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geändert, und ihren ganzen politischen Anzug umge flickt! Von unsrem Verfasser lässt sich dies nicht sagen: er ist immer beharrlich bei dem geblieben, was das Recht ihm eingab, und die Pflicht ihm zu gebieten schien. Und so wollen wir denn in diesen Reden hauptsächlich die mannhafte Stärke preisen, die sie eingab, und die aus den einzelnen Ruthen ein Gebinde von gewaltig züchtigender Kraft zusammensetzte,

XI.

Gans.

Der Mysticismus nach seinem Begriffe, Ursprunge und Unwerthe; für alle höher Gebildeten zuerst streng wissenschaftlich dargestellt und geschichtlich erläutert von D. Georg Christ. Rud. Matthäi. Göttingen 1832. 195 S.

Schon das in unserer Zeit so viel besprochene Wort Mysticismus, noch mehr aber der streng wissenschaftliche Charakter des gegenwärtigen Bearbeiters dieses Gegenstandes, welcher bisher einer scharfen und klaren Darstellung mehr als irgend ein anderer von gleicher Wichtigkeit entbehrte, mufs die allgemeine Aufmerksamkeit auf diese ebenso belehrende als interessante Schrift um so mehr lenken, als die Umtriebe der heutigen My. stiker die Gefahr täglich mehren und ernstlich zu Mitteln, sowohl der eigenen Sicherung als des Kampfes gegen sie ermahnen. Möge folgende Inhaltsanzeige dazu beitragen, dem an sich werthvollen Bestreben dieses Werkes viele Leser und Beherziger zu verschaffen.

Theil I. der Begriff des Mysticismus.

Nach der Einheit der vier Elemente des Begriffes ist Mystic.: „der 1) aus einem phantastischen Gefühle hervorgehende und von ihm geleitete Glaube, an 2) eine offenbarungsreiche Gemeinschaft einzelner Geweihter mit Gott, welche zugleich 3) gewisse Lehren als höchst wesentlich betrachtet und 4) auf Geheimlehren sich richtet. Diese Elemente zeigen sich in den Denkarten der Völker und der Einzelnen a) in gröberen und feineren Potenzen. Die gröbste erscheint im Heidenthume, die minder grobe im Muhamedanismus, die mindest grobe im Judenthume. Auch im Christth. erscheinen die Potenzen aller Elemente in groben, feineren und feinsten Gestalten. b) In schwächeren und stärkeren Potenzen und zwar nur nach dem ersten Elemente hin. Sie sind sehr hoch' potenzirt im schwärmerisch -'myst. Fühlen, welches sich zu äussern ringt; höher im fanatisch - myst. Fühlen, welches zu bekehren und zu verfolgen strebt; höchst potenzirt im wahnsinnig-myst. Fühlen, welches das ganze Seelenleben des Menschen verrückt, ja verwüstet. c) In allgemeineren und be

stimmteren Potenzen Diese sind die Arten des Mystic; sie sind a) der theoretische (betrachtende) und zwar entweder der schlechthin theoretische d. i. ein phantastisches Betrachten Gottes ohne Anspruch auf Untrüglichkeit, oder der theoretisch - theosophische asketischer (übender) und zwar 1 ein nihilistischer der auf die mit diesem Anspruche; ) der praktische-, welcher entweder ein Vernichtung der menschlichen Kraft ausgeht, 2) ein quietistischer, der auf das Ruhen derselben dringt, 3) ein pietistischer, der sich frömmelnd vom Menschlichen zurückzieht, oder ein theurgischer, der nach Wundern strebt". Alle diese Potenzen aber, in der Wissenschaft zwar unterschieden, vermischen sich im Seelenleben einzelner Mystiker und erzeugen mancherlei Formen und Vermischungen. Hierauf werden alle möglichen Vermischungen nach ihrer Erscheinung in der Geschichte von den ältesten heidnischen Mystikern bis auf die neuesten herab betrachtet, der konkreteste und interessanteste Theil des Buches, wobei die schwerere sachliche Ordnung neben der chronologischen beobachtet wird.

