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Beilage III.

Bruchstück eines lateinischen Gedichtes in

Leoninischen Versen

über

die Gründung des Klosters aus der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts, einst neben einem Gemälde an einer Wand der Abtei befindlich.

Bertuch schreibt im Chronicon Portense vom Jahre 1612, nachdem er die Geschichte von der Gründung des Klosters erzählt hat, I, p. 17:

Et haec, quae de fundatione Monasterii Smolnensis commemoravi, desumta sunt partim ex manuscripto, partim ex versibus Leoninis in pariete hortuli domini Cantoris in Porta descriptis, ubi etiam tota historia fundationis et interitus Oetwini depicta est, sed pulvere iam obducta oculos fugit. Ex versibus autem, caeteris vetustate absumtis, hi etiamnum lectori apparent conspicui:

Filius huic Oetwein, quem post necat unus Eberschwein,
Quem dum venatur, ruit; hic secat, ille necatur.
Filia Garburgis sacra virgo fuit Monialis.

Hi claustrum fundant, et ad haec loca congrua mundant.
Eligitur Smolna, fiunt et ibi loca sancta,
Et mox sacratas in eis statuunt Moniales;
Filia Garburgis datur his sacra virgo sodalis
Ac Abbatissa; laetatur ob hoc Comitissa,
Congaudet pater his, congaudet sanctio quaevis,
Congaudent proceres, congaudet et unicus heres.
Post Abbatissa moritur simul et Comitissa.
Smolna sepulturam dat eis animae quoque curam.
Tunc locus ille perit, pereunt simul et Moniales.
Post Monachi statuuntur ibi sancti Benedicti,
Qui sua dum quaerunt, quae sunt Christi perierunt.
Tunc et ibi periere viri cognomine nigri,

Sic in his boni vix numerantur ibi.

At Abbas quintus vix mensem manserat intus,

Sic comes hic moritur ac in Smolna sepelitur

Mane cum natis ac coniuge contumulatis.

His det solamen et requiem Deus. Amen.

Decessit Bruno, successit Episcopus Udo,

Qui mox devexit Nigros Griseosque revexit.

Quos dum dilexit, solito iuvamine texit.

Cum se frustrari videt et sua dilapidari

incipiunt tribulari.

Es erhellt zunächst aus dem Inhalt dieser Verse, dass in ihnen der grösste Theil der ganzen Inschrift erhalten ist, indem zu Anfang nur die Erwähnung des Grafen Bruno von Plisne und zu Ende die Erzählung von der Uebersiedelung der Mönche von Schmöllen nach der Pförtner Gegend fehlt. Nach Bertuch war die ganze Gründungsgeschichte an der Wand in des Cantors Garten abgemalt, und man darf schliessen, dass diese Wandmalereien diejenigen Ereignisse und Scenen darstellten, die das Gedicht beschreibt, also die Tödtung des Oetwin durch den Eber, die Gründung des Nonnenklosters und die Einsetzung der Garburgis als Aebtissin, die allerseits so grosse Freude erregt, das Begräbniss der Garburgis, die Einführung der schwarzen Benedictinermönche, das Begräbniss des Grafen Bruno, die Einführung der grauen Cisterciensermönche durch Bischof Udo von Naumburg.

Für die Wandmalereien und Verse giebt es einen älteren Augenzeugen, den Bosauer Mönch Paul Lange. Dieser sagt in der Chronica Numburgensis, Script.rer. Germ. Mencken. T. II, p. 21. not. 9: Anno Dom. MCXXXI facta est fundatio per Brunonem et Willam uxorem, sicut in pariete monasterii adhuc scriptum et pictum est. Der Bosauer Mönch muss nach diesen Worten Gemälde und Verse zu Pforte mit eigenen Augen gesehen haben, und zwar vor 1536, da mit diesem Jahr seine Naumburger Chronik abschliesst, auf einer der Reisen, die er im Auftrage des Abtes Johannes Trithemius nach den bedeutendsten Klöstern unternahm.

