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des Klerikers und Patriziers sich wieder in ähnlicher Weise umwandelte in die demokratische Schreiber-, Gelehrten- und Künstlertätigkeit, die nach Lohn geht, drohten ähnliche Gefahren. Man lese die Schilderung nach, die Burkhardt von dem fahrenden Gelehrten des 15. Jahrhunderts entwirft, man erinnere sich, wie heute noch vielfach Schauspieler und Journalisten sich aus den Personen rekrutieren, die moralisch oder sonstwie in anderen Karrieren Schiffbruch gelitten. Aber im ganzen hat die Entwickelung unseres neueren Schul-, Studien-, Examenwesens, auch das Vereinswesen, die Ärztekammern mit ihren Ehrengerichten und anderes derart die meisten liberalen Berufe zu festen Laufbahnen umgebildet, führt den einzelnen Gruppen überwiegend homogene Elemente meist aus dem Mittelstande zu, hat eine feste Standesehre, feste Sitten und Gewohnheiten über Berufspflichten, sichere Anstandsschranken des Gelderwerbes geschaffen. Damit haben diese liberalen Berufe einen gänzlich anderen Charakter erhalten, als sie ihn, von den Priestern abgesehen, früher hatten. Die Familien, welche ihre Söhne den liberalen Berufen widmen, sind mehr oder weniger eine soziale Klasse für sich geworden, die weniger durch Be= sit als durch persönliche Eigenschaften sich auszeichnet, eine Klasse, die doch jedem Talentvollen offensteht, hauptsächlich aber aus den jüngeren Söhnen des Mittelstandes sich ergänzt. Die liberalen Be= rufe haben dem ganzen Mittelstande, der sonst überwiegend dem Geschäfte und dem Erwerbe lebt, eine edlere Denkungsart eingeimpft und gewisse geistige Schwungkräfte verliehen, den nackten egoistischen Klasseninteressen anderer Kreise ideale Gegengewichte gegeben. Die liberalen Berufe haben vielleicht zeitweise mit abstrakten Theorien Staat und Gesellschaft zu sehr beeinflußt. Im ganzen aber wurden sie die eigentlichen Träger des wissenschaftlichen Fortschrittes, des Idealismus, der vornehmen Gesinnung. Der Stand unserer heutigen Geistlichen und Lehrer, unserer Ärzte und Gelehrten, unserer Künstler und Beamten übt durch seine Berufstätigkeit wie durch die im ganzen diskrete und anständige Art seiner Entlohnung einen außerordentlich großen Einfluß auf die Weiterentwickelung von Gesellschaft und Volkswirtschaft aus.

Die Gesamtheit der Personen, welche heute zu den liberalen Berufen gerechnet werden, hat sich in den leßten hundert Jahren außerordentlich vermehrt. Der Staats- und Gemeindedienst nimmt gegen früher immer zahlreichere Personen in Anspruch; beschäftigt doch allein die preußisch-hessische Eisenbahnverwaltung etwa 1/1⁄2 Mill. Menschen, ebensoviel wie der preußische Staat 1816–20 Handwerks

meister und mehr als er damals spannfähige Bauern hatte. Deutschland zählte in Heer, Marine, öffentlichem Dienst und liberalen Be= rufen 1882 etwas über 1 Mill., 1895 1,4 mil., 1907 1,7 Mill. Personen, Frankreich in denselben Berufen 1,4 Mill., auch Großbritannien und Irland 1,5 Mill. Die wachsende Zahl der in freien Berufen Tätigen, der Journalisten, Künstler, Ärzte, Schriftsteller fällt auch immer mehr ins Gewicht. Und diesen Gruppen zur Seite tritt mehr und mehr das private Beamtentum, das 1907 schon über 1,6 Mill. Personen in Deutschland zählt. Alle diese Kreise beziehen ihr Personal aus der oberen und unteren, vor allem aber aus den mittleren Schichten der Gesellschaft. Ihre Einnahmen wie ihre Sitten, ihre Rechts- und soziale Stellung zeigt große Abweichungen wie ihr Bildungsgang. Und doch haben sie viel Gemeinsames; die einzelnen Kreise beginnen sich zu organisieren, die Gesamtheit sich als Klasse zu fühlen; die Gegensäße zu den Unternehmern und den Arbeitern wachsen, wie der Gesamteinfluß dieser Kreise auf Staat und öffentliche Meinung. Alle diese Elemente nehmen gleichmäßig an einer über der Volksschule stehenden Bildung und Gesittung, an gewissen gesellschaftlichen Lebensformen teil. Ihre soziale Bedeutung liegt darin, daß ihr Lebensinteresse nicht auf das Geschäftemachen, auf den Erwerb gerichtet ist, daß sie von Gehalten im wesentlichen leben, deren Skalen in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Viele haben mit weiten Unternehmerkreisen die höhere Bildung, fast alle haben mit den Arbeitern die ökonomische Grundlage gemein.

