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in einer ziemlichen Entfernung, weil die Fläche sich etwas erhob, wurden wir überrascht und wußten nicht, was wir aus ihnen machen sollten. Bald erkannten wir an ihrer Kleidung, daß es preußische Soldaten waren, und wurden Etwas ängstlich. Wir hielten sie für Ausreißer und fürchteten, sie möchten uns berauben. Unser Kutscher wollte durchaus umkehren, und ich hatte Mühe, ihn zum Weiterfahren zu bewegen. Die Furcht indeß verschwand, sobald wir sie schärfer ins Auge fassen konnten. Sie hatten zwar ihre Uniform an, aber weder Ober- noch Untergewehr; sie hatten keine Patronen-Taschen, keine Mäntel, keine Tornister; ihr Aussehen war wirr und wüste. Bei der Umstellung des Wagens wurden wir wieder bedenklich. weiß wie eine Kalkwand:

Der Kutscher wandte sich zu mir, Da haben wir's," sagte er;,,Das

kommt vom Weiter-Fahren." In demselben Augenblicke legte Einer der Soldaten, und sein Anzug bewies, daß es ein UnterOfficier war, seinen Arm auf den Schlag des Wagens und schrie mich mit einer rauhen bramarbasirenden Stimme an:,,Wer sind Sie, mein Herr? wo kommen Sie her? und wo wollen Sie hin?" Ich sah den Kerl scharf an und antwortete schnell mit starker Stimme:,,Die Frage stelle ich Ihnen. Wer sind Sie? und wie können Sie wagen, mich anzuhalten und mich so unverschämt zu fragen?",,Wir sind preußische Soldaten," riefen wohl Zehen mit Einem Munde.,,Nein," sagte ich,,,preußische Soldaten find Sie nicht; preußische Soldaten bleiben bei ihren Fahnen und laufen nicht in solchem Aufzug über die Felder. Sie haben die Uniform eines Unter-Officiers? zu welchem Regimente gehören Sie und wie ist Ihr Name?" Während ich Dieses sagte, traten

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die Leute, die vor den Pferden gestanden, auf die Seite, und der Haufe fing an sich zu vermindern. Der Unter-Officier aber blieb stehen, lächelte gutmüthig und sagte: „Nu, nu, lieber Herr, seien Sie nur nicht so hart; es war ja so böse nicht gemeint.“,,In diesem Fall, Herr Unter- Officier," antwortete ich,,,wollen wir die Sache gut sein lassen. Aber" seßte ich hinzu, um dem Manne größeren Respect einzuflößen -,,können Sie mir nicht sagen, wo sich der Herzog von Braunschweig befindet? Ich habe Aufträge an Se. Durchlaucht.",,Der Herzog? Nein, das weiß ich nicht.",,Wissen Sie denn nicht, wo das Hauptquartier ist?“ ,,Hauptquartier? Was soll ein Hauptquartier, wenn keine Armee ist? Ach, wir sind arme, unglückliche Menschen; Preußen ist verrathen und verkauft. Es ist Alles verloren; mit dieser fürchterlichen Schlacht ist Alles verloren. Ach, unser guter König; ach, unsere schöne Königin.",,Was schwaßen Sie da von einer Schlacht.",,Ja, von einer Schlacht, in welche wir, so wenige Truppen, hinein geschickt worden sind, um diesen wilden Thieren, diesen Teufeln, den Franzosen, die das ganze Land bedeckten, in die Hände geliefert zu werden.“,,Jeßt, Herr Unter - Officier,“ sagte ich,,,bitte ich Sie, sprechen Sie ruhig und antworten Sie mir gefälligst auf meine Fragen." Aber es war nicht möglich, mehr herauszubringen, als daß am Freitage, 10. October,,,eine Schlacht" bei Saalfeld gewesen und daß das preußische Heer in derselben vernichtet worden sei; angeführt müßten die Preußen durch den Prinzen Louis gewesen sein,,,den schönen Prinzen;" was aus dem Prinzen Louis geworden, wisse er nicht; man habe gesagt, er sei gefallen oder gefangen, aber er wisse es nicht; wo

fich der König befinde, wo der Herzog von Braunschweig, wisse er auch nicht: wahrscheinlich seien fie gefangen; er selbst sei mit seinen Begleitern eigentlich schon gefangen gewesen, sie hätten sich aber dadurch gerettet, daß sie Alles von sich geworfen und über Stock und Stein davon gelaufen wären; zu welcher Tageszeit fie entflohen wären, könne er selbst nicht sagen: die Franzosen seien ihnen immer auf den Hacken gewesen und erst in der Nacht hätten fie sich Etwas erholt; über Jena und Naumburg seien sie nicht gekommen, sondern über die Berge weggegangen; nach Halle wollten sie auch nicht, sondern in ihre Heimath: es sei ja doch Alles verloren.

