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bedeutet bessere Anpassung, höhere Funktionen, sichereren Effekt. Indem das gesellschaftliche System der ineinander gepaßten Tätigkeiten jedem das zuweist, wozu ihn seine Geistes- und Körperkräfte, seine Rassen- und Familieneigenschaften, seine Erziehung und seine Schicksale, seine Gewohnheiten und sein Alter, sein Geschlecht und sein Gesundheitszustand besonders befähigen, indem diese verschiedenen Tätigkeiten immer geschickter ineinander gefügt werden, müssen die Leistungen der Gesamtheit immer vollkommenere und größere werden. In der isolierten Wirtschaft des Individuums findet eine unge= heure Kraftverschwendung statt; zu jeder Stunde muß wieder anderes getan werden; die Hemmung und Reibung verbraucht den größeren Teil der Kraft; der Erfolg ist ein minimaler gegenüber der geteilten und gesellschaftlich richtig geordneten Arbeit. Die kurze Lebensdauer und der geringe Umfang der individuellen Kräfte erlauben eine bessere Ausbildung der geistigen und körperlichen Fähigkeiten nur auf be= schränktem Gebiete.

Wesentlich durch die Arbeitsteilung haben wir Denker und Dichter, Künstler und Techniker, geschickte Unternehmer und bessere Ackerbauer erhalten; aller geistige und technische, aller politische und orga nisatorische Fortschritt beruht auf ihr. Selbst der mittelmäßig Begabte erlangt durch jahrelange Übung virtuose Fähigkeiten; der Talentvolle erlangt durch eine Erziehung und Einschulung in einem bestimmten Berufe körperliche und geistige Fähigkeiten, die ans Wunderbare grenzen. Die Gewöhnung des Geistes und der Aufmerksamkeit, der Nerven und Muskeln an bestimmte Funktionen erzeugt nun eine leichtere Auslösung der betreffenden Tätigkeit; sie geschieht zuletzt automatisch, läßt die geistige, bisher auf sie verwendete Kraft zur Verfolgung weiterer damit in Zusammenhang stehender Arbeitszwecke frei. Die steigende Geschicklichkeit arbeitsteilig tätiger Menschen beruht wesentlich auf der Möglichkeit, bei derselben Arbeit eine Reihe von Gesichtspunkten zugleich und in richtiger Verbindung zu verfolgen. Was die Talente und Genies so mit Hilfe der Arbeitsteilung ersannen, das macht in der Folge als objektive Arbeitsmaxime die Arbeit von Millionen fruchtbarer. Indem arbeitsteilige Organe uns besonders das abnehmen, was uns übermäßig viel Zeit und Mühe kostet, weil wir es nicht regelmäßig üben, was uns, wie die Bestellung von Briefen, der nächtliche Schuß unseres Hauses, nicht mehr Mühe macht, ob wir es für uns allein oder für 10 und 100 Nachbarn zugleich besorgen, entsteht eine gesellschaftliche Zeitersparnis ohnegleichen.

Der heutige Staat, die heutige Volks- und Weltwirtschaft mit all ihrem Glanz, ihrem Reichtum, sie sind ein Ergebnis der Arbeitsteilung. Die Existenz eines nebeneinander bestehenden regulierenden, produzierenden und verteilenden Systems von Organen, wie es Herbert Spencer ausdrückt, und alles Zusammenwirken dieser regieren= den, schaffenden und verteilenden Kreise, die Spaltung der regierenden in zentrale und lokale, in Spezialzweige, in befehlende und ausführende Organe, die Abzweigung der wirtschaftlichen Leitung von der regierenden in der Gesellschaft, die Scheidung der liberalen Berufe von den kirchlichen Funktionen, die Gegensätze von Stadt und Land, von Gewerbe, Handel und Landwirtschaft, von Unternehmer und Arbeiter, kurz all dieses kompliziertere Kulturleben ist eine Folge der Arbeitsteilung. Durch sie kommen alle Glieder einer Gesellschaft in immer größere Abhängigkeit voneinander; dadurch wächst aber auch die Vergesellschaftung, die soziale Solidarität; oft wachsen freilich auch die Konflikte und Reibungen; aber zuleßt müssen die Lösungen gefunden, die richtigen Verbindungen hergestellt werden. Insofern liegt in der Arbeitsteilung der Antrieb zum sittlichen Fortschritte, zu immer besseren Institutionen. So oft die Völker an dem Probleme strauchelten, so viele darüber zugrunde gingen, den fähig= sten gelang es. Die zunehmende Arbeitsteilung ging bei ihnen Hand in Hand mit dem intellektuellen und moralischen Fortschritte. Die. Völker mit der größten Arbeitsteilung sind doch die an Macht, Größe, Bevölkerung, Reichtum, Ausbreitungsmöglichkeit ersten; sie sind denen mit geringerer Arbeitsteilung überlegen, sie bleiben die Sieger im weltgeschichtlichen Kampfe um den Erdball.