Die Entwickelung dieser ganzen Klasse im einzelnen für die ver= schiedenen hieher gehörigen Berufskreise darzulegen, in jedem einzelnen die weitere Teilung der Arbeit zu verfolgen, würde zu viel Raum fordern; es gehörte dazu eine Schilderung der Erziehungseinrichtungen, der Karrierebedingungen, der verschiedenen Staffeln in jeder Laufbahn, der Art und Höhe der Bezahlung; es müßte nachgewiesen werden, aus welchen sozialen Schichten und warum aus ihnen die einzelne Gruppe sich rekrutiert. Man müßte bei der Be= sprechung der Beamtenkarriere zuerst eine Geschichte der Ämter geben, zeigen, wie die höheren, mittleren und untergeordneten Ämter, wie die Berufe der Offiziere, Richter und Verwaltungsbeamten nebeneinander entstanden sind, wie erbliche, Wahl-, Ernennungsämter nachund nebeneinander vorkamen, wie das Besoldungswesen und die unbesoldeten Ehrenämter sich gestalteten. Es würde all das hier zu weit führen. Nur das sei zum Schluß bemerkt, daß die ganze Entwickelung des staatlichen Verfassungs- und Verwaltungsapparates

unter dem Gesichtspunkte der Arbeitsteilung betrachtet werden kann und sich von ihm aus eine Reihe fruchtbarer wissenschaftlicher Gedankenreihen eröffnet.

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b) Die persönliche Arbeitsgliederung wird im Anschluß an die Natur und Verkehrsverhältnisse zur räumlichen Arbeitsteilung; diese drückt sich aus in der geographischen Verteilung der landwirtschaftlichen und gewerblichen Produktionszweige, in den gesamten Wohnungs- und Siedelungsverhältnissen der Menschen mit Rücksicht auf ihren Beruf.

Wo Stadt und Dorf nebeneinander entstehen, da ist der erste große Schritt räumlicher Arbeitsteilung vollzogen; die Landwirtschaft sucht das Land, Gewerbe und Verkehr die Stadt auf. Es entstanden die stadtwirtschaftlichen Systeme mit ihrer räumlichen Gliederung. Die Stadt selbst erhielt in ihrem Zentrum Markt, Kirche, Rathaus, Münze, Wage, Gasthäuser, in ihrer Peripherie die Wohnungen, dann die landwirtschaftlichen Gebäude, die Wein- und anderen Gärten, sowie ihr Ackerland und ihre Weide. Die Dörfer in nächster Nähe der Stadt fingen an, die rasch verderblichen, schwer transportablen Rohprodukte, Gemüse, Milch, Blumen, Stroh, Heu, Kartoffeln zu erzeugen; von den etwas entfernteren Dörfern kam mehr nur Getreide, von den ferner liegenden Landbezirken das Vieh, die Wolle und ähnliche leichter transportable Produkte. Thünen hat, indem er die Einwirkung der Transportkosten auf den Standort der Landwirtschaftszweige studierte, in seinem isolierten Staate diese örtliche Arbeitsteilung der Bezirke, wie sie unter dem Einflusse eines einheitlichen städtischen Marktes sich gestalten muß, zuerst richtig erfaßt, sie gleichsam in ein abstraktes Schema gebracht. Es sind die Zustände, die zugleich die ältere Stadtwirtschaftspolitik erklären, wie sie am deut= lichsten sich da herausbildeten, wo in einem Kleinstaate nur ein be= herrschender städtischer Mittelpunkt vorhanden war.

Wo Wasserverkehr ist, oder ein verbesserter Landverkehr entsteht, beginnt die Arbeitsteilung zwischen verschiedenen Städten und Gegenden. Hauptsächlich zur Blütezeit der antiken Weltreiche und in der neueren Zeit hat diese fortschreitende räumliche Arbeitsteilung eine wachsende Bedeutung erhalten. Sie war Schritt für Schritt verknüpft mit der Herstellung größerer Staaten und freier Märkte in ihrem Innern; das Hinterland mußte seine Küsten und Flußmündungen zu erwerben suchen, die Industriegegend bedurfte ihrer Handelsplähe und Ackerbaudistrikte; die intensivste Arbeitsteilung seßt stets staatliche Zusammengehörigkeit voraus, wie umgekehrt jede staatliche Zusammen=

gehörigkeit mit der Zeit darauf hinarbeitet, daß die politisch verbundenen Teile auch durch eine erhebliche wirtschaftliche Arbeitsteilung verknüpft werden. Alle moderne nationale Wirtschafts- und Schußzollpolitik beruht darauf. Daneben aber greift dieselbe Tendenz der lokalen Arbeitsteilung doch notwendig über die einzelnen Staaten hinaus; erst befreundete und benachbarte, später alle zivilisierten Länder kommen miteinander in Verkehr auf Grund völkerrechtlicher Abmachungen und handelspolitischer Verträge. Aus der interlokalen wird die internationale Arbeitsteilung; aus den Nationalwirtschaften hat sich neuerdings die Weltwirtschaft entwickelt, die ihr Ideal im allgemeinen Weltfrieden und im Siege des Freihandels hat. Die beiden Tendenzen der nationalen und der internationalen Arbeitsteilung gehen gleichberechtigt nebeneinander her; so oft sie sich auch bekämpfen, müssen sie immer wieder die den realen Verhältnissen angepaßten Kompromisse schließen.

