Imágenes de páginas
PDF
EPUB
[ocr errors][merged small]

Nach der Schlacht bei Jena erkundigte ich mich bei jeder Gelegenheit: wie es Goethe'n in den unglücklichen Tagen gegangen wäre, und alle Erkundigungen brachten mich zu dem Glauben, daß auch Er sein Kreuz zu tragen gehabt und den Jammer getheilt hätte, den ein fiegreicher Feind, übermüthig und troßig, wie über die Besiegten, so über die wehrlosen Angehörigen der Besiegten zu bringen pflegt. Etwa vier Wochen nach dem unglücklichen Tage fand ich Goethe bei Knebel. Er war zum erstën Male wieder in Jena. Sein Geficht war sehr ernst, und seine Haltung bewies, daß auch auf ihm der Druck der Zeit lag.,,Der Mann,“ sagte Knebel,,,hat's empfunden.“ „Ich habe schon gehört,“ fügte Goethe zu mir gewendet hinzu,,,daß Sie sehr hart mitgenommen find." Ich konnte mein Schicksal in wenige Worte zusammenfassen und that es.,,Von Allem,“ sagte ich,,,was wir während meiner Anwesenheit nach Jena geschafft hatten, und was ich bei meiner Abreise zurückließ, habe ich nicht das Geringste wieder gefunden bei meiner Zurückkunft, einige zerbrochene Kisten, Kasten und Koffer ausgenommen. Ich habe den Schmerz

L

gehabt, meine junge Frau in eine völlig leere und kalte Wohnung einzuführen, die kaum nothdürftig gereinigt war von abscheulichem Schmuße." Herr von Knebel rief aus, und nicht zum ersten Mal: ,,es ist gräulich, es ist ungeheuer." Goethe aber sagte einige Worte, so leise, daß ich sie nicht verstand. Als ich hierauf Gelegenheit nahm zu fragen, wie denn Se. Excellenz durch die Tage der Schmach und des Unglücks hindurch gekommen, antwortete Goethe mit folgenden Worten: „Ich habe gar nicht zu klagen. Etwa wie ein Mann, der von einem festen Felsen hinab in das tobende Meer schauet, und den Schiffbrüchigen zwar keine Hülfe zu bringen vermag, aber auch von der Brandung nicht erreicht werden kann, und nach irgend einem Alten soll das sogar ein behagliches Gefühl sein“ — (,,nach Lucrez!" rief Knebel hinein) —, ,,so habe ich wohlbehalten da gestanden und den wilden Lärm an mir vorüber gehen lassen." Ich will nicht leugnen: bei diesen Worten, in der That mit einer gewissen Behaglichkeit ausgesprochen, lief mir einige Kälte über die Brust hinweg. Aber sie war schnell verflogen. Und da Knebel kein Wort sagte, sondern sich mit seiner gewöhnlichen Beweglichkeit abgewendet Etwas zu thun machte, so erlaubte ich mir das Schweigen zu unterbrechen: „zuleßt ist es auch nicht der Mühe werth, von meinem Verlust zu sprechen. Er ist mir nur verdrießlich, weil ich zur Zeit noch jeden Augenblick daran erinnert werde: denn ich bin in meinen Arbeiten unterbro= chen und gestört; ich kann die alten nicht fortseßen und keine neuen beginnen, weil es mir an allem nothwendigen Geräth und Gezeug gebricht. überhaupt verschwindet das Unglück der Einzelnen, der Städte, Gemeinden und Familien, vor dem unge

heueren Unglücke, das auf Teutschland, unserm Vaterlande, liegt. Mich drückt und quält lediglich die Zeit der Schmach und Schande, die über uns eingebrochen ist, die uns bevorsteht. Wäre die Schlacht bei Jena gewonnen worden: gern hätte ich jegliches Opfer dargebracht und auch nackt und bloß den fliehenden Feinden nachgejubelt. Und dann - Alles, was mir genommen worden, kann ersetzt werden. Das Beste ist mir doch geblieben; und so lange wir selbst sind und die Berge da feststehen und die ewige Sonne scheint, so lange gebe ich nicht verloren, weder meine eigene Sache, noch die Sache des Vaterlandes.“ Knebel antwortete mit einigen Ausrufungen:,,Bravo, so recht!" und derglei= chen; Goethe aber sagte kein Wort und verzog keine Miene. Hierauf lenkte Knebel das Gespräch auf etwas Literarisches; ich aber beurlaubte mich bald, weil ich den beiden alten Freunden lästig zu werden fürchtete.