in der Urzeit, ihr erstes Hervorteten ist nicht bestimmt geTheil II. der Ursprung des Mysticismus. A. Der geschichtliche Ursprung der vier Elemente liegt schon schichtlich nachzuweisen, wohl aber die bestimmteren Potenzen sinnliche, selbstsüchtige Seele ist; 2) ihren Grund, er ist die verB. der psychische Ursprung umfafst 1) ihre Quelle, welche die meintliche Selbstbefriedigung im Mystic.; beide aber steigern erst 3) ihre Anlässe, die von aufsen kommend, im Innern der Seele wirken. Sie sind a) Anlässe in der Natur b) in der Menschenwelt, und zwar ausgehend von Einzelnen: in Erziehung, öffentlichen Reden sowohl durch Form als Inhalt, Schriften (Traktaten), Sektirern und Gemeinschaften. c) Im Leben des Einzelnen: Uebersättigung und aufserordentliche Schicksale, aber nur durch eigene Schuld. Der psychische Ursprung der Potenzen ist von dem der Elemente nicht verschieden, denn die Potenzen sind die Steigerungen oder die näheren Bestimmungen der Elemente. Die Potenzen entstehen auch nach dem Maafse des Temperaments der Individuen.

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Theil III. der Unwerth des Mysticismus Unwerth der Elemente. stammt alles Falsche in der Rel.; ein ursprünglich relig Ge Aus dem phantastischen Gefühle fühl giebt es nicht; das Gefühl ist nur werthvoll, wenn es der Gedanke vergeistigt; werthlos aber an und für sich; verderblich wenn es nur immer mehr die Seele versinnlicht. Eben so christwidrig als das erste sind die anderen Elemente, denn die Of fenbarung ist allgemein. Alle Lehren sind gleich wesentlich, My. sterien hat das Christenth. nicht. Vollends aufser Zweifel ist der Unwerth der Potenzen, denn sowohl die theoretisch- theosophische, als die asketische und theurgische widerstreiten der Schrift und sind unchristlich. Der Unwerth endlich aller Elemente und Potenzen überhaupt, erhellt aus den mehr oder minder gemeinsamen theoretischen Fehlern und praktischen Folgen. Jene bestehen im Verendlichen des Menschen und Gottes, woraus der Ruin aller Wissenschaft von Gott im Bewusstsein des Menschen und in der heil. Schrift folgt; diese sind theils allgemeine, in allen Elementen und Potenzen mehr oder weniger gemeinsame, theils besondere d. i, aus einzelnen Potenzen hervor gehende und nur in einzelnen Individuen erscheinende. Beide bestehen aber in Folgen für Gesinnung: Selbstsucht und Dünkelhaftigkeit; für Gesinnung und Handlung zugleich: Unduldsamkeit; für Selbstbewusstsein: Blindheit; für Selbstbewufstsein und Handlung zugleich: Verrücktheit und die gröbsten Verbrechen.

Als Mittel wider den Mysticismus giebt der Anhang an 1) Mittel der Verhütung: Vermeiden der vier Elemente; Unterricht dem Begriffe des Geistes gemäfs; Meiden der Anlässe, besonders im akademischen und Kanzel - Vortrage. 2) Mittel der Heilung: Nachweisen des Ursprungs des Mysticismus aus der ligen Schrift; am wirksamsten die Beispiele aus der Geschichte ; Selbstsucht; wirksamer: die Auslegung (nicht Deutung) der hei

endlich das Zerstoren der Konventikel.

Jahrbücher

für

wissenschaftliche Kritik.

XII.

Juli 1833.

Meister Franz Rabelais, der Arzenei Doctoren, Gargantua und Pantagruel, aus dem Französischen verdeutscht, mit Einleitung und Anmer kungen, den Varianten des zweiten Buchs von 1533, auch einem noch unbekannten Gargantua, herausgegeben durch Gottlob Regis B. RR. Bacc. Erster Theil. Text. Mit des Autors Bildnifs. Leipzig 1832. Verlag von Joh. Ambr. Barth. 8. S. 981.

