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ordnete Karrieren und eine stete Beaufsichtigung der Leistungen voraus. Da die Kontrollen aber stets sehr schwierig sind, so kann das System zu Trägheit und Schlendrian Anlaß geben; es wird in den unteren Klassen der Gesellschaft ohne harte Disziplin nicht leicht bestehen können; für die mittleren und oberen kann diese wenigstens teilweise ersetzt werden durch ein hochgespanntes Ehr- und Pflicht= gefühl, durch das Bewußtsein größerer Verantwortung und steter Kontrolle von seiten der Öffentlichkeit. Das System hat vor der naturalwirtschaftlichen Eingliederung in einen Herrschaftsverband den Vorzug, die weitgehendste Arbeitsteilung möglich zu machen bei größter Freiheit des Familien- und des individuellen Lebens in den dienstfreien Stunden. Vor der Bezahlung der einzelnen Ware oder Leistung hat es den Vorzug, den Angestellten vor den täglichen Schwankungen des Marktes zu bewahren, aber den Nachteil, weniger zu Fleiß und Anstrengung anzuspornen, Leistung und Belohnung unvollkommener einander anzupassen.

d) Der Haupterfolg der Geldwirtschaft aber ist die Verwandlung des Tauschverkehrs in das Kaufs- und Verkaufsgeschäft, der älteren gebundenen Arbeitsverhältnisse in das jederzeit lösbare Geldlohnverhältnis: die Produktion der Waren für den Markt und der daran sich schließende Warenhandel, sowie die freien Arbeitsverträge über die Arbeitsleistungen werden das Instrument, die Arbeitsteilung in größerem Maßstabe als je früher durchzuführen. Das System ist einer geographischen Ausdehnung, einer qualitativen Steigerung, einer Verfeinerung fähig, wie keine der anderen Formen. Auf Grund desselben haben sich Landwirtschaft und Gewerbe, Handel und Verkehr in ihrer heutigen spezialisierten Gestaltung ausgebildet. Die bisherige Nationalökonomie hat an diese Form fast ausschließlich gedacht, wenn sie von der Arbeitsteilung und ihren Bedingungen sprach. Daher die bekannten Säße: die Ausdehnung des Marktes sei die Grenze der Arbeitsteilung, die höchste Arbeitsteilung finde statt bei der Produktion der transportfähigsten Waren, deren Markt über die ganze Erde sich erstrecke; größere Arbeitsteilung in der Stadt als auf dem Dorfe, in der dichtbevölkerten als in der sparsam bevölkerten Gegend, im Lande mit Flüssen, Kanälen und Eisenbahnen als in dem mit schlechten Landwegen; größere Arbeitsteilung im Gewerbe als in der Landwirtschaft mit ihren schwer transportfähigen Waren. Kurz die Lehre: der Verkehr und seine Ausbildung sei das große Schwungrad für die Ausbildung der Arbeitsteilung.

Der Markt, die Börse, das Maß-, Gewichts- und Geldwesen, die

Unternehmung, das Arbeitsvertragsrecht sind die sozialen Institutionen, die zur Verwirklichung dieser Art von Arbeitsteilung gehören. Angebot und Nachfrage, sowie Preisbildung auf dem Markt sind die sozialen Hilfsmittel, um die Zirkulation der Güter und Arbeitsleistungen in Bewegung zu halten. Von all diesen Erscheinungen ist hier nicht näher zu reden.

Die Resultate dieser Art der Arbeitsteilung sind bald über alle Maßen verherrlicht, bald maßlos angegriffen worden. Sicher ist, daß durch diese Arbeitsteilung die Individuen bei steigender Tätigkeit für andere doch unabhängiger voneinander werden, daß die höhere wirtschaftliche und sittliche Entwickelung der Individualität mit ihr in Verbindung steht, daß sie aber auch die Menschen zunächst trennt und in scharfe Konflikte und Interessengegensäße hineinführt, daß die Ausbildung der richtigen Institutionen, Gefühle und Sitten so viel Schwierigkeiten macht, daß die richtigen Grenzen und Gegenge= wichte gegen übermäßige Arbeitsteilung hier oft lange nicht gefunden werden. Wenn diese Form der Arbeitsteilung also auch bei vollendeter Ausbildung einerseits freie Bewegung und Wegfall von Zwangsmaßregeln, andererseits eine im ganzen zunehmende Gerechtigkeit der Einkommensverteilung herbeiführt oder wenigstens nicht ausschließt, so ist doch der allgemeine Saß Dürkheims, daß die zunehmende Arbeitsteilung stets wachsende Solidarität bedeute, nur be= schränkt wahr; das ist mehr eine ideale Möglichkeit als eine Wirklichkeit, wenigstens für unsere heutige sich umbildende, an Krisen und an Verkümmerung großer sozialer Klassen leidende Volkswirtschaft. Und daß diese Mißstände mit der so gestalteten Arbeitsteilung, mit den aus ihr entsprungenen Institutionen entstanden sind, resp. sich sehr vermehrten, wird man nicht leugnen können. Es fragt sich nur, ob diese Übelstände nicht doch gegenüber den älteren und anderen Rechtsformen der Arbeitsteilung und ihren Härten die geringeren, ob sie nicht zu beseitigen sind. Und jedenfalls wird jede denkbare Organi= sation der Volkswirtschaft mit einer irgendwie vollzogenen Mischung der vier erwähnten Formen rechnen müssen.

