entwickelung.

6. Die Scheidung von Landbau und Gewerbe.

Die landwirtschaftliche und die gewerbliche Arbeitsteilung. Einzelne Stämme sind seit urdenklichen Zeiten je nach Rasse, Klima und Boden, nach Wohnsitz, nach Flora und Fauna ihres Landes bloße Jäger, bloße Fischer oder bloße Viehzüchter, bloße Ba= nanen- oder Maisesser geblieben, haben ihre agrarische Wirtschaft nicht zu der vielseitigen Gestalt ausgebildet wie die Indogermanen und Semiten, teilweise auch andere Rassen in den gemäßigten Zonen mit ihrer Verbindung von Ackerbau, Viehzucht, Forstnußung und mancherlei Nebengewerben. Diese höheren Rassen haben mit ihrer Haus- und Familienwirtschaft den Hack- zum Ackerbau entwickelt, ihn mit der Viehzucht, mit der Flachs- und Wollverarbeitung, mit der Herstellung von Werkzeugen und Waffen in mancherlei Art verbunden. Die häusliche familienartige Arbeitsteilung wies Mann und Frau, den einzelnen Söhnen und Töchtern, den männlichen und weiblichen Sklaven je besondere Tätigkeiten zu. Es war eine vom Familienvater geleitete Arbeitsteilung, die je nach der Größe der Familic und dem Hilfspersonal schon ziemlich weit gehen konnte und erhebliches leistete, sich bei vielen Völkern lange in ihren traditionellen Geleisen erhielt. Die antike Großfamilie mit Dutzenden, ja Hunderten von Sklaven, die mittelalterlich grundherrliche Fronhof-, Kloster, Abtei-, Fürstenwirtschaft war ein hauswirtschaftlicher Großbetrieb mit einer erheblichen Zahl Hausämter für Kriegsrüstung, Stall, für Vorratshaltung in der Kammer, für Küche und Keller, mit einer Anzahl Werkstätten und technischen, unfreien Arbeitern. In den großen Patrizierhäusern, großen Gutswirtschaften, fürstlichen Haushaltungen dauert bis heute eine solche weitgehende Arbeitsteilung fort. In dem Haushalt des Sultan Abdul Asis waren in unseren Tagen noch 6124 Personen arbeitsteilig beschäftigt, 359 allein für den Küchendienst.

a) Die Scheidung von Landbau und Gewerbe. Die lezten Jahrhunderte haben diese Großfamilienwirtschaften mehr und mehr auch bei den höheren Klassen beseitigt; die Geld- und Marktwirtschaft löste sie auf; die Arbeitsteilung in der neuen Unternehmung zwischen den führenden und führenden und den arbeitenden Kräften und die berufliche Arbeitsteilung traten an die Stelle. Die neuere Kleinfamilie kauft mehr und mehr fertige Produkte, beschäftigt einzelne Handwerker auf Tage und Stunden. Es scheiden sich Landbau und Gewerbe als große Berufsgruppen und in ihnen

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