Unsere gesellige Unterhaltung ist, wenigstens in den gröfseren Städten, eine zu häufige, als dass neben ihr noch irgend etwas naturwächsiges bestehen könnte, Stille Naturen, die diese Unterhaltung entweder überhaupt meiden, oder nur passiven Antheil daran nehmen, sich aber unbefangen an Erlebnissen und Empfindun. gen freuen, sind theils in zu geringer Anzahl vorhanden, theils haben sie auf die Entwickelung der Unterhaltung und des Stoffes derselben eben ihres Wesens halber keinen Einfluss. Die gesellige Mittheilung und Beurtheilung bemächtigt sich in ihrer Armuth also sofort aller eben sich entwickeln - wollenden Erscheinungen, macht sie zum Gegenstand der Reflexion und dadurch zu etwas natürlicher Weiterentwickelung entSelbst natürliche Ansätze religiöser Stimmung werden dadurch sofort zur Fratze. Göthe braucht das Wort: „Alles keimt getrocknet auf", und nichts ist geeigneter, um dieses mumienartige Geistesdasein zu bezeichnen. So oft Ref. das Glück oder vielmehr Unglück hatte, der Ehre zu geniessen der Gesellschaft von Damen, denen es nicht gut mehr möglich war, das Wort „Liebe" zu gebrauchen, weil ihnen das Wort ,,Neigung" in eben dem Grade angemessener schien, als jene krausen, salatartigen Garnirungen ihrer Kleider geschmackvoller, denn einfache Linien der Abschnitte

rissenem.

so oft

und Näthe; - so oft ihm das Glück oder Unglück be keit der religiösen oder vielmehr irreligiösen Antheilschieden war, am Abend die ganze winzige Unendlichnehmung des Fräuleins an der Frühpredigt und somit zugleich den Werth oder Unwerth des Frühpredigers selber als anatomisches Präparat vorgelegt zu erhalten; so oft er Leute über den künstlerischen Gehalt eines Landschaftsgemäldes reden hören mufste, die bei aller Bildung doch nicht einmal im Stande waren, auch nur die lumpigste, täglichste Erscheinung in der Natur, etwa das lustige Zittern eines schlanken Pappelbaumes im frischen sonnigen Morgenwind, oder den architektonischen Reichthum einer Petersilienpflanze mit wahrhaft natürlicher Freude zu bemerken; so oft von irgend ei nem verfluchten Geiger oder Pfeifer oder Sänger, der kastrirt war, oder kastrirt zu werden verdiente, die Rede war, als bezeichne er einen welthistorischen Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit; -; so oft; so oft auch wandelte ihn ein unwiderstehlicher Naturreiz, ein Jucken und Brennen, oder wenn der wohlgezogenere Leser lieber will, eine übermannende Teufelsversuchung an, trotz aller sonstiger Achtung vor keuschen Seelen und vor dem Vorzug einer keuschen, reinlichen Zunge, mit faustdicken Zoten dareinzuschlagen und für die unnatürliche Verkrüppelung jener chinesischen Porzelanbildung Rache, kecke, höhnende Rache zu nehmen an den Verbildnern und dem Lumpengeschlecht ihrer Nachtreter durch eine recht übernatürlich-natürliche Flegelei und Ungezogenheit. Es ist dies ein Standpunkt, auf welchem die tolle, spukhafte Ausgelassenheit, ja! die im Schmutz der Sinnlichkeit wühlende Zotenlust ehrwürdig wird, weil sie sich als die einzige Waffe darstellt zum Schutz wahrhaftiger, unmittelbarer, reiner Empfindung gegen das Gift jener alles lähmenden, austrocknenden, anfressenden Mumienbildung kraftloser Zierpuppen. Wahrhaftig! wer einmal in seinem innersten Herzen die Rührung

nachempfunden hat, mit welcher Aristophanes von der altväterlichen Sitte spricht in den Zeiten der marathonischen Schlacht, und dem Jammer über die raupenartige Verwüstung, die die Bildung der folgenden Jahrzehnte an jenem edlen Gewächs hervorgebracht hatte — wahrhaftig! der erkennt das Edle, das Sittlichtiefe auch, was Aristophanischer Uebermuth einschliefst, und ihm ekelt nicht mehr vor dem πέος und dem χέζειν.

