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II. OTTONISCHES STADTRECHT.

Das Original im Stadtarchive 22" hohes, 17" breites Pergament, sehr schöne Bücherschrift des 13. Jahrhunderts auf Linien, welche mit Dinte gezogen sind, in drei durch je zwei Verticallinien getrennten Spalten; jeder Paragraph abgesetzt, mit rothen Anfangsbuchstaben. Zu Anfang der ersten Spalte sind vier Zeilen offen gelassen, wohl in der Absicht, hier eine Eingangsformel nachzutragen. Unbeschrieben waren ursprünglich auch am Ende der ersten Spalte eine, der zweiten drei, der dritten vierzehn Zeilen. Andere Hände haben an erster Stelle $ 20 und den Anfang von $ 66, welcher unter allen drei Linien entlang geschrieben ist, in die Lücke der zweiten Spalte den $ 40, in die der dritten die §§ 62–65 nachgetragen. Diese Nachträge sind in gleicher Ordnung in die nächstfolgende 1265 von den Herzögen Albrecht und Johann besiegelte Aufzeichnung übergegangen. Das Siegel, welches oben bei Jura Ind. beschrieben wurde, von grünem Wachs, besser erhalten, mit der vollen Umschrift SIGILLVM OTTONIS DVCIS DE BRVNSVIC, hangt an rother Seide. Es kann, wie ebenfalls bei Jura Ind. gezeigt ist, nur Otto dem Kinde angehören. In der Urkunde selbst ist weder Aussteller noch Datum angegeben.

Die Echtheit derselben ist von Scheid in den Origg. Guelf. und von Anderen angefochten, von v. Schmidt-Phiseldeck im Braunschweigischen Magazin 1802. St. 43 u. 44 endgültig vertheidigt mit den Gründen, welche das erwähnte, den Früheren unbekannt gebliebene Stadtrecht von 1265 an die Hand giebt. Bedenken hat vorzüglich der Mangel eigentlicher Urkundenform erregt und die Anwendung der deutschen Sprache. Beides erklärt sich jedoch aus der Bestimmung des Schriftstückes zu öffentlichen Verlesungen, wie deren Godefridus Coloniensis bei Gelegenheit der curia celeberrima bei Mainz 1235, Aug. 15 berichtet: Vetera jura stabiliuntur, nova statuuntur et Teutonico sermone in membrana scripta omnibus publicantur (Böhmer FF. II, 367). Bekräftigt wird dies vielbesprochene Zeugniss durch einen Bericht aus Braunschweig selbst vom Jahre 1279 im ältesten Degedingsbuche der Altstadt: Privilegia domini ducis ac universitatis Brunswic (a sede apostolica erogata) latina maternaque lingua in publico fuerunt recitata. Schwerlich ist in beiden Fällen an mündliche Uebersetzungen aus dem Stegreife zu denken. Ob eine entsprechende lateinische Urkunde, wie der regelmässige Geschäftsgeb sie mit sich brachte, in unserem Falle jemals ausgestellt wurde, ist nicht mehr zu bestimmen. Vielleicht hat man sich begnügt, der etwa von den Bürgern Braunschweigs vorgelegten Aufzeichnung durch Anhängung des herzoglichen Siegels Authenticität zu geben.

Von Rehtmeyer wird dieses Statut ohne Angabe irgend eines Grundes zum Jahre 1233, in den Orig. zum Jahre 1227 gesetzt. Für letzteres spricht das Chron. rhythm. 64, 27-71. Aus der Darstellung desselben scheint hervorzugehen, dass 1227 nach Pfalzgraf Heinrichs Tode und vor Ottos Gefangenschaft Gäste“ (staufische und bayerische Bevollmächtigte?) die Stadt in Besitz genommen hatten, und mit diesen im Einvernehmen Dienstmannen und Bürger dem Herzog die Thore sperrten. Böhmer in den Regg. und Schirrmacher Friderich der Zweite I, 152 erwähnen diese Vorgänge nicht, aber die Worte der Chronik lassen darüber kaum in Zweifel. Danach würde die Ertheilung oder Bestä tigung von Rechten nicht als Belohnung der Bürger für bewiesene Anhänglichkeit aufzufassen sein, wie bisher üblich, sondern vielmehr als Preis für ihren Uebertritt unter die Herrschaft des Herzogs. Nach diesem Uebertritte allerdings haben sie ihm und zunächst als im August desselben Jahres König Heinrich heranzog unerschütterliche Treue gehalten, und dies ist es, wofür König Waldemar sie in der von Böhmer angezogenen Urkunde belobt.