2. Neben den neuen Institutionen, welche die Arbeitsteilung ermöglichen, kommen nun als letzte und doch wohl wichtigste Vorbe= dingung derselben die Veränderungen im ganzen Seelenleben der Menschen. Die Menschen ohne wesentliche Arbeitsteilung werden wirtschaftlich durch das einfache Motiv, ihren Bedarf zu decken, beherrscht und direkt geleitet; die Interessengegensäße sind geringer, Habsucht und Erwerbssinn fehlen; in Hauswirtschaft, Sippe, Stamm,

Gemeinde, Staat entstehen in solcher Zeit unschwer die verbindenden sympathischen Gefühle, ohne welche die Gesellschaft nicht bestehen kann. Mit der Arbeitsteilung hört die klare, einfache Leitung des wirtschaftlichen Handelns nach dem Bedarfe auf; jeder muß nun, statt direkt auf die wirtschaftliche Versorgung loszugehen, nach Arbeitsgelegenheit, Absah, Gewinn, Verdienst sich umsehen, darum mit anderen kämpfen; der Erwerbssinn, die Konkurrenzleidenschaft ent= steht bei den oberen Kreisen; die unteren sollen für ferne, ihnen unverständliche Zwecke arbeiten, was sie lange nur gezwungen, durch Not und Hunger getrieben, tun. In jedes individuelle Leben zieht nun ein kompliziertes System von wirtschaftlichen Motiven ein: Hunger und Durst, die Vorstellung der Bedarfsdeckung wirken noch mit, aber müssen auf komplizierte Umwege sich begeben; es muß sich ein vielgestaltiges Lock- und Zwangssystem ausbilden, wobei Lohn und Gewinn, Ehre, Freude am technischen Erfolge, Furcht und Zwang zusammenwirken. Alles individuelle Leben, seine Gestaltung, die ganze Lebensführung wird jezt von dem eingangs erwähnten Kom= promiß von unveräußerlichen Eigenzwecken und gesellschaftlichen Aufgaben und Pflichten, von Zwecken, die dem einzelnen zunächst nicht als die seinen erscheinen, beherrscht; für solche tätig zu sein, ist schwer zu erlernen; der natürliche Mensch sträubt sich dagegen, wenn er nicht viel dadurch gewinnt. Und wird ihm das gestattet, so geht er leicht über die Grenze, mißhandelt die Schwächeren. Alle Moral, alle Pflichtenlehre muß eine andere, sehr viel kompliziertere werden; alle Erwerbs- und Gewinnarten müssen erst in Recht und Sitte, im Ge= fühl und in der Moral ihre rechten Schranken erhalten. Es ist vielleicht die größte moralisch-psychologische Aufgabe, vor die die Menschheit so gestellt ist.

Alle sozialen Institutionen, durch welche die Arbeitsteilung allein wirken kann, sind abhängig von dem jeweiligen Stande dieses psychologisch-historischen Prozesses; nur große geistige und moralische Fortschritte können ihn so gestalten, daß die Arbeitsteilung als rein segensreich sich darstellt. Alle Institutionen der Gesellschaft müssen außerdem so beschaffen sein, daß sie nicht bloß dem Bedürfnisse des Tages, dem heutigen Stande der Arbeitsteilung entsprechen, sondern so, daß sie auch diesen psychologischen Umbildungsprozeß richtig fördern. Wie schwierig ist das! Wie leicht kann aus der fortschreitenden Arbeitsteilung deshalb da und dort mehr Reibung und Kampf, mehr Verwirrung und Druck als vollendete Vergesellschaftung entspringen. Fassen wir das über die Ursachen und Bedingungen der Arbeits

teilung Gesagte nochmal zusammen und vergleichen wir unsere Auffassung mit der älteren, so leiten wir sie in erster Linie aus den geistigen und technischen Fortschritten ab, die mit dichterer Bevöl= kerung in größeren Staaten unter dem harten Drucke des Daseinskampfes entstanden; wir begreifen sie als den elementar notwendigen gesellschaftlichen Anpassungs- und Differenzierungsprozeß, der stets auf eine höhere Form der Vergesellschaftung hinzielt, aber nur unter der Bedingung besserer Moral, vollendeterer gesellschaftlicher Orga= nisationen und Rechtsformen dieses Ziel ohne zu viel Schädigung und Mißbrauch erreichen kann.