Verzeihe uns der Leser diese wenigen, derben Einleitungsworte, welche wir vorausschicken zu müssen glaubten, um unseren Rabelais zu Ehren zu bringen nicht dafs wir seinen Namen erst berühmt zu machen brauchten; jeder Wisch von Abrifs (— wir möchten rabelaisirend lieber sagen: Abschifs) der französischen Litteratur nennt ihn ja! aber anpreisen möchten wir die so seltene, die noch seltener verstandene Lektüre der Schriften dieses modernen Aristophanes, dieses Aristophanes über alle Aristophanes, denn eine Mumie sieht im Wesentlichen der andern ähnlich, wie ein Ei dem andern und der lustige, kräftige, selbst wie seine Helden mühlstein- und ambosgeharnischte Riese, der die Mumien, die ihm zu seiner Zeit aufstiefsen, in dem Leben des Gargantua und Pantagruel wie zu einem grofsen Scheiterhaufen aufschichtete und mit der Leuchte seines Wizzes in helllodernde Flammen, zuletzt in Asche verwandelte, dieser Riese, wenn ihn, in dem seligen Leben, was Gott ihm zweifelsohne beschieden hat, die Andacht der Leser, der vielen, vielen Leser rührt, er kann auch uns helfen, Creaturen aller Art, invita Minerva gemachte Professoren, schnurbartdrehend - plempenanwatschelnde Officiere, Predigtmaschinen, Tausendkünstler, blauangelaufene Keuschheiten und wie die Bestien, die das Leben in unseren so wohlfahrtspolizeilich eingerichteten Zeiten verunsichern, weiter heifsen mögen, vom Leibe zu halten oder auf den Scheiterhaufen zu bringen; es sind diese gefährlichen Personen nämlich nichts als aus der Asche phönixartig erstandene Magistri Thubal Holofernes und Jonas Fochtelnburg, Hauptmänner Dünnschifs u. s. w. wie sie leibhaftig in unserem Buche (mit Angebung der Urtheilskrücken zu Hülfe ihrer Erkennung unter allen Verkappungen) abkonterfeit sind.

Wo Witz und Spafs so centnerweis weggewogen werden, wie in Rabelais' Schriften, ist es ohnehin nicht gut möglich, dafs sie von jener Art sind, welche ohne einen soliden Kern der Achtung und Verehrung vor achtbaren und verehrungswürdigen Dingen, an jedem be