Hier drängt sich nun die Frage auf, ob die in unserem Statute zusammengetragenen Rechte damals den vorhandenen vier Weichbilden Braunschweigs oder nur dem einen oder anderen derselben ertheilt worden sind. Der Name Brunswich, welchen $ 60 nennt, wird, wie anfangs der Alten Wik, noch in einer Urkunde König Ottos vom Jahre 1204 (Rehtmeyer K. H. I. Beil. p. 107) der Altstadt allein beigelegt; der Sondername Antiqua civitas findet sich nachweislich zuerst im Innungsbriefe der Goldschmiede in der Altstadt von 1231. Ebenso wenig trägt $ 54 zur Entscheidung bei, da

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zwar von der Altstadt und vom Hagen nachzuweisen ist, dass sie 1227 das Recht der Pfarrbesetzung bereits hatten (obige Urkunde von 1204; Jura Ind.), nicht aber von Neustadt und Alte Wik, dass sie dasselbe erst später erworben haben. Dagegen scheint $ 44 als Bezirk des befreiten Erbrechts den Raum binnen der muren festzustellen. Nur die Alte Wik war durch eine Mauer auch gegen die benachbarten Weichbilde abgegrenzt; sie aber kann, da ihr das nach § 55 hier schon vorhandene Recht der Innung erst durch das Privilegium vom Jahre 1240 wurde, nicht wohl so früh im Genusse unseres Statutes gedacht werden. Demzufolge müsste dasselbe seit 1227 wenigstens für Alt- und Neustadt auf dem linken, und für den Hagen auf dem rechten Okerufer gegolten haben.

Heinrich der Löwe und kein Anderer wird im Chron. rhythm. de alde here genannt, wie dux senior in den Annales Stederburgenses und von Arnoldus Lubecensis. Demnach irrt v. SchmidtPhiseldeck jedenfalls darin, dass er $ 60 so versteht, als ob derselbe von dem letztverstorbenen Herrn der Stadt Braunschweig, also entweder vom Pfalzgrafen Heinrich oder Ottos Vater Wilhelm" die vorausgehenden Bestimmungen herleite. Aber auch abgesehen hiervon lässt sich gegen diese Auffassung noch einwenden, dass die Worte alsogedan recht nicht unumgänglich auf das Voranstehende zu beziehen sind. Ebenso möglich ist, dass in diesem Paragraphen besondere nicht ausdrücklich aufgeführte Gerechtsame, welche Heinrich verliehen, bestätigt werden. So erklärt sich leichter, als wie es v. Schmidt-Phiseldeck versucht, warum diesem scheinbaren Schlussatze noch ein von erster Hand geschriebener Paragraph folgt.

An sich ist allerdings nicht unwahrscheinlich, dass Heinrich der Löwe wie den Hagen so wenigstens auch die Altstadt mit Stadtrecht begabt hat. Aber wann und in welchem Umfange dies geschehen, ist unbekannt.

Die Leges antiquissimae civitatis Brunsv., welche bei Leibm. SS. III, 434 abgedruckt sind, werden in einer dem originalen Pergamentcodex vorangestellten Notiz von jüngerer Hand für das 1232 von Otto dem Kinde ertheilte, von Kaiser Friderich II bestätigte Stadtrecht ausgegeben. Bode hat in Hagemann und Spangenberg's prakt. Erörterungen IX, 135 dargethan, dass diese Compilation, von welcher in der Form keine Spur im Stadtarchive anzutreffen, eine Privatarbeit und erst am Ende des 14. Jahrhunderts entstanden ist. Sie enthält inmitten späterer Statute in den Artikeln II-LVI das echte Ottonische Stadtrecht mit Auslassung der Paragraphen 4, 5, 6, 19, 22, 37, 38, 39, 54, 66, und einigen Abweichungen. Eine Bestätigung desselben durch den Kaiser wird von keinem anderen Zeugnisse bekundet.

Vollständig ist das Ottonische Stadtrecht abgedruckt: Rehtmeyer Chron. 465; Origg. IV, 107. — Das in nachstehendem Abdrucke mit kleiner Schrift Gegebene stimmt wo es gesperrt ist, unter unwesentlichen Abweichungen mit Jura Ind. Hn.

1 Swelich voget enen richtere set an sine stat. swaz vor dheme gelent wert. dat sal gelike stede wesen. alse it de voget selue stedegede.

2 Swelich man deme anderen sculdich es. vnde es ime vorsaketh. entgeit he is ime met tvge. oder met sime ethe. he ne heuet weder dat gerichte nicht vor loren wane dat gelt al ene.

3 Swelich man sich sines tvges beropet vmbe gelt. vnde is ime borst wert. he ne darf dheme richte nicht wedden wane ver scilł.

4 Swelich man den anderen wvndit ove dot sleit. vnde vluchtich wert. heuet he hus. dat steit an dhes richtes gewalt. vnde dhere stat. dheme richte wert dat dridde del. vnde twen dhere stat.

sines gebuwes dhar he inne wonet. vnde anders nen sin gvt.

