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Formen werden, die Hr. Bopp weitläufig in der Wort bildung behandelt. So weit sie in die Sphäre der blofsen Formation der Participia, Gerundii ú. s. w. gehören, ist vieles geschehen, sobald sie aber ganze AbleitungsKonjugationen bilden, wie Causale, Intensivum u. s. w. führt die Untersuchung auf die genauere Betrachtung der Wurzeln, denn mit solchen erscheinen die Sser.Ableitungen in den verwandten Sprachen verwachsen. Vieles ist auch hierin klar, wer würde in der Griech. Konj. auf oo, doo, das Causale verkennen? da y und selbst im Anlaut wechselt, man verg. Luyyuj, jug; yu, So-vy, Sárvm u, s. w... Aber auch andere Formen sind möglich, wenn man bedenkt, in welche Modifikationen sich Sanskrit y in den verwandten Sprachen zeigt. So sind wir überzeugt, dafs der Bildungsbuchstabe g, der im Römischen dazu dient, Verba von Subst. in causaler Weise zu bilden, - wie ja auch, was dasselbe ist, im Sscrit. fast jedes Subst. sich in ein Verbum der 10ten Kl. verwandeln kann —, ursprünglich aus y entstand, wie pur-gare, jurgare (s vor g geht in r über), in beiden ohne Bindevokal selbst mit Auslassung des thematischen Vokals, gewöhnlich aber mit dessen Beibehaltung casti-gare, miti-gare, *) ja selbst von einer Partikel negare; am sichersten aber beweisen die Causalform, d. h. die blofse Bildung durch Agglutination, nicht durch Antreten der Verbalkomposition, solche Worte, die sich von reinen Verbis bilden, wie von insto, insti-gare, von dem verlorenen re oder ri (vergl. ri-vus, ri-pa) irri-gare u. s. f. Gewöhnlicher überhaupt ist freilich die blosse Beugung nach der ersten, ohne allen Bildungskonsonanten, pugnare, caussari, jurare, und hundert andere. Bei zwei Wurzeln, so viel ich weifs, tritt die sonderbare Erscheinung ein, dafs sie mit Veränderung des Stammvokals von der starken dritten, in die schwache e Konjugation übergehen; sollte hier e das Sscr. y ausdrücken? Wir führen die Worte ihres seitherigen Verkennens wegen an, es sind disco und memini; disco beruht offenbar auf Stamm dic, und ist Iterativform für dicisco, wo wegen Häufung des c und s Lautes (nach Analogie des dixti, justi), die eine Sylbe

*) Ich brauche wohl nicht zu bemerken, dafs Bildungen auf -care wie claudicare hierher gehören, wiewohl man sie auch auf den Sanskrit-Bildungsbuchstaben p, der so häufig in dem Causale erscheint, durch die geläufige Verwechslung des p in c zurückführen könnte.

ausfiel, dies zeigt di-dic-i.") Memini führt auf man und hat zu reminiscor (uuréoxo) dasselbe Verhältnifs wie disco zu dic. Nun bilden sich aus man (me-min-i) diç (di-dic-) offenbar die beiden Causale mon-e-o, doć-e-o, Wie weit andere Bildungen, z. B. des jac-io in jaceo und des nec-are Ssc. naç, (aber auch stark konjugirt im Perf.) zu noceo hierher gehören, werde ich an einem andern Orte weitläuftiger zu erörtern haben. Wir müssen hier vieles unterdrücken, was noch bemerkt werden könnte, wollten aber diese Gelegenheit ergreifen, um zu zeigen, wie mangelhaft die Römische Grammatik trotz der dreihundertjährigen Arbeit in dieser Beziehung noch ist, vielfach glaubt man ja, es sei in diesem Felde nicht viel mehr zu thun, als Nachlese zu halten!

