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gen die Wahrheit, um welche allein es dem Geschichtschreiber zu thun ist, nicht selten verloren geht. Die Schwierigkeiten verdop= peln und verdreifachen sich, wenn der Geschichtschreiber selbst noch in der Parteiung lebt, wenn auch nur in den Wirkungen derselben. Und wie leicht können die Wirkungen wieder Ursachen werden und neue Wirkungen erzeugen. Ein Partei - Schriftsteller mag ich als Geschichtschreiber nicht sein, und am Allerwenigsten in einer so großen Angelegenheit. Es war gewiß verzeihlich, ja es war natürlich, daß jede Partei, so lange der offene Kampf dauerte, im Rechte zu sein behauptete, und eben so natürlich, daß jede Partei, da keine die andere überwunden hat, zu behaupten fortfuhr, fie allein sei im Besiße der Wahrheit, und sie habe obfiegen sollen überall. Aber in folchen Behauptungen liegt die Wahrheit der Geschichte nicht. Wenn ich mir auch zutrauen möchte, es könnte mir gelingen, mich zu einer solchen Höhe zu erheben, und auf einer solchen Höhe zu erhalten, auf welcher mir alles Partei - Gewühl verschwände und die Wahrheit rein und lauter sich enthüllte: würde es mir auch gelingen, die erkannte Wahrheit in einer Sprache darzustellen, welche hüben und drüben verstanden würde und doch kein Ärgerniß gäbe? - Um den Beifall der Menge habe ich nie gebuhlt, und ich rechne gar Manchen zu der Menge, der hoch erhaben über dieselbe zu sein wähnt; aber die Anerkennung der Denkenden und Verständigen in dieser Zeit und in der künftigen ist mir keinesweges gleichgültig, weil ohne diese Anerkennung meine Arbeit wie eine taube Frucht in die Welt hinaus geworfen würde. Nun gebe ich auch gern zu, daß die Zahl der Denkenden und Verständigen nicht eben klein sei. Sie

wissen Alle gar wohl, daß sich in unsern Tagen Niemand ein Verdienst daraus machen soll, daß er Katholik ist oder Protestant; sie wissen, daß hier der Zufall unserer Geburt, die Fügung der Vorsehung, entschieden hat. Wie viele aber giebt es wohl selbst unter ihnen, welche alle Eindrücke der Kindheit und Jugend aus ihrer Seele auszutilgen und alle Vorurtheile zu überwinden vermögen? Nein, ich möchte jene Geschichte nicht schreiben, wenn ich es auch vermöchte.

,,Vielleicht haben Sie Recht," sagte der Erzbischof; „jedes Falles ist Ihr Verfahren, bei dieser Ansicht und dieser Gesinnung, das richtige. Aber,“ seßte er hinzu,,,wir kommen zu weit. Ich muß aufbrechen. Mein Wunsch ist erfüllt. Ich habe Sie gesehen und gesprochen, und werde daher Jena sogleich verlassen. Sie und Ihr liebes Gesicht werde ich nie vergessen. Damit aber auch Sie ein freundliches Andenken an diese freundliche Stunde behalten, will ich Ihnen eine Medaille zusenden, welche auf die neue Kirche, die ich in Erlau habe erbauen lassen (und von dieser Kirche hatten wir auch gesprochen) geschlagen worden ist.“

Ich sagte dem Scheidenden ähnliche Worte, wie der Augenblick fie eingab. Hierauf umarmten wir uns wie alte Freunde, und der Herr Erzbischof verließ mich unter gegenseitigen frommen Wünschen. Etwa zehn Minuten nachher brachte mir der Lohndiener die Medaille; und abermals zehn Minuten später stand ich auf dem Katheder, um eine Vorlesung zu halten. Nach der Beendigung des Collegiums begab ich mich sogleich in den Gasthof, um dem Herrn Erzbischof meine Aufwartung zu machen und noch

ein Mal eine glückliche Reise zu wünschen. Der Erzbischof war aber schon vor länger als einer Stunde abgereist.