Swelich man den anderen belåmeth. vnde wert 5 he is verwunnen met den screimannen na rechte. he heuet sine hant verlorn. he ne moge se wider kopen weder dat gerichte. vnde weder dhe sakewalden. vnde weder dhe stat. he ne mach ime nen kamp ane winnen. mer sine bote.

welich man wert gewvndit, ane låmethe. wert he is 6 verwunnen na rechte. he weddet dheme richte sestich scillinge. vnde dheme manne sine rechten bote. Swar so lude to samene sin. vnde wert en man 7 gewvndit met ener wvnde. vnde wil he mer lude dhar to bespreken. dan dhen sakewalden. se mo

genis bat entgan mit ires enes hant. dan it iene oppe se bringen moge.

8 Swelich man dhene hus vrede breket. dhe heuet to rechte sinen hals verboret.

9 Swelich man den anderen ane verdiget indhere strate mit gewalt. vnde sich iene erweret. mit den screi mannen mach he behalden de ersten clage. of sine viende so stark sin. dat he nicht vore komen ne darn.

10 Swelich man dheme anderen sleit enen orslach oder enen dûntslach. he weddet deme vogede ver scilł. vnde deme sakewalden twelef scill. of he en gvt man es. 11 Ein man mach sinen hals wol verwerken. vnde siner erven aneward nicht.

12 Swelich man geladet wert bi deme halse. biddet he enes dhinges er dan he vorespreken bidde. so wert ime dat neiste dhink. biddet he enes ecthen dhinges. dat sin ses weken dat wert eme. 13 Swelich borgere vor deme vogede vnde vor der stat nenes rechtes newil plegen dhene sal nen recht heben inder stat.

14 Swelich man deme anderen sculdich is. vnde bekant he is ime an deme sucht bedde vor gåden luden. he mach bat behalden mit sich dridden sine scůlt. von se dhe eruen entsekgen mogen. se ne mogen ere vor guldene scůlt er tugen.

15 Swelich man deme anderen sculdich is vnde. begeit he ene binnen deme wicbilde. he mot ine wol ophalden mit sinen borgeren. of he des richtes nicht hebben ne mach to dhere tit. wante he ime vergelde ofte rechtes plege. dar ne darf he nicht vmbe wedden deme vogede. 16 Swe enen man erwerft vor sin gelt binnen wicbilde oder binnen der muren vor gerichte. he mot ine wol bringen an sine were. wante he ime gelde. dar mide ne heuet he wedde noch bote verscůlt an neneme gerichte. he sal ime also gedane spise geuen alse sineme ingesinde. entgeit he ime ane sinen danc. swe ine dar na erist begript. vor sin gelt. dhe mot ene wol vor gerichte bringen. vnde erweruen mit rechte. vnde halden alse ene dhe eriste helt.

17 Swelich dhenistman enen borgere sculdich is. he sal ine verclagen to dheme marscalke mit we

tene. Ne richtet ime de marscalk nicht. he mot wol sinen wagen ophalden vor sin gelt. Swelich dhenistman sculdiget enen borgere. he 18 sal komen vor den voget. vnde sal dar dhere stat recht nemen.

Is en pape enen borgere scůldich man mot ine 19 wol ophalden. oder sinen wagen oder sin gvt. dat man nenen senedh dar vmbe soken ne darf. Swelich man ene brvthlichte do de ne scal nicht 20 hebben mer twelef schotelen also lef also eme en punt behalden si. vnde dre speleman dere stat dar to.

Swelich man deme anderen sculdich is. he sal 21 ime twe warue vorebeden. vnde to deme dridden male mit weten. Ne komet he nicht uore he sal ine ophalden mit gerichte. vnde sal ine vore bringen. of he ane were is. heuet he dhe were. man sal dat cruce dar op steken. wante he vore kome vnde rechtes plege. vnde of he dan vnder deme cruce set vertein nacht dat he nicht ne gilt. de ander heuet sine scůlt mide erworuen.

Of ein man sin hus uth setten wil. dot he dat 22 vor den borgeren. it is gelike stade. also he dat dede vor deme vogede.

Vnder swelekem manne en perith wert ane van- 23 get indeme wicbilde. ne mach he sines waren nicht hebben. he sal sweren dat he ne wete sine uthvart. noch sine inuart. noch sinen namen. of he en umbesproken man es.