Es fragt sich, ob sich die Stelle noch wiederfinden lässt, wo sich das Gemälde und die Inschrift befunden hat. Da paries immer die Wand eines Hauses bezeichnet, so kann man Bertuchs Worte: in pariete hortuli domini Cantoris nur verstehen: an der Wand der Cantorwohnung nach dessen Gärtchen zu, so dass man von da aus die Wandmalereien und die Inschriften erblickte. Wo war nun zu Bertuchs Zeit um 1612 die Cantorwohnung? Im vorigen und noch zu Anfang dieses Jahrhunderts war sie im ersten Stock der westlichen Hälfte des Schulhauses, wo jetzt die Auditorien von Unterprima und Untersecunda sind. Da aber die westliche Verlängerung der Langseite des Schulhauses über das Gebäudeviereck um den Kreuzgang hinaus von dem Glockenthürmchen des Schulhauses bis zur Rectorwohnung erst 1568 von August II Kurfürst von Sachsen gebaut ist (Bertuch, Chron. Portens. Lips. 1612. I, p. 81 f. Teutsches Pförtisches Chronikon. J. M. Schamelius, Leipz. 1734, S. 193), also in Klosterzeiten noch garnicht bestand, so kann auch an der Cantorwohnung in derselben nicht die Gründung des Klosters in Gemälden und Mönchsversen dargestellt gewesen sein. Bild und Inschrift müssen sich vielmehr an einem der eigentlichen Klostergebäude, in pariete monasterii, wie der Mönch Paul Lange sagt, befunden haben, in dem um 1612 zu Bertuchs Zeiten noch die Cantorwohnung war. Dies kann nicht eines der den Kreuzgang umgebenden Gebäude gewesen sein. Denn im Süden stiess an denselben die Kirche, im Westen war zur ebenen Erde das Refectorium der Mönche, das bald nach 1551 in drei Auditorien abgetheilt wurde (Bertuch, Chron. II, 36. 33), im ersten Stockwerk lagen Zellen der Mönche, an der Nordseite zu ebener Erde das Cenakel und das Rempter, im ersten Stockwerk Zellen, an der Ostseite zur ebenen Erde der Capitelsaal, später wahrscheinlich Conferenzsaal des Lehrercollegiums, im ersten Stockwerk nach dem Kreuzgang zu ein Corridor, nach der Aussenseite des Klostervierecks, also nach Osten zu die Siechstube der Mönche und später der Schüler. Die Cantorwohnung kann also um 1612 nur in den Gemächern der ehemaligen Abtswohnung, der Abtei im engeren Sinne, gewesen sein, also in dem Gebäude, das von der Vogelperspective aus gesehen die Verlängerung der nördlichen Seite des Kreuzgangs nach Osten bis zur Abtskapelle bildet, jetzt zum grössten Theil die Wohnung des Professors der Mathematik in Pforte. Die Richtigkeit dieser Annahme wird durch folgende Erwägung bestätigt. Als die Schule gegründet wurde, wurden die hundert Knaben 1) derselben in die Zellen der Mönche, etwa 50 an der Zahl, untergebracht; Refectorium, Cenakel, Rempter und Capitelsaal wurden zu allgemeinen Schulzwecken benutzt; es blieben also als Wohnungen für die fünf Lehrer, den Rector und vier Magister, nämlich den Pastor und geistlichen Inspector, den Conrector, Tertius und Cantor, vor der Erbauung des sogenannten neuen Schlafhauses 1568 und des Fürstenhauses 1573 keine anderen verwendbaren Räume der Klostergebäude übrig, als die Abtsgemächer. Da nach der Fundation der Schulen des Kurfürsten Moritz vom Jahre 1550 sämmtliche Lehrer zuerst unverheirathet sein, da nur der Rector eine Stube für sich allein haben, die übrigen Lehrer je zwei eine Stube zusammen bewohnen sollten, so waren nur drei Stuben für das gesammte Lehrercollegium nöthig, mithin die Räume der Abtei vollständig ausreichend. Als im Jahre 1568 durch den Bau des westlichen Theiles des Schulhauses mehr Wohnungsraum gewonnen ward, konnte dorthin die Rectorwohnung verlegt werden, wo sie zum Theil noch jetzt ist. Die anderen Lehrer können nach wie vor nur beschränkte Wohnräume für einzelne Herren behalten haben, da noch um 1680 der Rector der einzige verheirathete Lehrer

