nicht auffindbaren Piet villa ist natürlich Petri villa zu verstehen, dessen Kirche Wigfrid 967 geschenkt hat (No. XVII). Ich möchte vermuthen, dass dieser mit den Thatsachen nicht in Einklang stehende Zusatz zu der Urkunde Berengars auf das unter Abt Richard angelegte Nekrolog des Klosters 1) zurückgeht; in ihm werden als Schenkungen Berengars genannt: abbatiam sancti Amantii cum Scancia, ecclesiam sancti Petri in suburbio, Marculfi curtem cum ecclesia, ecclesiam in Piet villa et in Noua uilla ecclesias IV, itemque in Donnaus I, in Moruilla I, in Marua I, in Marleio I, Paridum cum ecclesia, Flaviniacum cum sua«. Der Schreiber des Nekrologs kann zu diesen zum Teil irrigen Angaben aufs leichteste durch eine der Urkunden Heinrichs II. (No. XXIV) oder Konrads II. (XXXIII) gekommen sein, da in beiden die Schenkungen Wigfrids nicht mehr von denen Berengars geschieden worden sind, ja, Wigfrids Name überhaupt nicht genannt ist, so dass die angeführten Besitzungen durchweg Schenkungen Berengars zu sein scheinen. Nur die vier oben durch Sperrdruck hervorgehobenen Kirchen sind von den im Nekrolog erwähnten in dem Besitzverzeichnis der echten Urkunde Berengars (XI) nicht genannt; sind gerade sie und nur sie allein in XIb hinzugefügt, so ist dafür kaum eine andere Erklärung möglich, als dass der Zusatz dem Nekrolog entnommen worden ist, zumal schon in diesem der gleiche Fehler Piet villa für Petri villa begangen worden ist 2). Dass mit dieser Erweiterung eine Fälschung irgend welcher Art beabsichtigt gewesen sei, ist kaum anzunehmen. Nicht so harmlos ist der Zusatz am Eingange des Besitzverzeichnisses in No. XI, durch welchen der Bann und die übrigen öffentlichen, insbesondere gerichtlichen Rechte in Escance dem Kloster zugesprochen werden und die Hoheit des Bischofs ausgeschlossen wird. In der That scheint dieser Zustand dem späteren Rechtsverhältnis in dem klösterlichen Gebiet »en mont Saint-Vanne oder en Escance entsprochen zu haben3); allein es ist völlig unberechtigt, ihn auf Verleihungen Bischof Berengars zurückzuführen. Der bannus in monte. sancti Vitoni«< ist nämlich erst durch Bischof Theoderich zwischen den Jahren 1047 und 1053 an das Kloster vergabt worden (No. XL)1), und 1) Vgl. darüber Anhang No. III. i 2) In der Vorlage wird gestanden haben: »Petvilla« oder »P&villa«. 3) Vgl. Clouët, Hist. de Verdun I, 318. Beide Ausdrücke bezeichnen denselben Stadttheil. 4) Wenn daher in der Continuatio der Gesta episc. Virdunensium cap. 2 (Mon. Germ, hist. Scriptores IV, 45) gesagt wird, Berengar habe »Scantiam villam cum banno geschenkt, so haben wir es hier nur mit einem späteren Einschub zu thun. Die Schrift ist erst in einem Codex des ausgehenden 12. Jahrh. überliefert. derselbe hat erst 1066 ihm den Wasserlauf der Escance überlassen (No. LI); von weitergehenden öffentlichen Rechten ist in keiner der echten bischöflichen Urkunden die Rede. Es unterliegt daher keinem Zweifel, dass wir es bei dem Einschub in die Urkunde Berengars mit einer Fälschung zu thun haben, deren offenkundiger Zweck war, die bischöflichen Hoheitsrechte in der Umgebung des Klosters auf dieses zu übertragen. Als Ergebnis unserer Untersuchung werden wir festzuhalten haben, dass die Besitzaufzählung in der Urkunde Berengars uns durch