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Gallo-römische Kultur in Lothringen und den benachbarten Gebieten.

Von J. B. Keune.

Mit dem Jahre 50 v. Chr. war Gallien bis zum Rheine befriedet, pacata, wie der harmlose Ausdruck blutigen Inhaltes lautet. Damit waren Völkerstämme der römischen Herrschaft unterworfen, welche durch Sprache und Sitten sich wesentlich von ihren Bezwingern, den Römern, unterschieden; mit ihnen die Mediomatriker, welche noch im Jahre 52 an der Auflehnung der meisten gallischen Völkerschaften gegen die römische Herrschaft beteiligt gewesen1), mit ihnen die Treverer, welche im Jahre 53 bezwungen, jenem Aufstand aber ferngeblieben waren. Und spätestens 70 Jahre nachher belehren uns Steinurkunden, dass Nachkommen jener Gallier in ihrer keltischen Heimat ganz nach römischem Brauche in der Sprache der Römer abgefasste Inschriften aufgestellt haben. So haben um auf zwei Inschriften mit Jahresangaben im Steinsaal des Metzer Museums (No. 107 und 108) hinzuweisen die Bewohner eines Dorfes keltischen Namens in der Forbacher Gegend, vielleicht der (an einer von Metz nach Mainz führenden Römerstrasse gelegenen) Ansiedlung auf dem Herapel bei Kochern, im Jahre 20 nach Chr. dem Kaiser Tiberius 2), und im Jahre 43-44 n. Chr. haben die keltischen Bewohner des heutigen Marsal, die »vicani Marosallenses, dem Kaiser Claudius 3) lateinische Ehreninschriften ge

1) S. Anhang I A, wo überhaupt alle Metz und die Mediomatriker betreffenden Zeugnisse zusammengestellt sind.

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2) No. 107 (Lorrain, Hoffmann) S. 3 ff. mit pl. VI, 1. Aus Rossbrücken, wohin er vom nahen Herapel gelangt sein soll, kam der Stein in eine Privatsammlung zu Saarlouis; von hier ins Metzer Museum. Die Inschrift ist in der Zeit zwischen dem 27. Juni 20 und dem 1. Januar 21 n. C. gesetzt. Von dem Namen der Stifter ist erhalten: REGOVICOVIG, was etwa zu [A]regovicovig(enses) zu ergänzen ist. Ueber den Herapel vgl. Kraus III, S. 201 ff., nebst den Ergebnissen der von Herrn Huber aus Saargemünd veranstalteten Ausgrabungen (Jahrbuch VI, S. 296–304, und IX, Fundberichte); über die römische Strasse Metz-Mainz vgl. Kraus III, S. 390,6 und dieses Jahrbuch VI, S. 304 ff.

Brambach C. I. Rhen. No. 757; Robert II,

3) No. 108 (Lorrain, Hoffmann) Henzen No. 5214, Robert II, S. 8 ff. mit pl. VI, 2. Fundort: Marsal. Die Inschrift wurde im Jahre 43 beschlossen und im folgenden Jahre 44 am Geburtstage des Kaisers Augustus »dediciert« (»enthüllt«, würden wir sagen). Marsal lag an oder doch unweit der römischen Strasse Metz-Strassburg (vgl. S. 165).

setzt: Inschriften, deren Wortlaut auf ein Haar der Fassung gleicht, welche in Italien und sonstwo den nämlichen Kaisern geltenden Ehreninschriften gegeben ist). Zu dieser Zeit waren also die Bewohner jener keltischen Ortschaften bereits in gewissem Sinne romanisiert. Und diese Romanisierung hat immer weitere Fortschritte gemacht, so dass Gallia späterhin nur ein Glied, und zwar ein wichtiges und wesentliches Glied der grossen »Romania war und auch noch blieb, als die Römer selbst ihre Herrschaft an Germanen abgetreten.

Da drängen sich nun mancherlei Fragen auf. Haben die Gallier sich ihrer Eigenart ganz begeben und sind zu vollständigen Römern geworden; oder steckt in dem gallischen Romanismus ein keltischer Kern, d. h. haben die romanisierten Kelten manche von ihren Eigentümlichkeiten festgehalten? Haben ferner die Römer selbst vielleicht an keltische Einrichtungen, welche sie in Gallien vorgefunden, angeknüpft? Diesen Fragen näher zu treten, ist meine Absicht. Sie erschöpfend behandeln zu können, masse ich mir keineswegs an: denn das verbietet schon der Mangel an Vorarbeiten. Meine in dieser Richtung angestellten Untersuchungen bitte ich nur als eine solche aber keineswegs abgeschlossene Vorarbeit hinnehmen zu wollen. Ich habe mich dabei auf unser Lothringen und die angrenzenden Gebiete beschränkt, woher ich mit möglichster Vermeidung von Uebergriffen auf fremde Gebiete meine Belege nehme. Was ich aber zu sagen habe, gilt im wesentlichen auch für das übrige Gallien, in vieler Hinsicht selbst für die 75 Jahre früher gewonnene und infolge der grösseren Besiedelung mit Italikern viel schneller romanisierte Provinz von Narbonne (Narbo) beiderseits der Rhône 2); in mancher Hinsicht auch für die, wenn auch