Aber dieser große Erfolg für die Gesamtheit wird nicht ohne schwere Opfer für einzelne Individuen und Klassen erreicht. Die Arbeitsteilung fordert von ihnen, daß sie sich einzelnen Aufgaben anpassen, daß sie vielfach ihre Eigenzwecke hintansehen hinter die Tätigkeit für andere, für die Gesellschaft; sie fordert die komplizierten Kompromisse, deren psychologische Vorausseßungen oft ebenso schwer herzustellen sind, wie ihre Durchführung Körper und Geist schädigt. Seit es eine Arbeitsteilung gibt, haben die Klagen über sie vom individuellen Standpunkte aus nicht aufgehört. Zumal die neuen großen Fortschritte der Arbeitsteilung, deren richtige Begrenzung und Ver= söhnung mit den Ansprüchen individueller Ausbildung und harmonischer Lebensführung so vielfach noch nicht gefunden sind, haben sie aufs neue gesteigert. Die Naturschwärmerei Rousseaus und des ganzen 18. Jahrhunderts ist ein Protest gegen die Arbeitsteilung. Schmoller, Klassenbildung, Arbeiterfrage, Klassenlampf.

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Schiller klagt, daß sie den an ein kleines Bruchstück des Ganzen gefesselten Menschen nur zu einem Bruchstück ausbilde, Hölderlin jammert, man sehe heute nur Handwerker, Priester usw., aber keine Men= schen. Der sozialistische Urquhart meint: einen Menschen unterabteilen, heißt ihn hinrichten, wenn er das Todesurteil verdient hat, ihn meuchelmorden, wenn er es nicht verdient hat; die Unterabteilung der Arbeit ist der Meuchelmord eines Volkes. Engels klagt, der erste große Schritt der Arbeitsteilung, die Scheidung von Stadt und Land, habe die Landbevölkerung zu jahrtausendelanger Verdummung verurteilt; „indem die Arbeit geteilt wird, wird auch der Mensch geteilt; der Ausbildung einer einzigen Tätigkeit werden alle übrigen körperlichen und geistigen Fähigkeiten zum Opfer gebracht." Von der Ma= schine und der modernen Technik hofft er Beseitigung aller Arbeitsteilung, wie er vom Verschwinden des Gegensatzes von Stadt und Land träumt. Alle derartigen Vorwürfe gegen die Arbeitsteilung haben darin recht, daß sie die harmonische Ausbildung der menschlichen Körper- und Geisteskräfte als individualistisches Lebensideal betonen gegenüber der einseitigen Tätigkeit in einem erschöpfenden Lebensberuf für andere; sie haben auch darin recht, daß dieses individualistische Lebensideal immer wieder sich geltend machen muß gegen= über den Ansprüchen der Gesellschaft und den übertriebenen Ge= staltungen der Arbeitsteilung. Aber sie irren historisch und praktisch, wenn sie glauben, das Individuum hätte vor der Arbeitsteilung dem Ideale eines gleichmäßig ausgebildeten, körperlich und geistig voll= endeten Menschen näher gestanden oder würde ihm heute ohne sie näher kommen. Es ist ohne sie ein Barbar, der ißt, trinkt und faulenzt; wir wissen heute, daß alle Wilden dem tierischen Zustande viel näher stehen als die gewöhnlichen Tagelöhner der Kulturstaaten. Das Ideal einer harmonischen Ausbildung, das wir in Gegensak stellen zur Arbeitsteilung, ist eine nur in Gedanken zu vollziehende Summierung dessen, was durch spezialisierte Ausbildung der Kräfte in den ver= schiedensten Lebensberufen Hohes und Bedeutsames erreicht wurde. Es ist unmöglich, es auf eine Person zu häufen. Wohl aber ist es die sekundärc historische Folge der vorübergehend einseitigen Arbeitsteilung, daß spätere Zeitalter gewisse Stücke des so erzielten technischen und geistigen Fortschrittes, wie z. B. das Lesen und Schreiben, die militärische Ausbildung, das Buchführen des Händlers, das äfthetische Gefühl des Künstlers in Form der Jugenderziehung oder in anderer Weise zu einem Teilinhalt jedes Menschenlebens zu machen suchen.

Die Arbeitsteilung schreitet, wie alles Menschliche, durch tastende Versuche, durch einseitige Gestaltungen und Ordnungen vorwärts. Die harten Interessenkämpfe drücken auch ihr erst zeitweise einen häßlichen Stempel auf; ganze Gesellschaftsgruppen sind durch sie, durch eine zu einseitige körperliche oder geistige Arbeit ohne Gegengewicht verkümmert oder verkrüppelt worden. Ihre bisherige Gestaltung in manchen Fabriken ist unzweifelhaft gegenüber der älteren Gestaltung, wie sie im Bauernhaus und in der Handwerksstätte sich fixiert hatte, für menschliche Erziehung und Gesittung ein Rückschritt. Aber diese Gestaltung ist auch der wesentlichsten Umgestaltung fähig ebenso wie früher gewisse Extreme der Arbeitsteilung wieder umgebildet oder gar ganz rückgängig gemacht wurden, z. B. die Sklaverei. Es ist selbstverständlich, daß jede zu einseitige Ausbildung und Tätigkeit einer einzelnen körperlichen oder geistigen Funktion die Gesundheit des ganzen Menschen bedroht und daß so zuleht auch die Spezialkraft gelähmt werden kann. Aber deshalb ist nicht jede Arbeitsteilung falsch, sondern nur gewisse extreme Gestaltungen derselben; ihre maßvolle, mit Gegengewichten und Schranken umgebene Durchführung ist das der beschränkten individuellen Menschenkraft Entsprechende; sie ist das Mittel, das Individuelle und Wertvolle im Menschen auszubilden. Deshalb sagt Hegel mit Recht, wer einen speziellen Beruf ergreift, ergibt sich nicht dem Niedrigen, sondern wird damit erst ein rechter Mensch. Und Goethe läßt mit Recht den titanischen Faust als Damme bauenden Landwirt, den ästhetisierenden Wilhelm Meister als Wundarzt enden und glücklich werden.