Auch das Passivum ist im Sscr. von Hrn. Bopp zu der Wortbildung gezogen; es ist eine sonderbare Bildung und wenig übereinstimmend in den verwandten Sprachen. Das Sscrit. hat sich durch Anfügung eines relat. Pronom. geholfen, das Griech. hat sich am armseligsten benommen und alle Passivform wegwerfend, sich nur für einige Zeiten mit der schwächsten Komposition beholfen. Anders das Römische, welches überall durch die Aktivform sich bildend, das Pronomen reciproc. s anfügt, bald mit Bindevokalen, bald bei Vokalende ohne dieselben, es aber am Ende vorzüglich nach dunklen Vokalen in r verwandelt (vergl. honos-honor, arbos-arbor); also amo-amor, amasamar-i-s (für amas-i-s), amat-amat-u-r, amamus-amamur (s vor r fällt weg), amant-amantur. Für die zweite Person Pl. -mini hat Hr. Bopp früher schon eine sehr sinnige Erklärung gegeben. Das alte Sser. y scheint mir indessen in einer Form des Inf. amarier und deren Abstumpfung amari, als i sich erhalten zu haben, die erste Form enthält nichts als die einfache Wiederho lung des Verbi substantivi nach dem alten Passiv charakter i und dem Infinitivcharakter des Activi- ebenfalls dem Verbo substantivo, und konnte mithin dieses wiederholenden Zusatzes leicht entbehren.

Die Suffix und Kompositionslehre, welche das Werk schliefst, ist mit Klarheit und Schärfe vorgetragen, manches in der ersten Ausgabe des Werkes noch Unvollkommene ist berichtigt, wie z. B. die Annahme, dafs der Zutritt der Suffixe in und vat an Possessiv com

*) Aehnlich Griechisch διδάσκω für διδάκσκω, wonach sich Fut. welches oxo abwerfen mufs, vollkommen erklärt.

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Mysticismus, der wahrhafte historische und der heutzutage fälschlich so genannte, in ihrem Verhältnisse zum evang. Christenthum dargestellt v. Dr. J. W. Friedr. Höfling, Pfarrer zu Sct. Jobst. Erlangen 1832. XII. u. 70 S.

Der Zweck dieser Schrift ist, darzuthun, dafs die fälschlich des Mysticismus angeklagten Glaubensgenossen des Verfassers diesen Namen gar nicht verdienen, sondern, wie er selbst, den reinen evangelischen Glauben bekennen. Ohne erst zu bestimmen, was eigentlich Mysticismus sei, denn was S. 21. als Princip des Mysticismus angegeben wird, ist nur eins der einzel-` nen Elemente des Begriffes, deren organische Einheit erst den vollständigen Begriff ergiebt, fängt die Schrift damit an, der Reihe nach diejenigen Gründe, welche den Mystikern des 17ten und 18ten Jahrhunderts von den Vertheidigern des kirchlichen Lehrbegriffes entgegengesetzt wurden, zu beurtheilen S 1-30., welches in der Weise geschieht, dafs sowohl die Beschuldigungen, als die Gründe der damaligen Theologen für ausreichend und noch heut anwendbar befunden werden. Dies soll der wahrhafte historische Mysticismus sein. Einzelne Einwendungen, z. B. dagegen, ob der Keim des Mysticismus einem Lehrer wie Origenes, dem der Ruhm der Stiftung einer christlichen Theologie mit weit gröfserem Rechte gebührt, mit so vollem Rechte zugeschrieben werden könne, als es hier ge schieht, übergehen wir, um bei der zweiten Hälfte, als dem eigentlichen Ziele der Schrift, ausführlicher zu verweilen. Dals dasjenige, was von dem,,verblendeten Parteigeiste unserer Zeit", für Mysticismus ausgegeben wird, wirklich das sei, wofür es verschrieen wird, verneint dieser Theil nicht ohne Eifer, indem die Anklagepunkte der Gegner so vorgeführt werden, dafs jeder Vorwurf umgangen und auf ein ächt evangelisches Element hingelenkt wird. So kann allerdings 1) eine unbedingte Unterwerfung unter die Autorität der heiligen Schrift, nur,, das