Seit diesem Tage hab' ich Goethe zwar noch sehr oft gesehen, auf Spaziergängen, bei Knebel oder wenn der Herzog - Großherzog ein Mal nach Jena kam und mir die Ehre erzeigte, mich zur Tafel zu ziehen; aber nur drei Male, soviel ich mich erinnere, habe ich ihn allein gesprochen. Zuerst in Knebel's Garten. Ich besuchte, ich glaube im J. 1812, Knebel und fand ihn allein mit Goethe. Es war ein schöner Sommer - Abend, und die beiden Herren waren bei meiner Ankunft gerade im Begriffe, in den Garten zu gehen. Man bat mich, sie zu begleiten. Als wir am Füße der Treppe angekommen waren, kehrte Knebel wieder um, weil er noch Etwas zu besorgen hätte, und bat uns, nur sogleich in den Garten hinein zu gehen. Er blieb wohl eine halbe

Stunde aus, und Goethe und ich wandelten inzwischen auf und ab. Zu unserm Gespräch aber gab folgender Umstand Veranlassung.

Als ich im J. 1806 mit Hufeland nach Jena fuhr, ward ich von ihm in Weimar dem Minister, geheimen Rathe von Voigt, vorgestellt. Herr von Voigt war ein Verwandter Hufeland's. Seinen Sohn, den Regierungsrath von Voigt, hatte ich in Berlin kennen gelernt und war ihm befreundet worden. Der Minister empfing mich daher sehr freundlich und wohlwollend. Nun schickte ich demselben im Frühlinge des J. 1808 meine Biographie von Sir William Temple. Einige Tage nachher erhielt ich einen Brief, in welchem er mir dankte und mich zugleich aufforderte, sobald als möglich nach Weimar zu kommen, weil er mir Etwas mitzutheilen habe, das mir, wie er hoffe, angenehm sein würde. Als ich vor ihm erschien, sagte er: das Ernestinisch - sächsische Haus habe sich eines Helden zu rühmen, der groß und herrlich in der Geschichte stehe, des Herzogs Bernhard des Großen. Von diesem Helden aber gebe es noch keine genügende Biographie. Unser gnädigster Herr wünsche sehr, daß das Leben und die Thaten des Herzogs würdig beschrieben würden, und er habe den Auftrag, mich zu diesem Werke zu veranlassen. Das Werk würde auch keine großen Schwierigkeiten darbieten. Im Archive befände sich eine bedeutende Anzahl von Briefen des Herzogs; es befände sich daselbst auch ein wohl erhaltenes Tagebuch eines Herrn von Grünne, eines Adjutanten des Herzogs, und die sämmtlichen Papiere, die sich auf den Herzog bezögen, seien in der besten Ordnung. Ja, die Vorarbeiten seien, wenn nicht alle, doch

größtes Theiles schon gemacht, so daß mir nur die Darstellung übrig bleiben würde. Schon vor einer Reihe von Jahren nämlich habe der Herzog den geheimen Rath Goethe bewogen, die Biographie des Herzogs Bernhard zu übernehmen. Goethe habe denn auch große und weitläufige Forschungen angestellt, habe aus den Briefen und Acten Auszüge gemacht und Alles vorbereitet. Goethe aber sei eben kein Historiker; als es an die Ausarbeitung habe gehen sollen, da sei die Lust bei ihm dahin gewesen. Er habe die Arbeit verschoben; die Sache sei ihm fremd geworden; Anderes sei dazwischen gekommen, und endlich habe er ohne Weiteres Alles ins Archiv zurück geschickt, seine eigenen Arbeiten jedoch beigelegt. Und nun ständen, wenn ich das Werk unternehmen wollte, wie alles Übrige, so auch Goethe's Vorarbeiten zu meiner Disposition.

Ich erwiderte dem Minister: mich schrecke allerdings der Gedanke, mich an ein Werk zu wagen; an welchem schon Goethe gearbeitet habe; wenn indeß Se. Excellenz und der Herzog selbst wirklich der Meinung wären, daß mir ein solches Werk gelingen könnte, so sähe ich Dieses als einen Befehl an, meine Kräfte zu versuchen, und gewiß würde ich Alles thun, was dieselben mir erlaubten. Nur fürchtete ich, daß das Herzogliche Archiv zu einer Biographie des Herzogs Bernhard nicht ausreichen würde. Die Materialien dürften zerstreut sein; Vieles möchte sich in Stockholm befinden, Vieles auch in Paris, und Beides möchte. leicht die wichtigsten Verhältnisse im Leben des Herzogs betreffen. Herr von Voigt fand diese Bemerkung nicht unrichtig. Indeß möchte ich nur zuvörderst, wie er sagte, untersuchen, wieweit

« AnteriorContinuar »