1) Einhundert Knaben vergl.: Neue Landesordnung Hertzog Moritzens zu Sachsen, die drey Schulen zu Meissen, Merseburg und zur Pforten, wie auch etliche andere Articul betreffend, Montags nach Trinitatis. An. 1543, Codex Augusteus I, S. 13. und: Fundation der Schulen Pforta, Privilegium, Stiftung-Ordnunge und Bestätigunge (von Kurfürst Moritz S. 45), während Brothuf irrig hundert und funfzig angiebt. Von der Fundation der Schulen zu der Pforta 1551. Erbbuch I, Fol. 8b und: Ein kurtze Historia von dem annfange des Klosters und der Schulenn zur Pforta, Transsumptbuch von 1536, Fol. 314 b. Erst 1568 wurde die Zahl von 100 Schülern um 50 vermehrt. Bertuch, Chron. Port. Lips. 1612. I, p. 76 f. 79) Teutsch. Pfört. Chron. Schamel. Leipz. 1734. S. 130.

in Pforte war, der dort eine Familienwohnung hatte, während die vier Magister entweder unverheirathet waren, oder ihre Familien in Naumburg zur Miethe wohnen hatten (Bertuch, Teutsches Pförtisches Chronikon, Schamel. S. 187. Anm. zu S. 153). Aus dem Gesagten ergiebt sich, dass die Wohnung des unverheiratheten Cantors, des letzten Lehrers, zu Bertuchs Zeiten noch in der Abtei war. Das Gärtchen des Cantors, von dem aus Bertuch die alten Gemälde und das Mönchsgedicht von der Gründung des Klosters beschaute, war also ein Theil des Abtsgartens, an der Südseite der Abtei nach dem Knabenberge zu gelegen, oder der ganze Abtsgarten. An der südlichen Wand der Abtei war demnach die Stelle der in Rede stehenden Wandmalereien und Mönchsverse. Noch heute sind die Spuren davon sichtbar, dass die Gemächer der Abtei wie die Abtskapelle im Innern bunt bemalt waren; es ist also nicht befremdlich, dass auch eine Aussenwand der Abtei mit Wandgemälden ausgeschmückt wurde. Die Gründung des Klosters und der Abtei war für die Abtei sicher ein passender Stoff malerischer Darstellung, die ein Abt ausführen liess und durch die beigeschriebenen Verse erläuterte.

Wann dies geschehen, darüber können wir nur aus den Worten und dem metrischen Bau der Verse eine Auskunft gewinnen. Erstens giebt die Form zweier deutschen Wörter, die in denselben vorkommen, dazu einen Fingerzeig. Der Dichter reimt die beiden Wörter Oetwein und eberschwein nach der Abschrift von Bertuch. War das wirklich die Form derselben im Original, nicht Otwin oder Oetwin und eberswin, dann wird die Abfassungszeit der Verse bis in das sechzehnte Jahrhundert, bis in die letzten Jahre des Klosters herabgerückt. Das mittelhochdeutsche lange i fängt zwar schon im vierzehnten Jahrhundert an in das neuhochdeutsche ei überzugehen. (Koberstein, Ueber die Sprache des Peter Suchenwirth. Progr. Pforte 1828, S. 25); aber die mittelhochdeutschen Lautverbindungen sl, sn, sm, sw sind erst seit dem sechzehnten Jahrhundert zu schl, schn, schm, schw geworden. (Rumpelt, deutsche Grammatik, S. 289 f.). Dass im funfzehnten Jahrhundert in der Volksmundart der Naumburger Gegend noch das alte i und sgesprochen wurde, zeigen die Wortformen sin, gezitin, tageszitin, bliben, glichet, fry, dry und Sleyffe, Smole, Swabisdorf, swer, swestir, ratisgesworn in einer Urkunde des Naumburger Rathsarchivs vom 31. Mai 1410 über den Judenzoll. Also die Form eberschwein würde die Abfassungszeit der in Rede stehenden Verse bis in den Anfang des sechzehnten Jahrhunderts herabrücken. Wolff setzt für Bertuchs Lesarten Oetwein und eberschwein, wohl weil ihm diese Formen zu jung vorkamen, Oetwin und eberschwin ein, die letztere unrichtig für eberswin oder eberswein, obwohl er doch die Abfassungszeit der Verse ganz dahingestellt sein lässt (Chronik, I, 47), also für seine Aenderungen keinen zureichenden Grund hat. Aber, da Bertuchs Abschriften von Urkunden und Inschriften vielfach ungenau und unzuverlässig sind, so ist man zu dem Schlusse berechtigt, dass derselbe statt der alten Formen eberswin und Oetwin oder Otwin, weil man zu seiner Zeit schon schwein sprach, die Formen eberschwein und Oetwein schrieb, falls man aus anderen Gründen den Nachweis führen kann, dass unsere Mönchsverse älter sind als das sechzehnte Jahrhundert. Dieser Nachweis aber ergiebt sich aus der Betrachtung des metrischen Baus derselben.