Für Deutschland sehen wir hauptsächlich seit dem 15. Jahrhundert die interlokale Teilung zwischen verschiedenen Städten und Gegenden eintreten. Die früher allerwärts blühende Tuchindustrie konzentriert sich auf bestimmte Orte, an den anderen geht sie zurück. Zur selben Zeit fängt die Ulmer und Augsburger Barchentweberei, die Nürnberger Metallindustrie, die Solinger Klingenindustrie, die Baseler Papierindustrie an, mehr für andere Städte als für den lokalen Markt zu arbeiten, wie es schon früher die flandrische und niederrheinische Tuchindustrie getan. Die Messen, auf denen diese interlokale Arbeitsteilung ihre Produkte tauscht, werden für Deutschland von 1500 bis 1800 so wichtig wie früher die lokalen Wochen- und Jahrmärkte. Für viele Orte bedeutete dieser Umbildungsprozeß einen unwiederbringlichen Verlust; zahlreiche kleine Städte sind von da an zurückgegangen; Klagen darüber treffen wir daher auch in Deutschland wie in England seit dem 16. Jahrhundert. Die ältere gewerbliche Universalität jeder Stadt war für immer verloren, wo und insoweit diese interlokale Arbeitsteilung siegte. Roschers Untersuchungen über den Standort der einzelnen Industriezweige enthalten im wesentlichen den Nachweis, daß in älterer Zeit die meisten Gewerbe nur an dem Orte des Absatzes gediehen, später an entfernteren Orten mit bestimmten Produktionsvorteilen. Seine zahlreichen Beispiele enthalten hauptsächlich Beweise der Verschiebung der Standorte innerhalb desselben Landes.

Heute stellt jedes größere Land ein um so ausgebildeteres System räumlicher Arbeitsteilung dar, je ausgebauter sein Verkehrswesen, je

abschließender seine Handelspolitik ist. In der Hauptstadt konzentriert sich heute mehr als früher die Zentralregierung, die Kunst, die Literatur, die großen Kreditgeschäfte; in den großen Hafenplähen konzentriert sich mehr als früher alle Aus- und Einfuhr, schon weil sie allein die besten Docks, Lagerhäuser und Freihafeneinrichtungen haben, weil hieher die fremden Besteller am meisten kommen. Aus Hunderten von kleineren Getreide- und Viehhandelsplätzen werden einige wenige gut gelegene große, wie für Getreide in Deutschland Danzig, Berlin und Mannheim. Während früher jede Stadt Wall und Graben hatte, übernehmen jetzt wenige große Festungen den Schuß des ganzen Staates. Wie die Landes- und Reichshauptstadt, so wachsen die Provinzialhauptstädte durch die Konzentration der Provinzialverwaltung, durch die provinziellen Anstalten, Sammlungen und Schulen. An einer Stelle werden die Irren oder Kranken bestimmter Art für eine Provinz oder einen Bezirk verpflegt, die früher zerstreut waren. Die einzelnen Städte bilden sich mehr und mehr zu städtischen Spezialitäten aus. In wenigen Punkten oder Gegenden konzentrieren sich die großen Industrien des Maschinenbaues, der Spinnerei, der Weberei, der Gerberei, der Eisenverhüttung, der Zuckerindustrie für den ganzen Staat. Hier sind Fachschulen, Techniker, Maschinenbau, Arbeiterbevölkerung darauf eingerichtet, Ver= kehr und Kreditorganisation paßt sich den speziellen Bedürfnissen an. Den Anstoß hiezu haben die verschiedenartigsten Ursachen gegeben: Gunst der Natur, Einwanderung von Gewerbsleuten, ältere ver= wandte Industrien, besondere Pflege; meist reichen die Keime Jahrhunderte zurück; aber während an anderen Orten die ähnlichen Bestrebungen abstarben, sind sie hier gediehen. Der Konkurrenzkampf war früher ein nur lokaler, heute ist er mindestens ein nationaler, oft ein internationaler; für alle leicht versendbaren Waren ist er so stark, daß er jede nicht unter den günstigsten Bedingungen arbeitende Industrie beseitigt.

Je kleiner nun aber der Staat, je aufgeschlossener er durch das Meer oder die Eisenbahnen nach außen ist, je freier seine Handelspolitik, desto mehr seht sich der Konkurrenzkampf und die Arbeitsteilung über die politischen Grenzen hinaus fort. Die großen kontinentalen europäischen Staaten erzeugen noch 80-90 % ihrer Lebensmittel selbst, Großbritannien nur noch 25-40 %. In der Industrie haben alle europäischen Großstaaten seit zwei Menschenaltern einzelne Branchen verloren, um andere desto mehr auszubilden. So ergänzen sie sich in gewissen Spezialitäten gegenseitig und suchen ihren

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