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richtet von einem bayrischen Grafen, der Bozen verwaltete. Wenn auch Bozen zum Gau Norital gerechnet wurde,' so ist doch Bozen schwerlich je der Mittelpunkt dieses großen Gaues, der das ganze Eisacktal umfaßte, gewesen. Jedenfalls sind die Gaue, wie Richter nachgewiesen hat, seit der spätkarolingischen Zeit zu geographischen Begriffen geworden, die sich nicht mehr mit dem Umfang der Gerichtssprengel, der Grafschaften deckten; schon im 10. Jahrhundert ist das Bestehen mehrerer Grafschaften auf dem Boden eines Gaues in Bayern nachzuweisen. Anders lagen die Dinge allerdings in den Marken; sie bildeten ein einheitliches Verwaltungsgebiet, in dessen ganzem Umfange die ordentliche Gerichtsgewalt dem Markgrafen zustand. In den Marken hat daher die Zersplitterung der Gerichtsbezirke etwas später eingesetzt und nicht alle Faktoren, welche für das altbayrische Stammland in Betracht kamen, waren hier in gleicher Weise wirksam.

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Mehrere Motive haben auf die Zerstücklung der alten Grafschaften, auf die Bildung der Landgerichte eingewirkt.

und gäbe war. Daß der Graf Vorsitzender des Gerichtes war und nicht der iudex, geben auch diejenigen zu, die wie Opet, Geschichte der Prozeßeinleitungsformen 67; E. Mayer in den Göttinger Gelehrten Anzeigen 1891, 349 den iudex als urteilend auffassen. Indes dürfte die Ansicht, die Beseler in der Zeitschr. für Rechtsgesch. 9, 248 f. gegen Merkel begründet hat, den Vorzug verdienen, wonach der iudex, deutsch eosago, êasagari, êteilo, urteilo gleichwie bei den Alemannen nur das Urteil fand. Diese Ansicht ist jedenfalls die herrschende geworden, vgl. Brunner, Deutsche Rechtsgesch. 1, 150; Schröder, Rechtsgesch., 175; Riezler, Geschichte Bayerns 1, 128. Daß die Bedeutung des Wortes iudex in der lex, die ja vielfach den westgotischen Gesetzestext wiederholt, eine schwankende ist, iudex für Behörde überhaupt gebraucht wird und daher den Grafen und Herzog mitumfaßt, ist schon mehrfach hervorgehoben worden, vgl. Waitz, Deutsche Verfassungsgesch. 2, II, 155 f. Der bayrische iudex wird zum Schöffen, vgl. Riezler, Forschungen zur deutschen Geschichte 18, 526. Der im 12. Jahrhundert auftauchende Landrichter (iudex) kann daher nicht an den alten iudex des bayrischen Volksrechtes anknüpfen.

1 Nach Hauthaler, Salzburger Urkundenbuch 1, Nr. 67 (923), wo Mölten und Terlan als in comitatu Nurihtale befindlich bezeichnet werden, vgl. Egger a. a. O. 415. Egger denkt an zeitweise Vereinigung der Grafschaften Bozen und Eisacktal.

2 a. a. O. 605. Er spricht sich überhaupt gegen Zusammenfallen von Gau und Grafschaft aus.

3 Richter a. a. O. 606; Rosenthal, 50; Riezler, Gesch. Bayerns 1, 843.

Zunächst die Zunahme der Besiedlung und Bevölkerung.1 Die österreichischen Länder sind ja zum guten Teile, wie Niederösterreich, Steiermark, Kärnten, Kolonialländer im wahren Sinne des Wortes gewesen. Hier ist die deutsche Bevölkerung erst im wesentlichen seit der Karolingerzeit eingewandert und hat die älteren Besiedler wenigstens nördlich der Drau verdrängt. Hier konnte nicht an ältere Einrichtungen angeknüpft werden, hier galt es von allem Anfang an, für die Bedürfnisse der Siedler neue Ordnungen zu schaffen. Aber auch auf altbayrischem Boden in der Ebene sowohl als in den Bergen hat die innere Kolonisation großen Umfang und große Bedeutung gehabt. Vom 10. bis ins 12. Jahrhundert lichteten sich die Wälder, die einen bedeutenden Teil des Landes bedeckten. Dasselbe war in Tirol der Fall. Die vielen deutschen Dorf- und Hofnamen, die sich hier mitten unter älteren romanischen finden, deuten der Mehrzahl nach auf Besiedlung in dieser Zeit. Damals sind die Nebentäler des Inntales, das Sellrain, Ötz- und Pitztal, das Achental, die Leutasch, ein guter Teil des Pustertales, so manche Seitentäler des Eisacktales besiedelt worden. Und nicht minder in Südtirol. War schon hier im 9. Jahrhundert ein Teil des Adels bayrischen Ursprungs und griff das große Kolonisationsgebiet, das sich wohl schon seit dem 9. und 10. Jahrhundert am Südostabhang der Alpen im Gebiete von Verona, Vicenza und Feltre gebildet hatte, auch höchst wahrscheinlich in den Valsugan und die Grafschaft Trient (Lusern, Lavarone) hinüber, so drangen nun seit dem 11. und 12. Jahrhundert deutsche Kolonisten rüstig auch im Etschtale vor. Zunächst wurden die Höhen, welche das Etschtal an der linken Seite umflanken, von Bozen bis fast zur heutigen Landesgrenze von der Hacke deutscher

