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In diesen Leoninischen Versen aus dem elften bis in die ersten Jahrzehnte des dreizehnten Jahrhunderts sind zwar vielfach kurze Silben unter der Vershebung und namentlich vor der Hauptcäsur lang gebraucht, wovon sich übrigens schon bei römischen Dichtern der besten Zeit Beispiele finden, die Positionslänge ist gelegentlich nicht beachtet, es finden sich auch sonst hin und wieder falsche Messungen; aber im Ganzen sind doch die Gesetze der antiken lateinischen Prosodie und Metrik noch beobachtet, während die Sprache natürlich entartetes Mönchslatein ist. Wie nun aber in römischen Inschriften des vierten bis sechsten Jahrhunderts nach Christus, namentlich in christlichen Grabschriften, der antike Hexameter so entartet und verwildert erscheint, dass nur noch ein gewisser daktylischer Rythmus übrig geblieben und die Quantität der Silben wenig oder garnicht mehr beachtet ist, so entarten auch die Leoninischen Verse des Mittelalters etwa seit der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts. So lautet zum Beispiel ein Leoninischer Hexameter eines Cisterziensermönches von Alten-Zelle im Jahre 1346 folgendermassen:

Post M. post tria C. post XL. bis tribus aucta.

(Knauth, a. O. Th. V, S. 76). Trotzdem, dass hier durch die Uncialbuchstaben eine Jahreszahl bezeichnet ist, soll der Vers doch gesprochen werden: Post em post tria cē, post ix el bis tribus aucta. Ein anderer Vers aus Alten-Zelle vom Jahre 1349 lautet, a. O. S. 77:

Anno milleno tercent. quadragesimo nono,

in dem die Endung -um von tercentum bei der Aussprache verschluckt werden soll trotz des consonantischen Anlautes des folgenden Wortes, und die Messung quadrăgesimo den Gradus ad Parnassum zweimal ins Gesicht schlägt. Bei den Pförtner Mönchen finden sich seit der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts zwar keine Leoninischen Verse mehr auf Grabsteinen, deren Inschriften seit dieser Zeit in Prosa abgefasst sind; aber ihre Glockeninschriften auf den im Jahre 1436 gegossenen Glocken zeigen zum Theil die ganz entarteten und verwilderten Leoninischen Mönchsverse des späteren Mittelalters.

Auf der grossen Glocke liest man den Leoninischen Hexameter:
Consolor viva, fleo mortua, pello nociva,

der keine Messungen enthält, die sich nicht auch bei spätrömischen Dichtern fänden. Vernachlässigung der Positionslänge und Fehlen der männlichen Cäsur zeigt schon folgender Vers auf der mittleren Glocke:

Protege domine Jhesu Portenses mortis ab esu.

Ganz entartet ist aber ebendaselbst der Vers:

Vox sum vite salvandis sonans: Venite!

und auf der grossen Glocke der Vers:

Quando Maria sonat, malum omne fugat.

Jener soll ein Hexameter sein, dieser ein Pentameter; beide aber haben nur noch ungefähr den rythmischen Klang solcher Verse bewahrt, sind aber metrisch ausser Rand und Band gerathen. Mit diesen verwilderten und entarteten Leoninischen Versen zeigen nun die Verse über die Gründung des Klosters entschiedene Aehnlichkeit. In denselben zeigen die Messungen Smolnā, Abbatissa (Nomin. Fem.), ac, at, in, boni, dass der Verfasser sich um die Quantität der lateinischen Wörter nicht sonderlich mehr kümmerte. Während alle übrigen Verse Hexameter sind, erscheint mitten dazwischen der fehlerhafte Pentameter:

Sic in his boni vix numerantur ibi

und folgender ganz verwilderte Hexameter:

His det solamen et requiem deus. Amen.