die formal weitere Fassung XI, die nahezu wörtlich in die Diplome Otto's I. und Otto's II. übergegangen ist, in der ursprünglichen echten Gestalt erhalten ist, nur durch einen Zusatz über die Leistungen für die Mauer entstellt; dass dagegen die kürzende Fassung XIb einer Fälschung angehört, dazu bestimmt, dem Kloster Freiheiten gegenüber seinem bischöflichen Herrn zu verschaffen; bei ihrer Anfertigung würden einige erst von Wigfrid gegebene Kirchen irrtümlich den Schenkungen Berengars angeschlossen worden sein. Dieser Sachverhalt stimmt aufs beste zu dem Befund über die bisher von uns vernachlässigte Ueberlieferung unserer Urkunden in der autographen, bis 1102 reichenden Chronik des Hugo von Flavigny. Hugo hat, wie mir die Einsicht der Originalhandschrift sicher ergab, in seinem Werke zunächst die Urkunde XIa eingetragen, ohne die interpolierte Bestimmung hinsichtlich der Stadtmauer 1), also die völlig echte Fassung; sie schliesst mit der Schenkung der ecclesia sancti Petri in suburbio Virdunensis castelli«. Der ganze mit XI übereinstimmende Schluss, von in Piet villa beginnend, ist erst später von Hugo mit anderer Tinte und Feder hinzugefügt worden; ausserdem aber hat Hugo am Rande zu Beginn des Besitzverzeichnisses den Satz über die Gerechtsame in Escance eingetragen, der gleichfalls in der Fälschung XI begegnet. Man könnte glauben, dass Hugo die echte Urkunde Berengars zunächst aus dem Kartular Richards kennen lernte, und später, als ihm die Fälschung XI zugänglich wurde, die Zusätze in seine Handschrift eintrug, auf diese Weise beide Fassungen mit einander verschmelzend. Aber auch eine andere Erklärung wird durch den Schriftbefund nahegelegt: hat etwa Hugo selbst Ursache gehabt, die Interessen seines Klosters gegenüber dem Bischof zu vertreten? hat er um des 1) Diese Bestimmung muss vor Bischof Theoderich schon vor 1047–1053 zugefügt sein, vgl. oben S. 353; Hugo hat indessen wohl seinen Text, wie den des Privilegs Johanns XII. (vergl. unten S. 362), nicht den Originalen, sondern dem Kartulare Richards entnommen. willen selbst die echte Urkunde verfälscht? und ist etwa die Niederschrift in seiner Chronik der Entwurf, auf Grund dessen erst das angebliche Original, das noch Colloz gesehen hat, mit seinen formalen Kürzungen hergestellt worden ist? Wie die Entscheidung hierüber ausfallen möge 1), sicher ist, dass die Fälschung im Beginn des 12. Jahrhunderts bereits vorgelegen hat. Veranlassung dazu werden die Verluste gegeben haben, welche das Kloster im Verlaufe des Investiturstreites erlitten hatte. Im Jahre 1085 hatten die Mönche von S. Vanne unter Abt Rudolf ihrer päpstlichen Gesinnung wegen das Kloster verlassen müssen, da Bischof Theoderich von Verdun, ein eifriger Parteigänger des Kaisers, vergeblich von ihnen die Anerkennung des Gegenpapstes Wibert verlangte. Erst nach seinem Tode durften sie 1092 die Rückkehr wagen, nachdem in der Zwischenzeit Abt Fulkrad von S. Paul mit Genehmigung des Bischofs sich der Abtei bemächtigt hatte. Unter ihm verlor die Kirche ausser kostbarem Schmuck foraturia vini civitatis et pugillum, ecclesias etiam de Marleio et de Metionis multaque alia« 2). Hugo von Flavigny ruft voll Zorn über die traurigen Ereignisse aus, dass damals in das Kloster eingedrungen