gröfste Lob evangelischer Christen sein, wie grofs bleibt aber der Vorwurf, wenn damit engherziger Buchstabendienst und ein willkürliches Deuten des Buchstaben gemeint ist? 2) Ein starres Festhalten an den S. 45. vom Verf. aufgeführten Glaubenssätzen:,,von dem allgemeinen sündhaften Verderben der menschlichen Natur" u. s. w. zumal wenn es auf Kosten anderer z. B. der Lehre von der allgemeinen Bestimmung aller Menschen zur Seeligkeit, von der unendlichen Liebe Gottes zu seiner Schöpfung, geschieht, ist und bleibt eine ausgemachte Eigenschaft des My. sticismus. 3) Ein Schwärmen, in dunklen Gefühlen, mit einem durch die Vernunft beherrschten und durch einen festen Glaubensgrund geläuterten Gefühle, welches die eigentliche_christli che Frömmigkeit ausmacht, zu verwechseln, wäre der unerhörteste Mifsgriff der Gegner des Verfs, wenn es überhaupt mög. lich wäre, dafs sie ihn machten. 4) Auch die Opposition gegen das Princip alles Fortschreitens, würde, als nur gegen den Zeitgeist gerichtet, lobenswerth sein, so lange sie sich nicht gegen das beständige Fortschreiten in der tieferen Erkenntnifs der Wahrheit wendet, welches der Verf. freilich seiner Partei in hohem Grade zuerkennt. 5) Wenn man ferner die Vernunft im Einklange mit der Offenbarung ihre unbestreitbaren Rechte üben lässt, so wird sich Niemand über Verläugnung ihrer Rechte beklagen können; geschieht es gleichwohl, so wird auch eine Berechtigung dazu vorhanden sein. 6) Gegen den letzten Vorwurf: der Beeinträchtigung der Glaubens- und Gewissensfreiheit reinigt sich der Verf. durch seine Berufung auf die freie Unterwerfung unter die göttliche Autorität der heiligen Schrift und auf das Gebundensein durch das Wort Gottes; nur in dem Festhalten an diesen Principien bestehe auch die seiner Partei angeschuldigte lieblose Unduldsamkeit. Der sogenannte Mysticismus, schliefst der Verf. S. 62. sei also nichts Anderes, als das wahre, das ächte, evangelische Christenthum; er verdient den Namen durchaus nicht. Aber durch dieses blofse Zurückweisen und Umdrehen der Vorwürfe hat sich der Verf, von dem Makel des Mysticismus keineswegs gereinigt, sobald er seine Ansicht nicht in fester und klarer Weise, auf wissenschaftli chem Grunde in der Lehre, auf welcher der objektive Inhalt der Kirche beruht, darlegt, so lange entzieht er sich ihrer vernünftigen Allgemeinheit und der Vorwurf der Absonderung bleibt auf ihm haften. Dafs er übrigens S. 69, den Rationalismus des Mysticismus beschuldigt, nimmt Niemand Wunder, ist man nicht daran gewöhnt, dafs beide, Parteien sich damit begnügen, einander ihre Vorwürfe zurückzugeben? Wenn er aber die neuere spekulative Philosophie, die er mit vollem Rechte die Deutsche nennt S. 66. des Mysticismus anklagt, so müssen wir glauben, es sei ihm dies irgendwoher so zu Ohren gekommen, denn wer behaupten kann, dafs diese Philosophie sich auf Jacob Böhme stütze, giebt hiermit seine völlige - Unbekanntschaft mit ihr zu erkennen.

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Jahrbücher

für

wissenschaftliche

Juli 1833.

2) Grammatica critica Sanscritae Linguae auctore Francisco Bopp.

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Kritik.

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1) Ausführliches Lehrgebäude der Sanskrita grammatik fürs Griechische sich ergeben, verkannt worSprache von Franz Bopp. den, dass man sich nicht wundern mufs über die von unserm Standpunkte aus einfachsten Dinge, z. B über die Etymologie von ayavós, das sich als Determin. compos. (nach Regel 645. Suffix ă) auf dŋ + os dos, +aya (als Form des ayay in Comp.) = ἀγαθός überzeugend hinweist, seitenlange resultatløse Untersuchungen zu lesen.

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(Schlufs.)

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So können wir z. B. die sechste Klasse, die Composita adverbialia (avyayībāva) gar nicht als eigene Kompositen, klasse fassen, sondern sie sind die reine Bildung des Adver biums von Possessivkompositen durch den Accus. neutrius gen. (Bopp Gramm. r. 633. 2.) was schon der Umstand beweist, dass sie ganz die Modifikationen des Grundvokals jener Kompositen theilen. Man versuche es nur, auf unsere Weise die zahlreichen Beispiele bei Hrn, Bopp zu erklären, und man wird nirgends Schwierig. keit finden. Auch die fünfte Klasse, die Kollektiv (Dvigu) Komposita, kann ich nicht als besondere Art des Kompositums erkennen, sie sind offenbar eine eigene Ableitung der Determinativ komposita, (wie bei den oben erwähnten auf in, vat Hr. Bopp dies selbst anerkennt) in der das erste Wort ein Zahlwort ist, und das letzte ein substantivischer Theil, durch das Suffix a (neutr.) oder i foem. gebildet. So ist triloki die Dreiwelt - d. i die Einheit der drei Welten in eine, denn der Begriff der Einheit mufs immer vorherrschen, tritaks'i ist die Genossenschaft von drei Zimmerleuten, nicht blofs drei Zimmerleute.