tet

liebigen Gegenstand nur die (durch jedes bestimmte, also bornirte Dasein nothwendig auch bei den achtbarsten Dingen gegebene) schwache Seite, die Kehrseite hervordreht und carikirt; - solchen grundlosen, sich überall nur an Einzelnes hängenden Humor, würde weder irgend ein Leser, noch der Schriftsteller selbst in solchem Maafse ertragen können. Schon der Umfang des Buches ist also ein Beweis, dafs hier jener Humor zu Grunde liegt, wie er freilich in nicht so reichem Umfange und nicht so leidenschaftlich, aber von noch schönerem, genialerem Gemüthe zeugend in Cervantes waljener Humor der eigentlich ein tiefer Schmerz ist über fratzenhafte Verzerrung und mumienhafte Austrocknung ursprünglich schöner und lebendiger Gestaltungen und Intentionen. Es ist nothwendig, naturnothwendig, dafs in Rabelais' innerstem Herzen ein schöner, reiner Diamant wahrhaften, ächten Gefühles łag- ein Diamant, dessen Lichter so hell aus ihm heraus und auf die umgebenden Gegenstände strahlten, dafs diese letzteren (wie die Hand des Menschen zu Nacht vor eine Flamme gehalten) durchscheinend wurden und so statt der äufserlich affektirten Gelehrsamkeit, Urtheilstüchtigkeit, Tapferkeit und Keuschheit auch die einwohnende Unwissenheit, Dummheit, Feigheit und Bestialität offenbarten. Rabelais reifst den Menschen, die ihn umgeben, ihre Larven, ihre Puppenkleider ab und stellt sie der tapfere Ritter der Wahrhaftigkeit des Gefühls und der Natürlichkeit des Lebens! - in puris naturalibus hin. Richtungen, die in ihrer Scheufslichkeit im wirklichen Leben nicht ganz erkannt werden, weil die sie tragenden noch nicht Muth des Handelns und Kraft des Denkens genug besafsen, alle Konsequenzen derselben zu entwickeln, deckt Rabelais schonungslos auf. Dafs wir doch nur Einen Schriftsteller hätten, der so genial, wie er die leeren politischen und gesellschaftlichen Ideale der Vornehmen seiner Zeit in seinem Kloster Thelam verhöhnt, jene letzte Conse quenz der atomistisch-liberalen Ansicht unserer Zeit entwickelte, der zu Folge die Menschen wesentlich dazu da sind geistig und körperlich sich anzustrengen, um Produktion und Fabrikation sicher und ungestört so weit als möglich zu treiben, und demnächst selbst so viel Mist zu machen als menschenmöglich! Wie schön würde Rabelais diese kolossale Miststätte des liberalen Civilisationsstaates beschrieben haben! hat er ja doch ähnliches auf das Ergötzlichste durchgeführt:

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so kömmt z. B. in der Lobrede auf die Schuldner und Borger", nachdem auseinander gesetzt ist, wie das ganze Weltgebäude auf Leihen und Schuldigsein beruht, eine Stelle vor, die auch den Menschen nicht blofs des Leihens und Schuldigseins wegen dasein, sondern selbst daraus bestehen läfst; es heifst daselbst: „nach diesem Muster denkt Euch itzt unseren Mikrokosmus, d. i. die kleine Welt, den Menschen, in allen seinen Theilen als Borgern, Schuldnern, Gläubigern d. i. in seinem Naturstand; denn nur zum Leihen und Borgen schuf Natur den Menschen. Gröfser kann nicht die Harmonie der Sphären als seines Haushaltes sein. Des Stifters dieses Mikrokosmi Absicht war: die Seel darin nen, die er als Gast hineingethan, zu erhalten und das Leben. Das Leben bestehet im Blut. Blut ist der Sitz der Seelen: Blut demnach zu brauen in einemfort, bezielt allein all Müh und Arbeit dieser Welt". (Der Beschlufs folgt.)

XIII.

der Städte Bevölkerung, dort 25000, hier 27000 Seelen, besteht aus Französischen Canadiern, aus Engländern, Schotten, und aus Ankömmlingen, die schon 1 bis 5 Jahre sefshaft sind; sie mehrt sich täglich, durch Irländer und Deutsche, die Europa, zum Theile von gröfster Noth gedrängt, verlassen, die meistens jedoch nur einige Stunden in den Städten verweilen, um in grofsen Massen den Lorenzstrom aufwärts zu fahren, zu den Seen hin, oder auf dem Ottawa ins Innere, zu schiffen, oder über La Prairie, St. Johns und Lake Champlain nach Vermont sich zu