Seit dem Zeitalter der Wiedererweckung der Wissenschaften hörte man auf solche entartete Leoninische Verse zu bauen. Da fingen auch Pförtner Klosterbrüder wieder an die antiken Versmaasse nachzuahmen. Das zeigen die wohlgebauten Sapphischen Strophen, die der im Jahre 1515 gestorbene Abt Balthasar auf eine Säule setzen liess, als er das Cenakel umgebaut hatte. (Bertuch, Chron. Port. ed. Schamel. 1, 101.) In dieser Zeit nach Wiedererweckung der Wissenschaften kann ein Pförtner Abt seine Abtei nicht mehr geziert oder verunziert haben mit entarteten Leoninischen Versen, wie sie die Glockeninschriften und die versificierte Erzählung von der Gründung des Klosters zeigen. Ein characteristisches Merkmal für das Zeitalter, in dem das Leoninische Gedicht auf die Gründung des Klosters an die Wand der Abtei geschrieben wurde, ist der Vers:

Filius huic Oetwin quem post necat unus eberswin.

Hier sind die deutschen Wörter Oetwin (nicht Oetwinus) und eberswin in den lateinischen Vers eingemengt. Solche deutsch-lateinischen Mischverse bauten die Cisterziensermönche von Alten-Zelle gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts, zum Beispiel folgende Verse einer Grabschrift auf den im Jahre 1381 gestorbenen Friedrich III, Markgrafen von Meissen, Knauth, a. O. S. 80:

Hie leit ein Fürste lobelich, quem vulgus flebile plangit,
Von Mysne Marggraf Friederich, cuius insignia pangit.
Clerus, Claustralis, Laicus den Fürsten leidlich klagen,
Dives, inops, altus, infimus fürstlich Werk von ihm sagen.
Wahrhafftig, weise, tugendlich, affabilis atque benignus,

In Gottesfurchten stetiglich fuit hic laudamine dignus.

Da veniam, Christe, lass uns Genad erfinden,
Anima ut ista los werd von ihren Sünden.

Auf dem Grabmal von Friedrichs III Gemahlin Katharina von Henneberg lasen

Ge. Spalatinus und Ge. Fabricius folgende Verse derselben Art, Knauth, a. O. S. 81

Als man schrieb im Gnadenjahr milleno et ter centeno,

Dozu siben neunzig gar 1) die Iulii ter quino,

Von Henneberg Frow Katterin, Misnensis marchionissa,

Des Lands Cyrheit, der Tugend Schryn, tumba conditur in ista.

1) Zu lesen: iar.

Herr Jesu Christ, wir dich bitten cum cordis devotione,

Wollst ire Seel behüten ab inferni voragine,

Auf dass wir würdig werden mit ihr, te semper laudare. Amen.

Wenn also der Bau der verwilderten Leoninischen lateinischen Verse das Gedicht über die Gründung des Klosters Pforte in die Zeit von der Mitte des vierzehnten bis gegen Ende des funfzehnten Jahrhunderts weist, so rückt der oben angeführte deutschlateinische Vers desselben den Anfang des Zeitraumes, in dem das Gedicht entstand, noch weiter herunter bis gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts. Man kommt also zu dem Schluss, dass dieses um dieselbe Zeit abgefasst ist, wie die ganz gleichartigen Verse der 1436 gegossenen Klosterglocken. In dieser Zeit ward auch die Kirche nach Westen erweitert, in dieser Zeit das jetzige Portal erbaut, aus dieser Zeit stammen auch die Bildsäulen des Grafen Bruno, des Bischofs Udo von Naumburg, der Mutter Maria und Johannes des Täufers im hohen Chor der Kirche. Um diese Zeit, als man die Kirche zu erweitern anfing, neue Glocken giessen, die Bildsäulen der Stifter und der Schutzheiligen der Kirche anfertigen liess, war es natürlich, dass die Erzählung von der Gründung des Klosters im Munde der Klosterbrüder wieder lebendig wurde, dass dieselbe in Bildern und Versen an einer Wand der Abtei dargestellt ward. Diese stammen also aus der Zeit um 1436 bis 1441, und die Leoninischen Verse erzählten die Klostersage, wie sie damals unter den Mönchen lebendig war.

Beilage IV.

Eine Inschrift des Klosters Altenzelle und eine Handschrift der Cisterzienserabtei Dünen

(de Dunis) in Flandern

über

die Einführung der Cisterzienser in das Kloster bei Schmöllen
am 23. April 1132.