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Indem wir unserer Pflicht, das vorliegende Werk anzuzeigen, nach unsern besten Kräften genügt haben, bemerken wir, dafs es unsere Absicht nur sein konnte, die hauptsächlich grofsen und eigenthümlichen Richtungen des grammatischen Systems des Verfs. in ihrer Wirkung auf das grammatische Begreifen des Sanskrits insbesondere und der verwandten Sprachen überhaupt hervorzuheben, nicht aber gegen Einzelnheiten aus ihrer systematischen Begründung herausgehoben, streitend aufzutreten. Wie wichtig und reich nun aber die Entdeckungen des Hrn. Vfs. in diesem Felde sind, davon werden selbst die mit demselben unbekannten Leser durch das von uns Hervorgehobene sich überzeugt haben, wenn auch der Zweck unserer Blätter uns wahrlich nur eine sehr beschränkte Auswahl gestattete, Es ist von Hrn. Lassen bemerkt worden, dafs mauche von Hrn. Bopp gegebene Lehren, die auch wir hier aufgeführt haben, von den Indischen Grammatikern schon gegeben würden, nur freilich in einer andern Weise. Bei dem Werth, den Hr. Lassen auf die Indischen Grammatiker legt, kann es freilich für Hrn. Bopp nur eine Anerkennung sein, mit diesen Heiligen übereinzustimmen; indessen sei uns die Bemerkung erlaubt, dass uns mindestens ein System ganz auf der Weise der Entwicklung beruht, hier also grade jene andre Weise das Entscheidende ist, und dafs demnach, so lange Hr. Lassen diese, der Indischen Grammatiker, Weise, uns mitzutheilen nicht für gerathen

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hält, uns bei solchen hohlen Einwendungen nur Gretchens Worte einfallen können:

Das ist alles recht schön und gut;

ngefähr sagt das der Pfarrer auch,
Nur mit ein bischen andren Worten.
Agathon Benary.

X.

der, wie die monarchische ihren Kern und Inhalt bewahren soll. Auf republikanischen Boden versetzt,

; dürfen wir daher vom Standpunkte dieser Staatsform aus, ein Urtheil über die Zuckungen fällen, denen jetzt die Schweiz krampfhaft zu erliegen scheint.

Ueber Verderbniss und Herstellung der Eidgenossenschaft. In Reden an das Schweizertolk von Severus Pertinax. Rapperswyl, ge druckt bei J. B. Curti 1832. IV. u. 236. in 8.

Unter allen geschichtlichen Bewegungen, welche in den verschiedenen Staaten Europas vor sich gehen, sind die Schweizerischen in der Regel die ungekanntesten, theils, weil sie selbst auf keine weltgeschichtliche Bedeutung Anspruch machen, theils, weil sie nothwendig nur den Reffex dessen enthalten, was im Ganzen und Grofsen bereits in den ansehnlicheren Staaten sich vollführt hat. So hat die erste Französische Revolution die eine und untheilbare Helvetische Republik von 1798. hervorgebracht, die Napoleonische Zeit hat der Schweiz die Mediationsakte zugetheilt, und der Bundesvertrag von 1815, so wie die schon vorher erfolgte Reform der Kantonalverfassungen sind nur der Nachhall der Restaurationsepoche gewesen. Auch die Pariser Juste-milieu-Revolution von 1830. hat der Schweiz entsprechende Umwälzungen verehrt, und mehrere Stände haben seit dieser Zeit ihre aristokratischen Verfassungen im Volkssinne umzuwandeln gesucht. Aber wenn das Juste milien selbst in dem einheitlichen Frankreich ungenü ́gend erscheint, um wie viel mehr mufs dies in der Schweiz statt finden, wo schon der natürliche Unterschied von 22 Kantonen schwerlich anders, als durch die Energie eines durchdringenden und kräftigen Ge dankens zu beseitigen ist.