1 Worauf bereits v. Below, Histor. Zeitschr. 59, 217; Egger a. a. O. 377 und andere hingewiesen haben; vgl. auch Keutgen, Untersuchungen über den Ursprung der deutschen Stadtverfassung 15.

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Riezler, Geschichte Bayerns 1, 771; Inama-Sternegg, Deutsche Wirtschaftsgeschichte 2, 20 f.

3 Älter sind die Namen mit dem Suffix ing im Inntale, die wang-Namen sowie die deutschen Namen bei Bruneck, vgl. Redlich, Zeitsch. des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins 1897, 80 f.

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Redlich, Ein alter Bischofssitz im Gebirge. Zeitschr. des Deutschen und
Österreichischen Alpenvereins 1890, 39 f., 44.

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Bauern der Kultur erobert. Da reihten sich aneinander Welschund Deutschnofen, schon durch ihre Namen als Kolonistendörfer gekennzeichnet, Aldein, Fleims,1 Pinè und südlich des Durchbruches der Fersina, angrenzend an jenes ältere Kolonisationsgebiet, Folgareit, Costa, Terragnol und Vallarsa. Und auch im Talboden selber wurde rüstig gearbeitet. Die Gründung des mit deutschen Chorherren besetzten Klosters St. Michel an der Etsch, das Fennberg und seine Besitzungen in Giovo und Umgebung durch deutsche Bauern bewirtschaftete, die Anlage des bald deutsch gewordenen Neumarkt waren hier die entscheidenden Tatsachen. Noch lange hat diese Kolonisation weiter gedauert. Tramin, durch seinen vortrefflichen Rotwein bekannt, ist als Weinort zu Beginn des 13. Jahrhunderts durch Bischof Friedrich von Wangen angelegt worden.2 Ja noch im 14. Jahrhundert haben an der heutigen Sprachgrenze zwischen Deutschmetz und Margreid umfangreiche Rodungen von Weinland stattgefunden.3

Bei dieser weitgehenden Zunahme der Bevölkerung und der bewohnten Grundfläche konnte die alte Gerichtseinteilung nicht mehr ausreichen. Denn diese Kolonien lagen teilweise auf hohen Bergrücken, die vom Tale nur auf stundenlangen Saumpfaden zugänglich waren. Da mußte es im Interesse der Kolonisten zur Neuerrichtung von Gerichtssprengeln kommen,

1 Die Herkunft der Fleimser ist noch nicht aufgeklärt. Ihr Recht enthält mehr deutsche Elemente als jedes andere in Südtirol. Doch waren sie weder Langobarden, noch Baiuwaren. Man könnte am ehesten an eine Kolonie aus dem romanischen Rheintale, dem Bündnerlande denken. vgl. Festgaben für Büdinger 358, das ja stark unter fränkisch-alemannischem Einfluß stand.

2 Noch lange lebt die Erinnerung daran fort in den Leiheurkunden der Weinberge; das Leiherecht wird durchaus in diesen auf den genannten Bischof zurückgeführt.

3 Exkönig Heinrich verleiht seinen (unehelichen) Brüdern Heinrich Domherrn von Brixen und Heinrich von Eschenloh 40 Joch unbebauten Landes zu Aicholtz in pertinentiis Meczi zur Urbarmachung; St. Zenoberg, 1327 November 29. Derselbe für Albert von Forst, Gotschalk, Richter zu Enn und Heinrich von Schönna, gibt ihnen Gewalt an seiner statt daz Aicholz ze Mecz uns und unsern erben ze einem zins ze raeuten und ze pauen; 1327 Dezember 3. Hdschr. 392 f. 1 und 11 Nr. 2 und 4, Wien St.-A. Hier werden wohl die berühmten Teroldego-Reben (Tiroler) angepflanzt worden sein.

die gewiß vielfach mit der Anlage dieser Kolonien Hand in Hand ging. Die Gemeinde Fleims bildet einen eigenen Gerichtsbezirk schon zu Anfang des 12. Jahrhunderts.1 Darauf und nicht, wie Egger annahm, auf die Gastaldienverfassung gehen jene kleineren Gerichte zurück, die einzelne dieser Berggemeinden umfassen, wie Flaas und Campidell, Mölten, Jenesien, Wangen, Deutschnofen, Steineck und Welschnofen bei Bozen. Und südlich von Trient war dasselbe der Fall mit Folgareit, das ebenfalls seit 1440 einen eigenen Gerichtssprengel bildete, mit Ledro usw.