Es kommt bei jedem Schritte der Arbeitsteilung darauf an, wie er die Motive und Zielpunkte menschlicher Tätigkeit umgestalte und durch Veränderung des ganzen Lebens und seines Inhaltes auf die Individuer zurückwirke, wie die unveräußerlichen Eigenzwecke jedes Menschen und die arbeitsteiligen Funktionen sich vertragen, wie der Verlust auf der Seite der allgemeinen Ausbildung und vielseitigen Tätigkeit ausgeglichen werde durch die Tatsache, daß die einseitige Spezialarbeit den Menschen doch in den Dienst der Gesellschaft stelle, ihm neben harter Arbeit doch auch höhere Zwecke seze oder wenig= stens ihn einfüge in ein System gesellschaftlichen Zusammenhanges und sittlicher Solidarität. Die Abrechnung zwischen diesen beiden Konten kann dabei immer wieder zeitweise zu Ungunsten des Indibiduums ausfallen; d. h. der gesellschaftliche Fortschritt und die Arbeitsteilung ist nicht möglich, ohne daß immer wieder zeitweise ihr einzelne Individuen und Klassen geopfert werden.

Und daher wird stets von neuem der Antrieb entspringen, die Arbeitsteilung und ihre gesellschaftlichen Ordnungen so weit zu bessern und zu korrigieren, daß die Zahl dieser Opfer abnehme. Aber es heißt, sich auf den individualistischen statt auf den gesellschaftlichen Standpunkt stellen, wenn die sozialistische Theorie alle Arbeitsteilung aufheben, jeden Menschen für alle Berufe erziehen und ihn dann stunden-, tage-, monats- oder jahreweise allen zuteilen will. Damit wird die menschliche Natur und ihre Ausbildungsfähigkeit gänzlich verkannt ; es wird die Vererbung der menschlichen Fähigkeiten übersehen; es wird der Reichtum an Talenten grenzenlos überschäßt. Eine solche Einrichtung bedeutete einen ungeheuren Kräfteverlust, die Nichtausnußung aller eigentümlichen Begabungen und Talente, die mittelmäßige Arbeit aller und die Vernichtung der größten Lustgefühle, die mit der Tätigkeit im rechten Spezialberuf gegeben sind. Die Gesellschaft wäre in einen Taubenschlag verwandelt.

Aber einen berechtigten Keim enthalten diese Vorschläge, wie alle sozialistischen und individualistischen Anklagen gegen die Arbeitsteilung. Vor allem unsere Erziehung muß nicht bloß die Spezialge= schicklichkeit, sondern auch beim Arbeiter seinen Verstand, sein technisches Können im allgemeinen ausbilden; er wird dann auch leichter, wenn es nötig ist, von einem Beruf zum anderen übergehen können, ohne daß damit die Arbeitsteilung aufhört.

Der heutige Fabrikarbeiter muß die entsprechende Zeit für seine Familienwirtschaft und seine Muße erhalten; ebenso muß die verheiratete Arbeiterfrau mehr als bisher ihrer Wirtschaft, ihre Kinder müssen der Schule und dem Spielplah zurückgegeben werden; die mechanische Arbeit für andere ‚für fremde Zwecke darf in der Jugend nicht zu früh beginnen, im Alter nicht zu lange dauern; sie muß mög= lichst so gestaltet werden, daß der Arbeiter sie als gesellschaftlichen Zweck, als soziale Pflicht begreift, Freude und Verständnis für sie haben kann; sie muß durch genügenden Lohn, durch die Möglichkeit, an Sparkassen, Kranken- und anderen Hilfskassen teilzunehmen, als ein gleichberechtigtes Glied im Gesamtorganismus der Volkswirt= schaft anerkannt sein. Sie muß in der Erziehung, in der Schul- und Wehrpflicht, in der Geselligkeit, im Vereinswesen, in der Teilnahme an Gemeinde-, Kirchen- und öffentlichen Angelegenheiten die ent= sprechenden Gegengewichte erhalten. Dann wird die Arbeitsteilung nicht mehr von den Sozialisten als der Meuchelmord des Volkes angegriffen werden können. Und so weit wir von einem Ideal diefer Art noch entfernt sind, die Erkenntnis, daß die Grenzüberschreitungen

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