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Und doch ist, kann man sagen, die Schweiz von jeher als Musterstaat Europäischer Freiheit aufgestellt worden. Es herrscht hier die Freiheit von Gottes Gnaden, und zu jeder Zeit haben die Europäischen Grofsmächte theils durch Anerkennung der Neutralität, theils duréh‹ Abweisung eines jeden einseitigen Einflusses, theils durch den Schutz der Verfassungen selbst, ihren Willen kund gethan, dafs auch die republikanische Regierungsform in Europa nicht ausgehen, und nicht min

Wird die Schweiz in ihre völkerschaftlichen Abtheilungen zerlegt, so sind es hauptsächlich zwei grosse Sonderungen, die sich hervorthun, die Deutsche und die Französische Schweiz. Denn das Italiänische Anhängrer Bestandtheil genannt werden. Der Naturanschauung sel, der Kanton Tessino, kann kaum als ein besondenach sind diese beiden Theile vollkommen von einander zu trennen. Wenn man sich die Mühe genommen hat, die hohen Berge der Deutschen Schweiz zu erklimmen, so gelangt man in liebliche Thäler, in anmuthige Gegenden, die diesen Höhen abgewonnen zu werden scheinen. Es ist das Deutsche Leben, das nur durch Mühseligkeiten dazu kommen kann seine Inner: lichkeit zu erringen. Dagegen besitzt die Französische Schweiz eine äufserlich hingelegte Anmuth, die man geniefsen kann, ohne sie zu erkämpfen: die Berge umgeben diese Schönheit nur, aber hüllen sie nicht ein: es ist dies der Französische Charakter, der zwischen dem Erstreben und dem Besitz nicht gern einen langen Zwischenraum zugiebt. Minder aber, wie durch die Natur, sind diese Theile durch den Geist getrennt. Wenn auch die Sprache hier eine grofse Scheide zu machen scheint, so ist doch der Deutsche Geist auch in die Französischen Kantone hinübergedrungen. Nicmals können sich wirkliche Franzosen so leicht der Deutschen Sprache bemächtigen als die Französischen Schweizer, deren Schriftsteller das Herüberwehen des Deutschen Sinnes nicht verläugnen dürfen. Rousseau ist in mehr als einer Beziehung ein Niehtfranzose zu nennen: seine Gedankenrichtung, seine Melancholie bezeichnen ihn als solchen, und lassen ihn charakteristisch genug, dem efgentlichen Franzosen des achtzehnten Jahrhunderts, Voltaire, gegenübertreten. ? i!

Die Kämpfe, die jetzt in der Schweiz begonnen haben, sind daher keine Unterschiedenheiten der beiden Volksstämme, keine abweichenden Meinungen der Französischen und Deutschen Schweizer, Vielmehr hat Waadt, und in den meisten Beziehungen auch Gent sich den freisinnigen Bemühungen von Bern', Zürich, Lucern und Thurgau angeschlossen, und es hat sich in dieser Verbindung gezeigt, wie wenig Volks - und Sprach

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verschiedenheiten heut zu Tage etwas bedeuten; die obschwebenden Streitigkeiten begeben sich jetzt zwischen zwei dem Begriffe nach verschiedenen Richtungen, zwischen der Kuh- und Mistschweiz, und denjenigen Kan tonen, die durch Bildung, Geist und Bedeutung von jeher dem Helvetischen Namen Ehre gemacht, und als die Vorfechter des Schweizerischen Volkes zu betrach ten waren. Es ist übrigens kein Wunder, dafs grade die Kantone, von denen die Schweizerische Freiheit sich ursprünglicherweise datirt, im weiteren Verlauf der Geschichte zurückgeblieben sind. Die ursprüngliche Freiheit ist eben nicht die fortgeschrittene, und man kann vor vielen Jahrhunderten Wilhelm Tell hervorgebracht haben, ohne irgend in den Verwickelungen sich bewegen zu können, mit denen das neuere Staatsleben umgeben ist. Nur, wenn Basel, diese reiche gebildete und gelehrte, diese um Reformation wie um politischen Fortschritt von jeher so verdiente Stadt, nicht allein sich den Kuhkantonen anschliefst, sondern eigentlich den Inhalt ihres Widerstrebens ausmacht, so kann dies lediglich in einem gewissen widerhakigen Eigensinn ge. sucht werden, dem auch der Bessere bisweilen verfällt, und der oft zu einem wundersamen Gefüge falscher Schritte und unzusammenhängender Maafsregeln verführt.