Die manchesterliche Nationalökonomie betrachtete von ihrem technologisch-individualistischen Standpunkte aus die Arbeitsteilung als eine Art Wunderwerk, als eine prästabilierte Harmonie, in die sich die selbständig und isoliert gedachten Individuen unbewußt oder ge= lockt durch die Vorteile des Tauschverkehrs gleichsam willenlos einfügen. Der Sozialismus von Marx sah nur in der Despotie des Dorfpatriarchen, des Werkstattvorstehers, des großen Fabrikanten eine vernünftige, weil von oben geleitete Arbeitsteilung, in allen anderen Teilen derselben eine Anarchie, in der nur Zufall und Willkür ihr Spiel treiben und die Marktwerte vergeblich sich abmühen, das Gleichgewicht zwischen den gesellschaftlichen Arbeitszweigen herzustellen. Während jene ältere manchesterliche Auffassung unbedingte Freiheit und Willkür, diese jüngere sozialistische von Marx zentralistischen Despotismus für die Durchführung aller Arbeitsteilung verlangte, sind sie beide das Produkt einer gänzlich unhistorischen, atomistischen und materialistischen Gesellschaftsauffassung. Die Arbeitsteilung ist weder ein absolut harmonischer, noch ein ganz anarchischer, sondern sie ist ein gesellschaftlicher Prozeß, der in der Einheit von Sprache, Gedanken, Bedürfnissen und moralischen Ideen seine Grundlage, in der Einheit von Sitte, Recht und Verkehrsorganisation seine Stützen hat. Sie ist ein Schlachtfeld, auf dem der Kampf um die Herrschaft und der Irrtum ihre Spuren hinterlassen, aber sie ist zugleich eine Friedensgemeinschaft mit zunehmender sittlicher Ordnung. Die Fortschritte der Technik, des Verkehrs, der Bevölkerung rütteln täglich an dem bestehenden Systeme der Arbeitsteilung; je komplizierter das ganze System ist, je rascher es sich ändert und vergrößert, desto leichter kann ein einseitiges Wachsen an dieser oder jener Stelle und damit eine zeitweise Inkongruenz der arbeitsteilig aufeinander angewiesenen Teile eintreten. Nur ein Thor könnte leugnen, daß zeitweise recht ungesunde parasitische Mittelglieder sich in den vielgliedrigen Mecha

nismus der arbeitsteiligen Gesellschaft einschieben. Wir erinnern nur an den Ausspruch J. St. Mills, daß neun Zehntel der englischen Detailhändler entbehrt werden könnten und an die von Roscher beigefügte Anmerkung, die Übersetzung des englischen Detailhandels erzeuge jährlich Bankerotte im Betrage von 40 Millionen Pfund Sterling. Aber solche Unvollkommenheiten liegen in der Schwierigkeit des Problems. Sie beweisen nichts gegen die Beherrschung der Arbeitsteilung durch eine immer verständigere und immer vollkommenere ge= sellschaftliche Ordnung.

Diese Ordnung wird durch geistig-moralische Faktoren erzeugt, sie besteht in einzelnen Teilen aus der leicht umbildsamen Sitte, in anderen aus dem starren und festen Rechte; sie ist teilweise durch Befehle und Geseze von oben her gemacht, teilweise durch Anpassungen, freie Verträge, sowie Gewohnheiten der Beteiligten von unten her entstanden. Jedenfalls fehlen in ihr nie gewisse einheitliche Tendenzen, gewisse geistig-sittliche Faktoren, Vorstellungen über das, was gut, recht und billig sei. Immer sind, auch wo die Ordnung zunächst eine unvollkommene ist, die Anläufe und Ansäße vorhanden, um aus den Härten und Unvollkommenheiten, aus dem zeit- und stellenweisen Mangel an Harmonie herauszukommen zu besseren Einrichtungen. 10. Die gesellschaftlichen und individuellen Folgen der Arbeitsteilung.

Wir haben dieselben schon in den bisherigen Betrachtungen über ihre Ursachen und Bedingungen teilweise berühren müssen; auf einzelne andere Folgen, z. B. die Eigentumsverteilung und soziale Klassenbildung, kommen wir in den folgenden Kapiteln. Hier ist aber doch noch kurz auf den Kern derselben einzugehen: was hat die Arbeitsteilung geschaffen, was hat sie aus Gesellschaft und Individuen gemacht, was hat sie ihnen genüßt und geschadet?

Die Arbeitsteilung ist das große Instrument des Kulturfortschrittes, des größeren Wohlstandes, der größeren und besseren Arbeitsleistung. Da die beschränkte menschliche Kraft da mehr leistet, wo sie nach ihrer Eigentümlichkeit hinpaßt, da die Ausführung immer schwierigerer geistiger und technischer Aufgaben stets eher den für sie ausgewählten, auf sie eingeschulten Kräften gelingt, so muß mit der Arbeitsteilung immer Größeres mit geringerem Aufwande erreicht werden. Arbeitsteilung ist wirtschaftlichere Ausführung aller Arbeit, ist Krafterspar= nis. Die Lebensenergie nimmt zu in dem Maße, wie die Funktionen sich spezialisieren; die Spezialisierung der gesellschaftlichen Organe

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