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1) Die nächstfolgende datierte Inschrift des Metzer Museums ist der von den Metzern an der Strasse Metz-Verdun-Reims im J. 97 n. Chr. zu Ehren des Kaisers Nerva errichtete Meilenstein: Steinsaal No. 87 (Lorrain, Hoffmann) Robert II, S. 11 f. mit pl. VI, 3 (Fundort: S. Marcel, jenseits der Grenze). Die datierten Inschriften des Trierer Museums sind später, nämlich Meilensteine aus den Jahren 100 (?), 121 und 139 n. Chr. (Hettner, Steindenkmäler No. 5-7) und insbesondere eine Inschrift aus dem Jahre 124 n. Chr., welche die Schenkung und Weihung eines Heiligtums an eine keltische Göttin Caiva beurkundet, Fundort in der Eifel bei Gerolstein (Hettner a. a. O. No. 112). Daneben besitzt aber das Trierer Museum in der Inschrift mit dem Namen des Adoptivsohnes des Augustus, des L. Caesar, die älteste zeitlich bestimmbare Inschrift der Rheinlande überhaupt, welche beweist, dass um die Zeit von Christi Geburt Trier bereits eine ansehnliche Gemeinde mit grösseren Baulichkeiten war (Hettner a. a. O. No. 1); aber diese Bauinschrift entstammt (wohlgemerkt) einer römischen Neugründung.

2) Vgl. O. Hirschfeld, Beiträge zur Geschichte der Narbonensischen Provinz«, in der Westd. Zeitschr. VIII (1889), S. 119-140, besonders S. 134 ff.

teilweise von Germanen bewohnte, so doch von keltischer Kultur durchtränkte und auch vielfach von Kelten besiedelte Militärgrenze am Rhein und jenseits am Limes, wo aber in und bei den Garnisonorten dank dem romanisierenden Einfluss der Truppen alles weit mehr römisches Gepräge hat1).

Von den Fragen, welche jene erstaufgeworfenen Fragen in sich schliessen, stelle ich die bereits zu Anfang berührte Sprachenfrage an die Spitze. Ist die keltische Sprache vollständig von der lateinischen verdrängt worden, oder wurde sie noch später im Lande gesprochen und wie lange? Ferner: Hat das Latein der romanisierten Gallier vielleicht eine keltische Färbung?

Dass die keltische Sprache nicht sogleich vom Erdboden verschwand, sondern dass der Gebrauch der lateinischen Sprache allmählich an Boden gewann, ist selbstverständlich. Auch ist klar, dass das Lateinische, wie römisches Wesen überhaupt, schneller in den Städten und in den Orten, welche an den Verkehrsstrassen lagen, Eingang fand, dass das Keltische dagegen länger auf dem platten Lande und insbesondere in abgelegenen Gebirgsgegenden sich erhielt. Ebenso leuchtet ein, dass die keltische Sprache sich sehr wohl noch lange als Umgangssprache halten konnte, nachdem die lateinische Sprache nicht bloss als Staatssprache, sondern überhaupt als Schriftsprache durch den Gebrauch anerkannt war 2). Wir haben aber auch bestimmte Zeugnisse dafür, dass das Keltische noch mehrere hundert Jahre nach der Eroberung des Landes gesprochen wurde 3). Unter diesen Zeugnissen ist für die hier in Frage kommenden Gegenden besonders wichtig eine Stelle des sprachenkundigen hl. Hieronymus: gelegentlich der Erklärung des Briefes des hl. Paulus an die kleinasiatischen Kelten, die Galater, bezeugt Hieronymus, dass diese ungefähr die nämliche Sprache redeten, wie die Treverer 1), deren Sprache er ja während seines Aufenthaltes in der Trierer Gegend um das Jahr 360 n. Chr. kennen zu lernen Gelegenheit hatte.

1) Vgl. Hettner, »Zur Kultur von Germanien und Gallia Belgica, in der Westd. Zeitschrift II (1883), S. 1-26; z. B. S. 9. 13.