seien »lupi rapaces, loco non parcentes, et deum et hominem non reverentes, a quibus ita omnia confusa sunt et destructa, ut memoria confusionis et pessundationis illius hodieque oblitterari non valeat 3). Das Wiederaufflammen des Kampfes zwischen Kaiser und Papst führte im Jahre 1111 unter Abt Laurentius von neuem zu einer Vergewaltigung der Mönche durch den kaiserlich gesinnten Bischof Richard; wiederum flüchteten die Vertriebenen zu dem befreundeten Abte Jarento nach Dijon, um erst 1114 nach Richards Tode zurückzukehren. Damals »tempore discordiae hatte Bischof Richard dem Kloster » mercatum de monte sancti Vitoni et teloneum cum pugillo frumenti, placitum et correctionem mensurarum, decimas foratici vini civitatis« entrissen1). Vergeblich bemühten sich die Mönche, von seinem Nachfolger Heinrich nach Beendigung des Investiturstreites das Verlorene wiederzuerhalten; die Päpste Calixt II. und Honorius II. sowie König Lothar sind zu ihren 1) Sie ist nicht jetzt und nicht an dieser Stelle zu treffen, da ein Urteil über Hugo und seine Arbeitsweise einstweilen unmöglich ist. Die Ausgabe seiner Chronik in den Mon. Germ. Scriptores VIII reicht, wie ich nach Einsicht der Hs. mit Bestimmtheit sagen kann, nicht aus, um die Entstehungsgeschichte des Werkes zu veranschaulichen. 2) Laurentii gesta episc. Virdunens. (Mon. Germ. SS. X, 496). 3) Mon. Germ. SS. VIII, 472. *) Honorius II. 1125 (Jaffé-L. 7192). Gunsten eingetreten, aber erst nach Heinrichs Resignation 1128 scheinen sie zu einem befriedigenden Ausgleich mit den Bischöfen gekommen zu sein. - In der Zeit jener Wirren, im 2. oder 3. Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts, sind offenbar es bedarf dafür keiner längeren Ausführungen, da es aus der Ausgabe selbst und den Vorbemerkungen zu den einzelnen Urkunden ohne weiteres hervorgeht 1) -die Privilegien der Päpste Leo IX. und Nikolaus II. gefälscht oder verfälscht worden. Die Interpolation der Berengarurkunde wäre um so eher mit deren Entstehung in zeitlichen Zusammenhang zu bringen, als sie in wörtlichem Anklang in einigen Papsturkunden wiederkehrt. Indessen zwingt der Eintrag in die Chronik, an der Hugo nach 1102 nicht mehr gearbeitet zu haben scheint, dazu, die Fälschung der bischöflichen Urkunde schon in frühere Zeit zu verlegen. Wahrscheinlich haben die Mönche von S. Vanne nach der Rückkehr aus dem ersten Exil 1092 zunächst dem Bischof gegenüber durch den Hinweis auf die Verleihungen seines berühmten Vorgängers und Neubegründers des Klosters ihre zum Teil sicherlich berechtigten Ansprüche zur Geltung bringen wollen; erst als sie in den erneuten Kämpfen immer schwerer geschädigt wurden, sind sie dann später zu der Verfertigung päpstlicher Privilegien vorgeschritten. Welches Gewicht die Mönche von S. Vanne den von ihnen bei Papst und Kaiser vorgelegten Urkunden beimassen, verrät das Schreiben des Abtes Laurentius an den einflussreichen Erzbischof Adalbert von Mainz, in dem bitter der Verlust dessen beklagt wird, quae ab antecessoribus Virdunensium episcopis, fundatoribus scilicet ecclesiae nostrae, nobis collata sunt et privilegiis apostolorum et imperatorum olim roborata, und in dem wieder und wieder das Zeugnis der > antiqua privilegia angerufen wird 2). Nicht mit der gleichen