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nur eine Viertelstunde im Gange zu erhalten. Auf solche und ähnliche Äußerungen erwiderte ich, was sich schicklicher Weise erwidern ließ. Den Ersten stimmte ich bei und gern; den Anderen sagte ich, daß mir doch nicht aufgefallen wäre, was bei ihnen Anstoß erregt hätte; die Dritten suchte ich zu widerlegen: Goethe sei wohl zerstreuet gewesen; er habe vielleicht so eben seinen Schreibtisch verlassen und den Kopf voll gehabt von großen Gedanken und dergleichen mehr. Nur wenn die Reisenden mir näher bekannt oder befreundet waren, ging ich vielleicht ein auf ihre Bemerkungen.

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Schwerer ward es, mit einer zweiten Classe dieser Reisenden (die von Weimar kamen) fertig zu werden. Es waren gewöhnlich kleine Dichter, die sich im Drama versucht, oder Lieder gesungen hatten, in welchen sie vor lauter innerem Drange weder zu klaren Ideen, noch zu bestimmten Formen gekommen waren; es waren Novellen und Romanen - Schreiber; Redacteure oder Mitarbeiter von kritischen und unkritischen Blättern; Verfasser von Bildern, Skizzen und Scenen; mit Einem Worte Literaten aller Art, und wohl auch Fach- Gelehrte, Landstände, Titularund wirkliche Räthe. Diese Herren hatten auf jegliche Weise nach der Gunst gestrebt, Goethe'n ihre Aufwartung zu machen, und hatten nicht zu solcher Ehre zu gelangen vermocht. Der Eine, so wurde versichert, hatte sich persönlich gemeldet und war von dem Bedienten mit der trockenen Erklärung abgewiesen: er dürfe ihn nicht melden; Se. Excellenz wolle allein sein, oder sei nicht allein, oder erwarte anderen und hohen Besuch: Bei einer zweiten Meldung habe er eine ähnliche abweisende Antwort erhalten. Ein

Anderer, der einen berühmten Namen zu haben glaubte, ja der überzeugt war, Goethe müsse ihn kennen und verehren, weil er ihm seine Schriften geschickt habe, hatte ihm seine Ankunft in Weimar schriftlich kund gethan, und ihm die Stunde angezeigt, da er ihm aufzuwarten wünschte ; er war zur bestimmten Zeit pünktlich erschienen; der Bediente aber hatte ihn mit der Erklä= rung abgewiesen: er habe den Befehl, einem Jeden zu sagen, daß Se. Excellenz heute und morgen Niemand sehen könnten. Ein Dritter hatte den Bedienten fast gezwungen, seine Karte hinaufzutragen; derselbe habe aber keine andere Antwort zurück gebracht, als: es thue Sr. Ercellenz sehr Leid, aber es sei unmöglich. In ähnlicher Weise war es dem Vierten und dem Fünften ergangen. Ein Theil dieser Herren wär höchst aufgebracht, ein anderer Theil sehr betreten, Alle zeigten sich tief gekränkt, und selten fehlte es an erbaulichen Reflerionen über Hoffart, Dünkel, Impertinenz, und über die traurige Erscheinung, daß ein so großer, so außerordentlicher Geist alle Bescheidenheit ablege, ja alle Humanität und alle Rücksichten und alle Schonung vergesse. Natürlich versuchte ich zu beruhigen oder zu trösten. Zuvörderft schob ich Vieles und das Meiste auf den Diener. Das Wort des Herrn erhalte gewöhnlich im Munde des Dieners eine ganz andere Färbung. Eine freundliche Entschuldigung des Ersten möge durch den Anderen leicht in eine rauhe Abweisung umgestaltet werden. Alsdann wies ich, von Jahr zu Jahr mehr, auf Goethe's Alter hin, in welchem ihm Ruhe Bedürfniß sein möchte, und ließ nicht unbemerkt, wie wir doch Alle wünschen müßten, daß er sich schonte, um fich zu erhalten. Endlich erinnerte ich an Goethe's Stellung.