2) Vgl. Hettner, Westd. Zeitschr. II, S. 7, oben: »Auch die heutigen Wenden schreiben ihre Sprache fast nie, obgleich sie sich derselben im mündlichen Umgange ausschliesslich bedienen.<

3) S. Budinszky, Die Ausbreitung der lateinischen Sprache (1881), S. 114 ff.; vgl. auch Diez, >Grammatik der romanischen Sprachen«, 13, S. 116 (5. Aufl., S. 96/97). 4) Hieron. praefat ad libr. II in epist. ad Galatas (Tom. VII, p. 357, ed. Migne): ». . . . Galatas excepto sermone Graeco, quo omnis Oriens loquitur, propriam linguam eandem paene habere quam Treviros, nec referre, si aliqua

Auch giebt es eine beschränkte Anzahl von keltischen Inschriften 1) in griechischer oder lateinischer Schrift 2), überwiegend Weihinschriften, welche in Anlehnung an griechisch-römische Sitte zur Zeit der Römerherrschaft keltischen Gottheiten gewidmet sind 3). Wenn solche Inexinde corruperint, cum et Afri Phoenicum linguam nonnulla ex parte mutaverint et ipsa Latinitas et regionibus quotidie mutetur et tempore.< Ausserdem kommen in Betracht eine Stelle des Juristen Ulpianus († 228), welcher bemerkt, dass testamentarische >fidei commissa (d. h. Verfügungen über Aushändigung von Hinterlassenschaften seitens des nominellen Erben an nicht erbberechtigte Persönlichkeiten) nicht bloss in lateinischer oder griechischer, sondern auch in punischer, gallikanischer oder einer anderen Sprache Gültigkeit hätten; dann die Erzählung von einer Prophezeiung, die dem Kaiser Alexander Severus (222-235) eine »dryas«, d. i. eine Wahrsagerin, in gallischer Sprache gegeben (Script. hist. Aug., Alexander Severus c. 60,6); schliesslich eine Stelle des Sulpicius Severus aus dem Anfang des V. Jahrhunderts (»vel celtice, aut, si mavis, gallice loquere<). Dass aber das Keltische auch noch fernerhin in Gallien gesprochen wurde, beweist die Thatsache, dass es sich bis heute in der Bretagne, der alten >Aremorica (jetzt noch »Armory), d. i. Meeresküste, erhalten hat.

1) Die bis dahin bekannt gewordenen inschriftlichen Ueberreste der keltischen Sprache hat J. Becker in den von A. Kuhn und A. Schleicher herausgegebenen >>Beiträgen zur vergleichenden Sprachforschung« III (1863), S. 162–173 (mit einer Tafel), nebst Nachträgen S. 212 ff., vgl. IV (1865), S. 159 ff., zusammengestellt und mit einem eingehenden Kommentar ausgestattet, III, S. 173–215; 326-359; 405–443; IV, S. 129-170. Vgl. auch Roget Bon de Belloguet, Glossaire gaulois, 2e édition (Paris 1872), S. 269 ff. Seither sind aber nicht wenige neue hinzugekommen: man findet alle bis jetzt bekannt gewordenen Inschriften verzeichnet unter den einzelnen Wörtern in Holders alt-celtischem Sprachschatz, der aber (Ende 1897) erst bis zum Namen ›Livius« gelangt ist.

2) Caesar bell. Gall. VI, 14,3: »Sie (die Gallier bezw. die Druiden) halten es für Sünde, die Druidenlehre schriftlich aufzuzeichnen, während sie im übrigen, z. B. in öffentlichen und privaten Rechnungen, sich der griechischen Schrift bedienen. Vgl. I, 29,1 (Verzeichnisse der ausgewanderten Helvetier in griechischer Schrift). Strabo IV, 1,5 von Marseille: es machte die Gallier zu Liebhabern der Griechen, weshalb sie auch ihre Verträge griechisch schreiben.< So hat denn auch auf sämtlichen 25 im C. I. L. XII (Index, S. 966, u. d. W. >tituli«) wiedergegebenen keltischen Inschriften der Gallia Narbonensis die griechische Schrift Anwendung gefunden (vgl. Hirschfeld, Westd. Zeitschr. VIII, S. 134/135). Neben der dem bedeutenden Einfluss der griechischen Pflanzstadt Massalia (Marseille) verdankten griechischen Schrift finden sich, wie auf Münzen, so auch auf Inschriften unter dem Einfluss der römischen Herrschaft und Kultur lateinische Schriftzeichen gebraucht (J. Becker a. a. O. III, S. 163 ff., No. 3 ff., und dazu S. 182 f.).

