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zu nehmen an dem Getreibe der Welt. Auch nach dem Jahre 1814, seit welchem unsere Umstände sich wesentlich verbesserten, find wir uns getreu geblieben, nach und nach weniger aus Grundsaß als aus Neigung und Gewohnheit. Wohl find wir von Zeit zu Zeit in Gesellschaften gegangen, aber nur sehr selten, und nur bei öffentlichen Feierlichkeiten, bei Festlichkeiten in den Familien unserer Freunde, oder bei außerordentlichen Veranlassungen.

Der General von Grolman.

Der General von Grolman ist gestorben. Sein Tod, lange gefürchtet, hat große Theilnahme gefunden und nicht bloß in Preußen. In dem Augenblicke, da diese Zeilen geschrieben werden, hat das ganze preußische Heer Trauer angelegt. Diese Ehre, mit welcher der hochgesinnte König die Talente, die Gefinnung, die Verdienste Seines Feldherrn öffentlich anerkannt und gewürdigt hat, muß den Namen Grolman auch in den untersten Menschenclassen des teutschen Volkes bekannt, fie muß den General zum Gegenstande des Gesprächs wie in den Palästen so in den Hütten machen.

Auch sorgen die öffentlichen Blätter mit bereitwilliger Zuvorkommenheit für den nöthigen Stoff zur Unterhaltung über Grolman. In einigen dieser Blätter ist mit dem Namen Grolman, wie ich höre, mein Name in Verbindung gebracht. In der ,,Deutschen Allgemeinen Zeitung“ Num. 178 heißt es: Grolman habe sich, aus der französischen Gefangenschaft entkommen, unter einem fremden Namen durch die Schweiz und das füdliche Deutschland nach Franken und weiter nach Jena begeben: hier habe er unter Luden Geschichte studirt.

Luden Rückblicke.

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In solchen Tagen der allgemeinen Trauer, der allgemeinen Theilnahme dürfte es nicht bloß für die alten Kriegsgefährten des Hingeschiedenen, hohe und niedere, nicht bloß für die jüngern Officiere, welchen Er Muster und Vorbild sein wird, sondern auch für viele andere edle Menschen in unserm großen Vaterlande von Interesse sein, zu erfahren, wie es sich mit dem Aufenthalt in Jena verhält.

Grolman's kriegerische Laufbahn ist im Allgemeinen bekannt; was er als Krieger im Rath und im Felde gewesen ist, wissen viele Männer, die mit ihm gestanden, mit ihm gearbeitet haben; auch wird es an einer ausführlichen Biographie, an einer wohlbegründeten Darstellung und Würdigung seiner Leistungen gewiß nicht fehlen: über die kleine friedliche Episode seines Lebens aber, über seinen Aufenthalt zu Jena kann Niemand als ich Aufklärung geben.

In den Osterferien des Jahres 1812 trat ein junger Mann bei mir ein, der mir zwei und dreißig bis sechs und dreißig Jahre alt zu sein schien. An seinem Auftritt und seiner Haltung erkannte ich leicht den Militair. „Ich bin," sagte derselbe, der Hauptmann von Gerlach aus Berlin. Jest außer Diensten, beschäftige ich mich mit wissenschaftlichen Dingen, und möchte mich im Besondern mehr mit dem Studium der Geschichte beschäftigen. Daher habe ich Jena zu meinem Aufenthalt erwählt.“ Nachdem er einige freundliche und artige Worte hinzugefügt hatte, schloß er:,,Also möchte ich um die Erlaubniß bitten, ihre Vorlesungen besuchen zu dürfen.“

Während dieser Anrede hatte ich dem Mann tiefer in die Au

gen geschauet. Seine Erscheinung machte einen eigenen Eindruck auf mich; ich fühlte mich stark zu ihm hingezogen. In seinem geistvollen Gesichte lag ein tiefer Ernst, eine hohe fittliche Stren= ge: ich glaubte in ihm einen starken Charakter zu erkennen. Seine Sprache war rein, lieblich, schön. Jedes Wort aber schien wie jeder Zug in seinem Gesichte zu beweisen, daß bittere Schmerzen durch seine Seele gegangen waren. Selbst sein freundliches Lächeln widersprach diesem Gedanken nicht.

Ich erwiderte dem Herrn von Gerlach, daß ich mich sehr freue, ihn unter meinen Zuhörern zu wissen, daß ich aber fürchte, er möge seine Rechnung nicht finden: Vorlesungen, wie ich fie vor jungen Studirenden halten zu müssen glaubte, würden ihm schwerlich genügen. Indeß hoffte ich,

daß ihm der Aufentweil die schönen Um

halt in Jena nicht unangenehm sein würde, gebungen unserer kleinen Stadt für manche Entbehrungen reichen Ersaß zu geben pflegten.

Inzwischen hatten wir uns niedergelassen und fingen ein gewöhnliches unbedeutendes Gespräch an, wurden aber auch bald durch andere Besuche unterbrochen. An einem der nächsten Tage machte ich dem Herrn Hauptmann einen Gegenbesuch, der bald vom Herrn von Gerlach erwidert ward. Auch bei diesen Besuchen kamen unsere Gespräche nicht über das Gewöhnliche hinaus, wenn sie auch einigen wissenschaftlichen Anstrich erhielten. Endlich begannen die Vorlesungen. Mein Auditorium war in einem fremden Hause, ein paar Hundert Schritte von meiner Wohnung entfernt. Herr von Gerlach wohnte in meiner Nähe und mußte an meiner Wohnung vorüber, um in das Auditorium zu kommen.

Ich hielt drei Privatvorlesungen und eine öffentliche. Herr von Gerlach wohnte allen diesen Vorlesungen bei *). Jedes Mal, wenn ich in das Auditorium eintrat, fand ich ihn auf seiner Stelle; jedes Mal, wenn ich aus dem Hause, in welchem sich das Auditorium befand, heraustrat, stand er wartend vor der Thür. Wir gingen zusammen durch die Gasse, plauderten wohl auch noch ein Viertelstündchen vor meiner Wohnung und verabredeten einen Spaziergang für den Abend, bei schlechtem Wetter eine Zusam= menkunft, gewöhnlich in meiner Wohnung. Auf diese Weise trat bald eine große Vertraulichkeit zwischen uns ein, wie sie in jenen Tagen leicht, viel leichter entstand, als vorher und nachher. Niemals kann ich jener Zeit gedenken, ohne daß mir eine fromme Wehmuth, eine heilige Sehnsucht durch die Brust geht: ich meine die Zeit von 1806 bis 1814. Die furchtbaren Ereignisse der Jahre 1805 und 1806 hatten allerdings betäubend auf die menschliche Seele gewirkt. Man stand denselben verworren und verloren gegenüber, und fand wie keinen Halt, so keine Aussicht. Manchen wurde schwer, die Besinnung wieder zu gewinnen. Sie schienen das Gedächtniß früherer Zeiten verloren zu haben, und schaueten gedankenlos in die Trümmer hinein, unter welchen fie wandelten. Ja, oft schienen sie kaum zu glauben, daß die alte Erde noch fest sei, und daß die ewige Sonne jezt noch wie in früheren Tagen Licht, Leben und Wärme verbreitete. Nach und

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*) Db er noch andere Vorlesungen besucht hat, kann ich mit Zuversicht nicht mehr bejahen, noch verneinen. Ich möchte es kaum glauben. Auf seiner Stube glaube ich nur geschichtliche und kriegswissenschaftliche Bücher bemerkt zu haben.

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