Er habe gar mannichfaltige Geschäfte zu besorgen; er erhalte sehr verschiedene Aufträge, deren er sich in einer bestimmten Zeit entledigen müsse; er sei genöthiget, viele vornehme Besuche zu empfangen, deren er wohl oftmals gern überhoben sein möchte, um sich mit gelehrten, wissenschaftlichen und geistreichen Männern unterhalten zu können; er könne nicht umhin, manche Stunde den gesellschaftlichen Verhältnissen zu opfern; er habe endlich eine sehr ausgebreitete Correspondenz zu führen, wenn er auch immerhin die meisten Briefe unbeantwortet lassen möge. Wenn man dieses Alles erwäge und sich alsdann frage, wie viele freie Stunden dem Manne für seine Studien und seine Schöpfungen übrig bleiben möchten: so werde man schwerlich sagen können, er habe einen Überfluß an Zeit. Wollte er nun die freien Stunden zu wissenschaftlichen oder dichterischen Arbeiten benußen, und sei eben voll von seinen Gedanken, voll des heiligen Geistes: so sei es doch wohl begreiflich, daß er auf keinerlei Weise unterbrochen sein wolle. Sie also, meine reisenden Freunde, hätten Niemand anzuklagen, als den Zufall, der sie gerade-in einer Stunde zu Goethe geführt hätte, in welcher derselbe durch einen Besuch der Musen beglückt gewesen. An einem anderen Tage, zu einer anderen Stunde würden sie gewiß gar freundlich empfangen worden sein. Mit diesen und ähnlichen Gründen gelang mir allerdings, Viele zu beruhigen. Manche jedoch blieben unwirsch. Ausnahmen, meinte Mancher, könnte Goethe machen. Und namentlich hätte er bei ihm eine Ausnahme machen sollen, weil Er es eben sei. Und das gab ich denn natürlich gern zu.

Eine dritte Classe von Reisenden, Jünglinge oder bis zur

Ängstlichkeit bescheidene Männer, hatte nicht gewagt, auch nur einen Versuch zu machen, um sich der Person des großen Dichters zu nähern. Sie hatten sich nur bemühet, ihn ein Mal aus der Ferne zu sehen. Und Einige hatten ihn gesehen, früher im Theater, später bei einem Spaziergange in seinem Garten, oder auch an einem Fenster seiner Wohnung. Anderen dagegen war selbst dieses Glück nicht zu Theil geworden; sie hatten sich mit der Betrachtung des Goethe'schen Hauses begnügen müssen. Und diese Leßten waren gewöhnlich wenig befriedigt. Sie hatten das Haus schon früher abgebildet gesehen; in der Abbildung war ihnen dafselbe wie ein Palast vorgekommen; und nun hatten sie nur ein bescheidenes, anspruchsloses Gebäude gefunden, dessen Lage fie auch eben nicht erfreuet hatte. Auf meine Frage: ob sie denn nicht auch die Häuser von Wieland und Schiller in Augenschein genommen hätten, drückten sie gewöhnlich ihr Erstaunen aus über die Kleinheit und Ärmlichkeit derselben. Diese Häuser seien ja wahre Hütten, wie sie in eine Vorstadt gehörten. Gegen sie sei Goethe's Haus allerdings noch ein Prachtgebäude. Und doch, pflegte ich anzumerken, sind aus diesen Hütten große und unsterbliche Werke hervorgegangen, wie selten oder nie aus Palästen; und die Schöpfer derselben haben zu ihrer Schöpfung nicht der ganzen Hütte bedurft, sondern nur ein Zimmerchen in derselben, und nicht des ganzen Zimmerchens, sondern nur einen kleinen Raum, auf welchem ein Tisch stehen kann und ein Stuhl. In der That ist ja, nach Sir William Temple, wenn ich nicht irre, das Haus nichts Anderes, als das äußerste Kleid des Menschen. Es ist immer vortrefflich, wenn es bequem ist, Schuß und Wärme

gewährt, und Raum genug hat, auch Diejenigen aufzunehmen, die uns am theuersten sind.

So mit den Reisenden, die von Weimar herkamen. Dieje= nigen dagegen, welche nach Weimar hingingen, pflegten sich nach Allem, was Goethe betraf, zu erkundigen, und um guten Rath zu bitten, auf welche Weise sie wohl am ersten zu der Ehre gelangen möchten, dem großen Mann ein Mal in die Augen zu schauen und ein Paar Worte mit ihm zu wechseln. Mit diesen Herren indeß wurde ich leicht fertig. Ich hielt mich bei den Erkundigungen im Allgemeinen und wich dem Rathgeben mit der vortrefflichen Floskel aus, daß Alles von den Umständen abhange, und daß sie selbst unter den gegebenen Umständen ohne Zweifel den besten Weg wählen würden.

Alle aber, Kommende und Gehende, seßten voraus, daß ich mit Goethe in mannichfaltigen Verkehr gekommen sein, und ihn also genau kennen müßte. Meine Versicherung, daß ich ihn nur wenig kenne, daß ich nur sehr selten mit ihm in Berührung gekommen sei, daß ich ihn nur ein Paar Male allein gesprochen hätte, und nur sehr selten in Gesellschaft, fand zuweilen keinen Glauben und erregte stets Verwunderung. Das sei ja nicht möglich, meinte man; ich sei ja Goethe's Nachbar - ,,WeimarJena, die große Stadt"; Goethe habe ja oft und lange in Jena verweilt, und ich selbst hätte mich ja Monate lang in Weimar aufgehalten. Und doch war meine Versicherung wahr.

Nach Goethe's Tode ward ich vielfach angegangen, mündlich und schriftlich. Der Eine wünschte Goethe's Handschrift für seine Sammlung zu befißen; und ich konnte nur mit dem Namen von

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