3) Belege für keltische Weihinschriften bei Holder unter den Wörtern: >bratude (= ex iussu, ex imperio), »dede (= posuit), »avot<, >cioru« und »ieuru« (= fecit), »cantena« u. a. Einige der bekannten keltischen Inschriften werden Grabschriften sein, wie dies sicher ist z. B. die in Mittelitalien zu Todi (Tuder in Umbrien) gefundene zweisprachige, lateinisch-keltische Inschrift bei J. Becker a. a. O. III, S. 170 f., No. 15, und Belloguet a. a. O., S. 319 ff., No. XV.

schriften in unseren Gegenden nicht gefunden oder nicht nachweisbar sind), so wird dies auf Zufall beruhen. Dafür hatte aber das Latein. der romanisierten Gallier unserer Gegenden wie des sonstigen Galliens manch keltische Färbung: Das zeigen uns noch heute ihre Inschriften. Aus der Lautlehre erwähne ich, ausser den Selbstlautverbindungen ai2) und ou "), einen dem griechischen 9, dem englischen th entsprechenden Mitlaut. Dieser wurde, wie in den keltischen, so auch in lateinischen. Inschriften durch das griechische wiedergegeben. Daneben aber wurde häufiger ein lateinisches TH oder ein lautlich verwandtes S oder aber ein besonderes Buchstabenzeichen, nämlich ein horizontal durchstrichenes D gesetzt (dessen Unterscheidungsstrich auch manchmal fehlt); einmal auch, auf einer bei Trier gefundenen Inschrift, ist jenes als Ersatzlaut dienende S mit einem unterscheidenden Querstrich versehen 4).

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1) Ob die von J. Becker a. a. O. III, S. 212 f. unter No. 19 und von Belloguet a. a. O. S. 328 unter No. XX aufgeführte Inschrift aus Scarponne (an der römischen Strasse von Metz nach Toul) keltisch ist, ist sehr zweifelhaft. (Ebenda S. 169 f., No. 13, bezw. S. 327 No. XIX, zu Bitburg, ist eine lateinische Weihinschrift an Mercurius mit keltischem Beinamen Brambach No. 835.) Von unserer Gegend zunächst gelegenen Fundorten keltischer Inschriften nenne ich die Bourgogne. 2) Ueber ai s. J. Becker a. a. O. III, S. 196/197; Holder I, Sp. 62/63. Belege aus lateinischen Inschriften: Saccomainus, Mannesname auf einer im Sommer 1897 im Walde Neu-Scheuern bei S. Quirin (Kanton Lörchingen in Lothringen) gefundenen Grabschrift des Metzer Museums; Caitus, Mannesname auf einer Grabschrift zu Zabern (Holder I, Sp. 685); Caiva dea in einer Weihinschrift aus der Gegend von Gerolstein in der Eifel, im Trierer Museum (Hettner, Steindenkmäler, No. 112).

3) Leber ou s. J. Becker a. a. O. III, S. 191 ff. Belege aus lateinischen Inschriften: Taliounus, Mannesname auf einem Weihdenkmal aus Metz im Steinsaal des Museums No. 75; davon abgeleiteter Gentilname Taliounia auf einer Grabschrift aus Greimerath (Kreis Saarburg in Rheinpreussen) im Trierer Museum (Hettner, Steindenkmäler, No. 198); [Carat]hounus und [C]araddouna auf Metzer Inschriften im Steinsaal des Museums No. 80 und 61, auch zu ergänzen in No. 9, vgl. Westd. Korr.-Bl. XIII (1894), Sp. 71 f.; Sounus auf einem Weihdenkmal des Metzer Museums, gefunden 1897 bei Hültenhausen (Kr. Saarburg i. Lothr.). Ueber den Wechsel von ou und eu vgl. ausser J. Becker a. a. O. III, S. 195/196, noch Westd. Korr.-Bl. VII (1888), Sp. 116 (Loucetius Leucetius) und XV (1896), 10, Anm. 2. In latinisierten Namen tritt gern dafür u ein, vgl.

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Loucius Lucius.

4) J. Becker a. a. O. III, S. 207–210, mit Nachträgen IV, S. 162–166; vgl. Holder I, Sp. 1211/1212. Belege: z. B. in der keltischen Inschrift C. I. L. XII, S. 816, No. 5793 (Kaghihiravios) und in der lateinischen Inschrift C. I. L. XII, No. 2882 (Te99icnius). TH z. B. in No. 9 (vgl. No. 80) des Steinsaales des Metzer Museums: Carathounus; dagegen No. 61: Caraddouna mit zwei durchstrichenen D (die Querstriche sind in demselben Namen Caraddounus weggelassen in einer Inschrift aus Differten, Kreis Saarlouis, im Trierer Museum,

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