begeben. Die Zahl dieser Ankömmlinge ist ungeheuer; vom 2. Montreal binnen 6 Tagen (vom 7ten Juni bis zum 12ten). 7308 aus Europa angekommen. Ihnen folgten bald in Quebec 5000, in Montreal 3000 ungefähr. Dürftig, wie sie sind, nehmen in ihrem Vaterlande schon nur schlechte Schiffe sie auf, die, des Gewinnstes wegen ausgesendet, eine möglichst grofse Zahl Auswanderer fortzuschaffen streben. Die Fahrt geht langsam vor sich; 50 bis 60 Tage lang müssen die Leute im engen Schiffsraume zusammengepresst, unverdauliche Speisen geniessend verdorbenes Wasser ist ihr Labetrunk auf der See zubrin gen. Am Lande angekommen, sind sie, erschöpft von den Mühen der Reise, allen Einflüssen eines fremden Klima's ausgesetzt. Ihnen wird keine Pflege, kaum ein Obdach zu Theil, das, aus dünnen Brettern zusammengesetzt, der Fremden Viele zugleich beherbergen mufs. Immer müssen Einige längs den Ufern des Lorenzstromes auf freiem Felde lagern, vor dem verderblichen Wüthen der Stürme durch wollene Decken nur kümmerlich geschützt. Andere werden in niedrige Häuser eingesperrt, welche

bis zum 23sten Juni 1832. waren deren in Quebec 30494, in

-

Report of the Commission appointed by the sanitary board of the city councils to visit Canada, for the investigation of the epidemic Cholera, prevailing in Montreal and Quebec. dicht aneinandergereihet, enge Gassen bilden, zu denen StröPhiladelphia 1832.

Die grofse Frage über die Natur der Seuche, deren Erscheinen vor Kurzem noch Schrecken über Europa verbreitete und dessen stolzen Wahn vernichtete, als vermöchte seine Weisheit durch polizeiliche Vorkehrungen einen anderswo so gefurchteten Gast leicht zu bannen, oder doch durch ärztliche Kunst seiner Wuth bald Schranken zu setzen, sieht ihrer Beantwortung noch immer entgegen. Durch das Studium ihrer Erscheinung in unserem Welttheile, dem Viele, und nicht Alle fruchtlos, ihre Kräfte gewidmet, ist erst ein Theil der Aufgabe gelöset: den Zusammenhang zwischen ihrem und anderer Naturereignisse Auftreten zu ermitteln, ihren Kampf mit der Menschheit, wie er unter den verschiedensten äusseren Bedingnissen Statt hat, zu betrachten, die Reaction menschlicher Natur, wie sie unter den mannigfachsten Verhältnissen die mannigfachsten Charaktere angenommen, gegen den Angriff der Krankheit zu beobachten.

Wenden wir jetzt daher den Blick nach jenem Welttheile, dessen Bewohner, schon der Europäer Nebenbuhler, nun erst, später als diese, der schrecklichen Seuche zum Opfer fallen. Folgen wir Samuel Jackson, Charles Meigs und Richard Harlan, den Aerzten, die Philadelphia's Gesundheitsrath, die Cholera zu beobachten, nach Canada sandte. Montreal und Quebec, des Landes Hauptstädte, sind es, die vorzugsweise uns interessiren. Bei

mungen frischerer Luft kaum Zugang finden. Den gröfsten Schmutz duldet die nachlässige Polizei. Es ereignete sich in Montreal, dafs 6, 8, ja 10 Familien einen Raum bewohnten, der für eine einzige bestimmt war. In einem Hause von 2 Zimmern lebten im letzten Jahre 50 Menschen, von denen 27 am Typhus daniederlagen, eine Krankheit die jährlich dort viele hinrafft. So zu Montreal, am St. Lorenzstromé gelegen, der den Prud homme aufnimmt, in welchen viele kleine Nebenflüsse dort sich ergiefsen. Ueberschwemmungen sind nicht selten und nicht allen Bewohnern wird das klare Trinkwasser aus dem Lorenzstrome zu Theil; Viele geniefsen das Wasser des ihnen näher strömenden trüben Ottawa. Mittags pflegt die Hitze drückend zu sein, Morgens und Abends Kälte zu herrschen.