Ich gestehe, dieser wunderliche Auftritt ergriff mich im ersten Augenblicke gewaltig. Als wir endlich von dem Unter - Officier befreit waren, sahen meine Frau und ich uns an, und weder fie noch ich vermochte ein Wort zu sagen. Indeß erholten wir uns bald, so wie es zu gegenseitiger Mittheilung gekommen war. Daß Das, was der Mann gesagt hatte, zum größten Theile nicht wahr sein konnte, war klar; Das aber, was vielleicht wahr sein mochte, war von demselben übertrieben, weil der Mann, die Angst in allen Gliedern, Alles falsch gesehen und auch den Wunsch gehabt hätte, seine und seiner Begleiter Flucht zu entschuldigen. Und als wir ein Mal so weit waren, faßten wir schnell den Gedanken, oder stellten uns doch gegen einander, um uns gegenseitig zu trösten, als hätten wir den Gedanken gefaßt, daß an der ganzen Erzählung auch nicht Ein wahres Wort sei, sondern daß diese Menschen feig bei Nacht und Nebel davon gelaufen sein möchten, um den Strapazen und Gefahren des Krieges zu entgehen; und wir

wußten in der That Gründe genug aufzufinden, welche diese Conjectur zu rechtfertigen und die entgegenstehenden Gründe zu überwiegen schienen.

Inzwischen hatten wir gar nicht bemerkt, daß wir noch immer still hielten. Als wir Dieses endlich gewahrten, trat eine neue Verlegenheit ein. Der Kutscher, ein junger, kräftiger und gewandter Mann von etwa 28 Jahren, war abgestiegen, stand ruhig an das Sattelpferd gelehnt und schaute starr in die Welt hinein. „Nun, lieber Kutscher,“ sagte ich; „jeßt, dächte ich, könnten wir weiter fahren.",,Weiter fahren?" antwortete er.,,Nein, Herr Professor, ich fahre nicht weiter. Es ist gut, daß uns diese Leute begegnet sind, sonst könnten wir ja mitten in die Franzosen hinein gerathen sein.",,Ei, was ist Das für eine Rede. Zuerst ist an Dem, was der Mann uns vorgeschwaßt hat, gewiß kein wahres Wort; und wäre es wahr, und wir kämen unter die Franzosen: glaubst Du denn, sie würden uns verschlingen? Du kennst ja die Franzosen hinlänglich. Sei doch verständig.“. „Ja, eben weil ich verständig bin, fahre ich nicht weiter. Ich kenne Franzosen genug, aber vom Kriege weiß ich Nichts. Der Unter - Officier nannte die Franzosen wilde Thiere und Teufel. Das waren sie bei uns, im Hannöverschen, nicht. Sie find also im Kriege anders. Ich fahre nicht weiter.",,Weißt Du denn nicht, daß ich mit Deinem Herrn den Contract gemacht habe, daß Du uns nach Jena fahren sollst, und daß Du uns folglich nach Jena fahren mußt?",,Das weiß ich wohl; aber als Sie den Contract machten, da war kein Krieg.“ Aber es ist ja auch jezt kein Krieg. Wo siehst Du denn Krieg?",,Wo er ist? Da vor uns hin.

Und gesehen haben wir ein Stück in den preußischen Soldaten. Herr Profeffor" -sezte er hinzu, mit einer gewissen Feierlichkeit an den Wagen tretend ,,ich bin nur ein Knecht; Pferde und Wagen gehören meinem Herrn. Würden sie ihm genommen, so würde er den Verlust zu tragen haben; würden sie mir genommen, so würde ich ein unglücklicher Mensch sein; denn er würde von mir Ersaß verlangen. Wollen Sie mir versprechen, Pferde und Wagen zu ersehen, wenn sie mir genommen werden?“ „Ja, das will ich.",,Wollen Sie mir das Versprechen schriftlich ge= ben?",,Auch Dieses.“ „Nun, so wollen wir weiter fahren.“ Hierauf legte er den Pferden das Geschirr zurecht und seßte sich auf den Bock. Aber er fuhr nicht weiter, sondern schien von Neuem in Gedanken versunken.,,Nun, Kutscher," rief ich, ,,Marsch, Marsch.“ „Nein," sagte der Kutscher,,,ich fahre nicht weiter. Es hilft mir auch noch nicht. Sie sind ein Herr Professor, das ist wahr; aber Pferde, Wagen und Geschirr sind wenigstens 500 Thaler werth.“,,Und soviel, meinst Du, wäre ein Herr Professor nicht werth?",,Ich fahre zurück;“ fuhr er ruhig fort.,,Wollen Sie mit, gut; wollen Sie nicht mit, so bleiben Sie, wo Sie wollen. Sie brauchen mich nur für die Fuhre nach Lauchstädt zu bezahlen; für den weiteren Weg nach Jena sollen Sie mir Nichts geben.“,,Du bekommst keinen Heller," sagte ich. „Auch gut,“ war die Antwort.,,Ich habe so viel Geld, um nach Hause zu kommen. Wenn ich meinem Herrn Pferde und Wagen wieder überliefert habe, so mag er sehen, wie er mit Ihnen aus einander kommt." Und mit diesen Worten trieb er die Pferde an, um die Wendung zum Umkehren zu machen.

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