Im Laufe des Gesprächs hatte ich bemerkt, daß ich das Jahr zuvor (1836) auch am Rheine gewesen wäre; ich hätte nach Holland zu reisen gedacht, hätte aber, im Monate September, so anhaltend schlechtes Wetter gehabt, daß ich Bedenken getragen, mich in das Nebelland hinein zu wagen; deßwegen wäre ich in Cöln umgekehrt und den Rhein wieder hinauf gereist. Bis Cöln ge= denke ich auch zu gehen," sagte der Erzbischof.,,Und auch wohl bloß zur Erholung?" fragte ich, freilich ein wenig naiv. „Ja,“ antwortete der Erzbischof.,,Ich bin meiner Gesundheit wegen im Bade gewesen, und will nun den Rhein, den ich noch nicht gesehen habe, hinauf reisen. Alsdann gedenke ich über die Berge nach Venedig zu gehen. Hier bin ich zehn Jahr Patriarch gewesen und habe eine wahre Sehnsucht, meine alte liebe Gemeinde ein Mal wieder zu begrüßen. Über Triest werde ich endlich ins Vaterland zurückkehren.“

Ich gestehe, daß es mir ein wenig auffiel, daß ein Erzbischof eine so große Reise lediglich zur Erholung oder, wie ich das Jahr zuvor die Reise nach dem Rhein, zum Vergnügen machen wollte; und ich sah in der Antwort eigentlich nur eine billige Zurückweisung meiner Frage. Späterhin berichteten die Zeitungen wiederholt über den Erzbischof Pyrker. Ich erfuhr aus diesen Berichten, daß derselbe in München gewesen, aber ich habe nicht gelesen, daß er durch die Schweiz oder durch Tyrol gegangen sei, und auch nicht, daß er sich zu Venedig befunden habe. Indeß ist

möglich, daß mir solche Nachrichten entgangen sind. Nach der Verhaftung des Erzbischofs von Cöln ging mir sogleich der Gedanke durch den Kopf, ob nicht vielleicht der Erzbischof von Erlau eine Mission an jenen Prälaten gehabt habe? Es wurde mir schwer anzunehmen, daß Pyrker's Reise gar nicht in Verbindung gestanden habe mit den Verwickelungen, in welchen der Erzbischof von Cöln schon damals, wie sich jest zeigte, befangen war, und mancherlei Conjecturen stiegen in mir auf.

Die f. g. Allocution des Papftes (12. Decemb. 1837).

der

Etwa einen Monat nach der Verhaftung des Erzbischofs von Cöln traf die f. g. erste,,Allocution des Papstes" bei uns ein. Dieses Manifest konnte mich nicht überraschen, aber es überraschte Diejenigen, welche die überspannte Hoffnung gehegt hatten, Papst würde, erschreckt durch das entschlossene Verfahren der preußischen Regierung, nur als Bittender auftreten, das Schifflein Petri werde alsobald die Segel streichen. Man erholte sich jedoch bald von dem ersten Eindruck; ja, man gab sich das Ansehen, diese Allocution als ein günstiges Ereigniß zu betrachten. Nunmehr, behauptete man, sei Preußen in die Nothwendigkeit verseßt, weiter zu gehen. „Die königliche Thesis" müsse nunmehr nothgedrungen vertheidigt werden, und sie könne nur vertheidigt werden mit Argumenten, welche auf dieselbe Weise in die Welt hinein gestellt würden, wie die Thesis selbst. Jezt müsse Rom sich beugen oder brechen. Ein Drittes gebe es nicht; Aussöhnung sei unmöglich. Dabei wurden allerlei Entwürfe gemacht, um die Katholiken unterzubringen, die zum Theil auch in den öffentlichen Blättern besprochen wurden. Im Besondern schien

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