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Von Dublin aus war die Brigg Carricks mit 133 Passagieren im April des Jahres 1832. abgesegelt. Innerhalb 15 Tagen verlor sie deren 39 durch den Tod. Am 9ten Mai, 30 Tage vor dem Ausbruch der Cholera zu Quebec, 25 Tage vor ihrer An kunft zu Grosse Isle, das 39 (Engl.) Meilen von jener Hauptstadt entfernt ist, starb der Letzte der Kranken. Obwohl seit dem kein Erkrankungsfall auf dem Schiffe sich ereignet, wurden die Ankömmlinge sogleich in das Kontumazhaus zu Grosse Isle geschickt. Keine Kommunikation mit Quebec hatte Statt, keiner der Fremden erkrankte, keiner auf der Insel. So berich tete Dr. Morin, der in Begleitung des Secretairs, Hrn. Young, die Quarantaineanstalt am 7ten Juni besuchte.

Am Sten Juni erkrankten zu Quebec in einem Wirthshause Auswanderer, die früher auf unverdächtigen Schiffen, so weit irgend ermittelt werden konnte, angekommen waren. Am Bord des Dampfschiffes Voyageur hatten sie sich zu Quebec eingeschifft, um nach Montreal zu gelangen. Das Schiff hatte aber der Reisenden so viele aufgenommen, das Wetter war so fürchterlich, dass Alle in Gefahr schwebten, unterzugehen. Von Europa waren sie mit Mühe vor kurzem angelangt, um hier glückli cher zu leben, als sie im Vaterlande vermochten. Mancher vielleicht hoffte Grosses vom neuen Welttheile: hier sollten sie sterben. Schrecken, Entsetzen überfiel Alle, die solches bedachten; allgemein wurde die Verwirrung auf dem Schiffe; seinem Führer schien es unter solchen Umständen bedenklich, die Reise fortzusetzen; er entschlofs sich nach Quebec ́ zurückzukehren, das er Nachts erreichte. Etwa 150 bis 200 Passagiere, von den Mühen der ersten Reise noch nicht erstärkt, aufgeregt, erschreckt and ermüdet von den Ereignissen des Tages, stiegen ans Land; Manche waren ganz durchnäfst. Am nächsten Morgen wurden mehrere dieser Unglücklichen Opfer der Cholera, Zur selbigen Zeit wurden ein Canadier, der an Bord eines Schiffes arbeitete und eine Frau zu Point Black von der Krankheit ergriffen.

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Das Dampfschiff Voyageur hatte sich unterdefs nach dem 180 Engl. Meilen entfernten Montreal begeben, wo es am 9ten Juni anlangte. Ein Passagier erkrankte während der Fahrt und starb zu Montreal in derselben Nacht. Am folgenden Tage ereigneten sich viele Erkrankungsfälle in der St. Lorenzvorstadt; an den verschiedensten Punkten zeigte sich die Cholera, am häufigsten in der St. Lorenz- und Quebecvorstadt, auch in der zwischen beiden gelegenen St. Louisvorstadt, seltener in der Stadt selbst, am meisten noch in den am Wasser gelegenen Stra fsen und längs dem Ufer des Stromes, wo die Ankömmlinge lagerten. Bis zum 15ten Juni waren in der Stadt, die 2500 Einwohner zählt, 1204 derselben erkrankt, 230 gestorben, nach 24 Stunden wieder 431 erkrankt und wieder 82 Todesfälle mit Bestimmtheit nachzuweisen. Nachdem abermals 24 Stunden verflossen, verkündeten die Behörden, dals abermals 475 Menschen erkrankt, 162 aber gestorben. Solche Nachrichten vermehrten den Schrecken der Bewohner, die durch Zwietracht sich entfremdet, ohne Vertrauen zur Obrigkeit an die Errichtung von Spitälern nicht gedacht, wozu jetzt die bretternen Verschläge genommen wurden, die früher den Ankömmlingen schlechten Schutz vor Wetter und Kälte gewährt hatten. Jemehr Todesfälle die Regierung publicirte, desto gröfser wurde die Aufregung; mit ihr aber stieg die Zahl der Erkrankungen. `Auch in Quebec verbreitete sich die Seuche mit reissender Schnelligkeit; sie zeigte sich bald in jedem Punkte der Stadt. Binnen drei Tagen waren 70 Menschen ihr zum Opfer gefallen. Zugleich hatten binnen dieser Zeit Erkrankungen in Point Levi am entgegengesetzten Ufer des Lorenzstromes, in Beauport und in Little River Statt gefunden.