Under swelikem manne en perith ane vanget 24 wert. tvth he oppe sinen waren. he sal it halden de ersten vertein nacht. de. vnder deme it begrepen wert. Is he umbeseten he sal besetten dat he it vore bringe oder des perithes widergelt. Ne wert it dan nicht geendet. so sal it de halden de dar op spriket de anderen verteinnacht. vnde ne wert it danne nicht geendit. so haldet it echt de erste. vnde iene weder. wante ses weken vmbe komen. Is he en besproken man vnde wert ime borst. it geit ime an sinen hals. Is he umbesproken man. he sal wedden deme vogede sestich scil. vnde deme manne dritich scill. te bote vnde dry scref. Bringet de ware enen anderen waren. so sal it de ware halden also it de ander ware gehalden heuet andere ses weken. de dridde

also. wante achtein weken enden. Swaz so ver vote heuet. dat heuet dat selue recht dat dat perith heuet.

25 Swelich man koft en perith. de ander sal ene gewaren. stedeges. stareblindes. vnde vnrechtes ane vanges.

26 Swaz ein man ane vanget gvdes. dat sal he don mit gerichte. vnde he sal it don an gemene hant. wante vor gerichte. dat it dar geendit werde. Ne kan he sines waren nicht hebben. he sal sweren. dat he sines huses. noch houes nicht ne wete. noch sines namen. vnde geve dat gvt weder. oder bringe sinen waren an ses weken. 27 Swelich dief begrepen wert dages oder nachtes. dat sal man don mit gerochte. vnde sal ine vore bringen mit gerochte. vnde mit dere seluen haue vorebringen de he sich vnderwunden heuet. de sal man ime oppe den rucgke binden. vnde darmide over winnen mit sines enes hant. 28 Swelich man mit dhuve besproken wert. vnde versont. vnde wider gift. de en bisprake man is. de mot to deme ersten male wol vntgan mit sines enes hant. dar na mit sich seuedeme. vnde to deme dridden male mit deme ordele.

29 Swelich man mit rechte over vest wert de ne mach der nicht vth komen. wene mit den sakewalden. vnde mit deme richte. vnde mit dere stat. vnde vnder dere wile es he sunder recht.

30 Swelich man heuet hus gelt. he mot wol dar inne panden svnder gerichte.

31 Sweliker hande weddescath en man an sinen weren heuet. dene mot he bat an sinen weren behalden. von en eme ieman ent voren moge. he ne spreke dar dhuue oder rof an.

32 Swe so den anderen gerouet heuet. he sal ine vredelos leggen. so mach he ene verwinnen. oder mit dere hant hactigen dat.

33 Swelich man sin kint vthgift mit gode. wil den dat kint nach siner elderen dothe vorderen an dat ander got. It sal dat erste got wider to der delinge bringen. vnde nemen dan geliken

del.

34 Swelich maget ent veret weder ires vader vnde ire moder willen. se ne heuet an sin erue nicht to wardende.

Swelich vrowe ane man kusclike leuet na ires 35 mannes dothe. vnde iren kinderen wol vore ret. de ne mogen ire kindere to nener delinge twingen de wile se ane man is.

Nenes mannes kint ne mach sinen vader to de- 36 linge twingen. de wile de vader leuet.

Swaz so en man sime wiue gift an morgen gaue. 37 dat ne mach ire neman breken. Swelich vrowe ireme manne gift an vogedes 38 dhinge dat se mit eren slotelen besloten heuet. de rede ne mach ime neman benemen. Swelikes borgeres sone to bisscope gekoren wert 39 he ne darf nicht geuen mer tein scillinge. he ne hebbe prouende so scal he dhenen. Swe so besat wert mit dheme gerichte. dhene ne 40 mach dhe voget nicht ledich laten ane des sakewalden willen.

wes eneme vrede wert gewarcht. vnde he dar 41 mede beseth iar vnde dach dat ne mach neman gebreken.

Swelich man to bruneswich is iar vnde dach borgere. 42 sunder ansprake. dene ne mach neman gevorderen. Swelich man en herewede left. is he dar iegen- 43 warde de it hebben sal. man sal it ime antwarden. Ne is he indeme lande nicht. man sal it don ingemene hant iar vnde dach. vnde of he nicht kome so sal it de uoget hebben. sunder harnasch. dat wert den eruen. de stat mide to hodene.

Swaz so binnen der muren besterft rede oder 44 herewede. dar ne heuet de voget nen recht an. man ne geue it buten de stat. so es des vogedes dat stucke neist deme besten.

Swelich man sinen menen asnen vorderet vor 45 deme vogede. he sal it bewisen wetelike war he ene vordhenit hebbe. so mach he ine bat mit sines enes hant behalden. dan ine iene mit sines enes hant ent seggen moge.

Swelich man medet enen wagen inder stat. ove 46 buten der stat. sin gvt vth vnde in to dragende. he ne gift nenen toln weder borgere noch de wa

gen man.

Vereth en man dhor de stat mit vollem vodhere. 47 vnde leget he sine disle neder. he gift halven toln. Ne leget he nicht neder. he ne gift nenen.

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