Schweizervolkes nothwendig wäre. Es läfst sich nicht läugnen, dafs es in der That etwas unpassend erscheint, wenn jeder Kanton, weil er einmal ein Kanton ist, mag er der Volkszahl nach noch so unbedeutend sein, ein eben so grofses Gewicht in die Wagschaale der Abstimmung solle legen können, als die volkreichsten, gebildetsten und wichtigsten Stände der Schweiz. Will man auch der historischen Grundlage ein gewisses Recht zugestehen, so wird doch, in unserer Zeit auch ihrerseits das Recht der gröfseren Bevölkerung und Bedeutung seine Geltung haben, und die am wenigsten revolutionär Gesinnten werden mindestens verlangen dürfen, dafs beiden Beziehungen neben einander die Berathung über die wichtigsten Interessen des gemeinsamen Vaterlandes gegönnt werde.

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Die eigentliche Lebensfrage, auf die es in der Schweiz besonders ankommt, ist die: Soll die Helvetische Eidgenossenschaft eine einige und zusammenhängende sein, die in den Kantonen nur ihre Theile hat, oder sind die Kantone die wahrhafte Hauptsache, die nur in der Tagsatzung ihre willkürliche Verbindung besitzt. Die Tagsatzung hat bis jetzt in der Schweiz keine eigentliche Gewalt gehabt; sie ist nicht mehr und nicht minder als das freiwillige Zusammenkommen der einzelnen Stände gewesen: sie bildet kein Gericht, und hat kein Recht mit Gewalt zu erzwingen, was nicht etwa durch das Beistimmen der Stände geleistet wird, Sie ist, wenn man will, eine reine Nullität, und kann gar nichts dazu beitragen, den staatsrechtlichen Charakter der Schweiz zu erhöhen, und ihr eine Europäi sche Bedeutung zu verleihen. Soll nun der Schweize rische Bund in seinen Grundlagen verändert werden, und kommt hierauf und nicht auf die Veränderung der Kantonalverfassungen Alles an, so kann die Frage entstehen, ob diese Umarbeitung der Bundesverfassung durch die bisherige Tagsatzung geschehen solle, oder ob dazu eine aufserordentliche Versammlung des

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In der gegenwärtig vorliegenden Schrift hat nun der Verf., der den Namen Severus Pertinax führt, verschiedene Aufsätze gesammelt, die er in Form von Reden an die Eidgenossenschaft richtet. Mit einer Beredsamkeit, wie sie im Deutschen selten gefunden wird; mit einer sich dem Volke oft derb anschmiegenden Weise, verbindet derselbe eine tiefe Kenntnifs der Schweizerischen Geschichte, eine philosophische Anschauung, die ihn die historischen Thatsachen bewegen läfst, und vor allen Dingen einen praktischen Blick in die Hindernisse und Parteiungen, welche die Eigensucht erregt, und die politische Philisterei lebendig erhalten hat. Man hat es hier mit einem Schweizer zu thun, der ein Staatsmann genannt werden kann, der der Kantönlisucht, der ,,Schweizerischen Cholera", kühn und männlich entgegentritt, und der nur in der vom Schweizerischen Volke, und nicht von den Kantonen als solchen ausgehenden Berathung eine Bürgschaft für den künftigen Werth der hier zu erschaffenden Bundesverfassung erblickt. Es muss zum Lobe dieser Schrift hinzugefügt werden, dafs sie rein Schweizerisch gehalten ist, und dafs sie es für unwürdig hält, mit dem, was lediglich das Helvetische Volk angeht, Herabsezzungen benachbarter Regierungen und Ausfälle auf dieselben zu verbinden. Wenn der Charakter des Verfassers in der neuesten Zeit von Gegnern häufig hat Anfechtungen erleiden müssen, so zeigt er sich in dieser Schrift in der ungetrübtesten Reinheit, als von Vaterlandsliebe durchdrungen, als wahrhaft gesinnungsvoll und begeistert. Wie viele haben nicht seit dem Wiener Kongresse ihre Ansichten nach den Begebenheiten

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