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Längs des St. Lorenz, der grofsen Strafse der Einwanderer, ging die Krankheit in die Dörfer über; sie erreichte Kamouraska, 80 Meilen von der Stadt, sie ergriff die Bewohner von

Rivière Ouelle, von Bertha, von Point Levi und Beauport. Sie setzte die von Lotlinière, Berthier, Point au Trembles, Longpoint und vielen andern Oertern in Schrecken. Von Montreal aus ging się am Lorenzstrom hin, wandte sich rings um die Ufer des Ontario bis nach Buffalo. La Prairie, Lachine, Caugnawagha, die Indianische Niederlassung, Chateauguay, St. Regis, Cornwall, Prescott, Ogdensburgh, Brockville, Kingston und York wurden nicht verschont. Die grofsen Nebenflüsse des St. Lorenz wurden Wege für ihre Verbreitung. Sie ging den Richelieuflufs hinauf. Sie zeigte sich in Plattsburgh am Champlainsee, wo 7 Fälle vorkamen und dann keine mehr. Aus inficirten Orten kamen Leute nach Buxlington, Montpellier, Vermont, Whitehall, Fort Miller, Mechanicsville, New-York. Sie erkrankten, aber nur sie; der Keim der Krankheit, den sie in sich trugen, erstarb mit ihnen. Der grofse oder Ottawaflufs, der von Nordwest her in den St. Lorenz strömt, öffnete der Cholera den Zugang gen Cornwall, Greenwich und Bytown. Die Seuche erschien eben sowohl in einzelnen und abgesondert gelegenen Pachthöfen, als in bevölkerten Dörfern und vollgepfropften Städten. So erstreckte sich die Cholera binnen 20 Tagen über 600 bis 700 Meilen längs dem Lorenzstrom, über 100 längs dem Ottawa und 100 längs dem Richelieu.

Nicht Menschen allein starben dahin, auch auf die Vegetation erstreckte sich der tödtliche Einflufs des Giftes, das sich entwickelt. Ein sonst nie bemerktes Absterben einer grofsen Menge von Waldbäumen mehrte das Unglück.

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Tiefgelegene Orte, wo Nebel herrschen, litten mehr als erhabene, mit sandigen Boden, die freien Luftzug geniessen. So kam es, dafs Plätze, nie von Einwanderern besucht, Krankheitsheerde wurden, Andere, wohin die Europäer strömten, verschont blieben, oder nur Ankömmlinge zu begraben hatten. In den am Ufer der Flüsse gelegenen Theilen der Städte wüthete die Seuche am heftigsten, Menschen, die den Tag über in freier Luft arbeiteten, starben hier häufig, vorzüglich, wenn sie dem Trunke ergeben waren. Grofse Reinlichkeit, strenge Diät schützten am sichersten: in Quebec, wo die höchste Sorgfalt auf die Truppen gewendet wurde, die doch auch in den niedrigen Theilen der Stadt den Dienst verrichteten, starb nur ein, früher schon entkräfteter, Soldat.

Als die Epidemie erschien, erstreckte sich ihr Einfluss zugleich auf die Ankömmlinge und die Französischen Canadier, welche den Sitten ihres Landes treu, vegetabilische Kost lieben, aufserdem unreinlich und oft unmäfsig sind und lebhaftes Temperament haben. In Quebec starben mehr Ankömmlinge als Canadier, in Montreal wurden diese häufiger und heftiger ergriffen, als jene. Am wenigsten litten immer die Engländer, die den Bequemlichkeiten und Annehmlichkeiten des Lebens ruhigen Sinnes nachstrebend, gut und mäfsig leben, 'animalische Kost aber lieben. Die höheren Stände wurden, besonders zu Quebec, wo der Schrecken weniger grofs war, als in Montreal, viel seltner befallen als die Armen, welche mit dem Schrecken Sorge und Noth niederdrückten.

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