Es sind dieses sogenannte Leoninische Verse, das heisst Hexameter und Pentameter, in denen das Wort vor der Hauptcäsur und das Schlusswort jedes Verses sich

reimen. Diese sind nicht erst von einem französischen Dichter aus der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts erfunden, wie so oft behauptet worden ist, sondern schon im älteren Mittelalter gebräuchlich und daktylischen Versen von Römischen Dichtern nachgebildet, in denen das Wort vor der Cäsur und das Schlusswort, mehrfach das Substantivum und das dazu gehörige Adjectivum, sich reimen (s. oben S. 37. Anm. 1). Auch in den Cisterzienserklöstern dichteten die Mönche vielfach in solchen Leoninischen Versen. Von Mönchen des Mutterklosters derselben, Citeaux oder Cistercium, stammen ohne Zweifel folgende Verse her:

Anno milleno centeno bis minus anno

Sub patre Roberto coepit Cistercius ordo

(Knauth, Vorstellung des Klosters Alten-Zella, Thl. II, S. 7. Anm. 6). Walkenrieder Mönche gedachten der Gründung ihres Klosters in folgendem Distichon:

Anno milleno centum septemque vigeno

Walkenrieth extruitur, Christus ubi colitur

(Chron. Walkenred. Eckstorm. p. 12) und schrieben Leoninische Verse auf die Grab

steine, wie folgende Grabschrift der von Werther zeigt:

Hic lapis est horum, nomen de Werthere quorum

Semita iustorum perducat ad alta polorum,
Haec domus ipsorum data pensat servitiorum

(Leuckfeld, Antiquit. Walkenred. I, p. 306) und auf Talismane, die man um den Hals hängte (a. O. II, p. 164). Die Pförtner Cisterzienser schrieben solche Verse ebenfalls auf Grabsteine, wie die ältesten noch vorhandenen Grabschriften derselben aus dem dreizehnten und Anfang des vierzehnten Jahrhunderts zeigen, zum Beispiel:

Reinhardus Porcus, quem vitet flammeus orchus,
Hac tegitur petra, pergat salvandus ad aethra.

Am Schlusse einer Urkunde im Diplomatarium Portense vom Jahre 1327 findet sich folgender Leoninische Hexameter:

Augeat et crescat, deus, hoc nunquamque tepescat

(verschrieben: depescat. Diplom. Fol. 77a). Von einem Verfasser, der das Klosterleben in Pforte aus eigener Anschauung kannte, rührt ein Gedicht in 2424 Leoninischen Hexametern her, abgefasst im dreizehnten Jahrhundert (Carmen historicum occulti autoris saec. XIII, aufgefunden in einer Handschrift der Prager Universitätsbibliothek von C. Höfler. Wien 1861). In demselben schildert der Verfasser die Bedrängnisse und Plackereien, denen das Kloster zur Pforte durch Bettelei, Einlagerungen und räuberische Einbrüche ausgesetzt sei. So heisst es zum Beispiel, v. 1041 f:

Abbas Portensis, vix est aliquis, puto, mensis,
Immo dies ulla nec eum iuvat ampla gugulla
Quin dare cogatur; hic imperat, ille cogatur, 1)
Hic petit argentum per marcas sive talentum,
Hic vult frumentum, rapit alter oves sibi centum,
Hic sexagenam, pannum petit ille, lagenam
Non dependentem sed sex urnas capientem.

1) Wohl zu lesen: conatur.

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