Sicherheit wie über den Rechtsinhalt der echten Urkunde Berengars ist über ihr Formular zu urteilen. XIa hört unmittelbar nach dem Schlusse der Besitzaufzählung auf und enthält weder eine zusammenfassende Traditionsformel noch Strafandrohungen noch irgend welche Schlussformeln; aber selbst wenn die echte Urkunde. dieser aller gedarbt haben sollte, würden doch vielleicht die Unterschriften und die Datierung der Fälschung XI für die echte Vorlage XI in Anspruch zu nehmen sein. 1) Vgl. No. XLIV. XLV. XLVIII. XLIX. Die Ueberlieferung von XI ausschliesslich in dem Kartular C2 würde eine Ergänzung des Textes ohne weiteres gestatten; denn leicht könnte der Schreiber, um doppelte Arbeit zu vermeiden, die zuerst geschriebene echte Urkunde nur bis zum Schlusse des Rechtsinhaltes kopiert, an sie die zweite Fassung angeschlossen und dann erst bei ihr den für beide gleichlautenden Schluss eingetragen haben. Alsdann würden wir berechtigt sein, den Schluss der Fälschung auch für die echte Urkunde zu beanspruchen. Allein eine derartige Uebertragung stösst auf ernste und, wie mir scheint, unüberwindliche Schwierigkeiten. Dass die Schlusssätze des Textes nahezu wörtlich mit denjenigen der ersten Urkunde Wigfrids (Nr. XV) übereinstimmen, wäre vielleicht damit zu erklären, dass Wigfrid die ältere Urkunde Berengars der seinen zu Grunde legte; immerhin müsste es auffallen, dass sich die Beziehungen mit keinem Worte in dem ganzen früheren Teile der Urkunde verraten; vollends bedenklich aber erscheint die Uebereinstimmung des Textes, wenn wir bemerken, dass auch die Unterschriften beider Urkunden völlig gleich lauten: nur die beiden Namen des Bischofs von Verdun und des Abtes von S. Vanne sind verschieden und entsprechen den jeweiligen Verhältnissen. Eine so weit gehende Identität der Zeugen in zwei etwa um ein Jahrzehnt auseinander liegenden Urkunden ist an sich höchst auffällig, wenn nicht unmöglich, und lenkt den Verdacht darauf, dass die eine der Listen in der andern einfach ausgeschrieben worden sei. In der That passen nun die Unterschriften aufs beste in die Zeit des Bischofs Wigfrid; denn nahezu alle kehren in seinen Urkunden bis etwa 967 wieder1). Völlig Ausschlag gebend würde die Nennung des Abtes »Vodo sein, wenn wir, der allgemeinen Annahme folgend, in ihm den Abt Odo von S. Mihiel erblicken dürften); sein Vorgänger Sarovard ist nämlich noch im September 962 nachzuweisen, so dass Odo die Abtei nicht vor Ende 962 erhalten haben kann. Aber selbst wenn man an dieser Identification nicht festhalten will, spricht doch alles dafür, dass der Fälscher die Urkunde Berengars, die der Zeugen darbte, mit den Unterschriften der Schenkung Wigfrids (Nr. XV) ausgestattet hat; und unter diesen Umständen wird niemand die Uebereinstimmung beider Urkunden am Schlusse des Contextes damit er 1) Nur der Laie Adelard ist nicht nachzuweisen. 2) Ein anderer Abt des Namens ist aus jener Gegend damals nicht bekannt; Odo erwirkte im J. 967 von Bischof Wigfrid eine Synodalentscheidung zu seinen Gunsten. De l'Isle, Hist. de l'abbaye de S. Mihiel 42 hat wegen der falschen Urkunde Berengars die Abtsliste von S. Mihiel mit 2 Aebten des Namens Odo hergestellt und zwischen beide Sarovard eingeschoben; dazu liegt natürlich kein Anlass mehr vor. |