Joh. Conr. Knauth erzählt in seiner ,, Geographisch- und historischen Vorstellung des Klosters Alten-Zella," der kursächsische Geschichtsschreiber Ge. Fabricius habe kurz nach der Säcularisierung des Klosters an einer Wand des hohen Chors der Hauptkirche folgende drei Inschriften gelesen und dieselben abgeschrieben, Th. II, S. 7:

Anno Dominicae Incarnationis M° XC° VIII° initium sumsit Cister-
ciense Coenobium et cum eo ordo Cisterciensis.

Anno domini MCXIV constructa est Morimutensis Ecclesia. Anno
MCXXII constructa Abbatia Campensis. A. MCXXVII Abbatia coepit
Walkenriedensis, Anno MCXXXII Portensis.

Anno D. VI Kalendarum Iunii constructum est hoc Monasterium Vetero-
Cellense S. Marie, cuius Oratorium dedicatum est Anno MCLXXV. Amen.

Die Cisterzienser von Alten-Zelle geben in diesen Inschriften die Zeit der Stiftung von fünf bedeutenden Klöstern ihres Ordens an. Diese sind Cistertium oder Citeaux bei Dijon in Burgund, das Mutterkloster, von dem der Orden den Namen erhielt, zwei Tochterklöster von diesem: Morimond im Sprengel von Langres, eines der ältesten Cisterzienserklöster in Frankreich, und Campen, Alten-Campen oder Altfeld bei Cöln, das älteste Kloster des Ordens auf deutschem Boden, dessen Tochterkloster Walkenried am Harz, Pforte als Colonie von Walkenried und endlich dessen Tochterkloster Alten-Zelle. Sie konnten in diesem Zusammenhange nicht die ursprüngliche Stiftung des Klosters Schmöllen durch einen andern Orden meinen, sondern nur die neue Stiftung desselben als Cisterzien

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kloster durch die Brüder von Walkenried. Sie gaben also nicht das Gründungsjahr jenes, das Jahr 1127, an, von dem weiter unten die Rede sein wird, sondern das Jahr der Einführung der Walkenrieder Cisterzienser in dasselbe durch Bischof Udo von Naumburg. Als Alten-Zelle gestiftet wurde, war jenes Kloster längst nach der Stätte von Pforte übertragen, im Lapidarstil wird diese Cisterzienserstiftung also kurzweg Portensis bezeichnet. Nach dem Exordium monasterii Portensis geschah jene Einführung nach Udo's Rückkehr von der Reise zur Canonisation des Bischofs Godehard von Hildesheim. Diese setzt ein Zeitgenosse, der sogenannte Annalista Saxo, in das Jahr 1132, Pertz, Monum. German. T. VIII, p. 767 a. 1132: ,, Corpus sancti Godehardi Hildinisheimensis episcopi cum magna miraculorum declaratione elevatur 4. Non. Martii, ubi hactenus cooperante dei gratia plurima sanitatum dona infirmis prestantur." Dazu stimmt auch die Erzählung des Pirnaer Mönches, der um 1486 bis 1530 schrieb, Excerpta Saxon. Misn. et Thuring. ex Mon. Pirnens. Onomastico, Mencken. Script. rer. Germ. T. II, p. 1457: „Bruno, Burgrafe in Pleisnerlant, was der erste Stifter sampt seiner Furstin Wala des Closters Phorte MCXXXII, das czum ersten czu Schmöllen auf dem Berge bei Aldenburg wart angefangen, an der Sprotte; aber die Stell war yhn ungelegen, worden sie durch Bischoffen Udo zur Naumburch MCXL kegen Phorte an di Sal bey Naumburch in Duringen verordnet." Aus einer alten Handschrift des Cisterzienserklosters Dünen in Flandern hat endlich Carolus de Visch, Prior daselbst, in seinem chronologischen Verzeichniss der Klöster seines Ordens die Angabe: „Anno 1132.9. Cal. Maii: de Porta: in Saxonia: Numburgensis," Chronologia antiq. monasterior. ord. Cisterc. Anh. zu Bibliotheca scriptor. ord. Cist. Colon. 1656. p. 362. Auch er nennt Pforte statt Schmöllen wie die Altenzeller Inschrift. Hiernach ist als erwiesen anzusehen, dass die Ansiedelung der Cisterziensermönche von Walkenried zu Schmöllen am 23. April 1132 statt fand.

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