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Neben diesem wirtschaftlichen Motive wirkte dann ein persönliches zur Auflösung der alten Grafschaften. Daß die Grafschaften Lehen wurden, ist für die Gerichtsverfassung von der größten Bedeutung geworden. Indem sie als Lehen erblich wurden, mußte es zu Teilungen und andererseits wieder zur Vereinigung weit verstreuter Gebiete kommen. Noch lange behielt das Reich einen maßgebenden Einfluß auf das Schicksal der Gerichtssprengel. Die Veränderung der Gerichtsverfassung, die Teilung der Grafschaften, die Veräußerung der Grafengewalt waren an die Zustimmung des Königs gebunden. Zugleich war die Vereinigung mehrerer Grafschaften in einer Hand verboten, jede Grafschaft mußte ihren Grafen haben.5 Indes diese Sätze, die der Sachsenspiegel noch als geltendes Recht verkündet, haben zu seiner Zeit im bayrischösterreichischen Rechtsgebiet ebenso wenig wie die königliche Bannleihe, wenigstens auf dem herzoglichen und Markboden Geltung gehabt. Damit war hier dem Landesfürsten die Mög

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1 Anerkannt in den Privilegien des Bischofs Gebhard von 1111 oder 1112, Schwind-Dopsch Nr. 3.

2 Flaas und Deutschnofen scheinen erst nach 1237 und 1242 als Gerichte entstanden zu sein, vgl. Acta Tirol. 2, Nr. 864 und Einl. 205.

3 Bottea, Cronaca di Folgaria 24. Folgareit und Ledro waren allerdings nur Niedergerichte. Ledro ist eigener Gerichtssprengel mindestens seit 1508.

Schröder, Zeitschr. der Savignystiftung für Rechtsgesch., Germ. Abt. 5, 49;
Rechtsgesch. 4, 557.

5 Schröder, Zeitschr. der Savignystiftung 5, 49.

Schröder, Rechtsgesch. 4, 572 n. 159. Vgl. über das Dingen bei markgräflichen Hulden Kühns, Geschichte der Gerichtsverfassung und des Prozesses in der Mark Brandenburg 45 f.

lichkeit zu tieferen Eingriffen in die Gerichtsverfassung, zu einer den wachsenden Bedürfnissen angepaßten Neuordnung gegeben, ebenso wie aus denselben Gründen diese süddeutschen Gebiete rasch zu Territorien im staatsrechtlichen Sinne erwuchsen, indem die Territorialherren in Bayern, Salzburg und Tirol seit dem 13. Jahrhundert die reichsunmittelbaren oder auch von ihnen lehenbaren Grafschaften in großem Umfange einzogen.1

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In älterer Zeit war es vor allem die Verleihung der Immunität von Seite des Königs, durch welche der Verband der Grafschaft durchbrochen werden konnte. Allerdings die Immunität hat erst später diesen Inhalt erhalten und sie mußte ihn auch dann keineswegs besitzen. Es hat Fälle genug gegeben, in denen das immune Gebiet in einem gewissen Zusammenhang mit der Grafschaft geblieben ist. Dafür ist gerade ein Fall aus Südtirol besonders lehrreich. Das Domkapitel von Verona besaß in Judikarien drei Dörfer, die ihm schon zu Beginn des 10. Jahrhunderts durch Schenkung zugekommen waren. Mag auch die Urkunde Kaiser Berengars, welche die Schenkung bestätigt und Immunität verleiht, kaum echt sein, spätere Diplome haben die Immunität im weitesten Umfange gewährt. Das Domkapitel hat denn auch dort Richter eingesetzt, Steuern erhoben, Statuten verkündigt, welche die Bestrafung selbst der schwersten Verbrechen regelten. Und so konnte es im 13. Jahrhundert die Behauptung wagen, daß die Dörfer nicht zur Grafschaft Trient gehörten. Freilich nicht ohne Widerspruch von Seite Trients. Die Gerichtsbarkeit des Kapitels mußte Trient schließlich freilich anerkennen; doch ist dieses Gericht wieder verschwunden, als das Domkapitel seinen Besitz in Judikarien gegen Ausgang des 13. Jahrhunderts verlor.5

1 Riezler, Gesch. Bayerns 2, 13 f.; Richter a. a. O. 618 f.

2 Heusler, Der Ursprung der deutschen Stadtverfassung 34 f.

3 Seeliger, Die soziale und politische Bedeutung der Grundherrschaft; Abhandl. der phil.-hist. Klasse der königl. sächs. Gesellsch. der Wissenschaften 22, 99.

Schiaparelli, I diplomi di Berengario I, Nr. 113.

Für das Nähere sei sowohl wegen dieser als der folgenden Ausführungen

auf eine Arbeit verwiesen, die Verf. über die Immunitäts- und leibherrliche Gerichtsbarkeit in Südtirol vorbereitet.

Archiv. XCIV. Band.

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